Inhalt

VG München, Beschluss v. 28.09.2023 – M 7 S 23.684
Titel:

Querdenker- und Reichsbürgerszene: Erfolgloser einstweiliger Rechtsschutz gegen Waffenverbot und Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse

Normenkette:
WaffG § 5, § 41 Abs. 1, § 46
Leitsätze:
1. Für die Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit von Personen finden die maßgeblichen Vorschriften des § 5 Abs. 1 und Abs. 2 WaffG nicht nur für die Rücknahme und den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, sondern auch im Rahmen der Prüfung von Waffenverboten für den Einzelfall nach § 41 WaffG und hier gleichermaßen in Bezug auf erlaubnisfreie Waffen und Munition nach § 41 Abs. 1 WaffG wie auf erlaubnispflichtige Waffen und Munition nach § 41 Abs. 2 WaffG Anwendung. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen, als bei erlaubnispflichtigen Waffen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. In Anbetracht des Sinns und Zwecks der gesetzlichen Regelungen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG kein Nachweis erforderlich, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG normierten Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei Erfüllung des Tatbestands der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ist weiter einzelfallbezogen zu prüfen, ob atypische Umstände vorliegen, die geeignet sein können, die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit zu widerlegen. Dabei ist strafrechtlich und waffenrechtlich beanstandungsfreies Verhalten in der Vergangenheit zur Widerlegung der Vermutung der Unzuverlässigkeit allein nicht ausreichend, da ein waffenrechtskonformes Verhalten in der Vergangenheit ohnehin vorausgesetzt werden muss. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Waffenverbot bzgl. erlaubnisfreier Waffen, Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates, „Querdenker“, Querdenkerszene, Reichsbürgerbewegung, verfassungsmäßige Ordnung, Ermessen, Verhältnismäßigkeit, Sofortvollzugsanordnung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 30.01.2024 – 24 CS 23.1872
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27007

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 8.375,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf seine Klage gegen den Erlass eines Erwerbs- und Besitzverbots für erlaubnisfreie Waffen und Munition sowie die mit dem Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse (Waffenbesitzkarten, Europäischer Feuerwaffenpass, Kleiner Waffenschein) verbundenen Folgeanordnungen mit Bescheid der Antragsgegnerin vom … … 2023.
2
Nach der Sachverhaltsdarstellung eines der auf Streifenfahrt befindlichen Polizeibeamten (PHM …) vom … … 2022 war den beiden zivilen Polizeibeamten am selben Tag gegen 18:30 Uhr im M. auf der … … in nördlicher Fahrrichtung kurz vor der Einmündung zur … ein schwarzer Mercedes SUV aufgefallen. Hinter der Heckscheibe des Fahrzeugs seien auf einem Bildschirm politische Botschaften mit Bildern von Politikern des Bundestags und Beleidigungen gegen diese gelaufen, darunter Frau …, Herr … und Herr … Die Aufzählung sei nicht abschließend. Die Polizeibeamten seien dem Pkw eine Zeit lang hinterhergefahren und hätten Ausschnitte aus der deutschen Nationalhymne, Botschaften gegen die Coronamaßnahmen oder die aktuelle Geschlechterpolitik erkennen können. Die ausgestrahlten Botschaften seien für jeden umliegenden Verkehrsteilnehmer sehr gut zu sehen gewesen, da der Bildschirm hell erleuchtet gewesen sei und die gesamte Heckscheibe des SUV ausgefüllt habe. Zum Zeitpunkt der Feststellung habe reger Verkehr geherrscht, weshalb die visuellen Botschaften stark öffentlichkeitswirksam gewesen seien. Diese seien zudem zur Ablenkung und potentiellen Gefährdung des Straßenverkehrs geeignet gewesen. Da der Anfangsverdacht der Beleidigung gegen Personen des politischen Lebens sowie die Erlöschung der Betriebserlaubnis durch nicht ordnungsgemäße technische Einrichtungen im Kofferraum gegeben gewesen sei, sei der Fahrzeugführer (der Antragsteller) in der … / … einer polizeilichen Kontrolle unterzogen worden. Dieser habe zuvor noch die stark befahrene … in Richtung D. befahren. Beim Herantreten an das Fahrzeug seien den Beamten zusätzlich die stark getönten Fensterscheiben aufgefallen, die nach späterer Sichtung ebenfalls ein Erlöschen der Betriebserlaubnis darstellten. Der Unterzeichner habe sich dem Fahrzeugführer mit dem Dienstausweis als Polizeibeamter ausgewiesen. Anschließend sei ihm der Grund der Anhaltung mitgeteilt worden. Der Aufforderung, seinen Führerschein und Fahrzeugschein auszuhändigen, sei er zunächst nicht nachgekommen. Nachdem er die Dokumente ausgehändigt habe, sei er aufgefordert worden, die mitzuführenden Gegenstände wie Warndreieck, Warnweste und Verbandstasche vorzuzeigen. Dabei habe er sich bereits widerwillig gezeigt und habe wissen wollen, warum er diese Gegenstände vorzeigen sollte. Nach einer kurzen Diskussion mit dem Unterzeichner habe er auf die Beifahrerseite gegriffen und die Gegenstände vorgezeigt. Anschließend hätten die Beamten die technische Einrichtung im Kofferraum genauer begutachten wollen. Dazu sei der Antragsteller aufgefordert worden, aus dem Fahrzeug zu steigen und den Kofferraum zu öffnen. Dieser Aufforderung sei er nicht nachgekommen. Er habe gereizt reagiert und habe von dem Unterzeichner die erforderlichen Befugnisse sowie die genauen Paragraphen wissen wollen. Diese seien ihm auf verständliche Art und Weise mehrmals erläutert worden. Der Antragsteller habe jedoch nicht mehr auf die folgenden polizeilichen Anweisungen reagiert und sei weiterhin im Fahrzeug sitzen geblieben. Auf Grund der visuellen Botschaften sowie des gezeigten Verhaltens sei zum Zeitpunkt der Kontrolle bereits davon ausgegangen worden, dass es sich bei dem Antragsteller um ein Mitglied der Querdenkerszene oder einen Angehörigen der Reichsbürgerbewegung handeln könnte. Da er sich weiterhin unkooperativ verhalten habe und die Kontrolle unter diesen Umständen nicht habe weitergeführt werden können, seien der Außendienstleiter und weitere Polizeistreifen zur Verstärkung hinzugezogen worden. Zwischenzeitlich, noch vor Eintreffen der Unterstützung, habe der Unterzeichner bemerkt, dass der Antragsteller das Gespräch mit dem Smartphone per Videofunktion aufgenommen habe. Er habe dieses zwischen den Beinen eingeklemmt gehabt und mit der Selbstportraitkamera gefilmt. Er sei dazu aufgefordert worden, die Videoaufzeichnung sofort zu beenden, da dies eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes darstelle. Dieser Aufforderung sei er nur nach intensiver Aufforderung nachgekommen. Er habe sich jedoch geweigert, das Mobiltelefon herauszugeben oder die Aufnahme zu löschen. Anschließend habe er sich im Fahrzeug eingeschlossen und habe die Scheibe, welche nur einen Spalt offen gestanden habe, wieder hochgefahren. Eine weitere Kommunikation sei nicht mehr möglich gewesen. Nachdem die weiteren Streifen zur Unterstützung, darunter der Außendienstleiter PHK …, eingetroffen seien, sei das weitere taktische Vorgehen abgeklärt worden. PHK … habe den Antragsteller als Beschuldigter im Strafverfahren belehrt und ihn ebenfalls dazu aufgefordert, aus dem Fahrzeug zu steigen. Dieser Aufforderung sei der Antragsteller nicht nachgekommen. PHK … (der auch das weitere Gespräch führte) habe die Beschlagnahme des Handys als Beweismittel angeordnet. Nachdem sich der Antragsteller weiterhin geweigert habe, aus dem Fahrzeug zu steigen oder auf weitere Anordnungen zu reagieren, sei ihm der unmittelbare Zwang zur Durchsetzung der Beschlagnahme angedroht worden. Erst nach langer Diskussion habe der Antragsteller das Handy über einen kleinen Schlitz der Fensterscheibe ausgehändigt. Anschließend habe er das Fenster wieder gänzlich verschlossen. Über die Beschlagnahme sei ein Verzeichnis gefertigt worden, welches dem Antragsteller ausgehändigt worden sei. Dieser sei mit der Maßnahme nicht einverstanden gewesen und habe die Unterschrift verweigert. Bei einem Datenabgleich sei zwischenzeitlich in Erfahrung gebracht worden, dass der Antragsteller im Besitz mehrerer Schusswaffen sei. Im Anschluss sei dieser direkt gefragt worden, ob er eine Schusswaffe mit sich führe. Erst jetzt habe er sich als Schusswaffenführer zu erkennen gegeben und angegeben, dass sich eine Pistole, Kaliber 9mm, unter dem Beifahrersitz befinde. Der Antragsteller sei anschließend unter erneuter Androhung von unmittelbarem Zwang und unter höchster Beachtung der Eigensicherung aus dem Fahrzeug beordert worden. Zu diesem Zeitpunkt sei dieser bereits ca. 40 Minuten lang in seinem versperrten Fahrzeug gesessen. Er sei, nachdem er aus dem Fahrzeug dirigiert worden sei, mit den dienstlichen Handfesseln fixiert und durchsucht worden. Die Durchsuchung seiner Person sei negativ verlaufen. Er sei im Anschluss zur weiteren Sachbearbeitung zur Polizeiinspektion verbracht worden. Der entsprechende Tatvorwurf sei ihm eröffnet worden. Des Weiteren sei ihm die vorläufige Festnahme erläutert worden. Bei der Durchsuchung des Fahrzeugs habe die zuvor genannte Pistole, Kaliber 9mm, unter dem Beifahrersitz griffbereit aufgefunden werden können. Diese sei in einem Stoff-Etui verborgen und mit einem Zahlenschloss versperrt gewesen. Auf dem Rücksitz habe sich ein Waffengürtel mit sieben leeren Magazinen und einem Schnell-Zieh Holster für die Pistole befunden. Die Gegenstände hätten im Vorfeld durch die Polizeibeamten nicht erkannt werden können, da die Scheiben mit einer nicht ordnungsgemäßen Folie verdunkelt gewesen seien. Im Kofferraum hätten in einem Rucksack die zugehörigen Patronen (ca. 250 Stück) in einem Shaker aufbewahrt, aufgefunden werden können, neben einem Beil, einer Gasmaske, Ohrenschützern und einem Erste-Hilfe-Set. Da es sich bei dem Antragsteller vermutlich um eine Person aus der Querdenkerszene oder der Reichsbürgerbewegung handele und politischer Bezug bestanden habe, sei telefonische Rücksprache mit dem Jourdienst des zuständigen Fachkommissariats gehalten worden. Von zwei dortigen Kriminalbeamten sei dann die weitere Sachbearbeitung übernommen worden. Alle aufgefundenen Gegenstände seien nach mündlicher Anordnung des zuständigen Jour-Staatsanwalts beschlagnahmet worden. Dem Antragsteller sei im weiteren Verlauf ein Verzeichnis darüber ausgehändigt worden. Ein freiwilliger Atemalkoholtest habe gegen 22:15 Uhr einen Wert von 0,00 mg/l ergeben. Nach Befragung und in Inaugenscheinnahme des Antragstellers durch weitere Tests hätten sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, welche auf die Einnahme von Betäubungsmitteln hätten schließen lassen können. Bei der Durchsuchung des Pkw mit dem Sprengstoffhund hätten keinerlei Sprengmittel aufgefunden werden können. Das Fahrzeug sei zur Durchführung eines technischen Gutachtens beschlagnahmt worden.
3
Nach einem „Eindrucksvermerk“, des weiteren, bereits zu Beginn der Kontrolle beteiligten Polizeibeamten vom … … 2022 habe zu dem Antragsteller von ca. 18:30 Uhr bis ca. 23:00 Uhr (Entlassung) Kontakt bestanden. Dieser habe sich während der Kontrolle vor Ort unkooperativ gezeigt. So habe er es verweigert, aus dem Auto auszusteigen. Er habe sämtliche polizeiliche Anweisungen seitens PHM … in Frage gestellt und sei diesen nicht nachgekommen. Auf dem Beifahrersitz habe er einen Schnellhefter samt Ausdrucken mit Korrespondenzen mit dem … platziert. Ebenso seien im Schnellhefter Ausdrucke über Tatbestände von Verkehrsordnungswidrigkeiten abgeheftet gewesen. Somit habe es auf den Unterzeichner den Eindruck gemacht, als habe sich der Antragsteller gezielt auf die polizeiliche Kontrolle vorbereitet. Dieser habe während der Kontrolle mehrfach angegeben, Anwalt zu sein. Es sei so erschienen, als habe er juristische Kompetenz vermitteln wollen, um PHM … und ihn zu verunsichern. Des Weiteren habe er nach kurzer Zeit ihre Namen und ihre „Stammnummern“ verlangt. Die Namen, Dienstränge und Inspektionszugehörigkeit seien ihm mitgeteilt worden. Diese habe er sich auf einem Notizzettel notiert. Nachdem der Antragsteller vorläufig festgenommen worden sei, habe er sich stehend gefesselt hinter seinem Pkw befunden. Zum Zwecke der Beweismittelsicherung habe der Unterzeichner mit seinem dienstlichen Smartphone Lichtbilder des Pkw gefertigt. Er habe den Antragsteller gefragt, ob er denn etwas nach rechts zur Seite treten könnte. Dieser habe gesagt, dass er nicht weiter nach rechts gehen könne, obwohl rechtsseitig noch genug Platz gewesen wäre. Auf den Unterzeichner habe diese Aussage doppeldeutig gewirkt. Zur Überprüfung der Fahrtüchtigkeit sei der Antragsteller befragt worden, ob er denn in den letzten zwei Wochen Medikamente eingenommen habe. Er habe entgegnet, dass er keine Medikamente einnehme und auch nicht geimpft sei. Auf der Polizeiinspektion … habe sich der Antragsteller im Gegensatz zur Kontrolle vor Ort kooperativ gezeigt.
4
In dem „Ausrückbericht zur Beleidigung von Personen des politischen Lebens u.a.“ eines der eingesetzten Beamten des Kriminalfachdezernats … vom … … 2022 führt dieser aus, der Beschuldigte (Antragsteller) sei auf der Wache der PI … sitzend angetroffen worden. Er habe sich freundlich verhalten und sei stets kooperativ gewesen. Auffallend sei jedoch gewesen, dass er bei ihrer Vorstellung dies mit dem militärischen Gruß erwidert habe. Der Beschuldigte sei um 21:00 Uhr als solcher belehrt worden. Zur Sache habe er keine Angaben machen wollen. Da er selbst Anwalt sei, könne er auf einen solchen verzichten. In einem informatorischen Gespräch habe er dem Unterzeichner mitgeteilt, dass er mit der Reichsbürgerszene nichts zu tun habe und die Regeln und Gesetze des Staates respektiere und befolge. Er sei Bürger dieses Staates und lehne diesen auch nicht ab. Auf die Querdenkerszene angesprochen habe er gelächelt und gesagt, dass er mit so manchen Entscheidungen des Staates nicht einverstanden sei. Außerdem habe er schon an Autokorsos teilgenommen. Ob es sich hierbei um Autokorsos der Coronaleugner gehandelt habe, habe er nicht beantworten wollen. Auf die Frage, warum er die Waffe in seinem Fahrzeug mitgeführt habe, habe er angegeben, zu einem nahegelegenen Schießverein unterwegs zu sein. Mit der Sicherstellung der Waffe sei er einverstanden gewesen. Eine staatsschutzrechtliche Überprüfung sowie eine Prüfung im Datenbestand der Polizei sei negativ verlaufen. Zum „Eindruck zur Person“ wurde weiter ausgeführt, der Antragsteller habe sich den Polizeibeamten auf der PI … gegenüber stets freundlich und kooperativ verhalten. Er habe mehrmals um ein Glas Wasser gebeten und Toilettengänge. In Gesprächen mit ihm habe der Unterzeichner die PIN für sein Smartphone und auch das Zahlenschloss der Waffentasche in Erfahrung bringen können. Beides sei bereitwillig ausgehändigt bzw. mitgeteilt worden. Der Antragsteller sei eloquent und intelligent. Er sei in der Anwaltskanzlei *. als Patentanwalt angestellt. Allerdings führe er, laut seinen eigenen Aussagen ein „langweiliges Leben, Frau, zwei Kinder“. Diese Aussage und das aufgefundene Schriftstück auf seinem Beifahrersitz (Ausdruck Internetrecherche: § 33 StVO – Verbot von Verkehrsbeeinträchtigungen), das Verhalten an der Kontrollörtlichkeit und das Mitführen einer 9mm Waffe im Fahrzeug sowie das Verhalten den Beamten auf der PI … gegenüber lasse den Entschluss (gemeint wohl: Schluss) zu, dass der Antragsteller vorsätzlich mit dem Zeigen der Botschaften auf dem LED-Monitor eine Verkehrskontrolle durch die Polizei provoziert habe. Als ihm bei der Polizeiinspektion jedoch bewusst geworden sei, dass nun der Staatsschutz ermittle, habe er registriert, dass es sich nicht nur um eine Verkehrskontrolle (handele), die mit Bußgeld in Höhe von 15 – 25 Euro zu ahnden sei, sondern dass sein Handeln nun strafrechtliche Folgen haben werde. Während der Sachbearbeitung auf der Polizeiinspektion sei er mehrmals eingeschlafen, was er mit „einem harten Tag“ begründet habe.
5
Mit Schreiben vom … … 2022 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zu dem beabsichtigten Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse und Untersagung, erlaubnisfreie Waffen und Munition zu erwerben und zu besitzen, an. Die Bevollmächtigten des Antragstellers äußerten sich hierauf mit Schriftsatz vom … … 2023. Es sei nicht richtig, dass sich der Antragsteller im Rahmen der Straßenverkehrskontrolle unkooperativ gezeigt, das Fahrzeug von innen versperrt und die Kommunikation mit allen uniformierten Polizeibeamten an der Kontrollörtlichkeit eingestellt habe. Er habe die Seitenscheibe geöffnet und mit den anwesenden Polizeibeamten kommuniziert, sobald diese entsprechenden Bedarf geäußert hätten. Nur wenn sie sich vom Auto entfernt hätten, um zu ihrem Fahrzeug zu gehen, zu telefonieren und dergleichen, habe er das Seitenfenster geschlossen, da es im Auto kalt geworden sei. Als die Polizeibeamten wieder an das Fahrzeug herangetreten seien, habe der Antragsteller das Seitenfenster wieder geöffnet. Es sei richtig, dass der Antragsteller z.B. die polizeiliche Anweisung, den Kofferraum zu öffnen, hinterfragt habe. Dies stelle sich als ein rechtmäßiges Verhalten dar. Den zulässigen Anordnungen (Aushändigen des Ausweises, Führerscheins und Fahrzeugscheins, Untersuchung von Warndreieck, Verbandskasten und Sicherheitswesten auf Ordnungsmäßigkeit) sei er unverzüglich nachgekommen. Der Blick in den geöffneten Kofferraum komme einer Durchsuchung des Fahrzeugs gleich, was aber nur mit einem Durchsuchungsbeschluss erlaubt sei oder bei Gefahr in Verzug. Es brauche also einen begründeten Verdacht für eine rechtswidrige Handlung oder Tat, was nicht alleine aus Berufserfahrung oder der Weigerung, die Polizei freiwillig ins Fahrzeug schauen zu lassen, abgeleitet werden könne. Es sei richtig, dass der Antragsteller, nachdem er sich allein gewähnt habe, eine Videoaufnahme von sich selbst gestartet habe, um mangels Schreibwaren und Diktiergerät die zwischenzeitlich erhaltenen Informationen für sich per Diktat zu dokumentieren. Nicht richtig sei, dass er das Gespräch mit den Polizeibeamten gewollt aufgenommen bzw. dass er ein Video von den Polizeibeamten bewusst aufgenommen habe. Das Verlangen gegenüber den Polizeibeamten, sich auszuweisen und die Stammnummer anzugeben, stelle sich gemäß Art. 6 PAG als rechtmäßig dar. Der Antragsteller habe das Mitführen der Pistole auf Nachfrage anstandslos mitgeteilt. Die Waffe habe sich ordnungsgemäß verwahrt unterhalb des Beifahrersitzes befunden. Ca. 250 Patronen hätten sich im verschlossenen Kofferraum des Fahrzeugs in einem Rucksack und dort in einem Shaker befunden. Auch das Sicherstellungsprotokoll spreche von „vorschriftsgemäßer“ Aufbewahrung. Es sei dem Antragsteller nicht mehr erinnerlich, dass er gesagt haben solle, dass er nicht weiter nach rechts gehen könne. Eine solche angebliche Aussage stelle keinen Ausdruck seiner politischen Gesinnung dar. Nachdem der Antragsteller zur Polizeiinspektion … verbracht worden sei, seien ihm mehrere Polizeibeamte vorgestellt worden, die mit ihm hätten sprechen wollen. Er habe dies für völlig übertrieben gehalten und habe sich locker mit zwei Fingern an die Stirn gefasst, um so zu grüßen und Kooperationsbereitschaft zu signalisieren. Die Geste habe mit einem militärischen Gruß nichts zu tun gehabt. Der Antragsteller habe die Pistole mit sich geführt, um zur Ausübung des Schießsports in der … des Pistolenclubs … in D. zu fahren. Der Antragsteller habe mit der Reichsbürgerszene nichts zu tun. Er sei kein Reichsbürger, sei in keiner Vereinigung Mitglied, die der Reichsbürgerszene nahestehe, und habe auch keinerlei Verbindung zu dieser Szene. Er sei nicht vorbestraft und sei bisher nicht polizeiauffällig gewesen. Der Antragsteller sei auch kein sog. Querdenker und kein Rechtsradikaler. Er sei Patentanwalt, verheiratet und habe zwei kleine Kinder. Er sei Demokrat und Bürger der Bundesrepublik Deutschland, die er auch nicht ablehne. Er sei mit manchen Entscheidungen der Regierung nicht einverstanden und vertrete eine andere Meinung, was ihm auch zustehe. Die von der Antragsgegnerin gezogene Schlussfolgerung, dass der Antragsteller durch sein Verhalten und seine Äußerung indirekt klarmache, dass er den staatlichen Organen und Vertretern des Staates keine ausreichende Legitimation zuspreche, sowie das geltende Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland ablehne, sei unrichtig. In keiner der gezeigten Verhaltensweisen werde solches deutlich. Die Kritik richte sich gegen einzelne Politiker und deren Wirken und nicht gegen das staatliche System als solches. Allenfalls das politische Wirken dieser Politiker als solches werde kritisiert, nicht aber das staatliche System der Bundesrepublik Deutschland. Dies unterscheide die Geisteshaltung und Gesinnung des Antragstellers wesentlich von der Ideologie der Reichsbürger und der Querdenkerszene. Er sei ein mündiger Bürger der Bundesrepublik Deutschland, der die Rechtsordnung anerkenne. Dies könne ihm auch deshalb nicht abgesprochen werden, weil er unverhältnismäßige und zum Teil rechtswidrige polizeiliche Maßnahmen hinterfrage. Letztendlich habe er die polizeilichen Maßnahmen allesamt befolgt. Nachträgliche Tatsachen im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG lägen nicht vor, insbesondere liege kein Fall des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG vor. Der Antragsteller habe in keinster Weise die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland und die Gesetze, mit auch für den Antragsteller bindender Wirkung, negiert. Im Gegenteil habe er sich bezüglich des eingebauten LED-Monitors beim … und durch das Studium des § 33 StVO erkundigt, ob er nicht gegen die Straßenverkehrsordnung verstoße. Dies zeige, dass er sich gerade an die Gesetze halten möchte und diese auch anerkenne. Weiterhin bringe er in seiner Funktion als Patentanwalt täglich geltendes Recht zur Anwendung. Er sei Organ der Rechtspflege und handele auch dementsprechend.
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Mit Bescheid vom … … 2023, zugestellt am … … 2023, untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Zustellung des Bescheids auf Dauer, erlaubnisfreie Waffen und Munition zu erwerben oder zu besitzen (Nr. I.1). Die Erteilung der vom Kreisverwaltungsreferat … für den Antragsteller ausgestellten Waffenbesitzkarten für Sportschützen Nr. … vom … … 2018, der Waffenbesitzkarte Nr. … vom … … 2018, der Waffenbesitzkarte Nr. … vom … … 2020, des Europäischen Feuerwaffenpasses Nr. … vom … … 2021 sowie des Kleinen Waffenscheins Nr. … vom … … 2017 wurde mit Zustellung des Bescheids widerrufen (Nr. I.2). Dem Antragsteller wurde aufgegeben, die in seinem Besitz befindlichen Waffen bzw. Waffenteile und Munition innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids an einen Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und dem Kreisverwaltungsreferat einen Nachweis zu erbringen. Es handele sich um folgende (anschließend einzeln aufgezählte) zehn Waffen bzw. Waffenteile. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist würden die Waffen bzw. Waffenteile und Munition sichergestellt (Nr. I.3.). Die in Nr. I.2 genannten waffenrechtlichen Erlaubnisse seien innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids beim Kreisverwaltungsreferat abzugeben bzw. einzusenden (Nr. I.4). Für die Nrn. I.1, I.3 und I.4 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. I.5). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnisse wurde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 500,- Euro je Erlaubnisdokument angedroht (Nr. I.6). Dem Antragsteller wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt und eine Gebühr in Höhe von 200,- Euro mit Auslagen (2,49 Euro) festgesetzt.
7
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage für das Verbot, erlaubnisfreie Waffen oder Munition zu erwerben und zu besitzen sei § 41 WaffG. Der Antragsteller besitze nicht die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG. Die (polizeilichen) Erkenntnisse ließen befürchten, dass er sich nicht an die strengen waffenrechtlichen Vorgaben des Waffengesetzes zum Umgang mit Waffen halten werde. Der Antragsteller werde vom Polizeipräsidium als sog. „Querdenker“ eingestuft. Angesichts der polizeilichen Einstufung und des oben angeführten Sachverhalts werde die Aussage in der Stellungnahme vom … … 2023, dass er kein „Querdenker“ sei, als Schutzbehauptung gewertet. Einem Teil der Angehörigen der Querdenkerszene sei gemein, dass sich bei ihnen eine fundamentale Ablehnung der bestehenden staatlichen Ordnung und ihrer Institutionen entwickelt habe. Die Angehörigen dieses Phänomenbereichs versuchten, das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie, in staatliche Institutionen sowie in Wissenschaft und Medien zu untergraben. Diese zielten dabei auf die Radikalisierung und Mobilisierung von Teilen der Bevölkerung, um ihre eigene Agenda voranzubringen. In der Gesamtschau seiner Äußerungen und Handlungen – insbesondere mit öffentlich ausgestrahlten Äußerungen wie „Fuck the System“ bzw. „Unsere Ampelregierung und ihr ÖR-'Schund-Funk' sind Schlampen der USA.“ – mache der Antragsteller indirekt klar, dass er den staatlichen Organen und den Vertretern des Staates keine ausreichende Legitimation zuspreche sowie das geltende Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland ablehne bzw. bereit sei, Verstöße gegen geltendes Recht zu provozieren. Der Antragsteller habe mit seinen öffentlichkeitswirksamen Äußerungen Mitglieder der Regierung sowie das bestehende Rechtssystem verächtlich gemacht. Seine Äußerungen hätten sich somit nicht nur gegen einzelne Politiker und deren Wirken, sondern auch gegen das staatliche System als solches gerichtet. Mit einer öffentlich ausgestrahlten Äußerung wie „Fuck the System“ bestreite er die Verbindlichkeit der unter dem Grundgesetz geschaffenen Rechtsordnung, zu der auch das Waffengesetz zähle. Auch wenn er nicht als Reichsbürger eingestuft werde, negiere er mit derartigen Äußerungen die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland, Gesetze mit auch für ihn bindender Wirkung zu erlassen. Wer aber Bundes- und Landesgesetze generell nicht als für sich verbindlich anerkenne und sich deshalb auch nicht verpflichtet sehe, die darin enthaltenen, dem Schutz der Allgemeinheit dienenden Vorschriften im Einzelnen jederzeit zu beachten, gebe Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen werde. Denn auch das Waffengesetz sei Teil der Rechtsordnung, die der Antragsteller nicht anerkenne. Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen und Munition sein solle, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdiene, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen werde, müsse dem Antragsteller, der die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansehe, die waffenrechtliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden. Dies bedeute nicht eine willkürliche Sanktion einer missliebigen politischen Meinung oder abstrusen Sympathiebekundung, sondern knüpfe ausschließlich an die Tatsache an, dass der Antragsteller mit Äußerungen, wie „Fuck the System“, für sich die Gültigkeit der bundes- und landesgesetzlichen Regelungen in Abrede stelle. Dass ihm bisher kein waffenrechtlicher Verstoß habe nachgewiesen werden können bzw. dass er als Patenanwalt als Organ der Rechtspflege anzusehen sei bzw. dass er sich im Vorfeld von Aktionen über mögliche rechtliche Sanktionen informiere – und diese Aktionen dann trotz erkennbarer Sanktionierung (z.B. Bußgeld bei Verkehrsbeeinträchtigung) durchführe – schließe die Anwendung von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst b und c WaffG nicht aus. Auch strafrechtliches bzw. waffenrechtliches Wohlverhalten stelle keine Besonderheit dar und müsse bei Waffenbesitzern als selbstverständliche Grundvoraussetzung für den Umgang mit Waffen angesehen werden. Hilfsweise werde auch eine Regelunzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa i.V.m. Nr. 3 Buchst. b und c WaffG angeführt. Danach besäßen Personen, die einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgten oder unterstützten oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt hätten, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet seien, in der Regel nicht die erforderliche Zuverlässigkeit. In der Gesamtschau seiner Äußerungen und Handlungen – insbesondere mit öffentliche ausgestrahlten Äußerungen wie „Fuck the System“ bzw. „Unsere Ampelregierung und ihr ÖR-'Schund-Funk' sind Schlampen der USA.“ – mache der Antragsteller klar, dass er den staatlichen Organen und den Vertretern des Staates keine ausreichende Legitimation zuspreche sowie das geltende Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland ablehne bzw. bereit sei, Verstöße gegen geltendes Recht zu provozieren. Er mache mit seinen öffentlichkeitswirksamen Äußerungen Mitglieder der Regierung sowie das bestehende Rechtssystem verächtlich. Der politische Aktivismus des Antragstellers als „Querdenker“ sei daher nicht nur als sicherheitsgefährdend, sondern auch als demokratiefeindlich – und somit gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet – zu bezeichnen. Das Gesetz habe den Waffenbehörden nach § 41 WaffG einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Verhängung eines Waffenverbots im Einzelfall eingeräumt. Dies bedeute im Fall des Antragstellers, dass sich die Waffenbehörde einerseits entschlossen habe zu handeln und andererseits unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzuwägen, ob die Belange der öffentlichen Sicherheit höher zu gewichten seien, als die Interessen des Antragstellers. Es folgten weitere Ausführungen zu dem legitimen Zweck des Waffenverbots sowie zu dessen Erforderlichkeit, Geeignetheit und Angemessenheit. Um der unsachgemäßen bzw. leichtfertigen Verwendung von erlaubnisfreien Waffen und Munition durch den Antragsteller als waffenrechtlich unzuverlässiger Person vorzubeugen und die damit verbundenen Gefahren abzuwenden, welche bereits mit dem Besitz von erlaubnisfreien Waffen oder Munition zu befürchten seien, habe dem Antragsteller in Anwendung des pflichtgemäßen Ermessens der Erwerb und Besitz solcher Gegenstände untersagt werden müssen. Die waffenrechtlichen Erlaubnisse seien auf der Grundlage von § 45 Abs. 2 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG zu widerrufen gewesen, da der Antragsteller die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht besitze. Rechtsgrundlage für die Anordnung in Nr. I.3 des Bescheids sei § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG und für die Anordnung in Nr. I.4 des Bescheids § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Zur Anordnung der sofortigen Vollziehung auf der Grundlage von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO wurde ausgeführt, es liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass das Waffenbesitzverbot und der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse vor der, bei Ausschöpfung des Verwaltungsrechtswegs u.U. erst in mehreren Jahren zu erwartenden Unanfechtbarkeit des Bescheids wirksam würden. Es habe deshalb sichergestellt werden müssen, dass der Antragsteller, der die erforderliche Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG sowie § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa i.V.m. Nr. 3 Buchst. b und c WaffG nicht mehr besitze, ab sofort keine Möglichkeit mehr habe, die tatsächliche Gewalt über Waffen und Munition auszuüben. Dies sei nur durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu gewährleisten. Die Abwägung des öffentlichen Interesses an einem sofort wirksamen Waffenbesitzverbot und Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse gegenüber dem privaten Interesse des Antragstellers, Waffen und Munition bis zu Unanfechtbarkeit des Bescheids zu erwerben und zu besitzen, habe daher einen eindeutigen Vorrang der öffentlichen Belange ergeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe des Bescheids Bezug genommen.
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Am … … 2023 erhoben die Bevollmächtigten des Antragstellers Klage (…). Am … … 2023 stellten sie einen Antrag im vorläufigen Rechtsschutz. Hierzu wurde – unter teilweiser (hier überwiegend nicht wiedergegebener) Wiederholung des Vortrags im Rahmen der Anhörung – ausgeführt, richtig sei, dass der Antragsteller, nachdem die Maßnahme bereits einige Zeit angedauert habe, in Ermangelung an Schreibwaren eine Videoaufnahme mittels seines Smartphones gestartet habe, um die wesentlichen Geschehnisse und Gesprächsinhalte selbst als Memo einzusprechen. Während dieses Zeitpunkts habe er sich alleine im Fahrzeug befunden, nicht im Gespräch mit dem Polizeibeamten und dieser sei auch nicht zugegen gewesen. Das Transportieren der 9mm-Pistole im Fahrzeug habe der Antragseller den Polizeibeamten auf Nachfrage unverzüglich mitgeteilt. Der Antragsteller habe mit der Reichsbürgerszene nichts zu tun. Er sei auch kein Rechtsradikaler. Seine Kritik richte sich gegen einzelne Politiker und deren Wirken und nicht gegen das staatliche System als solches. Allenfalls Entscheidungen und Verfehlungen dieser Politiker würden kritisiert, nicht aber das staatliche System der Bundesrepublik Deutschland. Er sei ein mündiger Bürger der Bundesrepublik Deutschland, der die Rechtsordnung anerkenne. Dies könne ihm auch deshalb nicht abgesprochen werden, weil er unverhältnismäßige und zum Teil rechtswidrige polizeiliche Maßnahmen hinterfrage. Letztendlich habe er die polizeilichen Maßnahmen allesamt befolgt. Wie das Polizeipräsidium … in seiner Mitteilung vom … … 2023 an die Antragsgegnerin (in dieser war u.a. mitgeteilt worden, dass der Antragsteller dort nicht als Reichsbürger eingestuft und als Querdenker geführt werde) die Auffassung vertreten könne, dass der Antragsteller der Querdenker-Szene zuzuordnen sei, sei unerklärlich. Es werde weder eine Definition für die „Querdenker-Szene“ angeführt noch unterbreitet, welche Relevanz für die rechtliche Würdigung des vorliegenden Sachverhalts sich daraus ergeben könnte. Es fehle nicht an der erforderlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe b und c WaffG. Die ungeladene 9mm-Pistole sei im Fahrzeug ordnungsgemäß in einem Futteral verwahrt und über die gesetzlichen Vorgaben hinaus mit einem Vorhängeschluss mit nicht-trivialer Zahlenkombination gesichert gewesen, ebenso die Patronen, die sich im verschlossenen Kofferraum befunden hätten. Ein Überlassen von Waffen und Munition an Dritte stehe nicht im Raum. Für den Unzuverlässigkeitsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG gebe es keinerlei Anhaltspunkte. Es lägen keinerlei „Anhaltsgründe“ dafür vor, dass der Antragsteller sich nicht an die strengen waffenrechtlichen Vorgaben des Waffengesetzes zum Umgang mit Waffen halten werde. Es sei klarzustellen, dass der Antragsteller, entgegen der Behauptung im streitgegenständlichen Bescheid, im Rahmen der Wahrnehmung seiner Rechte während der gesamten polizeilichen Maßnahme anstandslos kooperiert und kommuniziert habe. Zudem habe er bewiesen, dass er auch unter großem Druck und als Objekt fragwürdiger polizeilicher Maßnahmen Ruhe bewahrt, verbindlich und angemessen kommuniziert und deeskalierend auf sein Umfeld eingewirkt habe. Darüber hinaus würde auch die Zugehörigkeit des Antragstellers zu einer derzeit nicht näher definierten Gruppe („Querdenker“) alleine nicht genügen, um Unzuverlässigkeit zu bejahen. Welche waffenrechtlichen Implikationen die genannte Gruppe als solche oder ihre Mitglieder aufweise, sei weder gesetzlich belegt noch in der Rechtsprechung bislang gewürdigt noch im Bescheid dargelegt. Unabhängig davon sei bei der Prüfung der Zuverlässigkeit auf den Antragsteller selbst abzustellen und nicht auf eine angebliche Zugehörigkeit zu einer Gruppierung. Die von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verlangte Prognose sei auf diejenige Person zu beziehen, deren Zuverlässigkeit in Frage stehe. Die Unzuverlässigkeit anderer, selbst nahestehender Personen rechtfertige als solche nicht den Schluss auf ihre Unzuverlässigkeit. Individuelle Verhaltenspotentiale würden allerdings durch das soziale Umfeld mitbestimmt. Daher bestünden keine Bedenken dagegen, die Gruppenzugehörigkeit einer Person – ein personenbezogenes Merkmal – als Tatsache heranzuziehen, welche die Annahme der Unzuverlässigkeit stütze. Gefordert sei jedoch, dass zwischen der Annahme der Unzuverlässigkeit und der Gruppenzugehörigkeit eine kausale Verbindung bestehe. Gerade die Gruppenzugehörigkeit der Person müsse die Prognose tragen, dass diese künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verwirklichen werde. Nicht ausreichend sei, dass solche Verhaltensweisen innerhalb einer Gruppe regelmäßig vorgekommen seien oder noch vorkämen. Vielmehr müssten bestimmte Strukturmerkmale der Gruppe die Annahme rechtfertigen, dass gerade auch die Person, die in Rede stehe, sie künftig verwirklichen werde. In dem streitgegenständlichen Bescheid fehlten Ausführungen zum Zusammenhang zwischen einer angeblichen nicht näher definierten Querdenkerszene und der Unzuverlässigkeit des Antragstellers. Insbesondere seien die folgenden Aspekte nicht zugunsten des Antragstellers beachtet worden. Er sei nicht vorbestraft und sei bisher nicht polizeiauffällig geworden. In keiner der von dem Antragsteller gezeigten Verhaltensweisen werde deutlich, dass die staatlichen Organe oder die Vertreter des Staates keine ausreichende Legitimation hätten. Die Kritik richte sich gegen einzelne Politiker und deren Wirken und nicht gegen das staatliche System als solches. Entscheidungen und Verfehlungen dieser Politiker würden kritisiert, nicht aber das staatliche System der Bundesrepublik Deutschland. Der Antragsteller sei ein mündiger Bürger der Bundesrepublik Deutschland, der die Rechtsordnung anerkenne. Vielmehr sei er bestrebt, durch seine Mitgliedschaft und Ämter der demokratischen Partei („… …“, Mitgliedsnummer …) die freiheitliche demokratische Grundordnung zu stärken und die Zukunft Deutschlands auf demokratischem Wege aktiv mitzugestalten. In keinster Weise habe der Antragsteller die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland und die Gesetze, mit auch für ihn bindender Wirkung, negiert. Im Gegenteil habe er sich bzgl. des eingebauten LED-Monitors beim Fachanwalt für Verkehrsrecht des … und durch das Studium des § 33 StVO erkundigt, ob er nicht gegen die Straßenverkehrsordnung verstoße. Dies zeige auf, dass er sich gerade an die Gesetze halten möchte und diese auch anerkenne. Weiterhin bringe der Antragsteller in seiner Funktion als Patentanwalt täglich geltendes Recht zur Anwendung. Er sei Organ der Rechtspflege und handele auch dementsprechend. Darüber hinaus stelle sich die Entscheidung in dem streitgegenständlichen Bescheid als unverhältnismäßig und daher als ermessenfehlerhaft dar, denn der Antragsteller habe im Rahmen seiner Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gehandelt. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit stelle eine Grundlage des demokratischen Gemeinwesens dar, was sich in seinem hohen Stellenwert in der Rechtsprechung widerspiegele. Das Bundesverfassungsgericht bezeichne es seit dem grundlegenden Lüth-Urteil von 1958 als konstituierend für die freiheitliche demokratische Grundordnung. Auch Meinungen, die der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderliefen, würden durch die Meinungsfreiheit geschützt. Das Grundgesetz vertraue darauf, dass sich solche Meinungen in der Öffentlichkeit nicht durchsetzten. Insgesamt lasse sich der Eindruck nicht verwehren, dass im vorliegenden Fall eine Person kriminalisiert werden solle, die ihre Meinung auf außergewöhnliche Weise kundtue. Eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffenrechts lasse sich hieraus aber nicht konstruieren, da es auch an jeglichem Zusammenhang zwischen der Meinungsäußerung und der Zuverlässigkeitsprüfung im Waffenrecht fehle. Die Folgeanordnungen in „Ziffern I.3 und I.4“ des Bescheids stellten sich bereits deshalb als rechtswidrig dar, weil sich der Widerruf der Erlaubnisse als rechtswidrig darstelle. Dies gelte auch hinsichtlich „Ziffer I.7“. Da die „Ziffer I.4“ aufgehoben werde, fehle es an der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzung des „wirksamen Grundverwaltungsakts im Sinne von Art. 18 Abs. 1 BayVwZVG“.
9
Der Antragsteller beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom … … 2023 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom … … 2023, Az.: …, wird bzgl. der Ziffer I.1, I.3 und I.4 wiederhergestellt und bzgl. Nr. I.6 und I.7 angeordnet.
10
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
11
Mit Schriftsatz vom … … 2023 wurde ausgeführt, etliche wichtige Personen der Bundesregierung (z.B. Bundeskanzler …, Außenministerin …, Wirtschaftsminister …, Finanzminister …) würden in dem Video mit Bezeichnungen wie „…“, „…“ und „…“ abwertend dargestellt. Weiterhin werde die Aussage „Fuck the System“ in der Videosequenz ausgestrahlt. In der Gesamtschau des Videos sei davon auszugehen, dass sich dieses gegen die staatliche Ordnung und ihre Institutionen richte und dass dieses das Vertrauen der Bevölkerung in diese Institutionen erschüttern solle. Laut dem Bayerischen Innenminister in einem Zeitungsartikel vom 17. März 2021 gehörten zu der Querdenkerbewegung auch Personen, welche zu gewaltsamen Aktionen gegen staatliche Einrichtungen, gegen die staatliche Infrastruktur oder gegen staatliche Repräsentanten aufriefen oder sich an solchen Aktionen beteiligten, mit denen die Funktionsfähigkeit des Staates erheblich beeinträchtigt werden solle. Es gebe Akteure, die die Legitimation der demokratisch gewählten Entscheidungsträger und des Rechtsstaats insgesamt in Frage stellten. Die Aktivitäten seien daher als sicherheitsgefährdende demokratiefeindliche Bestrebungen zu qualifizieren. Wie im Bescheid ausgeführt, versuchten Querdenker das Vertrauen in staatliche Institutionen sowie Medien zu untergraben, um Teile der Bevölkerung für ihre eigene Agenda zu radikalisieren und zu mobilisieren. In der vom Antragsteller ausgestrahlten Videosequenz werde auf das bekannte Querdenker-Bündnis „München steht auf“ als Lösungsansatz für vom Antragsteller wahrgenommene Missstände verweisen. Auch das in der Querdenkerszene stark frequentierte Thema Impfen werde im Video aufgegriffen und negativ thematisiert. In dem Video werde Angehörigen der Querdenkerszene (wie zum Beispiel … … oder … …), welche eine gewisse mediale Aufmerksamkeit erreicht hätten, gedankt. Es werde im Video eine Frau gezeigt, welcher ein Teller mit Essen ins Gesicht klatsche. Neben der Frau stehe der Text „Volltreffer! Fuck der …!“ Es erschienen Grabsteine im Video. In dem Video würden öffentlich-rechtliche Sender mit „Fake-News“ gleichgesetzt. Der Inhalt des Videos lasse für die Antragsgegnerin die polizeiliche Einstufung des Antragstellers als Querdenker somit als plausibel und nachvollziehbar erscheinen. Der Inhalt des Videos sei auch aufgrund der dort schwingenden aggressiven, teilweise gewaltverherrlichenden Grundstimmung geeignet, um gegen staatliche Institutionen, welche von Ministern und Ministerinnen sowie vom Bundeskanzler repräsentiert würden, oder gegen öffentlich-rechtliche Fernsehsender zu mobilisieren.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem und in dem Klageverfahren (… …) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
13
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
14
Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung bzgl. der Nrn. I.1, I.3 und I.4 des Bescheids der Antragsgegnerin vom … … 2023 formell rechtmäßig ist und das (teilweise kraft Gesetzes bestehende – vgl. Art. 21a VwZVG) öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
15
Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung betreffend die Nrn. I.1, I.3, und I.4 des Bescheids ist formell rechtmäßig. Die von der Waffenbehörde vorgebrachte Begründung – an die keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55 m.w.N.) – genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da es sich dabei um eine auf den konkreten Fall abstellende, nicht lediglich formelhafte schriftliche Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts handelt. Es reicht dabei jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55). Im Bereich des Sicherheitsrechts sind die Anforderungen an die Begründung der Anordnung eines Sofortvollzugs ohnehin gering, weil es um den Schutz von Leben und Gesundheit geht und deshalb der Sofortvollzug in der Regel bereits aus der Natur der Sache begründet ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2008 – 19 CS 08.1471 – juris Rn. 3; B.v. 23.3.2006 – 19 CS 06.456 – juris Rn. 12). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft oder eine im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr darlegt. Gerade dann, wenn – wie insbesondere im Sicherheitsrecht – immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde – wie hier geschehen – zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. OVG NW, B.v. 25.8.2010 – 20 B 613/10 – juris Rn. 5).
16
Der Antragsteller hat nach Abwägung seines privaten Interesses mit dem öffentlichen Interesse keinen Anspruch auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage in dem beantragten Umfang. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verbots, erlaubnisfreie Waffen und Munition zu erwerben oder zu besitzen (Nr. I.1 des Bescheids) und der in den Nrn. I.3 und I.4 (mit Zwangsgeldandrohung in Nr. I.6 des Bescheids) zu dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Nr. I.2 ergangenen Folgeanordnungen überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
17
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden beziehungsweise von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
18
Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt die summarische Prüfung, dass der Bescheid vom … … 2023 bezüglich der hier streitgegenständlichen Verfügungen rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen dürfte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach summarischer Prüfung dürften keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verbots, erlaubnisfreie Waffen und Munition zu erwerben oder zu besitzen sowie der Folgeanordnungen zu dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse bestehen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bzgl. der Nr. I.1 des Bescheids ist, da es sich um ein dauerhaftes Verbot (Dauerverwaltungsakt) handelt, der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, hinsichtlich der weiteren Anordnungen ist hingegen der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, maßgebend.
19
Das in Nr. I.1 des Bescheids angeordnete Verbot des Erwerbs und Besitzes erlaubnisfreier Waffen und Munition auf der Grundlage von § 41 Abs. 1 WaffG (hier wohl § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG) dürfte rechtmäßig sein. Auch wenn die konkrete Vorschrift im Bescheid nicht genannt ist – es wird lediglich allgemein auf § 41 WaffG Bezug genommen –, ergibt sich nach entsprechender Auslegung angesichts des eindeutigen Wortlauts der Verfügung und der hierauf bezogenen Begründung, dass ein Verbot auf dieser Rechtsgrundlage beabsichtigt war. Eine dem § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 WaffG entsprechende Regelung wurde im Rahmen des § 41 Abs. 2 WaffG, der eine Regelungslücke schließen sollte, nicht als erforderlich angesehen, da im Fall der Annahme mangelnder Zuverlässigkeit für den Inhaber einer Berechtigung das Rücknahme- oder Widerrufsverfahren das passende Instrument sei, das – nach allgemeinen Regeln – auch Sofortanordnungen zulasse (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 77).
20
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 WaffG kann die zuständige Behörde jemandem den Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den Erwerb solcher Waffen oder Munition versagen, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist (Nr. 1) oder (u.a.) auch dann, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass ihm die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt (Nr. 2 Alt. 6).
21
Mit dieser allgemeinen Bezugnahme auf die Zuverlässigkeit hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass alle in § 5 WaffG genannten Fälle herangezogen werden können, ohne weitere Differenzierungen oder Einschränkungen machen zu müssen, um ein Waffenverbot nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG aussprechen zu können. Auch die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/7758, S. 76) lässt wohl keine andere Interpretation zu. Diese Begründung zu § 41 Abs. 1 Nr. 2 WaffG lautet: „Nummer 2 stellt nicht primär auf die Gefahrenlage ab. Hier geht es vielmehr darum, dass es einzelne Personen gibt, die durch ihr konkretes Verhalten ex negativo bewiesen haben, dass sie das Vertrauen, das der Gesetzgeber in den durchschnittlichen Volljährigen setzt, bei dem er hinsichtlich der erlaubnisfreien Waffen auf die Überprüfung bestimmter persönlicher Voraussetzungen (hier: persönliche Eignung und Zuverlässigkeit) verzichtet, nicht verdienen. In diesen Fällen ist ein Waffenverbot für den Einzelfall zulässig, wenn eine auf Tatsachen gestützte Annahme fehlender Eignung oder Zuverlässigkeit besteht (…).“ Mit der Neufassung dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber keine zusätzliche Prüfung verlangen, die zur Annahme einer missbräuchlichen Waffenverwendung berechtigt, wie dies in § 40 WaffG a.F. noch gefordert worden war (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2006 – 21 ZB 06.428 – juris Rn. 5 ff.).
22
Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts finden die für die Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit von Personen maßgeblichen Vorschriften des § 5 Abs. 1 und 2 WaffG nicht nur für die Rücknahme und den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, sondern auch im Rahmen der Prüfung von Waffenverboten für den Einzelfall nach § 41 WaffG und hier gleichermaßen in Bezug auf erlaubnisfreie Waffen und Munition nach § 41 Abs. 1 WaffG wie auf erlaubnispflichtige Waffen und Munition nach § 41 Abs. 2 WaffG Anwendung. Es muss stets und umfassend dem Zweck des Waffengesetzes Rechnung getragen werden, der darin besteht, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, auf ein Mindestmaß zu beschränken. Das Gebot der Risikominimierung ist Ausdruck der dem Waffengesetz insgesamt – auch im Hinblick auf § 41 Abs. 1 WaffG – zu Grunde liegenden präventiven Gefahrenvorsorge (vgl. BVerwG, B.v 20.1.2022 – 6 B 9/21 – juris Rn. 16).
23
Es ist daher kein sachlicher Grund ersichtlich, bei nicht erlaubnispflichtigen Waffen einen weniger strengen Maßstab hinsichtlich der erforderlichen Zuverlässigkeit anzulegen, als bei erlaubnispflichtigen Waffen (vgl. BayVGH, B.v. 10.8.2007 – 21 CS 07.1446 – juris Rn. 10; vgl. auch B.v. 19.3.2010 – 21 CS 10.59 – juris Rn. 7 ff.; B.v. 17.8.2010 – 21 C 10.1599 – juris Rn. 2 ff.; B.v. 8.6.2012 – 21 CS 12.790 – juris Rn. 6; B.v. 22.1.2014 – 21 ZB 13.1781 – juris Rn. 13 ff. m.w.N.; U.v. 12.8.2015 – 21 BV 14.2170 – juris Rn. 27; B.v. 15.10.2020 – 24 ZB 18.1159 – juris Rn. 9). So darf zur Konkretisierung des Begriffs der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit auch im Rahmen des § 41 WaffG auf die allgemeine Vorschrift des § 5 WaffG zurückgegriffen werden, die für den gesamten Geltungsbereich des Waffengesetzes gilt (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 21 CS 18.657 – juris Rn. 15; B.v. 24.1.2019 – 21 CS 18.1579 – juris Rn. 10; B.v. 14.7.2020 – 24 ZB 19.1176 – juris Rn. 11; B.v. 4.3.2021 – 24 ZB 20.3095 – juris Rn. 14 m.w.N.; vgl. in diesem Sinne auch VGH BW, B.v. 15.12.2022 – 6 S 1420/22 – juris Rn. 10 m.w.N.; OVG NW, B.v. 7.2.2018 – 20 B 704/17 – juris Rn. 32; OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 67; HessVGH, U.v. 12.10.2017 – 4 A 626/17 – juris Rn. 56 m.w.N.; NdsOVG, B.v. 10.11.2020 – 11 ME 365/19 – juris Rn. 12; OVG Bremen, B.v. 28.10.2015 – 1 LA 267/14 – juris Rn. 9; vgl. auch OVG Hamburg, B.v. 13.4.2011 – 3 Bf 86/10.Z – juris Rn. 6 f., wonach jedenfalls § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG ohne Einschränkung auch für den Umgang mit erlaubnisfreien Waffen maßgebliche Bedeutung zukommt, vgl. aktuell auch z.B. VG Potsdam, B.v. 7.6.2023 – 3 L 66/23 – juris Rn. 31; VG Greifswald, U.v. 8.6.2023 – 4 A 1118/21 HGW – juris Rn. 22; VG Bremen, B.v. 19.7.2023 – 2 V 396/23 – juris Rn. 34).
24
Bei der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der uneingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt.
25
Die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers dürfte sich vorliegend aus § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ergeben. Demnach besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden (Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
26
Über die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG ist aufgrund einer Prognose des künftigen Verhaltens zu entscheiden, deren Maßstab dem Gesetzeszweck Rechnung zu tragen hat. Es muss stets und umfassend dem Zweck des Waffengesetzes Rechnung getragen werden, der darin besteht, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, auf ein Mindestmaß zu beschränken. Das Gebot der Risikominimierung ist Ausdruck der dem Waffengesetz insgesamt – auch im Hinblick auf § 41 Abs. 1 WaffG – zu Grunde liegenden präventiven Gefahrenvorsorge. Daraus folgt, dass nur solche Personen als zuverlässig gelten können, bei denen die tatsächlichen Umstände keinen vernünftigen Zweifel zulassen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen werden (vgl. BVerwG in stRspr, zuletzt B.v. 20.1.2022 – 6 B 9/21 – juris Rn. 16 m.w.N.) In Anbetracht des Sinns und Zwecks der gesetzlichen Regelungen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG kein Nachweis erforderlich, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einen in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG normierten Unzuverlässigkeitstatbestand verwirklichen wird. Ausreichend ist vielmehr, dass eine hinreichende Wahrscheinlichkeit hierfür besteht (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1/14 – juris Rn. 17). Unter Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes ist die Prognose der Unzuverlässigkeit nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17). Die Prüfung der Zuverlässigkeit ist anhand einer umfassenden Einbeziehung und Bewertung aller Tatsachen vorzunehmen ist, die für die zu treffende zukunftsbezogene Beurteilung bedeutsam sein können (vgl. BVerwG, B. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris Rn. 5).
27
Der Antragsteller dürfte unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG sein. Im konkreten Fall dürften die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, die Annahme bzw. Prognose rechtfertigen, dass der Antragsteller mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein in § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG beschriebenes Verhalten zeigen wird und somit nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit verfügt. Die tatsächlichen Umstände dürften vernünftige Zweifel daran zulassen, dass der Antragsteller mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird.
28
Zwar dürften derzeit keine hinreichenden Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller der sog. „Reichsbürgerbewegung“ angehört. Jedoch dürften hinreichende Tatsachen dafür vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass er in einer Weise den Akteuren des Phänomenbereichs „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ zuzurechnen ist, die – ähnlich wie bei Angehörigen der „Reichsbürgerbewegung“ – im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung aller hierfür maßgeblicher Umstände zu der Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit auf der Grundlage von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG führen dürfte.
29
Zu der Einrichtung des neuen Phänomenbereichs „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ durch die Verfassungsschutzbehörden wird ausgeführt, es habe bundesweit erstmals im Frühjahr 2020 Proteste gegen die Maßnahmen der Bundes- und Landesregierungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie gegeben. An den Demonstrationen dieses sehr heterogenen Spektrums hätten sich neben Personenaus dem bürgerlichen Spektrum auch Angehörige des Spektrums der „Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates“, Rechtsextremisten sowie Personen aus dem Spektrum der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ beteiligt. Kritik an den Maßnahmen der Bundesregierung unter Wahrung der Grundsätze der rechtlich zugesicherten Meinungsfreiheit sei Ausdruck der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und wesentlicher Bestandteil des Verfassungsstaates. Würden Proteste und Kundgebungen jedoch durch extremistische Akteure instrumentalisiert und mündeten diese in einer staats- und sicherheitsgefährdenden Delegitimierung und Verächtlichmachung des demokratischen Verfassungsstaates und seiner Repräsentanten, könne hieraus eine Bedrohung für die demokratische Grundordnung erwachsen. Angesichts der neuen Stoßrichtung der stark heterogenen Protestbewegung habe der Verfassungsschutzverbund im April 2021 den neuen Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eingerichtet, der eine bundesweit einheitliche, flächendeckende und systematische Beobachtung dieser äußerst dynamischen Bewegung ermögliche. Die seit Mitte 2020 aufkeimenden Proteste hätten deutlich gezeigt, dass es innerhalb der Gesellschaft ein staatsgefährdendes Mobilisierungspotenzial gebe. Bereits während der sog. „Flüchtlingskrise“ im Jahr 2015 habe beobachtet werden können, dass ein nicht unerheblicher Teil der Gesellschaft empfänglich sei für Verschwörungsideologien, „Fake-News“ oder „Alternative Fakten“ und die Legitimation der Bundesregierung infrage stelle (vgl. Verfassungsschutzbericht Bremen 2022, S. 54 f.).
30
Im aktuellen Verfassungsschutzbericht des Bundes 2022 wird zum Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ (vgl. S. 116 ff.) ausgeführt:
31
„Mit Beginn der staatlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor der Coronapandemie im Jahr 2020 kam es in Deutschland zu breiten gesellschaftlichen Diskussionen und Demonstrationen gegen damit einhergehende Freiheitseinschränkungen. Die von Einzelpersonen und Personenzusammenschlüssen öffentlich geäußerten Meinungen und Aktionen gingen in einigen Fällen jedoch über einen legitimen Protest hinaus und wiesen tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen auf. Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Einzelpersonen und Personenzusammenschlüsse konnten allerdings in vielen Fällen weder strukturell noch ideologisch einem der Phänomenbereiche des Verfassungsschutzes zugeordnet werden. Um dieser neuen Herausforderung gerecht zu werden, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz im April 2021 den Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ eingerichtet. Die Akteure dieses Phänomenbereichs zielen darauf ab, wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Kraft zu setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates oder seiner Einrichtungen zu beeinträchtigen. Sie machen demokratische Entscheidungsprozesse und Institutionen verächtlich oder rufen dazu auf, behördliche oder gerichtliche Anordnungen und Entscheidungen zu ignorieren. Diese Form der Delegitimierung erfolgt oft nicht über eine offene Ablehnung der Demokratie als solche, sondern über eine ständige Verächtlichmachung von und Agitation gegen demokratisch legitimierte Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Institutionen des Staates. Dieses Vorgehen geht weit über eine rechtlich zulässige Kritik an Regierung, Politik und Staat hinaus. Es untergräbt vielmehr die demokratische Ordnung, indem es das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und so dessen Funktionsfähigkeit gefährdet. Erst eine solch systematische, einer restriktiven Erheblichkeitsschwelle unterliegende Delegitimierung begründet eine Verfassungsschutzrelevanz. Eine derartige Agitation steht im Widerspruch zu elementaren Verfassungsgrundsätzen, insbesondere dem Demokratie- oder dem Rechtsstaatsprinzip. Das so beschriebene Phänomen der ‚Verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates‘ weist naturgemäß diverse Bezüge zu und ideologische Schnittmengen mit anderen Phänomenbereichen auf. Nicht zuletzt die – allerdings nur begrenzt erfolgreichen – Versuche aus dem rechtsextremistischen Milieu und der Szene der ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘, den Protest gegen staatliche Corona-Schutzmaßnahmen zu vereinnahmen, beförderten solche Überschneidungen. Aber auch unabhängig von diesen Einflussbemühungen war im Rahmen des Protestgeschehens mit fortdauernder Pandemielage eine Radikalisierung der Akteure zu konstatieren. Sie fand etwa Ausdruck im breiten Rekurs auf teils antisemitische Verschwörungsmythen, in der Verunglimpfung staatlicher Schutzmaßnahmen als diktatorisch, im Propagieren eines vermeintlichen Widerstandsrechts und letztlich in Aufrufen zu Gewalt, in Einzelfällen bis hin zu Mord. Gängige, durch Angehörige des Delegitimierungsspektrums rezipierte Verschwörungserzählungen sind unter anderem Narrative wie beispielsweise der ‚Great Reset‘ oder Erzählungen über eine vermeintlich von den Eliten geplante ‚Neue Weltordnung‘ (NWO). Den beiden Verschwörungserzählungen ist dabei gemein, dass vermeintlich mächtigen Einzelpersonen oder den ‚Eliten‘ allgemein unterstellt wird, sie würden die Umsetzung einer neuen Ordnung anstreben und aktuelle Entwicklungen, wie beispielsweise die Coronapandemie, als Mittel zur Erreichung dieser Ziele einsetzen. Gleichwohl ist in diesem Kontext zu beachten, dass die bloße Rezeption von Verschwörungserzählungen für sich genommen keine Zugehörigkeit zu dem vorgenannten Spektrum begründet und ganz grundsätzlich nicht zwangsläufig eine extremistische Ausrichtung indiziert. Im Berichtszeitraum waren dem Deligitimierungsspektrum bundesweit etwa 1.400 Personen zuzurechnen, davon sind etwa 280 Personen als gewaltorientiert einzustufen. Im Unterschied zu anderen Phänomenbereichen finden sich diese seltener in festen, dauerhaften Strukturen zusammen, sondern agieren oftmals nur in losen Personenzusammenschlüssen oder als Einzelpersonen. Zu beachten ist dabei, dass eine Zuordnung von Personen oder Gruppen zu diesem Phänomenbereich nur dann erfolgt, wenn eine eindeutige Zuordnung zu einem anderen Phänomenbereich (z.B. Rechtsextremismus oder ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘) nicht möglich ist. Von wesentlicher Bedeutung hierfür ist der Aktionsschwerpunkt. Sofern Ideologieelemente oder prägende Akteure einem bereits bestehenden Extremismusbereich zuzuordnen sind, erfolgt eine Einordnung in eben diesen Phänomenbereich. Entwicklungen sind somit immer im Kontext der zahlenmäßigen Entwicklungen in anderen Phänomenbereichen (insbesondere in den Bereichen Rechtsextremismus und ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘) zu betrachten. Die personelle Zusammensetzung des Delegitimierungsspektrums ist heterogen und wird teilweise durch regionale Besonderheiten geprägt. Verbindendes Element der unterschiedlichen Gruppen und Personen ist die kategorische Ablehnung der bestehenden staatlichen Ordnung, die als untauglich und undemokratisch angesehen wird. Diese Ablehnung wird begleitet von einer Diffamierung der Einrichtungen des Staates und seiner Repräsentanten, sodass der Eindruck entstehen muss, diese allenthalben bestehenden ‚Missstände‘ hätten letztlich ihre Ursache in der Grundordnung selbst, am Maßstab praktischer Bewährung gemessen sei sie also untauglich. Dadurch wird ein Klima geschaffen, in dem – letztlich womöglich sogar auf Gewaltanwendung zielende – Neigungen gedeihen, diese Grundordnung als in ihren Auswirkungen ‚unerträglich‘ zu beseitigen. Ein systempolitischer Gegenentwurf, wie etwa das Modell des autokratischen Führungsprinzips im Rechtsextremismus, hinter dem sich die Szene vereinen könnte, besteht hingegen nicht. Vielmehr erschöpft sich der Konsens bereits in der fundamentalen Ablehnung des bestehenden Systems. Die ehemals prägende Querdenken-Bewegung mit ihrer Vielzahl an lokalen Initiativen hat – nicht zuletzt durch die zwischenzeitliche Inhaftierung der wichtigsten Führungsfigur im Juni 2022 wegen des Verdachts des Betrugs und der Geldwäsche – erheblich an Bedeutung eingebüßt und entfaltet nur noch lokal nennenswerte Aktivitäten. Im Berichtszeitraum existierte in der Szene keine bundesweit relevante Organisation. Ungeachtet der derzeitigen organisatorischen Schwäche des Delegitimierungsspektrums und der im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangenen Proteste halten Akteure dieses Phänomenbereichs im Kern an ihren verfassungsfeindlichen Positionen fest und versuchen, diese weiter zu verbreiten. Zur Vernetzung werden insbesondere soziale Medien, Internetplattformen und Messengerdienste wie Telegram genutzt. (…) Die Akteure des Phänomenbereichs ‚Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates‘ zeichnen sich durch eine nachhaltige Agitation gegen demokratisch legitimierte Repräsentantinnen und Repräsentanten des Staates aus. Dadurch besteht eine wechselseitige Anschlussfähigkeit insbesondere an die Phänomenbereiche Rechtsextremismus sowie ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘. Bei diversen Protestveranstaltungen konnten entsprechende Verbindungen festgestellt werden. Teilweise beschränkten sich diese auf gemeinsame Demonstrationsteilnahmen oder lose persönliche Kennverhältnisse. Bisweilen waren aber auch punktuelle Kooperationen erkennbar – etwa in Form gemeinsamer Redeauftritte von Rechtsextremisten und Angehörigen der Delegitimierungsszene. Immer wieder zeigt sich, dass einzelne Protagonisten aus dem Bereich ‚Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates‘ über Kontakte in andere extremistische Spektren hinein verfügen. Bisweilen kann bei einzelnen Personen auch eine schrittweise ideologische Annäherung an andere Phänomenbereiche (z.B. gefördert durch Verschwörungsmythen) beobachtet werden. Die Übergänge zu anderen Phänomenbereichen, insbesondere zu Rechtsextremisten und ‚Reichsbürgern‘, sind teilweise fließend. Die Angehörigen des Phänomenbereichs versuchen, das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie, in staatliche Institutionen zu untergraben. Damit versuchen sie, Einfluss auf Teile der Bevölkerung zu nehmen, um so weitere Unterstützer und Sympathisanten zu mobilisieren. Im Zuge der Demonstrationen im Kontext der Coronapandemie sowie des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat sich die Annahme bestätigt, dass sie auch weiterhin versuchen, Krisensituationen und Ängste in der Bevölkerung zu instrumentalisieren, um staatliche Stellen und politische Verantwortungsträger zu diskreditieren. Die bereits erfolgte thematische Umorientierung belegt, dass die Szene grundsätzlich inhaltlich flexibel ist und sich an gesellschaftspolitische Entwicklungen anpasst. Langfristig ist auch eine verstärkte verfassungsschutzrelevante Agitation zum Beispielgegen staatliche Klimaschutzmaßnahmen und damit einhergehende Restriktionen denkbar, um auch solche Proteste im Sinne ihrer verfassungsfeindlichen Agenda zu instrumentalisieren. Rund 20% der Angehörigen des Phänomenbereichs sind als gewaltorientiert einzustufen. Dies bedeutet, dass diese Personen entweder die Anwendung von Gewalt durch Dritte im Rahmen ihrer Agitation befürworten oder unterstützen, gewaltbereit sind und/oder selbst Gewalt anwenden. Sie beschreiben die Bundesrepublik als ‚repressive Diktatur‘ und leiten daraus ein vermeintlich legitimes Widerstandsrecht ab. Damit halten sie die Anwendung von Gewalt unter bestimmten Voraussetzungen, wie beispielsweise zur Abwehr von vermeintlich unrechtmäßigen Eingriffen des angeblich autoritären Staates, für gerechtfertigt. Exemplarisch hierfür steht der Sachverhalt um die Telegram-Chatgruppen der ‚Vereinten Patrioten‘, denen sowohl Personen aus dem Delegitimierungsspektrum als auch Rechtsextremisten und ‚Reichsbürger‘ angehörten. In diesem Zusammenhang waren den Verfassungsschutzbehörden Mitte 2021 mehrere Chatgruppen der „Vereinten Patrioten“ bekannt geworden, in denen fortlaufend und zunehmend konkreter das Ziel eines Systemumsturzes im Rahmen eines ‚Tag X‘-Szenarios erörtert wurde, um sich den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie zu widersetzen. Hierzu sollten unter anderem namhafte Personen des öffentlichen Lebens, wie der Bundesgesundheitsminister, entführt und medienwirksam vorgeführt werden. Zudem plante die Gruppierung, bürgerkriegsähnliche Zustände durch Anschläge auf Kritische Infrastruktur bis hin zu einem Blackout herbeizuführen. Am 13. April 2022 fanden im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Generalstaatsanwaltschaft Koblenz (Rheinland-Pfalz) bundesweit polizeiliche Maßnahmen gegen mehrere Mitglieder der Gruppierung statt. Den Beschuldigten werden die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a StGB) und Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen. Bei den Durchsuchungsmaßnahmen in 20 Objekten in neun Bundesländern wurden unter anderem diverse Schusswaffen, Munition in mittlerer dreistelliger Anzahl, gefälschte Impfpässe sowie gefälschte Coronatest-Zertifikate sichergestellt. Vier Beschuldigte befinden sich seit dem 14. April 2022 in Untersuchungshaft. Am 13. Oktober 2022 wurde eine weitere, der ‚Reichsbürger‘-Szene zu zurechnende mutmaßliche Führungsaktivistin der ‚Vereinten Patrioten‘ festgenommen, die den „administrativen“ Arm der Gruppierung geleitet haben soll. Die im Delegitimierungsspektrum verbreiteten Verschwörungserzählungen bergen nicht zuletzt die Gefahr einer Radikalisierung von Einzelpersonen. Im September 2021 gipfelte eine solche Radikalisierung in dem Mord an einem Tankstellenmitarbeiter in Idar-Oberstein (Rheinland-Pfalz). Nachdem der Angestellte einen Kunden auf die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes hingewiesen hatte, verließ dieser zunächst die Tankstelle, kehrte aber wenig später mit einer Schusswaffe zurück und erschoss den Angestellten. Der Täter ist aufgrund seiner politisch-ideologischen Einstellung und seiner Tatmotivation dem Phänomenbereich zuzuordnen, gehört diesbezüglich aber keiner Gruppe oder Organisation an. (…) Derartigen Radikalisierungstendenzen leistet vor allem die Kommunikation in sozialen Medien Vorschub. Hier haben sich auf unterschiedlichen Plattformen ‚Echokammern‘ etabliert, in denen Ideologeme ungefiltert verbreitet werden und für Aktivitäten in der Realwelt mobilisiert wird. Auch stark menschenverachtende oder gewaltorientierte Äußerungen einzelner Mitglieder bleiben hier häufig unwidersprochen oder werden sogar aktiv unterstützt. Immer wieder kann auch beobachtet werden, dass sich Nutzer zustimmend zu Gewalt- und sogar Mordszenarien gegen Amts- und Mandatsträger äußern oder bereits entsprechende Planungsabsichten formulieren. Regelmäßig begleitet und verstärkt werden solche Äußerungen durch den Rekurs auf Verschwörungserzählungen beziehungsweise durch die Verbreitung antisemitischer Narrative. Die hohe Zahl dieser Bedrohungen, die sich nicht nur gegen Repräsentantinnen und Repräsentanten staatlicher Institutionen, sondern auch gegen Personen aus Wirtschaft und Wissenschaft richten, stellt in der Gesamtschau ein Indiz für eine zunehmende Verrohung der Debatte dar und veranschaulicht das diffuse Feindbild, das während des Protestgeschehens entstand und bis heute aufrechterhalten wird.“
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Nach den Beobachtungen der Verfassungsschutzbehörden sei in den Jahren 2020 und 2021 inhaltlich die Kritik an den staatlichen Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Pandemie im Vordergrund gestanden und habe mit dem Rückgang der staatlichen Corona-Maßnahmen ab Frühjahr 2022 eine thematische Schwerpunktverschiebung festgestellt werden können. Die im Kontext des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine entstandenen belastenden sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf die deutsche Bevölkerung seien in den Mittelpunkt der Proteste gerückt. Diese Themenverschiebung verdeutliche, dass es sich bei der verfassungsschutzrelevanten Protestszene nicht um ein flüchtiges und vorübergehendes Phänomen handele, sondern vielmehr um eine dynamische Bewegung, die aktuelle gesellschaftlich relevante Themen für die eigenen politischen Zwecke und zur Protestmobilisierung zu nutzen vermöge. Insofern habe sich im Jahr 2022 insbesondere mit der flexiblen Übernahme neuer (Krisen-)Themen und der Existenz umfassender virtueller Netzwerkstrukturen die Konsolidierung sowie Verstetigung des Spektrums gezeigt (vgl. Verfassungsschutzbericht Bremen 2022, S. 55). Die Rolle von Verschwörungstheorien als Radikalisierungstreiber zeige sich über sämtliche Phänomenbereichsgrenzen hinweg auch bei Bestrebungen der mutmaßlichen Mitglieder und Unterstützer einer terroristischen Vereinigung, gegen die am 7. Dezember 2022 im Rahmen einer bundesweiten Razzia auch in Bayern mehrere Festnahmen erfolgt seien. Die Exekutivmaßnahmen hätten sich gegen einen Personenzusammenschluss gerichtet, der überwiegend der Reichsbürger- und Selbstverwalterszene zuzurechnen sei, aber auch Bezüge in die Phänomenbereiche Rechtsextremismus und verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates aufweise. Im Glauben an Verschwörungsnarrative der Reichsbürger sowie der „QAnon“- Ideologie sollten Mitglieder der Gruppierung seit Ende November 2021 eine gewaltsame Beseitigung des demokratischen Rechtsstaates in Deutschland geplant haben. Zur Erreichung des von der Gruppierung angestrebten „Systemwechsels“ habe durch einen „militärischen Arm“ der Vereinigung die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt umgesetzt werden sollen (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2022, S. 44; vgl. hierzu im Einzelnen auch BGH, B.v. 13.7.2023 – AK 21/23 – juris).
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Die hier vorliegenden Tatsachen dürften die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller als Akteur diesem Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ zuzurechnen ist und darüber hinaus auch eine extremistische Ausrichtung indizieren.
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Dies wird insbesondere durch das Verhalten des Antragstellers am … … 2022 belegt, indem er während einer Autofahrt auf einem Bildschirm, den er mit einem Gestell im Kofferraum seines Fahrzeugs verbaut hatte, nach außen deutlich sichtbar eine Vielzahl fortlaufender (teilweise vulgärsprachlicher) Bild- und Textbotschaften zeigte, die inhaltlich deutlich der sog. „Querdenkerszene“ bzw. dem oben dargestellten Delegitimierungsspektrum zugeordnet werden können, darunter auch Darstellungen von hochrangigen Amtsträgern (wie Bundeskanzler und Bundesminister) mit Texten beleidigender bzw. herabwürdigender und verunglimpfender Art. Der Antragsteller hat diese Zuordnung zur „Querdenkerszene“ im Übrigen auch nicht substantiiert bestritten. Vielmehr hat er seine ursprüngliche diesbezügliche Einlassung in der Anhörung, wonach er nicht nur kein Reichsbürger, sondern auch kein sog. Querdenker sei, im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nicht weiter aufrechterhalten. Er hat insoweit vielmehr (nur) geltend gemacht, es sei ihm unerklärlich, wie das Polizeipräsidium M. in seiner Mitteilung vom … … 2023 die Auffassung vertreten könne, dass er der Querdenker-Szene zuzuordnen sei, weil weder eine Definition für die „Querdenker-Szene“ angeführt noch unterbreitet werde, welche Relevanz sich daraus für die rechtliche Würdigung des vorliegenden Sachverhalts ergeben könnte. Soweit der Antragsteller vorträgt, seine Kritik richte sich gegen einzelne Politiker und deren Wirken und nicht gegen das staatliche System als solches, ergeben sich unmittelbar aus den gezeigten Botschaften gegenteilige Anhaltspunkte, da diese deutlich darüber hinausgehen. So wird auch ein Bild (Kinderkarussell, aus dem drei weiße Pferde springen) mit dem Schriftzug „Fuck the System“ gezeigt. Auch wenn in den Botschaften keine unmittelbaren Aussagen enthalten sind, die staatlichen Organen oder den Vertretern des Staates die Legitimation absprechen, wird mit diesen jedoch gerade die beschriebene staats- und sicherheitsgefährdende Deligitimierung befördert, indem demokratische Entscheidungsprozesse und Institutionen verächtlich gemacht werden. Wie ausgeführt, erfolgt die Form der Delegitimierung gerade oft nicht über eine offene Ablehnung der Demokratie als solche, sondern über eine ständige Verächtlichmachung von und Agitation gegen demokratisch legitimierte Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Institutionen des Staates. Dieses Vorgehen untergräbt die demokratische Ordnung, indem es das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und so dessen Funktionsfähigkeit gefährdet.
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Der Antragsteller greift in seinen Botschaften – spektrumstypisch – weiterhin auch die Verschwörungstheorie „Great Reset“ auf. Verschwörungstheorien spielen bei Personen, die dem Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ zugerechnet werden, in der Regel eine bedeutsame Rolle. Die Motivation für ihre verfassungsschutzrelevanten Bestrebungen beziehen diese Personen aus verschiedenen Verschwörungstheorien, in deren Zentrum oftmals eine vermeintlich im Verborgenen agierende Elite steht. Verschwörungstheorien können in diesem Zusammenhang auch Radikalisierungsprozesse begünstigen. Darüber hinaus ermöglichen sie den oftmals digital stattfindenden Austausch mit weiteren Verschwörungsgläubigen außerhalb der eigenen Szene. So gibt es Personen, die nachdrücklich und ernsthaft, beispielsweise vor dem Hintergrund der Verschwörungstheorie „Great Reset“, zu gewalttätigem Widerstand gegen den aus ihrer Sicht illegitimen Staat aufrufen. Der „Great Reset“ (deutsch: „Der große Neustart“ oder „Der große Umbruch“) ist ursprünglich eine Initiative des Weltwirtschaftsforums aus dem Jahr 2020, welche die Herausforderungen der Corona-Pandemie als potenziellen Impulsgeber für eine nachhaltigere Neugestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft und den Abbau globaler Ungleichheit betrachtet. Unter Bezugnahme auf diese Initiative verbreiten Akteure der verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates die Verschwörungstheorie, wonach die Corona Pandemie, genauso wie der Krieg in der Ukraine und die gestiegenen Energie- und Lebenshaltungskosten, Teil eines groß angelegten Plans seien, traditionelle gesellschaftliche Strukturen und die Wirtschaft zu zerstören, um eine sogenannte „Weltregierung“ zu errichten (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2022, S. 264). Wie ausgeführt, bergen die im Delegitimierungsspektrum verbreiteten Verschwörungserzählungen nicht zuletzt die Gefahr einer Radikalisierung von Einzelpersonen. Es wird damit ein Klima geschaffen, in dem – letztlich womöglich sogar auf Gewaltanwendung zielende – Neigungen gedeihen, diese Grundordnung als in ihren Auswirkungen „unerträglich“ zu beseitigen.
36
Weitere tatsächliche Anhaltspunkte für die polizeiliche Zuordnung des Antragstellers zur „Querdenkerszene“ bzw. dem Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ ergeben sich im Übrigen ergänzend auch aus der Auswertung des beschlagnahmten Mobiltelefons des Antragstellers (vgl. im Einzelnen Ermittlungsbericht des Kriminalfachdezernats … M. vom … … 2023, Bl. 328 ff. der Behördenakte). Im Übrigen bestehen auch Indizien für Bezüge des Antragstellers in das rechtsextremistische Spektrum. Dies ist zum einen seine (doppeldeutige) Aussage gegenüber dem Polizeibeamten, dass er „nicht weiter nach rechts gehen“ könne. Der Antragsteller hat insoweit zwar angegeben, sich nicht daran erinnern zu können, diese Aussage aber auch nicht bestritten. Zum anderen spricht hierfür die (mutmaßlich neben den Initialen seines Vor- und Nachnamens selbst gewählte) Zahlenkombination in seinem Kfz-Kennzeichen „…“, in der verschlüsselte Zahlencodes der rechtsextremen Szene enthalten sind.
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Die von dem Antragsteller gezeigten Botschaften dürften weiterhin unzweifelhaft den Schluss darauf zulassen, dass er auch Gewaltanwendung befürwortet, wenn es um die Agitation gegen im Rahmen der Verschwörungstheorie („Great Reset“) verhasste Personen geht. Die Erzählung des „Great Reset“ behauptet, dass eine „globale Elite“ in Politik und Wirtschaft eine globalisierte Diktatur anstrebe. Ursprünglich stammt die Formulierung „Great Reset“, wie ausgeführt, von einer Initiative des Weltwirtschaftsforums, die insbesondere auf ökonomische Reformen für mehr Nachhaltigkeit und soziale Partizipation setzt. Genau diesen Umstand nehmen Verschwörungsideologen zur Grundlage und behaupten, dass Klaus Schwab, Gründer des Weltwirtschaftsforums, sowie einige andere einflussreiche Personen, wie zum Beispiel Bill Gates oder der USamerikanische Finanzinvestor George Soros, die Corona-Pandemie und deren Folgen für individuelle machtpolitische Zwecke missbrauchen würden (vgl. Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg 2022 – Pressefassung – S. 97). Eine der Videobotschaften des Antragstellers zeigt in der linken Bildhälfte eine sog. „Guy Fawkes“- Maske und auf der rechten Bildhälfte ein laufendes Schriftband mit dem Text „Fuck you, … …! By messing with democracy you will unleash a firework of violence that will render your worst nightmare like your happy place!!! – gefolgt von Bildern (drei Grabsteine). Wie ausgeführt, werden durch die Verfassungsschutzbehörden auch solche Angehörige des Phänomenbereichs als gewaltorientiert eingestuft, welche die Anwendung von Gewalt durch Dritte im Rahmen ihrer Agitation befürworten oder unterstützen.
38
Das Handeln des Antragstellers dürfte vor diesem Hintergrund auch nicht als bloße Meinungskundgabe gewertet werden können, wie er geltend macht. Vielmehr dürfte dieses als offensives Propagieren der Zielsetzungen der Akteure des Phänomenbereichs „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ einzustufen sein. Wie ausgeführt, versuchen diese, das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie, in staatliche Institutionen zu untergraben und Einfluss auf Teile der Bevölkerung zu nehmen, um so weitere Unterstützer und Sympathisanten zu mobilisieren. Dabei hat der Antragsteller diese „Werbung“ zum einen in aggressiver Form betrieben, als insbesondere die seinem Fahrzeug unmittelbar nachfolgenden Fahrzeuge bzw. deren Fahrzeuglenker, sich dieser nicht ohne Weiteres entziehen konnten, sondern ihnen deren Wahrnehmung vielmehr gleichsam durch den Antragsteller aufgezwungen wurde. Zum anderen nahm der Antragsteller durch seine Aktion auch die Gefährdung von unbeteiligten Verkehrsteilnehmern in Kauf. Nach den – ohne weiteres nachvollziehbaren – Feststellungen der Polizeibeamten waren die ausgestrahlten Botschaften (angesichts des Tatzeitpunkts gab es kein Tageslicht mehr) für jeden umliegenden Verkehrsteilnehmer sehr gut zu sehen, da der Bildschirm hell erleuchtet war und die gesamte Heckscheibe des SUV ausfüllte. Zum Zeitpunkt der Feststellung herrschte reger Verkehr, weshalb die (zudem auch fortlaufenden) visuellen Botschaften stark öffentlichkeitswirksam waren. Sie waren zudem zur Ablenkung und potentiellen Gefährdung des Straßenverkehrs geeignet.
39
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass mit dem Handeln des Antragstellers deutlich auch Straftaten (vgl. insbesondere § 188 StGB – gegen Personen des politischen Lebens gerichtete Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung) im Raum stehen dürften. Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 StGB) eine Beleidigung (§ 185 StGB) aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe. Es bestand jedenfalls diesbezüglich ein begründeter strafprozessualer Anfangsverdacht (vgl. § 152 Abs. 2 StPO), da das Video teilweise beleidigende Inhalte, z.T. auch unter Bezugnahme auf das äußerliche Erscheinungsbild des Betroffenen aufwies. Der Bildschirm wurde auf der Grundlage von §§ 94, 98 StPO nach staatsanwaltschaftlicher Anordnung beschlagnahmt. Das strafrechtliche Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Strafanträge der betroffenen Personen wurden teilweise gestellt, im Übrigen ist ein solcher auch nicht mehr zwingend erforderlich, da u.a. im Fällen des § 188 StGB die Tat auch dann verfolgt wird, wenn die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält (vgl. § 194 Abs. 1 Satz 3 StPO). Diese Regelung wurde erst durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom 30. März 2021 (BGBl. 2021 I 441) neu eingefügt (vgl. zur Begründung BT-Drs. 19/17741, 1 und 36).
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Das öffentlichkeitswirksame und zugleich insbesondere auch potentiell verkehrsgefährdende Vorgehen des Antragstellers mit (bis dato jedenfalls) polizeilichen und strafprozessualen Konsequenzen dürfte auf eine gewisse Radikalisierung schließen und jedenfalls eine extremistische Ausrichtung indizieren lassen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen zugelassenen Patenanwalt und damit um ein unabhängiges Organ der Rechtspflege (vgl. § 1 Patentanwaltsordnung – PAO) handelt, sodass eine Begehung von Straftaten auch außerhalb des Berufs eine berufsgerichtlich zu ahndende Pflichtverletzung darstellt, wenn diese nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen der Rechtsuchenden in einer für die Ausübung der Patentanwaltstätigkeit bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (vgl. § 95 Abs. 2 PAO). Insgesamt drängt sich der Eindruck auf, dass der Antragsteller seine verfassungsfeindliche Propaganda ungeachtet möglicher strafrechtlicher und ggf. auch negativer berufsrechtlicher Folgen über alles stellt und für diese sogar die mögliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer in Kauf nimmt, mag er sich auch im Vorfeld beim … bezüglich rechtlicher Fragen (insbesondere bezüglich einer Zulässigkeit des Betriebs des Monitors) erkundigt haben. So gilt es bereits als Grundregel, dass derjenige, der am Straßenverkehr teilnimmt, sich so zu verhalten hat, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird (vgl. § 1 Abs. 2 StVO). Zudem wurde der Antragsteller von Seiten des … nur allgemein insbesondere auf die einschlägigen zu beachtenden Vorschriften der §§ 33 und 23 Abs. 1 StVO sowie der §§ 49a ff. StVZO hingewiesen. Hingegen wurde keine Auskunft dahingehend gegeben, dass das Vorhaben des Antragstellers nach diesen Vorschriften zulässig wäre. Zudem finden sich in dem vom Antragsteller mitgeführten Ausdruck der Ausführungen des Bußgeldkatalogs 2022 ausführliche Hinweise zur Regelung des § 33 StVO – Verbot von Verkehrsbeeinträchtigungen. So wird dort (u.a.) auch dargestellt, warum Verkehrsbeeinträchtigungen so gefährlich sind, dass als Verkehrsbeeinträchtigung sämtliche Einrichtungen verstanden werden, die die Sinne der Verkehrsteilnehmer täuschen können, das Gehör oder Sicht stören oder generell von dem Verkehrsgeschehen ablenken können, dass Ablenkung im Straßenverkehr mit zu den Hauptursachen von Verkehrsunfällen gezählt werden kann und bereits eine Sekunde den Verkehr aus dem Blick zu lassen, zum Unfall führen kann. Ungeachtet dessen hat der Antragsteller sein – offenbar bereits seit längerem geplantes Vorhaben (die …-Korrespondenz datiert von Januar 2022, der Ausdruck des Bußgeldkatalogs von Oktober 2022) – gleichwohl ausgeführt.
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Insgesamt dürfte daher die Prognose gerechtfertigt sein, dass der Antragsteller als treibender Akteur des Phänomenbereichs „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ einschließlich Verbreitung einer Verschwörungsideologie und aufgrund Befürwortung von Gewaltanwendung in diesem Zusammenhang sowie Inkaufnahme der Gefährdung unbeteiligter Straßenverkehrsteilnehmer infolge aggressiver Leuchtpropaganda im Straßenverkehr mit wechselnden Bildern und Texten mit beleidigenden, herabwürdigenden bzw. verächtlichmachenden Inhalten bezogen auf eine Vielzahl hoher demokratisch legitimierter Repräsentantinnen und Repräsentanten des Staates nicht die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzt, weil die tatsächlichen Umstände in der Gesamtschau vernünftige Zweifel daran zulassen, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird (vgl. auch jüngst VG Düsseldorf, U.v. 15.6.2023 – 22 K 2378/21 – juris Rn. 31 ff. zu einem Anhänger der QAnon-Bewegung). Die Umstände und auch die Einlassungen des Antragstellers lassen dabei auch nicht erkennen, dass er in Zukunft von einem derartigen Verhalten Abstand nehmen würde, sodass auch die im Rahmen der Prognose erfolgte Annahme eines vergleichbaren Verhaltens in der Zukunft gerechtfertigt ist.
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Die von Seiten des Antragstellers vorgebrachten Einwendungen dürften demgegenüber auch im Übrigen nicht durchgreifen. Dem Umstand, dass der Antragsteller bislang nicht vorbestraft und auch zuvor nicht polizeiauffällig gewesen ist, kommt keine maßgebliche Bedeutung zu, da § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG für die Annahme der fehlenden Zuverlässigkeit weder eine Straffälligkeit überhaupt noch eine Mehrzahl an strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (oder auch eine Polizeiauffälligkeit) voraussetzt. Vielmehr kann eine solche fehlende Unzuverlässigkeit bereits aus einem einzelnen Geschehen abgeleitet werden, da die bei Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG jeweils vorzunehmende Prognose sich an dem Zweck zu orientieren hat, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. SächsOVG, B.v. 28.4.2022 – 6 B 72/22 – juris Rn. 14). Weiterhin ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit im Fall des Antragstellers nicht lediglich an eine Zugehörigkeit zu einer „nicht näher definierten Gruppe („Querdenker“) anknüpft, sondern insbesondere an seinen eigenen Handlungen mit der dahinterstehenden politisch-ideologischen Einstellung, aufgrund derer er dem beschriebenen Phänomenbereich „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ zugeordnet werden kann.
43
Darüber hinaus dürfte im Fall des Antragstellers auch der Tatbestand der Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG erfüllt sein.
44
Danach besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Bestrebungen einzeln verfolgt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.
45
Bei dem in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG genannten Tatbestandsmerkmal der Bestrebungen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richten, handelt es sich ebenfalls um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der uneingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt.
46
Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung umfasst wie die freiheitliche demokratische Grundordnung in Art. 21 Abs. 2 GG die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9/18 – juris Rn. 23 m.w.N.).
47
Bestrebungen im Sinne der Vorschrift sind durch Verhaltensweisen gekennzeichnet, die über rein politische Meinungen hinausgehen und auf die Beeinträchtigung der vom Gesetz geschützten Rechtsgüter als maßgeblicher Zweck abzielen. Das Merkmal Bestrebungen erfordert zwar ein aktives Vorgehen hinsichtlich der geschützten Rechtsgüter, nicht aber ein aktives kämpferisches Verhalten. Von einem Verfolgen im Sinne der Vorschrift ist danach noch nicht auszugehen, wenn sich die Person lediglich kritisch oder abwertend zu den Grundlagen der Verfassungsgrundsätze (§ 92 StGB) äußert, da ein solches Verhalten noch nicht die Bestrebung konkretisiert, die Verfassungsgrundsätze außer Kraft zu setzen; die Bemühungen, ein solches Ziel zu erreichen müssen also erkennbar über den Bereich der bloßen Meinungsäußerung hinausgehen (vgl. Brunner in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand: März 2023, § 5 WaffG, Rn. 133 f.). Die individuelle Verfolgung solcher Bestrebungen knüpft an aktive individuelle Betätigung an (vgl. Brunner in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand: März 2023, § 5 WaffG, Rn. 135).
48
Der Gesetzgeber hat die Beweisanforderungen für die Annahme der Regelunzuverlässigkeit reduziert. Es genügt das Vorliegen von Tatsachen, die die Annahme der Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen rechtfertigen, also der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht der Verfolgung solcher Bestrebungen. Eines Nachweises, dass es zur Verfolgung oder Unterstützung solcher Bestrebungen gekommen ist, bedarf es nicht (vgl. Brunner in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand: März 2023, § 5 WaffG, Rn. 132; vgl. auch VG München, B.v. 11.5.2020 – M 7 S 20.87 – juris Rn. 26; B.v. 30.8.2023 – M 7 S 23.1519 – Rn. 39 ff.).
49
Hier dürften die oben dargelegten Tatsachen auch die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller durch sein aktives Handeln Bestrebungen verfolgt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind.
50
Wie ausgeführt, zielen die Akteure des Phänomenbereichs „Verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“ darauf ab, wesentliche Verfassungsgrundsätze außer Kraft zu setzen oder die Funktionsfähigkeit des Staates oder seiner Einrichtungen zu beeinträchtigen. Sie machen demokratische Entscheidungsprozesse und Institutionen verächtlich oder rufen dazu auf, behördliche oder gerichtliche Anordnungen und Entscheidungen zu ignorieren. Diese Form der Delegitimierung erfolgt oft nicht über eine offene Ablehnung der Demokratie als solche, sondern über eine ständige Verächtlichmachung von und Agitation gegen demokratisch legitimierte Repräsentantinnen und Repräsentanten sowie Institutionen des Staates. Dieses Vorgehen geht weit über eine rechtlich zulässige Kritik an Regierung, Politik und Staat hinaus. Es untergräbt vielmehr die demokratische Ordnung, indem es das Vertrauen in das staatliche System insgesamt erschüttert und so dessen Funktionsfähigkeit gefährdet. Eine derartige Agitation steht im Widerspruch zu elementaren Verfassungsgrundsätzen, insbesondere dem Demokratie- oder dem Rechtsstaatsprinzip.
51
Bei Erfüllung des Tatbestands der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ist weiter einzelfallbezogen zu prüfen, ob atypische Umstände vorliegen, die geeignet sein können, die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit zu widerlegen. Dabei ist strafrechtlich und waffenrechtlich beanstandungsfreies Verhalten in der Vergangenheit zur Widerlegung der Vermutung der Unzuverlässigkeit allein nicht ausreichend, da ein waffenrechtskonformes Verhalten in der Vergangenheit ohnehin vorausgesetzt werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9/18 – juris Rn. 34; Brunner in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand: März 2023, § 5 WaffG, Rn. 155).
52
In Bezug auf den Unzuverlässigkeitsgrund der Verurteilung wegen einer der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c WaffG genannten Straftaten ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht kommt, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt. In vergleichbarer Weise ist in den Fällen der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG, sofern waffenrechtliche Beanstandungen nicht vorliegen, eine einzelfallbezogene Prüfung vorzunehmen (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9/18 – juris Rn. 35). Es müssen diejenigen Fallgestaltungen ausgesondert werden, in denen die vom Gesetzgeber typisierend vorausgesetzte Verbindung zwischen der Verfolgung bzw. Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen und dem Schutzgut des Waffenrechts ausnahmsweise fehlt (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9/18 – juris Rn. 35).
53
Hier dürften solche atypischen Umstände, die geeignet sein können, die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit zu widerlegen, nicht gegeben sein. Vielmehr dürfte auch hier im Einzelfall die Prognose gerechtfertigt sein, dass bei dem Antragsteller als Person, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind, der ordnungsgemäße und verantwortungsbewusste Umgang mit Waffen nicht in der erforderlichen Weise gewährleistet ist. Hierzu kann auf die obigen Ausführungen Bezug genommen werden. Insbesondere ist hier auch keinerlei Abkehr des Antragstellers von seinem bisherigen dahingehenden Handeln zu erkennen.
54
Wie oben bereits ausgeführt, erfordert der Tatbestand des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG auch angesichts des Wortlauts („wenn“ und nicht: „soweit“) neben der Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit keine weitergehende Prüfung einer Gefährlichkeit des Betroffenen oder der Frage, inwieweit das Verbot zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit geboten ist. Im Fall des Antragstellers dürfte – wie dargelegt – von seiner allgemeinen waffenrechtlichen absoluten Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG sowie auch der Regelunzuverlässigkeit auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG auszugehen sein. Eine Differenzierung zwischen erlaubnispflichtigen oder erlaubnisfreien Waffen erfolgt dabei, wie ausgeführt, nicht. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Norm dürften daher als erfüllt anzusehen sein.
55
Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof offenbar auch in Abkehr von der eigenen langjährigen ständigen Rechtsprechung (so bislang insbesondere auch in Fällen sog. „Reichsbürger“, vgl. BayVGH, B.v. 22.8.2019 – 21 CS 18.2518 – juris Rn. 13; B.v. 16.1.2019 – 21 C 18.578 – juris Rn. 24; vgl. auch B.v. 12.3.2018 – 21 CS 17.1678 – juris Rn. 22) neuerdings im Fall eines sog. „Reichsbürgers“ die Auffassung vertreten möchte, § 41 Abs. 2 WaffG (gemeint wohl § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG) verlange nach einer Prognose, in deren Rahmen eine Anwendung von § 5 WaffG nicht ohne weiteres in Betracht komme und es könne allein aus der Einordnung als „Reichsbürger“ nicht auf eine vollumfängliche Unzuverlässigkeit geschlossen werden (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2023 – 224 CS 23.785 – juris Rn. 18), vermag die Kammer dem nicht zu folgen.
56
Denn – wie ausgeführt – finden auch nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der die Kammer folgt, die für die Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit von Personen maßgeblichen Vorschriften des § 5 Abs. 1 und 2 WaffG nicht nur für die Rücknahme und den Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, sondern auch im Rahmen der Prüfung von Waffenverboten für den Einzelfall nach § 41 WaffG und hier gleichermaßen in Bezug auf erlaubnisfreie Waffen und Munition nach § 41 Abs. 1 WaffG wie auf erlaubnispflichtige Waffen und Munition nach § 41 Abs. 2 WaffG Anwendung (vgl. BVerwG, B.v. 20.1.2022 – 6 B 9/21 – juris Rn. 16 m.w.N.). Es muss stets und umfassend dem Zweck des Waffengesetzes Rechnung getragen werden, der darin besteht, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, auf ein Mindestmaß zu beschränken. Das Gebot der Risikominimierung ist Ausdruck der dem Waffengesetz insgesamt – auch im Hinblick auf § 41 Abs. 1 WaffG – zu Grunde liegenden präventiven Gefahrenvorsorge. Daraus folgt, dass nur solche Personen als zuverlässig gelten können, bei denen die tatsächlichen Umstände keinen vernünftigen Zweifel zulassen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen werden (vgl. BVerwG, B.v. 20.1.2022 – 6 B 9/21 – juris Rn. 16). Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern im Falle eines „Reichsbürgers“, bei dem – anknüpfend an die Tatsache, dass er die waffenrechtlichen Normen nicht als für sich verbindlich ansieht – sämtliche Unzuverlässigkeitstatbestände des § 5 Abs. 1 Nr. 2 (Buchst. a, b, und c) WaffG unstreitig sogar kumuliert als erfüllt anzusehen sind, in Bezug auf den Besitz und Erwerb von erlaubnisfreien Schusswaffen und Munition (auf diese bezieht sich das Verbot auf der Grundlage von § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG) ein anderer Prognosemaßstab gelten sollte. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigten, dass es sich hier sämtlich um Tatbestände der absoluten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 WaffG handelt und diese jeweils unmittelbaren Waffenbezug aufweisen, indem sie den allgemeinen Umgang mit Waffen betreffen. Auch aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ließe sich kein Grund dafür herleiten (vgl. BVerwG, B.v. 20.1.2022 – 6 B 9/21 – juris Rn. 16 zum Fall des Anknüpfens der Annahme der Unzuverlässigkeit an die freiwillige Zugehörigkeit einer Person zu einer organisierten Gruppe, bei der Strukturmerkmale – insbesondere deren Gewaltbereitschaft sowie die Verpflichtung zu unbedingter Loyalität – die Prognose tragen, dass die Person zukünftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verwirklichen wird). Auch erlaubnisfreie Waffen sind geeignet, erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen und Verletzungen herbeizuführen (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2018 – 6 B 79/18 – juris Rn. 10). Daher ist auch mit diesen ein erhebliches Gefährdungspotential verbunden. Den missbräuchlichen Umgang mit solchen Waffen wollte der Gesetzgeber auch durch die Einführung der Erlaubnispflicht durch das Waffenrechtsneuregelungsgesetz vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970) eindämmen (BT-Drs. 14/7758 S. 1). Nach dem Waffen- und Sprengstoffbericht des Bundeskriminalamtes für das Jahr 1996 waren 55% der für die Begehung von Straftaten verwendeten Waffen bis dahin erlaubnisfreie Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2018 – 6 B 79/18 – juris Rn. 10 unter Verweis auf BR-Drs. 764/99 S. 2). Wegen des intensiveren Eingriffs in die Rechte des Betroffenen – das Waffenverbot nach § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG führt dazu, dass die betreffende Person auch das Recht zum Erwerb und Besitz solcher Waffen verliert, der nach Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 Nr. 1.3 zum Waffengesetz grundsätzlich erlaubnisfrei ist – hat der Gesetzgeber der Waffenbehörde für die Entscheidung über ein Waffenverbot gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG – anders als beim Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG – ein Ermessen eingeräumt. Bei der Ausübung ihres Ermessens hat die Waffenbehörde insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 6 C 36/15 – juris Rn. 20). Die Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn) eines Waffenverbots im Einzelfall ist daher im Rahmen der Ausübung des Ermessens zu prüfen. Für eine Vorverlagerung und diesbezügliche Prüfung und Berücksichtigung innerhalb der Prognoseentscheidung dürfte daher auch schon deshalb keine Notwendigkeit bestehen. Zudem ist auch ausweislich des Wortlauts – im Gegensatz zu § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG und § 41 Abs. 2 WaffG („soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist“) – keine gesteigerte Anforderung im Sinne einer „Erforderlichkeit“ (vgl. BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30/11 – juris Rn. 33) in dem Tatbestand des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG enthalten. Weiterhin dürfte insbesondere in Fällen der absoluten waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG im Übrigen selbst diese Anforderung erfüllt sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.8.2012 – 6 C 30/11 – juris Rn. 35).
57
Die Ermessensausübung bzgl. des Waffenbesitz- und Waffenerwerbsverbots auf der Grundlage von § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG (bezogen auf Waffen und Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf) durch die Antragsgegnerin dürfte im Rahmen des gerichtlichen Prüfungsumfangs (§ 114 Satz 1 VwGO) ebenfalls nicht zu beanstanden sein. Die Antragsgegnerin hat – wie sich aus den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids ergibt – das ihr zustehende Ermessen erkannt und zweckgerecht sowie im Rahmen der gesetzlichen Grenzen ausgeübt (Art. 40 BayVwVfG). Durchgreifende Ermessensfehler dürften nicht ersichtlich sein. Die Antragsgegnerin ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Abwägung der betroffenen Interessen zu dem Ergebnis gelangt, dass das Rechtsgut der öffentlichen Sicherheit und der Schutz der Individualrechtsgüter Dritter höher zu gewichten sind, als das persönliche Interesse des Antragstellers Umgang (auch) mit (erlaubnisfreien) Waffen und Munition haben zu dürfen (vgl. auch VGH BW, B.v. 15.12.2022 – 6 S 1420/22 – juris Rn. 17 zu einem Waffenverbot auf der Grundlage von § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 4 WaffG i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG; vgl. auch VG Schwerin, U.v. 5.5.2022 – 3 A 209/18 SN – juris Rn. 67).
58
Das Waffenbesitz- und Waffenerwerbsverbot dürfte sich insbesondere auch nicht als unverhältnismäßig erweisen. Der Antragsteller hat insbesondere auch nicht vorgetragen, auf den Besitz und Erwerb von erlaubnisfreien Waffen in besonderer Weise angewiesen zu sein oder hieran ein gesteigertes Interesse zu haben. Auch der Umstand, dass es sich bei dem Verbot um einen Dauerverwaltungsakt handelt, dessen unbefristete Anordnung die Eintragung in das Bundeszentralregister sowie die Unterrichtung der örtlichen Polizeidienststelle zwecks künftiger Überwachung des Verbots nach sich zieht, führt nicht zu dessen Unverhältnismäßigkeit, da dies aus der Eigenart der Maßnahme selbst folgt. Der Antragsteller hat zudem grundsätzlich die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt einen Antrag auf Aufhebung des Verbots zu stellen.
59
Auch stellt das Verbot keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der Meinungsfreiheit, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, dar. Zwar gewährleistet Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG jedermann das Recht, seine Meinung frei zu äußern und zu verbreiten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind die Bürger rechtlich nicht gehalten, die der Verfassung zugrundeliegenden Wertsetzungen persönlich zu teilen. Das Grundgesetz baut zwar auf der Erwartung auf, dass die Bürger die allgemeinen Werte der Verfassung akzeptieren und verwirklichen, erzwingt die Werteloyalität aber nicht. Geschützt sind damit von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG auch Meinungen, die auf eine grundlegende Änderung der politischen Ordnung zielen, unabhängig davon, ob und wie weit sie im Rahmen der grundgesetzlichen Ordnung durchsetzbar sind. Selbst eine radikale Infragestellung der geltenden Ordnung fällt nicht von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG heraus. Die Meinungsfreiheit findet ihre Grenze jedoch unter anderem in den Schranken der allgemeinen Gesetze (Art. 5 Abs. 2 GG). Dazu gehört auch das Waffengesetz, das ersichtlich nicht eine Meinung als solche verbietet und sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richtet, sondern gemäß § 1 Abs. 1 WaffG den Umgang mit Waffen und Munition unter Berücksichtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung regelt (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 – 21 CS 17.1519 – juris Rn. 21 f. m.w.N.; B.v. 13.11.2019 – 21 CS 18.1290 – juris Rn. 19; B.v. 28.7.2022 – 24 ZB 22.451 – juris Rn. 16).
60
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – hier bezüglich des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse, vgl. § 45 Abs. 5 WaffG – unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nrn. 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.; BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 16; B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 23 f.).
61
Im Hinblick auf das in Nr. I.1 des Bescheids verfügte Erwerbs- und Besitzverbot für erlaubnisfreie Waffen und Munition ist daher auf Grund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses von § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ein besonderes Vollzugsinteresse erforderlich, welches das Aussetzungsinteresse überwiegt. Dieses besteht vorliegend in dem besonderen öffentlichen Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr. Denn es besteht ein überragendes Interesse der Allgemeinheit daran, das mit dem Waffenbesitz verbundene erhebliche Sicherheitsrisiko möglichst gering zu halten und nur bei Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeglicher Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2008 – 19 CS 08.1471 – juris Rn. 21). Unter Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes und des das Waffenrecht prägenden Grundsatzes, die vom privaten Waffenbesitz ausgehenden Gefahren für die Allgemeinheit zu minimieren und ein Restrisiko nicht hinzunehmen, besteht bei einer anzunehmenden waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit ein besonderes Interesse der Allgemeinheit, den Umgang der betreffenden Person mit Waffen unverzüglich zu unterbinden, um die davon ausgehenden wesentlichen Gefahren für die hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit effektiv abzuwehren. Dahinter muss das private Interesse des Antragstellers, bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache die tatsächliche Gewalt über erlaubnisfreie Waffen und Munition ausüben zu können, zurückstehen (vgl. VGH BW, B.v. 15.12.2022 – 6 S 1420/22 – juris Rn. 18; vgl. auch OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 – 7 B 11152/18 – juris Rn. 75).
62
Auch in Bezug auf den (zwingenden) Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse in Nr. I.2 des Bescheids auf der Grundlage von § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz Nr. 2 WaffG dürften angesichts der dargestellten Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers keine rechtlichen Bedenken bestehen. Zwar ist diese Anordnung antragsgemäß nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, wirkt sich jedoch inzident auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der darauf bezogenen Folgeanordnungen einschließlich Kostenentscheidung in den Nrn. I.3, I.4, I.6 und I.7 des Bescheids aus.
63
Vor diesem Hintergrund dürften sich auch die darauf bezogenen Folgenanordnungen (einschließlich Kostenentscheidung) voraussichtlich als rechtmäßig darstellen. Die Folgeentscheidungen (vgl. Nr. I.3 des Bescheids auf der Grundlage von § 46 Abs. 2 WaffG und Nr. I.4 des Bescheids auf der Grundlage von § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG mit entsprechender Zwangsgeldandrohung in Nr. I.6 des Bescheids für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe der Erlaubnisdokumente) dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch Überlassung bzw. Unbrauchbarmachung der Waffen und Munition und Abgabe der Erlaubnisurkunden sicher. Soweit der Behörde dabei Ermessen eingeräumt ist, dürften Ermessensfehler nicht ersichtlich sein.
64
Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht regelmäßig auch für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfasste, mit der Widerrufsentscheidung verbundene notwendige Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG) und der Unbrauchbarmachung bzw. Überlassung von Waffen und Munition an einen Berechtigten (§ 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG). Nachdem der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass hinsichtlich der Folgeentscheidungen dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17; B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 26). Denn diese Folgeentscheidungen stellt sicher, dass der kraft Gesetzes (§ 45 Abs. 5 WaffG) sofort vollziehbare Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse (vgl. insoweit BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17) tatsächlich umgesetzt wird. Die Folgeentscheidungen in Nrn. I.3 und I.4 des Bescheids folgen unmittelbar aus dem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisseen und dienen – wie bereits ausgeführt – der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe der Erlaubnisurkunden sicher.
65
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
66
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz – GKG – unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5 und 50.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.