Inhalt

VG München, Urteil v. 20.09.2023 – M 5 K 20.30048
Titel:

Asylrecht Uganda

Normenketten:
AsylG § 3, § 78
AufenthG § 60
Leitsätze:
1. Auch eine kriminelle Verfolgung muss an ein in § 3 AsylG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach dem Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.7.2017 kann die politische Lage in Uganda als relativ stabil bezeichnet werden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Nichtstaatliche Bedrohung, Polizei schutzbereit und –fähig, nichtstaatliche Bedrohung, Polizei schutzbereit und schutzfähig
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27008

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der 1985 geborene Kläger ist ugandischer Staatsangehöriger und reiste am … Dezember 2018 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am …Februar 2019 stellte er einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung am … März 2019 erklärte der Kläger, dass er Transporte in den Südsudan organisiert habe. Dabei seien einmal Waffen und Medikamente gefunden worden, obwohl er das nicht verantwortet habe. Er sei im November 2017 im Südsudan festgenommen und inhaftiert worden. Im Januar 2018 habe er mit Hilfe seiner Frau durch Zahlung einer erheblichen Geldsumme freikommen können. Die Vorfälle im Südsudan habe er bei der Polizei angezeigt. Er habe seine Auftraggeber in Uganda kontaktiert und darauf bestanden, dass seine im Südsudan verbliebenen LKW entsprechend den Abmachungen von den Auftraggebern zurückgeholt würden und die Auslagen des Klägers erstattet würden. Am … Februar (vom Kläger korrigiert anstatt: Dezember) 2018 sei in das Haus des Klägers eingebrochen worden. Er sei bedroht worden, nicht erneut zur Polizei zu gehen. Kurze Zeit später sei er von einem Assistenten des Polizeichefs mit einer Waffe erneut bedroht worden, nicht mehr über die Vorfälle zu reden. Der Kläger habe aber einer Sprecherin des Parlaments alle Vorfälle im Südsudan berichtet. Darauf habe sich der Kläger bei Freunden und an anderen verschiedenen Orten versteckt. Er sei von Autos ohne Nummernschilder verfolgt worden. Die Familie des Klägers habe er zu seiner Mutter gebracht. Auch dort habe man danach gefragt, ob er Verbindungen zu den Rebellen habe. Da die Männer täglich vor dem Haus seiner Mutter gestanden seien, sei die Familie in ein anderes Appartement gezogen. Er sei am Telefon bedroht worden, nachdem er sich an die Polizei gewendet habe. In dieses Appartement sei eingebrochen worden, seine Frau sei von Männern auf Motorrädern verfolgt worden. Darauf habe er sich entschlossen, zu seiner Schwester nach Hannover zu reisen.
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Mit Bescheid vom … Dezember 2019 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Dieser Bescheid wurde dem Kläger am … Januar 2020 zugestellt.
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Am 10. Januar 2020 hat die Klagepartei Klage erhoben und beantragt,
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1. Der angegriffene Bescheid wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) zuzuerkennen.
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3. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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4. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen.
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Der Kläger sei an die Öffentlichkeit gegangen, da er sich davon Schutz versprochen habe. Aufgrund der Intensität der Verfolgungsmaßnahmen sei von einer Vorverfolgung auszugehen. Staatliche ugandische Stellen unterstützten nach Presseberichten die Konfliktparteien im Südsudan.
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Die Beklagte hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Am 19. September 2023 fand mündliche Verhandlung statt.
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Die Asylklage der Ehefrau und zweier Töchter des Klägers wurde mit Urteil vom 20. September 2023 abgewiesen (M 5 K 22.32248).
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift vom 19. September 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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a) Der Kläger hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
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Der Vortrag des Klägers, er sei von Leuten aus dem Sicherheitsapparat Ugandas verfolgt worden, da er ausstehende Zahlungen nach einer Lieferung von Waffen und Medikamenten in den Südsudan gegenüber der Polizei angezeigt habe, ist unglaubhaft, da er völlig unplausibel ist. Der Kläger hat geschildert, dass er massiv bedroht worden sei, wegen der ausstehenden Zahlungen und der Wiederbeschaffung seiner LKWs durch seine Auftraggeber in Uganda nicht mehr zur Polizei zu gehen. Er und seine Familie seien sogar in Wohnung überfallen worden. Wenn der Kläger ernsthaft um die Sicherheit seiner Familie sowie seine eigene Sicherheit besorgt gewesen wäre, hätte es sich aufgedrängt, diesem Ansinnen nachzukommen und „stillzuhalten“. Warum er bei einem „Stillhalten“ weiter in Gefahr gewesen wäre, hat der Kläger nicht konkret angegeben. Insoweit hat er in der mündlichen Verhandlung nur Oberservationsmaßnahmen geschildert. Durch die Weitergabe der Tatsachen zum Transport illegaler Waren in den Südsudan an einen Freund sowie dessen Weitergabe an einen Journalisten und den Kontakt mit einer Parlamentsabgeordneten musste sich dem Kläger aufdrängen, dass damit ein erhebliches Risiko verbunden ist, dass die Angelegenheit unvorhersehbare Weiterungen nehmen kann. Denn durch die Publikmachung wurde das Gegenteil dessen bewirkt, was von den Leuten, die ihn und seine Familie bedroht haben sollen, beabsichtigt war. Eine Bewertung des damit verbundenen Risikos hat der Kläger auch nicht ansatzweise angegeben. Die Einlassung des Klägers, dass sich seine Kontaktaufnahme und Weitergabe der Informationen „im Nachhinein vielleicht ein Fehler gewesen“ sei, wirkt oberflächlich und aufgesetzt. Die vom Kläger geschilderte Grundsituation, entgegen der massiven Drohungen, wegen der Angelegenheit nicht nochmals zur Polizei zu gehen, die Informationen über den Transport an Dritte weiterzugeben, ist auch nicht im Ansatz nachvollziehbar und völlig unplausibel. Der Vortrag ist damit unglaubhaft.
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b) Von der Unglaubhaftigkeit des Vortrags abgesehen knüpfen die vom Kläger vorgetragenen Drohungen nicht an asylerhebliche Merkmale im Sinn des Art. 16a Abs. 1 GG an (Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 16. Auflage 2020, Art. 16a Rn. 11 ff.). Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Asylgesetzes /AsylG ist für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlich, dass sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Auch eine kriminelle Verfolgung muss an ein in § 3 AsylG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können. Eine Verfolgung i.S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten (VG Augsburg, B.v. 6.4.2017 – 4 S 17.31616 – juris Rn. 17).
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Die vorgetragenen Drohungen durch Leute, die angeblich den ugandischen Sicherheitsbehörden angehören, knüpfen nicht an asylerhebliche Merkmale an. Denn diese Drohungen dienten entsprechend der vom Kläger vorgetragenen Absicht der Leute dazu, Informationen über Transporte illegaler Waren in den Südsudan möglichst zurückzuhalten. Damit soll kriminelles Verhalten möglichst geheim gehalten werden, da Ermittlungen durch die Polizei verhindert werden sollen. Der Kläger wurde damit nicht wegen seiner politischen Einstellung oder anderer asylerheblicher Merkmale Opfer der von ihm angegebenen angeblichen Übergriffe (zur Unglaubhaftigkeit des Vortrags siehe oben a)). Es handelt sich um kriminelle Übergriffe, gegen die der ugandische Staat grundsätzlich schutzbereit und -fähig ist (Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juli 2017, S, 7 ff. – trotz Korruption). Nach dem Länderinformationsblatt Uganda des Österreichischen Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Juli 2017 (S. 6 f.) kann die politische Lage in Uganda als relativ stabil bezeichnet werden.
19
c) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
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Die Voraussetzungen für das Vorliegen von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes/AufenthG liegen nicht vor. Hierfür ist weder etwas vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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d) Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
22
Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom … Dezember 2019 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
23
2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligte nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.