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VG München, Urteil v. 20.09.2023 – M 5 K 20.32420
Titel:

Unglaubhafter Vortrag zur Unterstützung einer Hilfsorganisation für homosexuellen Menschen in Uganda

Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsatz:
Die Behauptung einer Verfolgung wegen medizinischer Unterstützung einer Hilfsorganisation für homosexuelle Menschen durch eine verheiratete Mutter von fünf Kindern ist unglaubhaft, wenn die Abwägung ihrer beruflichen und privaten Belange mit ihrer ethischen Einstellung nicht nachvollziehbar dargelegt wird. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Unterstützung, Hilfsorganisation für Homosexuelle, Unglaubhaft, Asyl, Hilfsorganisation, Homosexuelle, unglaubhaft
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27014

Tenor

 I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die 1984 geborene Klägerin ist ugandische Staatsangehörige, reiste am … Oktober 2019 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … Dezember 2019 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung am … Januar 2020 trug sie vor, dass sie ausgereist sei, da die Polizei sie wegen ihrer Unterstützung homosexueller Menschen suche. Sie sei von Beruf Operationsassistentin. Auf dem College habe sie zwei Freundinnen kenngelernt, die lesbisch gewesen seien. Im Jahr 2017 habe sie im Auftrag der Regierung gesundheitliche Aufklärung machen müssen. Da habe sie ihre Freundinnen wiedergetroffen. Eine Freundin habe ihr erzählt, dass sie HIVpositiv sei. Sie habe auf deren Bitten bei ihren homosexuellen Freundinnen und Freunden gesundheitliche Aufklärung gemacht und etwa Kondome und Medikamente verteilt. Sie hätte eine Organisation („Antphobies“) gehabt, deren Registrierung aber abgelehnt worden sei. Sie sei in dieser Organisation 2018 Mitglied geworden. Sie wisse nicht so viel darüber, sich habe sich nur an deren Tätigkeit beteiligt. Sie habe nur ihren Freunden helfen wollen, da sie Mitleid gehabt habe. Die Regierung habe sich um diese Leute nicht gekümmert. Sie habe etwa alle vier Monate so eine Aufklärung gemacht, insgesamt zwischen sechs und zehn Mal. Als sie auf dem Weg zu einer solchen Aufklärung gewesen sei, habe sie erfahren, dass die Polizei einige Mitglieder der Organisation mitgenommen habe. Die Polizei sei auch bei ihr zuhause gewesen und habe nach ihr gesucht. Sie habe aus Angst an ihrer Arbeitsstelle übernachtet. Ein Kollege habe ihr erzählt, dass die Polizei auch dort nach ihr gesucht habe. Die Polizei habe ihr vorgeworfen, dass sie Homosexuelle unterstützt habe, was verboten sei. Ihr Chef habe gesagt, dass sie dort nicht mehr arbeiten könne. Sie habe sich darauf versteckt. Ihr Mann habe ihre Ausreise organisiert. Ihr Ehemann sei moslemischen Glaubens und könne daher Homosexuelle nicht unterstützen. Er sei über ihre Tätigkeit nicht glücklich gewesen. Sie habe ihren Ehemann und ihre fünf Kinder in Uganda zurücklassen müssen. Sie befürchte lebenslange Haft bei einer Rückkehr nach Uganda.
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Mit Bescheid vom … Juli 2020 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Dieser Bescheid wurde der Klägerin am … August 2020 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
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Die Klagepartei hat am 25. August 2020 Klage erhoben und beantragt,
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I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … Juli 2020 wird aufgehoben.
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II. Die Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin als Asylberechtigte anzuerkennen, ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise der Klägerin den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und § 60 Abs. 7 S.1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) hinsichtlich Uganda vorliegen.
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Es wurde eine Bestätigung einer Person vorgelegt, dass die Klägerin Unterstützerin des LGBTI-Movement in Uganda gewesen sei. Die Klägerin sei der Überzeugung, dass die Rechte homosexueller Menschen gestärkt werden müssten und ihnen Zugang zu medizinischer Versorgung geschaffen werden müssten. Durch die sehr weit gefasste neue Strafgesetzgebung hinsichtlich Homosexualität in Uganda drohe ihr anknüpfend an ihre politische Überzeugung eine politische Verfolgung.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Am 19. September 2023 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift vom 19. September 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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a) Die Klägerin hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16 a Grundgesetz/GG) wie auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
14
Der Vortrag der Klägerin ist unglaubhaft. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag, sie habe eine Hilfsorganisation von homosexuellen Menschen in Uganda unterstützt und befürchte daher eine Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda.
15
Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist die medizinische Unterstützung dieser Personengruppe ein Schritt, der eine bewusste Entscheidung bedingt. Denn damit setzt sich die Klägerin bei einer Entdeckung ihrer Tätigkeit einem erheblichen Risiko aus, was sie auch bekräftigt hat. Gerade in ihrer Stellung als Angestellte in einem staatlichen Krankenhaus und verheiratete Mutter von fünf Kindern ist daher zu erwarten, dass ein entsprechendes Engagement erst nach einer Abwägungsentscheidung erfolgt. Die hierzu von der Klägerin vorgetragene Argumentation, dass sie von ihrem Beruf her der Überzeugung gewesen sei, dass „ein Mensch ein Recht auf Gesundheit habe und ein Recht darauf, das zu praktizieren“, sowie dass „alle Menschen gleichbehandelt werden müssten“, ist oberflächlich und platt. Eine Abwägung ihrer beruflichen und privaten Belange mit ihrer ethischen Einstellung ist damit nicht ansatzweise dargetan. Das Argument, dass man „Menschen nicht sterben lassen könne“ sowie, dass „sie schon immer Menschen geholfen habe“, wirkt sehr knapp, oberflächlich und aufgesetzt. Auch der Umstand, dass sie eine lesbische Freundin, die sie schon von Kindesbeinen an gekannt habe, in die Organisation eingeführt habe, bedingt nichts Anderes. Der Konflikt zwischen einem von ihr erwarteten legalen Verhalten und den Konsequenzen für sie bei einer Entdeckung ist auch nicht ansatzweise dargetan. Das gilt erst recht für den Umstand, dass die Klägerin durch ihre Unterstützungshandlungen ein Risiko polizeilicher Ermittlungen in Form mittelbarer Auswirkungen auf ihre fünf Kinder und den Ehemann auch nicht ansatzweise geschildert hat. Gerade in der Situation als Ehefrau und Mutter drängt sich geradezu auf, dass ein entsprechendes Risiko mit bedacht wird. Hierzu hat die Klägerin nichts angegeben. Ihr Vortrag auf eine konkrete Nachfrage zu diesem Risiko für die Familie, dass der Klägerin „ihr Herz, ihre innerste Einstellung sage, dass alle Menschen ein Recht auf gleichberechtigte medizinische Behandlung hätten und es ihr egal sei, ob eine Frau lesbisch oder ein Mann schwul sei“, bleibt völlig oberflächlich und wirkt aufgesetzt. Die Angabe, dass ihr Ehemann das nicht gut gefunden habe, aber nichts habe dagegen tun können, da sie die Mutter der fünf Kinder sei, wirkt völlig aufgesetzt. Gerade bei einer Tätigkeit, die nach Schilderung der Klägerin in Uganda verboten ist, drängt sich eine Diskussion innerhalb einer Ehe geradezu auf, da bei einer Entdeckung mindestens mittelbare Folgen für den Ehemann und die Kinder drohen. Der Vortrag der Klägerin hierzu, dass ihr Mann – ein Moslem, der homosexuelle Orientierung nicht unterstützen könne -das habe hinnehmen müssen, ist nicht nachvollziehbar und geht an der Wirklichkeit vorbei. Hinzu kommt, dass die Klägerin Medikamente und Hygieneartikel aus der Klinik entwendet haben will, um sie für homosexuelle Menschen einzusetzen. Mit dem Umstand, dass diese Gegenstände den in der Klinik behandelten Patienten dann nicht mehr zur Verfügung stehen, hat sich die Klägerin überhaupt nicht auseinandergesetzt. Auch das ist völlig unplausibel. Insgesamt ist der Vortrag der Klägerin sehr detailarm, knapp und vage und nicht plausibel. Er ist daher als unglaubhaft einzustufen.
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Der Eindruck der Unglaubhaftigkeit des Vortrags wird auch durch verschiedene Widersprüche und Unstimmigkeiten unterstrichen. Das gilt für die Zahl der Informationsveranstaltungen. Es ist nicht plausibel, dass sie einmal in vier Monaten eine solche Veranstaltung abgehalten habe, wobei aber insgesamt in dem etwas mehr als ein Jahr betragenden Zeitraum ihres Engagements etwa 6 bis 8 Veranstaltungen zusammengekommen seien. Wenn die Klägerin hierzu angibt, dass manchmal Treffen ausgefallen seien und sie das nicht angegeben habe, dass sie beim Bundesamt nicht danach gefragt worden sei, überzeugt nicht. Denn es liegt im Verantwortungsbereich der Klägerin, stimmige Angaben zu machen. Das gilt auch für den in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragenen Umstand, dass sie Medikamente und Hygieneartikel aus dem Krankenhaus entwendet und für die Organisation verwendet haben will. Das ist ein erheblicher Umstand, der die Tätigkeit der Klägerin für die Organisation um einen zusätzlichen illegalen Umstand erweitert. Die Klägerin kann daher nicht davon ausgehen, dass diese Entwendung der Gegenstände der Klinik von der von ihr geschilderten Tätigkeit umfasst werden, die homosexuellen Menschen behandelt zu haben.
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b) Angesichts der Unglaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin kommt es nicht auf die Bewertung der aktuellen Gesetzesverschärfung hinsichtlich Homosexualität in Uganda an, die allerdings – soweit ersichtlich – keine Rückwirkung anordnet. Es drängte sich auch nicht auf, die Umstände der angeblichen Unterstützungshandlungen der Klägerin durch die Einvernahme eines Zeugen weiter aufzuklären. Es wurde nicht geltend gemacht, dass diese Person über die Tätigkeiten der Klägerin aus unmittelbarer Wahrnehmung berichten könnte. Nach einem im Internet allgemein zugänglichen Bericht der taz.die tageszeitung vom 28. März 2012 befindet sich der als Zeuge benannte E.W. seit 2009 in Deutschland. Im Übrigen sind für die Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin in erster Linie deren Aussagen maßgeblich.
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c) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten. Für eine akut bestehende Erkrankung der Klägerin ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
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Da die Klägerin vor ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt ohne weiteres bestreiten konnte, wird ihr das auch bei einer Rückkehr nach Uganda möglich sein.
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2. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom 21. Juli 2020 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.