Titel:
Erfolgloser Eilantrag gegen Trägerauswahl für Notschlafstelle
Normenketten:
VwGO § 123
SGB VIII § 3 Abs. 2, Abs. 3, § 4, § 42, § 42a, § 76, § 77
Leitsätze:
1. Für die Auswahl eines freien Trägers zur Beteiligung an einer "anderen" Aufgabe der Jugendhilfe nach § 42 und § 42a SGB VIII genügt ein Interessenbekundungsverfahren; es ist kein vergaberechtliches Verfahren nötig. (Rn. 37 und 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gleichgewichtung der Kriterien "Preis" (unter Berücksichtigung qualitativer und sozialer Aspekte) und "Konzept" bei der Trägerauswahl ist nicht zu beanstanden. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz (abgelehnt), „Trägerauswahlverfahren“, Beteiligung anerkannter Träger an der Wahrnehmung anderer Aufgaben, Anspruch auf ordnungsgemäße Ermessensentscheidung, Jugendhilfe, Notschlafstelle, Trägerauswahl, freier Träger, andere Aufgabe, Beteiligung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26999
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die „vorläufige Untersagung der Trägerschaftsvergabe“ für eine Notschlafstelle für Minderjährige sowie flexible Inobhutnahmeplätze nach §§ 42, 42a SGB VIII durch die Antragsgegnerin.
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Unter dem 30. Juni 2023 veröffentlichte die Antragsgegnerin auf ihrer Internetseite unter der Rubrik „Rathaus – Finanzen und Beschaffung“ die öffentliche Ausschreibung „Trägerauswahlverfahren Jugendhilfeeinrichtung B.straße“. In der B.straße solle eine Jugendhilfeeinrichtung in Trägerschaft eines anerkannten Trägers der Kinder- und Jugendhilfe entstehen. Es handle sich dabei um ein Einrichtungskonzept, dass es so im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin bisher noch nicht gebe. Neben einer Notschlafstelle für Minderjährige sollten flexible Inobhutnahmeplätze angeboten werden, mit einem Schwerpunkt in der Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländer*innen (umA). Hauptherausforderung würden die Betreuung von sehr unterschiedlichen Zielgruppen mit unterschiedlichen Bedarfen und unterschiedlicher Verweildauer sein. Die Plätze stünden ausschließlich der Antragsgegnerin zur Verfügung. Die Aufgabe solle ab 6. Oktober 2023 für acht Jahre übernommen werden. Hierfür würde zwischen dem auszuwählenden Träger und der Antragsgegnerin eine Vereinbarung nach § 77 SGB VIII geschlossen werden. Bestehe ein Bedarf über das Vertragsende hinaus, sei eine Verlängerung für einen Zeitraum von einem Jahr zu den gleichen Konditionen möglich.
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Die Einrichtung solle sich in vier Angebote untergliedern. Insgesamt könnten in der Einrichtung maximal 40 Personen untergebracht werden. Der Träger sei verpflichtet das Betriebserlaubnisverfahren einzuhalten.
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Die Notschlafstelle (Gruppe 1) solle ein niederschwelliges Angebot der Jugendhilfe für junge Menschen zwischen 14 und 17 Jahren anbieten. Die Unterbringung erfolge im Rahmen der Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII. In der Kurzzeitgruppe für männliche umA (Gruppe 2) sollten sechs Plätze für männliche umA im Alter von 14 bis 17 Jahren, inklusive derer, deren medizinische Altersfeststellung noch aussteht (Zweifelsfälle), zur Unterbringung gemäß § 42a SGB VIII angeboten werden. Zudem solle es eine Langzeitgruppe für männliche Jugendliche (Gruppe 3) geben, die gem. § 42 SGB VIII für männliche umA mit Verlegungshindernis aus der Gruppe 2 sowie für männliche Jugendliche aus der Notschlafstelle zur Verfügung gestellt werde, und die als Fortsetzung der Unterbringung gem. § 42a SGB VIII bzw. zur längerfristigen Notunterbringung als Anschluss an die Notschlafstelle dienen solle. Schließlich sollte es eine Gruppe für weibliche Jugendliche und LGBTQIA+ im Alter von 14 bis 17 Jahren (Gruppe 4) mit sechs Plätzen geben. Die Zielgruppe umfasse sowohl umA nach § 42a SGB VIII aus dem YRC, inklusive derer, deren medizinische Altersfeststellung noch ausstehe (Zweifelsfälle), als auch umA mit Verlegungshemmnissen nach § 42 SGB VIII und weibliche Jugendliche aus der Notschlafstelle, die motiviert seien längerfristig in Jugendhilfe untergebracht zu werden.
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Unter Punkt 2.8 erfolgten Angaben zur Mindestpersonalausstattung der Gruppen. Um die Auslastungsschwankungen der Einrichtung zu berücksichtigen, seien Tagessätze (Kosten pro Platz/pro Tag) für alle möglichen Belegungsoptionen anzusetzen. Hierbei sollten alle anfallenden Leistungen des Trägers, inkl. sämtlicher Nebenkosten (insbesondere auch Fahrt- und Materialkosten, Auslagen etc.) sowie der Personaleinsatz entsprechend dem angegebenen Personal kalkuliert werden. Die Antragsgegnerin stelle für den Betrieb der Einrichtung als Vermieterin Räumlichkeiten gegen Entgelt zur Verfügung.
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Das Angebot mit weiteren benannten Unterlagen sei per E-Mail bis 28. Juli 2023, 24 Uhr an die Antragsgegnerin zu senden. Auswahlkriterien seien jeweils zu 50% das Gesamtkonzept sowie der Durchschnittspreis.
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Der Antragsteller sowie der Träger W. e.V. beteiligten sich an diesem „Trägerauswahlverfahren“, indem sie sich jeweils am 28. Juli 2023 unter Einreichung der Bewerbungsunterlagen bei der Antragsgegnerin als Träger für die streitgegenständliche Jugendhilfeeinrichtung in der B.-straße bewarben.
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Da der Antragsteller schon vor Abgabe seines Angebots davon ausgegangen war, dass er den Zuschlag nicht bekommen werde, hatte er zudem bereits mit Antrag vom 23. Juli 2023 vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Das Verwaltungsgericht München lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 3. August 2023 (M 18 E 23.3704) ab. Die hiergegen erhobene Beschwerde des Antragstellers wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 16. August 2023 (12 CE 23.1435) zurückgewiesen.
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Mit Schreiben vom 31. Juli 2023 bat das Sozialreferat der Antragsgegnerin die Geschäftsstelle der Entgeltkommission M. um Prüfung der eingereichten Kalkulationen des Antragstellers und des Trägers W. e.V.
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Am 7. August 2023 fand eine Sitzung des „Beratungsgremiums“ der Antragsgegnerin statt. Laut dem Sitzungsprotokoll wurden hierbei von den Teilnehmenden die beiden eingereichten Konzepte des Antragstellers und des Trägers W. e.V. nacheinander gesichtet. Die Kriterien der Auswertungsmatrix seien der Reihenfolge nach durchgegangen worden und es sei bei jedem Kriterium geprüft worden, ob dieses entsprechend im Konzept enthalten sei. Es sei bei jedem Kriterium die Einschätzung des gesamten Gremiums abgefragt worden. Im Anschluss seien die Gesamteinschätzung und Eindrücke zu beiden Konzepten von jedem Teilnehmenden erfragt und in der Auswertungsmatrix festgehalten worden. Dem Sitzungsprotokoll waren für jeden Bewerber eine Auswertungsmatrix „Bewertung des Konzeptes“, ein „Bewertungsschema Preis“, sowie eine „Gesamtauswertung“ beigefügt.
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Mit E-Mail vom 9. August 2023 teilte die Geschäftsstelle der Entgeltkommission M. dem Sozialreferat der Antragsgegnerin insbesondere mit, dass der Träger W. e.V. im Gesamtergebnis das eindeutig wirtschaftlichere Angebot vorgelegt habe.
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Am 19. September 2023 beschloss der Kinder- und Jugendhilfeausschuss der Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf den entsprechenden Vorschlag der „Auswahlkommission“, die Trägerschaft für die Jugendhilfeeinrichtung B.-straße dem Träger W. e.V. zu übertragen.
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In der Sitzungsvorlage Nr. 20-26/ V 10843 zur öffentlichen Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses vom 19. September 2023 wurde hierzu insbesondere ausgeführt, dass vor dieser Entscheidung ein Trägerauswahlverfahren eigener Art durchgeführt worden sei. Dieses Verfahren habe die Besonderheit, dass es sich um ein Verfahren im Bereich der Entgeltfinanzierung handle, in welchem solche Verfahren bislang nicht vorgesehen seien und sich daher lediglich an den Vorgaben für das Zuschusswesen orientiere. Anschließend wurde das Auswahlverfahren näher dargestellt und hierbei insbesondere auf die Zusammensetzung der „Auswahlkommission“, die Bewertungskriterien, die Gewichtung, den Vergleich der Angebote gemäß den Ausschreibungsgrundsätzen und die Auswahlkriterien eingegangen. Abschließend wurde ausgeführt, dass die Bewerbung des Trägers W. e.V. im Auswertungsverfahren eigener Art die höchste Prozentzahl erreicht habe und somit die „Auswahlkommission“ habe überzeugen können. Insgesamt habe der Träger W. e.V. in seiner Bewerbung ein fachlich fundiertes und auf die speziellen Bedarfe der unterschiedlichen Zielgruppen zugeschnittenes Konzept beschrieben. Die geplante Umsetzung erscheine sinnvoll und realistisch. Die Bewerbung zeuge insgesamt von Fachwissen und Erfahrungen des Trägers im Bereich der Jugendhilfe.
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Der Sitzungsvorlage Nr. 20-26/ V 10844 zur nichtöffentlichen Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses am 19. September 2023 lässt sich darüber hinaus entnehmen, dass die Auswertung der eingereichten Konzepte und Kalkulationen der beiden sich bewerbenden Träger hinsichtlich des Antragstellers ergeben habe, dass in dessen Konzept die tatsächliche Leistung teilweise unspezifisch beschrieben sei und nicht durchgängig differenziert auf die verschiedenen Bedarfe der einzelnen Zielgruppen sowie der damit verbundenen pädagogischen Tätigkeiten eingegangen werde. Die inhaltliche Ausgestaltung von fachlichen Angeboten (z.B. konkrete Benennungen der spezifischen Angebote für die verschiedenen Zielgruppen oder Freizeitaktivitäten) würden mehrfach nicht näher ausgeführt. Grundsätzlich könne davon ausgegangen werden, dass nach konzeptionellen Anpassungen bzw. weiteren Ausdifferenzierungen eine Umsetzung der tatsächlich geforderten Leistung erwartet werden könne. Der Träger habe in der Gesamtbewertung 82% erreicht. Bezüglich des Trägers W. e.V. seien die Bedarfe der verschiedenen spezifischen Zielgruppen sowie die entsprechenden Angebote im eingereichten Konzept differenziert und fachlich begründet beschrieben. Auf wichtige, zu berücksichtigende Besonderheiten gehe der Träger ein. Die Gesamtdarstellung im Konzept lasse einen eindeutigen Rückschluss darauf zu, dass eine tatsächliche zielgruppenspezifische Umsetzung der vorgegebenen Leistung zu erwarten sei. Der Träger erreiche eine Gesamtbewertung von 97%. Dieser Sitzungsvorlage waren eine Bewertungsmatrix „Übersicht des Ergebnisses des Trägerschaftsauswahlverfahrens“ sowie die ausgefüllten Bewerbungsformulare und Kalkulationen der beiden sich bewerbenden Träger beigefügt.
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Mit Schriftsatz vom 19. September 2023, eingegangen am selben Tag, beantragte der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
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die „Trägerschaftsvergabe“ für die Jugendhilfeeinrichtung B.-straße“ vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen.
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass der Eilantrag zulässig sei. Denn inzwischen sei die Auswahlentscheidung im streitgegenständlichen „Trägerauswahlverfahren eigener Art“ erfolgt. Diese sei mit Entscheidung vom 19. September 2023 im Kinder- und Jugendhilfeausschuss der Antragsgegnerin bestätigt worden. Die „Trägerschaft für die Jugendhilfeeinrichtung B.-straße“ solle dem Träger W. e.V. übertragen werden. Nach den Ausschreibungsunterlagen werde diese „Übertragung“ bzw. „Trägerschaftsvergabe“ wohl zeitnah durch Vertragsschluss nach § 77 SGB VIII erfolgen. Mit der am 19. September 2023 erfolgten Auswahlentscheidung sei der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers auf gerichtliche Überprüfung eröffnet worden, da jedenfalls mit der nunmehr erfolgten Auswahlentscheidung und der in Kürze beabsichtigten „Trägerschaftsvergabe“ für die Jugendhilfeeinrichtung B.-straße irreversible Fakten drohen würden.
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Der Eilantrag sei auch begründet. Es liege ein Anordnungsanspruch vor. Vorliegend sei eine wettbewerbsrechtlich geprägte Vergabeentscheidung gegeben. Denn der Preis entscheide zu 50% über die exkludierende Auswahl eines Trägers. Zudem seien von der Antragsgegnerin im gesamten Verfahren und auch aktuell in der Beschlussvorlage für den Kinder- und Jugendhilfeausschuss vergaberechtliche Formulierungen und Vorgaben genutzt worden. Beispielsweise würden sich die Formulierungen in Ziff. 2.4. der Beschlussvorlage betreffend Auswahlkriterien an denjenigen in § 58 Abs. 2 Satz 1 der Vergabeverordnung orientieren. Die Antragsgegnerin habe deutlich gemacht, dass eine „Vergabe“ der „Trägerschaft“ mittels eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens durchgeführt worden sei. Der sozialrechtliche Gesetzgeber habe sich aber bewusst gegen die Anwendung des Vergaberechts entschieden. Das streitgegenständliche „Trägerauswahlverfahren eigener Art“ stelle auch kein „bloßes Interessenbekundungsverfahren“ dar, sondern ein im SGB VIII nicht vorgesehenes Auswahlverfahren, mit dem die essentialia negotii des abzuschließenden Vertrags nach § 77 SGB VIII vorgegeben worden seien. Es habe offensichtlich keine Verhandlung eines Tagessatzes stattgefunden, wie es für § 77 SGB VIII gesetzlich vorgegeben sei. Es könne daher nicht erkannt werden, wie auf Basis der Vorgaben des Auswahlverfahrens der Inhalt von koordinationsrechtlichen Verträgen auf gleicher Augenhöhe verhandelt werden können. Der Gesetzgeber habe mit §§ 76, 77 und 78a Abs. 2 SGB VIII abschließende Regelungen getroffen, die nicht durch ein „Auswahlverfahren eigener Art“ und eine anschließende „Trägervergabe“ ersetzt werden könnten. Das streitgegenständliche „Trägerauswahlverfahren“ sei unter Verstoß gegen die „Fundamentalgrundsätze“ des SGB VIII (insbesondere §§ 3 bis 5 SGB VIII und §§ 79 ff. SGB VIII) durchgeführt worden. Träger der freien Jugendhilfe seien im Übrigen auch bei der Wahrnehmung „anderer Aufgaben“ i.S.d. § 3 Abs. 3 SGB VIII keine „Erfüllungsgehilfen“ des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe. Die Antragsgegnerin habe die Vorgaben nach §§ 76 ff. SGB VIII ignoriert, insbesondere sei keine fehlerfreie Ermessensentscheidung erfolgt. Die nach § 76 SGB VIII und § 77 SGB VIII geschuldete Ermessensentscheidung müsse sich innerhalb des Zwecks der Ermächtigung des SGB VIII bewegen. Vorliegend sei die Ermessensentscheidung jedoch entgegen § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII nicht alleine durch das Jugendamt der Antragsgegnerin, sondern beispielsweise auch vom Amt für Wohnen und Migration, getroffen worden. Im Übrigen habe bei dem erfolgten exkludierenden „Auswahlverfahren eigener Art“ betreffend die Erbringung unterschiedlicher Aufgaben durch einen einzigen Träger der freien Jugendhilfe weder das gesetzliche Gebot zur Wahrung der Trägerpluralität, noch das Gebot partnerschaftlichen Handelns, Eingang in die Ermessensentscheidung finden können. Dieses Verfahren widerspreche damit dem Verständnis des SGB VIII im Hinblick auf die Natur der freien Jugendhilfe und deren Schutz nach § 4 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII. Auch könnten mit der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung die Vorgaben des § 79 SGB VIII nicht eingehalten werden. Die Gesamtverantwortung als „Fundamentalnorm“ der Kinder- und Jugendhilfe und die Gewährung einer pluralen Angebotsstruktur sei auch im streitgegenständlichen Verfahren zu achten. Das „Trägerauswahlverfahren eigener Art“ verstoße auch gegen die gesetzlichen Grenzen der vorzunehmenden Ermessensentscheidung, insbesondere gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 GG. Das Auswahlkriterium „50% – Preis“ sei kein sachlicher Differenzierungsgrund im System der Kinder- und Jugendhilfe. Die Antragsgegnerin habe das „Auswahlverfahren eigener Art“ somit ohne gesetzliche Grundlage durchgeführt und beabsichtige, ebenfalls ohne gesetzliche Grundlage, auf dieser Basis eine „Trägerschaftsvergabe“ vorzunehmen. Im Anschluss sollen die so vorgegebenen Vertragsinhalte mittels Vertrag nach § 77 SGB VIII dokumentiert werden. Dieses Vorgehen sei unzulässig. Die Vertragsinhalte seien vielmehr unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 77 SGB VIII zu verhandeln. Der Anwendungsbereich des § 77 SGB VIII sei vorliegend eröffnet, da dieser nicht auf die Finanzierung ambulanter Maßnahmen beschränkt sei. Letztlich sei jedoch nicht entscheidungserheblich, ob § 77 SGB VIII vorliegend bereits aufgrund seines gesetzlichen Anwendungsbefehls zu beachten sei, da der Antragsteller und die Antragsgegnerin durch öffentlich-rechtlichen Vertrag die Anwendung von § 77 SGB VIII und der Grundsätze der §§ 78a SGB VIII vertraglich vereinbart hätten.
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Zudem sei ein Anordnungsgrund gegeben. Ein Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren könne dem Antragsteller nicht zugemutet werden. Die „Vergabe der Trägerschaft“ durch Vertragsschluss im „Auswahlverfahren eigener Art“ schließe den Primärrechtsschutz aus, da Unterlassungsansprüche dadurch untergehen würden. Pflichtgemäße Ermessensentscheidungen nach § 76 SGB VIII und § 77 SGB VIII wären der Antragsgegnerin für die Dauer des Ausschreibungszeitraums, hier acht oder neun Jahre, nicht mehr möglich und der Anspruch des Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung würde irreversibel vereitelt.
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Die Antragstellerseite legte die Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 10843 betreffend den Beschluss des Kinder- und Jugendhilfeausschusses vom 19. September 2023, ein Schreiben der Antragsgegnerin an den Antragsteller zum Trägerauswahlverfahren hinsichtlich der T.-straße vom 1. August 2023, sowie eine Verfahrens- und Kooperationsvereinbarung für § 42 SGB VIII-Einrichtungen im Zuständigkeitsbereich des Stadtjugendamtes der Antragsgegnerin zwischen dieser und dem Antragsteller vom 25. April 2013, vor.
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Die Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 27. September 2023,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde zunächst auf die Ausführungen der Antragsgegnerin im Verfahren M 18 E 23.3704 verwiesen. Ergänzend wurde insbesondere vorgetragen, dass der Antragsteller, der als einziger weiterer Träger neben dem ausgewählten Träger Interesse bekundet und ein Konzept für die Trägerschaft eingereicht habe, noch am Tag der Zustimmung des Kinder- und Jugendhilfeausschuss zur Auswahlentscheidung am 19. September 2023 mündlich über die Entscheidung informiert worden sei. Der ausgewählte Träger habe inzwischen die Betriebserlaubnis beantragt, die von der Regierung von O. jedoch noch nicht erteilt worden sei.
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In inhaltlicher Hinsicht gehe es dem Antragsteller offensichtlich weiterhin vorrangig um die Frage, ob das streitgegenständliche Auswahlverfahren bei der Beteiligung eines Trägers nach § 76 SGB VIII zur Inobhutnahme nach § 42 oder § 42a SGB VIII zur Anwendung kommen darf. Die konkrete Auswahlentscheidung werde kaum thematisiert. Die Alternative zu einem formellen Vergabeverfahren gemäß GWB und VgV oder zu dem vorliegend durchgeführten Auswahlverfahren eigener Art wäre die direkte Aufnahme von Vertragsverhandlungen gewesen, ohne dass zuvor der städtische Bedarf an Beteiligung gemäß § 76 SGB VIII für potenziell interessierte Träger öffentlich gemacht worden wäre. Der Antragsgegnerin sei es jedoch wichtig gewesen, ein transparentes und strukturiertes Auswahlverfahren zu entwickeln, welches die Trägerpluralität dadurch fördere, dass interessierte Träger ihr Interesse bekunden können, diese nicht von vornherein ausgeschlossen sind und der Willkür vorgebeugt werde. Zugleich bestünden im städtischen Verfahren eigener Art weniger Beschränkungen als im Vergabeverfahren nach GWB, um den Besonderheiten der Jugendhilfe bezüglich der Vertragsgestaltung gerecht zu werden.
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Die Antragsgegnerin habe zudem ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie habe sich bei ihrer Auswahlentscheidung von sachlichen, dem Zweck der Ermessensausübung entsprechenden, Gesichtspunkten leiten lassen. Für die Ermessensentscheidung sei aus Sicht der Antragsgegnerin insbesondere maßgeblich gewesen, dass die verschiedenen Einrichtungen von einem Träger betrieben werden sollen, um Synergieeffekte zur Kosteneinsparung sinnvoll nutzen zu können (z. B. übergreifender Einsatz von Fachkräften, Sicherheitsdienst). Dann seien auch Dienst-, Fachaufsicht und das Hausrecht in einer Hand und es brauche keine komplizierten Regelungen zu Verantwortlichkeiten, vor allem zu Schutzkonzepten und Sicherheitskonzepten. Bei einem Träger gebe es auch Vorteile beim Thema Personalgewinnung. Demnach würden für die Entscheidung, beide Einrichtungen unter einer Trägerschaft zu vereinen, sachliche Gründe fachlicher und organisatorischer Art vorliegen. Hinsichtlich der Bewertung der Konzepte werde auf die beigefügte Auswertungsmatrix „Auswertung Bewertungen“ und die verkürzte Auswertungsmatrix als Ergebnis der Auswertung verwiesen. Zudem werde auf die in der Akte befindlichen Konzepte Bezug genommen. Die Fachlichkeit und die Wirtschaftlichkeit seien jeweils mit 50% gewichtet worden.
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Im eingereichten Konzept des ausgewählten Trägers W. e.V. seien die Bedarfe der spezifischen Zielgruppen sowie die entsprechenden Angebote differenziert und fachlich begründet beschrieben worden. Auf zu berücksichtigende Besonderheiten sei der Träger eingegangen. Die Gesamtdarstellung im Konzept lasse einen eindeutigen Rückschluss darauf zu, dass eine tatsächliche zielgruppenspezifische Umsetzung der vorgegebenen Leistung zu erwarten sei. Im eingereichten Konzept des Antragstellers sei die tatsächliche Leistung hingegen teilweise unspezifisch beschrieben gewesen und es sei nicht durchgängig differenziert auf die verschiedenen Bedarfe der einzelnen Zielgruppen und der damit verbunden pädagogischen Tätigkeiten eingegangen worden. Inhaltliche Ausgestaltungen von fachlichen Angeboten (z.B. konkrete Benennungen der spezifischen Angebote für die verschiedenen Zielgruppen oder der Freizeitaktivitäten) seien mehrfach nicht näher ausgeführt worden. Beide Träger hätten beim Kriterium Wirtschaftlichkeit – Tagessatz (Preis) – nicht sehr weit auseinandergelegen. Der Träger W. e.V. habe 50% erhalten, der Antragsteller 45%. Die Bepunktung der Fachlichkeit habe eine Bewertung von 47% (33 Punkte) für den ausgewählten Träger W. e.V. ergeben, wohingegen der Antragsteller lediglich 37% (26 Punkte) erhalten habe. Damit sei insbesondere die Beurteilung der Fachlichkeit ausschlaggebend für die Auswahl des Trägers gewesen. Der Träger W. e.V. habe insgesamt 97% (50+47), der Antragsteller 82% (45+37) erhalten. Hätte der Antragsteller für die Wirtschaftlichkeit auch 50% erhalten, wäre auch in diesem Fall das Gesamtergebnis niedriger als beim Träger W. e.V. gewesen, nämlich 87% (50+37).
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Es habe auch ein fachlich und sachlich angemessenes abteilungsübergreifendes internes Bewertungsgremium mit Kolleg*innen aus unterschiedlichen Abteilungen/Stabstellen, die ihre Expertise bei der Bewertung der Konzepte mit eingebracht hätten, vorgelegen. Es seien auch Mitarbeiter*innen aus der Operative der Sozialbürgerhäuser, in dessen Bezirk die Einrichtung liege, sowie eines Sozialbürgerhauses mit dem Bereich unbegleitete minderjährige Ausländer eingeladen worden. Die Sozialbürgerhäuser würden perspektivisch eng mit der Einrichtung zusammenarbeiten. Darüber hinaus sei die Stabstelle Kinderschutz mit einbezogen worden, um deren Expertise zum Kinderschutz/Schutzkonzept mit einzubringen. Die Stabstelle für Querschnittsthemen sei eingebunden worden, da in einer Gruppe der Einrichtung auch Minderjährige des Personenkreises LGBTQIA+ aufgenommen werden sollen und in der Stabstelle die Expertise zum speziellen Bedarf dieser Personengruppe vorhanden sei. Darüber hinaus seien jeweils ein*e Kolleg*in aus der Abteilung Kinder/Jugend/Familie sowie dem Amt für Wohnen und Migration eingeladen worden, um deren Expertise zu den Konzepten mit einzubinden, wobei Letzterer aufgrund von Krankheit nicht habe teilnehmen können. Die Unterbringung der Zielgruppen berühre zwar überwiegend die Bereiche der Jugendhilfe und seien klar dieser zuzuordnen. Schnittstellen mit der Expertise des Amtes für Wohnen und Migration seien jedoch auch gegeben, so dass ein Austausch als förderlich angesehen worden sei. Innerhalb der Organisationshoheit der Antragsgegnerin sei ein fachlicher Austausch der Ämter als zulässig und zielführend anzusehen. Der Austausch, der teilweise wegen Krankheit ohnehin nicht habe stattfinden können, sei jedoch nicht entscheidend für die Auswahl gewesen, so dass diese trotzdem ohne sachliche Fehler mit hinreichender Expertise habe getroffen werden können.
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Durch Beschluss der Kammer vom 28. September 2023 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen.
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Wegen des weiteren Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte in diesem Verfahren sowie im Verfahren M 18 E 23.3704 ergänzend Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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Für den vorliegenden Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vor, für welche insbesondere die abdrängende Sonderzuweisung an die Vergabekammern nach §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB nicht gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2021 – 12 CE 21.2141; VG München, B.v. 30.7.2021 – M 18 E 21.3726 – juris Rn. 16; B.v. 22.7.2021 – M 18 E 21.2712 – jeweils BeckRS).
32
Der Antrag ist des Weiteren zulässig, insbesondere fehlt ihm nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Antragsgegnerin hat mit Beschluss des Kinder- und Jugendhilfeausschusses vom 19. September 2023 die Auswahlentscheidung zugunsten des Trägers W. e.V. und somit zu Lasten des Antragstellers getroffen. Diese Auswahlentscheidung musste der Antragsteller abwarten, um nun um vorläufigen oder endgültigen Rechtsschutz nachsuchen zu können, da erst die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragsstellers auf gerichtliche Überprüfung eröffnet hat (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2023 – 12 CE 23.1435 – n.v. Rn. 4 ff.). Der Antrag wird i.S.v. § 88 VwGO sachdienlich dahingehend ausgelegt, dass er auf vorläufige Aufhebung der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin und ermessensfehlerfreie erneute Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichtet ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.8.2023 – 12 CE 23.1435 – n.v. Rn. 5; Wysk, in: Wysk, VwGO, 3. Auflage 2020, § 42 Rn. 91 ff.).
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Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Gemäß § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Ferner sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Dabei muss der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist grundsätzlich Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Maßgebend sind hierfür die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2011 – 12 CE 11.2215 – juris Rn. 6).
35
Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung der vorläufigen Sicherung eines Anspruchs bzw. der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Mit der vom Antragsteller begehrten Entscheidung wird die Hauptsache aber zeitlich begrenzt vorweggenommen. In einem solchen Fall sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifiziert hohe Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache jedenfalls dem Grunde nach spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris Rn. 4).
36
Der Antragsteller konnte nunmehr aufgrund des bevorstehenden Vertragsschlusses mit dem Träger W. e.V. einen Anordnungsgrund glaubhaft machen. Jedoch konnte er keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen.
37
Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers liegt vorliegend bereits kein vergaberechtliches Verfahren vor.
38
Das Gericht folgt – weiterhin, wie bereits in dem Beschluss des erkennenden Gerichts vom 3. August 2023 (M 18 E 23.3704 – Rn. 34 ff.) – den Ausführungen der Antragsgegnerin, dass das streitgegenständliche, von der Antragsgegnerin als „Trägerauswahlverfahren“ bezeichnete Verfahren auch aus objektiver Empfängersicht nicht als förmliches vergaberechtliches Verfahren zu werten ist. Weder die Form, noch der Inhalt der o.g. „Ausschreibung“ können eine solche rechtliche Kategorie – gegen den ausdrücklichen Willen und Erklärungen der Antragsgegnerin – begründen. Vielmehr ergibt sich aus den Unterlagen hinreichend eindeutig, dass der Antragsgegnerin daran gelegen ist, für die Wahrnehmung einer „anderen“ Aufgabe der Jugendhilfe im Sinne des § 2 Abs. 3 SGB VIII einen Träger der freien Jugendhilfe zu beteiligen und hierfür Angebote einzuholen, so dass eine Form des bloßen Interessenbekundungsverfahrens vorliegt (vgl. OVG Hamburg, B.v. 9.5.2023 – 4 Bs 167/22 – juris Rn. 12, 18).
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Unabhängig von den von der Antragsgegnerin zum Teil falsch bzw. irreführend verwendeten Begriffen (insbesondere auch zuletzt in der Sitzungsvorlage Nr. 20-26/V 10843 zur Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses der Antragsgegnerin vom 19. September 2023, beispielsweise durch mehrfache Verwendung des Begriffs „öffentliche Ausschreibung“) ergibt sich hinreichend eindeutig, dass keine „Vergabe“ nach den Regeln des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bzw. der Vergabeverordnung (VgV), insbesondere keine „automatische“ Zuschlagserteilung gemäß § 127 GWB erfolgen sollte. Zudem lag den „Ausschreibungsunterlagen“ auch kein Vertrag bei, welcher jedoch bei einem förmlichen Vergabeverfahren Bestandteil der Vergabeunterlagen zu sein hat (§ 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VgV). Eine solche (abschließende) Vertragsformulierung wäre der Antragsgegnerin im damaligen Verfahrensstadium auch nicht möglich gewesen. Denn erst seitdem der Kinder- und Jugendhilfeausschuss am 19. September 2023 beschlossen hat, dem Träger W. e.V. die Trägerschaft für die Jugendhilfeeinrichtung B.-straße zu übertragen, konnten von Seiten der Antragsgegnerin Vertragsverhandlungen aufgenommen werden, die Details der Leistungserbringung und das Zusammenwirken mit den Vorgaben der nach Aktenlage – zumindest hinsichtlich der Unterbringung unbegleiteter minderjährige Ausländer gemäß § 42a SGB VIII – noch nicht gewährten Betriebserlaubnis beinhalten müssen.
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Eine abweichende Einschätzung kann sich – anders als der Bevollmächtigte des Antragstellers meint – auch nicht daraus ergeben, dass in der o.g. Sitzungsvorlage Nr. 20-26/ V 10843 bei der Darstellung der Auswahlkriterien unter Ziffer 2.4. zumindest teilweise Formulierungen gewählt wurden, die denjenigen in § 58 Abs. 2 Satz 1 VgV ähneln. Dies gilt umso mehr, als in Ziffer 2.4. lediglich davon die Rede ist, dass grundsätzlich das jeweils wirtschaftlichste Angebot ausgewählt wird, so dass Ausnahmemöglichkeiten bestehen. Zudem weichen die weiteren Ausführungen in Ziffer 2.4. zur Ermittlung des besten Preis-Leistung-Verhältnisses und somit des wirtschaftlichsten Angebots von den Ausführungen in § 58 Abs. 2 Sätze 2 ff. VgV ab.
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Die Bezugnahmen der Antragstellerseite auf die Entscheidung des erkennenden Gerichts vom 28. Oktober 2021 (M 18 E 21.2712 BeckRS) und auf deren Bestätigung durch die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Dezember 2021 (12 CE 21.2846 – juris) sind daher für den vorliegenden Fall nicht einschlägig, denn die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin wird im vorliegenden Verfahren gerade nicht (unzulässig) durch vergaberechtliche Vorgaben beeinflusst (VG München, B.v. 28.10.2021 – M 18 E 21.2712 – BeckRS Rn. 69 f.; BayVGH, B.v. 6.12.2021 – 12 CE 21.2846 – juris Rn. 10 f.).
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Das von der Antragsgegnerin auch in der o.g. Sitzungsvorlage Nr. 20-26/ V 10843 als „Trägerauswahlverfahren eigener Art“ bezeichnete Verfahren erscheint – zumindest für die vorliegende Beteiligung freier Träger an der Wahrnehmung „anderer“ Aufgaben im Sinne der §§ 2 Abs. 3, 3 Abs. 3 und § 76 SGB VIII – zulässig.
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Gemäß § 3 Abs. 3 SGB VIII werden „andere Aufgaben“ der Jugendhilfe von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe wahrgenommen. Soweit dies ausdrücklich bestimmt ist, können Träger der freien Jugendhilfe diese Aufgaben wahrnehmen oder mit ihrer Betreuung betraut werden. § 76 SGB VIII stellt eine solche gesetzliche Regelung für die Aufgaben nach § 42 und § 42a SGB VIII dar (vgl. Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Auflage 2022, § 3 Rn. 36), um die es sich vorliegend – wie sich aus der Konzeptbeschreibung eindeutig ergibt – ausschließlich handelt.
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Anders als bei der Erbringung von Leistungen nach § 3 Abs. 2 SGB VIII nimmt der freie Träger bei der Beteiligung nach § 3 Abs. 3 SGB VIII keine originäre, sondern die öffentlich-rechtliche Aufgabe im Auftrag des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe aufgrund öffentlich-rechtlicher Beleihung durch Beteiligung oder Übertragung von Aufgaben wahr (BeckOGK/Herbe, 1.4.2023, SGB VIII § 3 Rn. 27). Sie sind Erfüllungsgehilfen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (BeckOK SozR/Winkler, 69. Ed. 1.6.2023, SGB VIII § 3 Rn. 8; Wiesner/Wapler/Wapler, 6. Aufl. 2022, SGB VIII § 3 Rn. 17). Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers zum Beleg seiner abweichenden Rechtsauffassung insbesondere auf die Kommentierungen von Schindler/Elmauer in: Kunkel/Kepert/Pattar, SGB VIII, 8. Auflage 2022, § 3 Rn. 30 und 32 sowie § 76 Rn. 1 und von Schindler/von Boetticher in: Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Auflage 2022, § 76 Rn. 2 verweist, rechtfertigen die dortigen Ausführungen keine abweichende Einschätzung; insbesondere schließt die Eigenschaft des Trägers der freien Jugendhilfe als Erfüllungsgehilfe des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe eine partnerschaftliche Zusammenarbeit nicht aus.
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Die Antragsgegnerin beabsichtigt für Aufgaben nach § 42 und § 42a SGB VIII die Übertragung auf einen freien Träger durch Abschluss eines öffentlichen Vertrags. Entgegen den Ausführungen der Parteien dürfte vorliegend der Verweis auf eine Vereinbarung nach § 77 SGB VIII fehlerhaft sein, da dieser ausschließlich für Verträge über ambulante Leistungen einschlägig ist (vgl. BeckOGK/Janda, 1.6.2023, SGB VIII § 77 Rn. 15; Schön in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 6. Auflage 2022, § 77 Rn. 4). Der Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers, dass § 77 SGB VIII dahingehend erweiternd auszulegen sei, dass er in der vorliegenden Konstellation auch auf eine teil- und vollstationäre Leistungserbringung und deren Finanzierung anwendbar sei, überzeugt nicht; insbesondere ist entgegen den Ausführungen von Schindler in: Münder/ Meysen/ Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 9. Auflage 2022, § 77 Rn. 1 nicht davon auszugehen, dass es sich bei der ausschließlichen Erwähnung von ambulanten Leistungen in der Überschrift von § 77 SGB VIII um ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers gehandelt habe, da eine Beschränkung auf ambulante Leistungen mit dem Wortlaut der Norm nicht aufgegriffen werde und die Gesetzesbegründung von einer Erweiterung des Tatbestandes ausgehe. Denn aus der zitierten Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/26107, S. 28, 108, 109) ergibt sich, dass die dortigen Ausführungen zum erweiterten Gegenstand der Vorschrift und der Anpassung der Überschrift hieran sich lediglich darauf bezogen, dass durch das KJSG die Norm insoweit eine Erweiterung erfahren hat, dass nun neben der Kostenübernahme auch die Qualitätsentwicklung Gegenstand der Vereinbarungen auf Grundlage des § 77 SGB sein solle, dass die Vereinbarungen also neue zusätzliche Inhalte beinhalten können (vgl. hierzu: Schön in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 6. Auflage 2022, § 77 Rn. 4; Trésoret in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 2. Auflage 2022, § 77 Rn. 7). Der Verweis auf die Gesetzbegründung ist also nicht geeignet, die Anwendbarkeit des § 77 SGB VIII über den in dessen Überschrift ausdrücklich genannten Bereich der ambulanten Leistungen hinaus zu begründen.
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Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers schließlich ausführte, dass letztlich dahinstehen könne, ob § 77 SGB VIII vorliegend bereits aufgrund gesetzlichen Anwendungsbefehls zu beachten sei, da der Antragsteller und die Antragsgegnerin durch öffentlichen rechtlichen Vertrag dessen Anwendung vertraglich vereinbart hätten, überzeugt diese Argumentation ebenfalls nicht. Der Bevollmächtigte des Antragstellers verwies insoweit auf § 1 der vorgelegten „Verfahrens- und Kooperationsvereinbarung für § 42 SGB VIII-Einrichtungen im Zuständigkeitsbereich des Stadtjugendamts M.“ zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin vom 25. April 2013, die aktuell noch gültig sei. Diese Vereinbarung kann jedoch bereits nach den allgemeinen Grundsätzen des Vertragsrechts nur zwischen diesen Vertragsparteien Geltung beanspruchen. Keinesfalls kann sie dazu führen, dass bei Vertragsverhandlungen zwischen der Antragsgegnerin und anderen freien Trägern der Jugendhilfe, beispielsweise dem vorliegend von der Antragsgegnerin ausgewählten Träger W. e.V., zwingend § 77 SGB VIII anzuwenden wäre. Den dem Gericht vorliegenden Akten lässt sich auch nicht entnehmen, dass der Träger W. e.V. eine vergleichbare Vereinbarung mit der Antragsgegnerin geschlossen hat. Zudem kann entgegen dem Vortrag des Bevollmächtigten des Antragstellers das von der Antragsgegnerin durchgeführte „Trägerauswahlverfahren eigener Art“ nicht deswegen rechtsfehlerhaft sein, weil es von der o.g. Vereinbarung zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin „abweicht“. Denn das „Trägerauswahlverfahren eigener Art“ findet weit im Vorfeld des Abschlusses eines Vertrages mit dem letztlich ausgewählten Träger der freien Jugendhilfe statt. In diesem Auswahlverfahren kann es daher keine Rolle spielen, welche Vereinbarungen die Antragsgegnerin in Bezug auf Inobhutnahmen gemäß § 42 SGB VIII bzw. vorläufige Inobhutnahmen gemäß § 42a SGB VIII mit einzelnen Trägern der freien Jugendhilfe abgeschlossen hat, die sich potentiell bewerben könnten. Dies gilt umso mehr, als die Möglichkeit besteht, dass die sich bewerbenden Träger der freien Jugendhilfe mit der Antragsgegnerin insoweit völlig unterschiedliche Vereinbarungen geschlossen haben.
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Die Beteiligung von freien Trägern nach § 76 SGB VIII erfolgt über den Abschluss eines koordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrages nach §§ 53 ff. SGB X (BeckOGK/Janda, 1.6.2023, SGB VIII § 76 Rn. 21; LPK-SGB VIII/Helmut Schindler/Edda Elmauer, 8. Aufl. 2022, SGB VIII § 76 Rn. 8; Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, SGB VIII § 76 Rn. 2, beck-online). Zu einem solchen Vertragsschluss – der eine exklusive Anbieterauswahl bereits denklogisch voraussetzt – ist die Antragsgegnerin gemäß § 76 SGB VIII ausdrücklich berechtigt, was der Bevollmächtigte des Antragstellers vollständig außer Acht lässt. Auch die vom Bevollmächtigten des Antragstellers zitierten Literaturfundstellen rechtfertigen keine abweichende Bewertung dahingehend, dass vorliegend eine exklusive Anbieterauswahl unzulässig gewesen sei.
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Zudem liegt es im Ermessen des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe, ob und in welchem Umfang er freie Träger an der Wahrnehmung „anderer“ Aufgaben mitwirken lässt. Insoweit besteht daher bereits kein eingeschränkter Konkurrenzschutz zugunsten anerkannter freier Träger gemäß § 4 Abs. 2 SGB VIII. Vielmehr muss der Träger der öffentlichen Jugendhilfe lediglich die für Ermessensentscheidungen allgemein geltenden Grundsätze beachten, d.h. seine Entscheidung muss dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung entsprechen und darf nicht gegen allgemeine Grundsätze des Verwaltungsrechts und gegen höherrangiges Recht wie z.B. den Grundsatz der Gleichbehandlung oder das Grundrecht auf freie Ausübung des Berufs verstoßen (LPK-SGB VIII/Helmut Schindler/Edda Elmauer, 8. Aufl. 2022, SGB VIII § 76 Rn. 7; BeckOGK/Janda, 1.6.2023, SGB VIII § 76 Rn. 16; Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, SGB VIII § 76 Rn. 3, beck-online; Trésoret in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 76 SGB VIII (Stand: 01.08.2022), Rn. 47, 50).
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Unabhängig von der (umstrittenen) Frage, ob eine subjektive Rechtsposition anerkannter freier Träger im Rahmen der Beteiligung nach § 76 SGB VIII überhaupt begründet werden kann (vgl. hierzu: Trésoret in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 76 SGB VIII (Stand: 01.08.2022), Rn. 50), sind vorliegend für das Gericht keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Antragsgegnerin mit den von ihr angelegten Vorgaben und Auswahlkriterien im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung, die mit dem Beschluss des Kinder- und Jugendhilfeausschusses vom 19. September 2023, die Trägerschaft für die Jugendhilfeeinrichtung B.-straße dem Träger W. e.V. zu übertragen, ihren Abschluss gefunden hat, gegen die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts bzw. höherrangiges Recht verstoßen haben könnte (vgl. hierzu: OVG Hamburg, B.v. 9.5.2023 – 4 Bs 157/22 – juris Rn. 27 ff.).
50
Im Rahmen der Sitzung des „Bewertungsgremiums“ am 7. August 2023 wurden laut dem Sitzungsprotokoll von den Teilnehmenden die eingereichten Konzepte des Antragstellers und des Trägers W. e.V. nacheinander gesichtet sowie die Gesamteinschätzung zu beiden Konzepten in einer Auswertungsmatrix festgehalten. Dem Sitzungsprotokoll waren für jeden Bewerber jeweils diese Auswertungsmatrix „Bewertung des Konzeptes“, ein „Bewertungsschema Preis“, sowie eine „Gesamtauswertung“ beigefügt. Aus Sicht des Gerichts sind die Ausführungen und Schlussfolgerungen in diesen Unterlagen sachlich hinreichend nachvollziehbar und begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.
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Hinsichtlich des Kriteriums „Fachlichkeit“ wurde in der jeweiligen Auswertungsmatrix nachvollziehbar und transparent dargestellt, aufgrund welcher Gesichtspunkte das „Bewertungsgremium“ zur jeweiligen Punktevergabe gelangte. So ist in der Auswertungsmatrix zu dem vom Antragsteller eingereichten Konzept klar ersichtlich und wurde detailliert aufgegliedert, welche Kritikpunkte das Bewertungsgremium zu einzelnen Punkten der dort dargestellten Themenkomplexe hatte; insbesondere wurde an jedem Unterpunkt, bei dem kein Punkt vergeben wurde, dies detailliert und sachlich nachvollziehbar begründet. Somit kann anhand der Auswertungsmatrix jederzeit nachvollzogen werden, wie das Bewertungsgremium zur Vergabe von insgesamt 26 Punkten (37%) gelangte. Bei den Punkten „Eindrücke aus dem Gremium“ und „Gesamtbewertung“ wurden die für das „Bewertungsgremium“ ausschlaggebenden Kritikpunkte noch einmal zusammenfassend und nachvollziehbar dargestellt. Die dortigen Ausführungen bieten auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt haben könnten. Auch die zweite Auswertungsmatrix mit der Bewertung des Konzepts des Trägers W. e.V. stellt hinreichend detailliert und transparent dar, aufgrund welcher fachlichen Einschätzung das „Bewertungsgremium“ zur Vergabe von 33 Punkten (47%) gelangte und welche Gesichtspunkte ausschlaggebend für eine höhere Bepunktung dieses Konzepts waren.
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Hinsichtlich des Kriteriums „Wirtschaftlichkeit – Tagessatz (Preis)“ wird im o.g. „Bewertungsschema Preis“ nachvollziehbar dargestellt, in welchen vier Schritten die Berechnung erfolgte. Auch die sich anschließende tabellarische Darstellung der Daten, aus denen für jeden Bewerber die Mittelwerte für die Notschlafstelle und die Gruppen 2 bis 4 sowie anschließend die Vergabe von 45% für den Antragsteller und von 50% für den Träger W. e.V. errechnet wurden, erscheint nachvollziehbar und bietet keine Anhaltspunkte für Ermessensfehler der Antragsgegnerin.
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Die o.g. „Gesamtauswertung“ stellt ebenfalls nachvollziehbar zusammenfassend dar, dass der Antragsteller aufgrund der Bewertung mit 45% beim Kriterium „Preis“ und von 37% beim Kriterium „Konzept“ ein Gesamtergebnis von 82% erzielt habe und der Träger W. e.V. aufgrund der Bewertung mit 50% beim Kriterium „Preis“ und von 47% beim Kriterium „Konzept“ ein Gesamtergebnis von 97%.
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Entgegen der Rechtsansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers ist die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin auch nicht allein schon deswegen fehlerhaft, weil laut Ziffer 2.1. der o.g. Sitzungsvorlage Nr. 20-26/ V 10843 im Rahmen dieser „Auswahlkommission“ (das Gremium wird von der Antragsgegnerin teilweise als „Bewertungsgremium“ und teilweise als „Auswahlkommission“ bezeichnet) auch „sachfremde Expertise“ von außerhalb des Stadtjugendamtes der Antragsgegnerin in die Ermessensentscheidung eingeflossen sei. Denn zwar wirkten nach Aktenlage tatsächlich nicht nur Vertreter des Stadtjugendamtes an der Sitzung des „Bewertungsgremiums“ am 7. August 2023 mit. Aus der o.g. Sitzungsvorlage Nr. 20-26/ V 10843 ergibt sich insoweit, dass Fachkräfte aus der Stabstelle Kinderschutz, der Operativen (vertreten durch pädagogische Fachkräfte aus zwei Sozialbürgerhäusern), dem Amt für Wohnen und Migration, der Abteilung Kinder, Jugend und Familie, der Stabstelle für Querschnittsaufgaben sowie der Fachsteuerung für stationäre Erziehungshilfen eingeladen worden seien. In der Antragserwiderung vom 27. September 2023 machte die Antragsgegnerin hierzu präzisierende Ausführungen und erläuterte hinsichtlich der Teilnehmenden, die nicht dem Stadtjugendamt der Antragsgegnerin angehören, nachvollziehbar, aus welchen sachlichen Gründen eine Einbeziehung dieser Fachbereiche fachlich sinnvoll erschienen sei. Aus Sicht des Gerichts begegnet es keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin für die Bewertung der von den Bewerbern vorgelegten Konzepte und Kalkulationen hausintern abteilungsübergreifend auch die Expertise von Fachkräften einbezogen hat, die organisatorisch nicht dem Stadtjugendamt angehören. Soweit der Bevollmächtigte des Antragsstellers insbesondere die Beteiligung des Amtes für Wohnen und Migration an der Entscheidungsfindung kritisierte, stellte die Antragsgegnerin in der Antragserwiderung vom 27. September 2023 ohnehin klar, dass eine solche Beteiligung letztlich gar nicht erfolgt sei, da dessen Vertreter krankheitsbedingt nicht an der Sitzung des „Bewertungsgremiums“ habe teilnehmen können. Unabhängig davon wurde die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin letztlich erst am 19. September durch den o.g. Beschluss des hierfür zuständigen Kinder- und Jugendhilfeausschusses zum Abschluss gebracht, der auch von der Einschätzung der „Auswahlkommission“ hätte abweichen können. Dass der Kinder- und Jugendhilfeausschuss nicht zuständig gewesen sei oder fehlerhaft besetzt gewesen sei, wird auch vom Bevollmächtigten des Antragstellers nicht vorgetragen. Auch der Verweis des Bevollmächtigten des Antragstellers auf § 69 Abs. 3 SGB VIII geht fehl. Denn dem Wortlaut dieser Norm lässt sich nicht entnehmen, dass die Jugendämter sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nicht von anderen Stellen beraten lassen dürfen.
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Auch der Inhalt der beiden Sitzungsvorlagen zur Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses am 19. September 2023, in dem die abschließende Entscheidung über die Auswahl des Trägers für die streitgegenständliche Einrichtung getroffen wurde, bietet keine Anhaltspunkte für Ermessensfehler der Antragsgegnerin. Dort wurden die für die Entscheidung maßgeblichen Erwägungen zusammenfassend, transparent und nachvollziehbar dargestellt. Sachfremde Erwägungen oder sonstige Ermessensfehler sind auch hierbei nicht zu erkennen. Denn in der Sitzungsvorlage Nr. 20-26/ V 10843 zur öffentlichen Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses wurde hierzu insbesondere das Auswahlverfahren näher dargestellt und hinreichend konkret auf die Zusammensetzung der „Auswahlkommission“, die Bewertungskriterien, die Gewichtung, den Vergleich der Angebote gemäß den Ausschreibungsgrundsätzen und die Auswahlkriterien eingegangen. Anschließend wurde das Ergebnis der „Auswahlkommission“ nachvollziehbar und zutreffend zusammengefasst. In der Sitzungsvorlage Nr. 20-26/ V 10844 zur nichtöffentlichen Sitzung des Kinder- und Jugendhilfeausschusses wurde darüber hinaus jeweils der Inhalt der in der o.g. Auswertungsmatrix hinsichtlich des jeweiligen Konzepts vorgenommenen „Gesamtbewertung“ bezüglich beider Bewerber dargestellt. Dieser Sitzungsvorlage war insbesondere eine Bewertungsmatrix „Übersicht des Ergebnisses des Trägerschaftsauswahlverfahrens“ beigefügt, die eine nachvollziehbare tabellarische Kurzzusammenfassung der o.g. Auswertungsmatrix bezogen auf beide Bewerber und in Gegenüberstellung zur maximal möglichen Punktzahl darstellt.
56
Die Antragsgegnerin war auch nicht per se daran gehindert, den Durchschnittspreis (neben dem Gesamtkonzept) als gleichrangiges Kriterium heranzuziehen. Die Antragsgegnerin ist zu einer sparsamen Haushaltsführung verpflichtet und hat dies auch bei der Beauftragung von Dritten nach § 76 SGB VIII – wie vorliegend beabsichtigt – zu berücksichtigen. Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers insoweit ausführte, dass der Verweis auf die sparsame Haushaltsführung, auf welche sich die Antragsgegnerin auch unter Ziff. 2.5. der o.g. Sitzungsvorlage Nr. 20-26/ V 10843 beziehe, eine Auswahlentscheidung am Maßstab „50% Preis“ nicht rechtfertigen könne, überzeugt dies nicht; dies gilt umso mehr als er insoweit primär die nicht belegte Behauptung aufstellte, dass die Antragsgegnerin mit dem Kriterium „50% Preis“ vorliegend primär Interessen der Kostendämpfung verfolge.
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Auch im Übrigen liegen aus Sicht des Gerichts nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin fehlerhaft gewesen sein könnte. Es begegnet insbesondere keinen Bedenken, dass die Antragsgegnerin sich aus sachlichen nachvollziehbaren Erwägungen heraus dafür entschieden hat, einen Träger mit zwei verschiedenen, fachlich ähnlichen Aufgaben zu betrauen. Soweit der Bevollmächtigte des Antragstellers ausführte, dass der Antragsteller voraussichtlich überhaupt nicht mehr zum Zuge komme, sofern künftig in der Kinder- und Jugendhilfe stets „Billigleistungserbringer“ mittels „Auswahlverfahren eigener Art“ ausgesucht werden würden, da der Antragsteller großen Wert auf eine der Zielbestimmung des § 1 SGB VIII vollumfänglich genügende Leistungserbringung lege und zudem den kirchentariflichen Bindung bei der Zahlung der Personalkosten unterliege, so dass er bei einem Auswahlverfahren, bei welchem der Preis zu 50% maßgeblich sei, keine Chance habe, überzeugt dies ebenfalls nicht. Denn laut Ziffer 2.4. der o.g. Sitzungsvorlage Nr. 20-26/ V 10843 werden bei der Ermittlung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses auch qualitative und soziale Aspekte berücksichtigt. Laut Ziffer 2.5. dieser Sitzungsvorlage werden beim Kriterium „Preis“ bei der Auswahl des Trägers auch Umfang und Qualität des Leistungsangebots bewertet. Unabhängig davon sind die Ausführungen der Antragstellerseite zur behaupteten Bevorzugung von „Billigleistungserbringern“ auch deswegen nicht nachvollziehbar, weil im vorliegenden Auswahlverfahren die Bewertung der beiden Bewerber beim Kriterium „Wirtschaftlichkeit“ nur um 5% auseinanderlagen, da der Antragsteller dort 45% erzielte und der Träger W. e.V. 50%. Der Antragsteller hatte die Antragsgegnerin vielmehr vor allem beim Kriterium „Fachlichkeit“ nicht überzeugt. Denn dort erhielt der Antragsteller lediglich 37%, wohingegen der Träger W. e.V. 47% bekam. Somit hätte der Antragsteller auch dann, wenn er beim Kriterium „Wirtschaftlichkeit“ eine Bewertung in Höhe der maximal möglichen 50% bekommen hätte, aufgrund der deutlich schlechteren Bewertung beim Kriterium „Fachlichkeit“ eine schlechtere Gesamtbewertung erzielt als der Träger W. e.V. Die Gewichtung des Kriteriums „Wirtschaftlichkeit“ war vorliegend somit gar nicht ausschlaggebend für das Unterliegen des Antragstellers. Es liegen nach Aktenlage auch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsgegnerin sich bei der Festlegung der Gewichtung dieses Kriteriums mit 50% von sachfremden Erwägungen leiten ließ.
58
Die Ausführungen des Antragstellers verkennen zudem auch insoweit, dass es vorliegend nicht um die Auswahl eines freien Träger im Rahmen der Erbringung einer Jugendhilfeleistung geht, sondern um die Beteiligung eines solchen an einer anderen Aufgabe gemäß § 76 SGB VIII. Daher geht auch insoweit der Verweis des Bevollmächtigten des Antragstellers auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts München im Beschluss vom 28. Oktober 2021 (M 18 E 21.2712 – Rn. 58) fehl.
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Durch die Übertragung einzelner „anderer“ Aufgaben an freie Träger gemäß § 76 SGB VIII kann im Übrigen auch nicht – wovon offenbar der Antragsteller ausgeht – per se ein Verstoß gegen § 79 SGB VIII angenommen werden. Auch wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe für die Erfüllung sämtlicher seiner Aufgaben die Gesamtverantwortung einschließlich der Planungsverantwortung trägt und zur Wahrung eines pluralen Angebots verpflichtet ist (BayVGH, B.v. 6.12.2021 – 12 CE 21.2846 – juris LS 5), führt dies nicht zu einem Verbot, nach einer ermessensgerechten Auswahlentscheidung einzelne „andere“ Aufgaben durch öffentlich-rechtlichen Vertrag an freie Träger zu vergeben.
60
Im Übrigen geht auch der Verweis des Bevollmächtigten des Antragstellers auf die einzuhaltenden Grundsätze für die Verhandlungen von Entgelt-, Leistungs- und Qualitätsentwicklungsvereinbarungen fehl. Denn die §§ 78a ff. SGB VIII finden auf Inobhutnahmen nach § 42 und 42a SGB VIII keine Anwendung. Auch eine entsprechende landesrechtliche Regelung (§ 78 Abs. 2 SGB VIII) besteht in Bayern hierzu nicht.
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Der Antrag war daher abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.