Inhalt

VG München, Beschluss v. 10.01.2023 – M 7 S 22.3213
Titel:

Widerruf von Waffenbesitzkarten wegen Verstoßes gegen Aufbewahrungspflichten

Normenketten:
WaffG § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 45 Abs. 2, § 46
AWaffG § 13
BJagdG § 17 Abs. 1 S. 2, § 18 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 3, Abs. 5
Leitsätze:
1. Im Bereich des Sicherheitsrechts sind die Anforderungen an die Begründung der Anordnung eines Sofortvollzugs gering, weil es um den Schutz von Leben und Gesundheit geht und deshalb der Sofortvollzug in der Regel bereits aus der Natur der Sache begründet ist. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert, wobei diese Prognose auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten rechtfertigt die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine sorgfältige Aufbewahrung iSv § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG liegt nur dann vor, wenn die gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen oder Munition beachtet sind. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften, Widerruf der Waffenbesitzkarten, Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins, Waffenbesitzkarte, Widerruf, Sofortvollzug, Begründung, waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Prognose, Aufbewahrungspflichten, Aufbewahrungsvorschriften, Jagdschein, Vollzugsinteresse
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2636

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.625,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner am 24. Juni 2022 erhobenen Klage gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten, die Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins sowie die hierzu ergangenen Folgenanordnungen mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2022.
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Ausweislich eines Aktenvermerks der Antragsgegnerin vom 19. Mai 2022 wurden im Rahmen der Verlängerung des Jagdscheins des Antragstellers Unstimmigkeiten bezüglich dessen Meldeadresse festgestellt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten sowie des Aktenvermerks Bezug genommen. In der Folge führten Bedienstete der Antragsgegnerin am 19. Mai 2022 unter der neuen Wohnadresse des Antragstellers eine unangemeldete Waffenaufbewahrungskontrolle durch. Der Antragsteller habe auch ein Aufbewahrungsformular über den neuen Standort seines Tresors ausfüllen sollen. Vor Ort sei festgestellt worden, dass es sich hierbei um ein „Haus an der … – und … – …“ handele. Die Bediensteten hätten dem Antragsteller den Grund des Besuchs erklärt und ihn darauf hingewiesen, dass die Aufbewahrung der Waffen in einer solchen Institution nicht möglich sei und dass man die Institution darüber hätte in Kenntnis setzen müssen, was er aber nicht veranlasst habe. Der Antragsteller habe sich zunächst geweigert, seine Waffen zur Verwahrung herauszugeben; bis zur Klärung des Sachverhalts wolle er dies selber tun, da er „einen guten Draht“ habe und es keine Bedenken gebe, dass er hier seine Waffen aufbewahren könne. Im Zuge der anschließenden Kontrolle sei festgestellt worden, dass die drei Langwaffen sicher im Tresor aufbewahrt worden seien. In der ebenfalls im Tresor aufbewahrten Kurzwaffe habe sich jedoch ein mit Munition beladenes Magazin sowie im Lauf eine Patrone befunden. Der Antragsteller sei über die erforderliche Sicherstellung und Mitnahme der Waffen belehrt worden. Er habe sich zunächst geweigert, da es nach seiner Meinung nicht schlimm gewesen sei, dass die Pistole geladen sei, weil es sich nur um ein Kleinkaliber handele und er sowieso nichts damit anstellen würde. Der Antragsteller habe letztlich jedoch überzeugt werden können und die Waffen seien sichergestellt worden. Der Antragsteller habe sich jedoch geweigert, die Waffenbesitzkarte und den Jagdschein auszuhändigen.
3
Mit Schreiben vom 20. Mai 2022 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller u.a. mit, dass es zu den grundlegenden Sorgfaltspflichten eines Waffenbesitzers gehöre, seine Waffen nach Gebrauch zu entladen und den gesetzlichen Vorgaben entsprechend sicher zu verwahren. Eine Schusswaffe dürfe nur ungeladen und getrennt von Munition aufbewahrt werden. Seine Waffe sei bei der Kontrolle am 19. Mai 2022 fertig geladen gewesen. Da der Antragsteller aufgrund der getroffenen Feststellungen keine Gewähr für die sichere Verwahrung von Schusswaffen biete, sei beabsichtigt, die Erteilung seiner Waffenbesitzkarten zu widerrufen und den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen. Es werde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
4
Der Antragsteller nahm mit Schreiben vom 30. Mai 2022 dahingehend Stellung, dass es ihm ohne Zweifel passiert sei, dass er im Innenfach seines Waffenschranks eine Pistole mit Munition ohne Trennung aufbewahrt habe. Er bedauere sehr, damit gegen ein wichtiges waffenrechtliches Gesetz verstoßen zu haben und bitte, das Fehlverhalten zu entschuldigen. Er habe einen einwandfreien Leumund und bis heute einen untadeligen Lebenswandel. Er habe keine waffen-, jagd-, fischerei- oder verkehrsrechtliche Verstöße begangen und ein einwandfreies Führungszeugnis. Zudem sei er 33 Jahre als … mit hoher Verantwortung im Bereich Forschung im Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst tätig gewesen. Er habe eine Ehe und sei Vater von drei Kindern, denen er allen einen erfolgreichen Studienabschluss ermöglicht habe. Außerdem sei er seit 2019 erster Vorsitzender der Bewohnervertretung und jetziger delegierter und offiziell bestätigter Bewohnerfürsprecher der … GmbH. Die Überlegungen zu seinen Lebensinhalten hätten ihm wieder deutlich gemacht, wie wichtig und bedeutsam ihm die Einhaltung von Recht und Ordnung in seinem Leben gewesen sei. Deshalb bereue er es umso mehr, dass ihm ausgerechnet im Bereich Waffenrecht dieser Fehler unterlaufen sei. Die verschuldete Zusammenführung von Pistole und Munition habe zu keinem Zeitpunkt zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Gefährdung Dritter geführt. Niemand außer ihm habe Zugang zu seinem Waffenschrank. Es habe somit niemand außer ihm in Besitz seiner Waffen kommen können. Eine Gefährdung Dritter sei jederzeit ausgeschlossen gewesen. Da sein fehlerhaftes Verhalten fahrlässig gewesen sei, bitte er, den Einzug der Waffenerlaubnis und des Jagdscheins mit einer hohen Geldbuße abzuwenden. Er sei gerne bereit, den Bußgeldbetrag für einen sozialen Zweck zu spenden. Seine Langwaffe Bockdrilling von Borovnik/Ferlach wolle er verkaufen. Hierfür sei es notwendig, die Waffe herzurichten und zu fotografieren. Auch hierzu bitte er, die Waffenbesitzkarte und den Jagdschein behalten zu dürfen. Mit Sicherheit würden sich kaufinteressierte Inhaber mit einer Erwerbserlaubnis von der ausgezeichneten Schussleistung auf einem Schießstand überzeugen wollen. Dabei seien Waffe und Munition notwendig. Er garantiere und sei willens, dass Aufbewahrungsverstöße jedweder Art zukünftig ausgeschlossen seien.
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Mit Bescheid vom 3. Juni 2022, dem Antragsteller am 9. Juni 2022 zugestellt, wurde der dem Antragsteller von der Antragsgegnerin am 4. März 2016 ausgestellte und bis 31. März 2025 befristete Jagdschein Nr. … für ungültig erklärt und eingezogen (Nr. I.1). Die Erteilung der für den Antragsteller am 8. Januar 1974 ausgestellten Waffenbesitzkarte Nr. … sowie der am 12. März 1982 ausgestellten Waffenbesitzkarte Nr. … wurde mit Zustellung des Bescheids widerrufen (Nr. I.2). Sollte der Antragsteller nicht innerhalb von sechs Wochen nach Zugang des Bescheids einen empfangsbereiten Berechtigten für die – im einzelnen aufgelisteten – Schusswaffen und Munition benannt haben, der die sichergestellten Waffen und die Munition bei der Antragsgegnerin abhole, würden die Waffen und Munition eingezogen und der ersatzlosen Verwertung bzw. Vernichtung zugeführt (Nr. I.3). Der Antragsteller wurde aufgefordert, den Jagdschein und die Waffenbesitzkarten innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids bei der Antragsgegnerin abzugeben bzw. einzusenden (Nr. I.4). Für die Nrn. I.1 und I.4 des Bescheids wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. I.5). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe des Jagdscheins und der waffenrechtlichen Erlaubnisse werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- Euro je Erlaubnisdokument zur Zahlung fällig (Nr. I.6). Dem Antragsteller wurden die Kosten für den Bescheid auferlegt und für den Bescheid eine Gebühr in Höhe von 170,- Euro sowie Auslagen in Höhe von 2,49 Euro festgesetzt (Nr. I.7).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, bei der Waffenaufbewahrungskontrolle am 19. Mai 2022 sei festgestellt worden, dass die – näher bezeichnete – Kurzwaffe des Antragstellers fertig geladen gewesen sei. Waffen und Munition seien sichergestellt und an die Dienststelle verbracht worden. Im Rahmen seiner Anhörung habe der Antragsteller mit Schreiben vom 30. Mai 2022 den Aufbewahrungsverstoß zugegeben und u.a. auf sein bisheriges straf- und waffenrechtliches Wohlverhalten sowie seine verantwortungsvolle Tätigkeit im Ministerium und sein soziales Engagement hingewiesen. Gemäß § 18 Abs. 1 BJagdG sei die Behörde in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn nach der Erteilung des Jagdscheins Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründeten, einträten. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG dürfe nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (Falknerjagdschein) erteilt werden, wenn die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG nicht mehr gegeben sei. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG besäßen Personen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgingen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren würden. Nach § 36 Abs. 1 WaffG habe, wer Waffen und Munition besitze, die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass diese Gegenstände abhandenkämen oder Dritte sie unbefugt an sich nähmen. Da der Antragsteller bereits vor dem 6. Juli 2017 über ausreichend klassifizierte Sicherheitsbehältnisse verfügt habe, habe er für die Aufbewahrung seiner Schusswaffen gemäß § 36 Abs. 4 WaffG den vorhandenen A/B-Schrank weiter nutzen dürfen. Dabei habe eine Schusswaffe nur ungeladen und getrennt von Munition aufbewahrt werden dürfen. Bei der Kontrolle am 19. Mai 2022 hätten sich in der Kurzwaffe des Antragstellers das befüllte Pistolenmagazin sowie eine Patrone im Lauf befunden. Die Pistole sei somit fertig geladen gewesen. Es gehöre zu den grundlegenden Sorgfaltspflichten eines Waffenbesitzers, seine Waffe nach Gebrauch zu entladen und den gesetzlichen Vorgaben entsprechend sicher zu verwahren. Bereits ein einmaliger Aufbewahrungsverstoß hinsichtlich einer erlaubnispflichtigen Waffe rechtfertige den Widerruf aller erlaubnispflichtigen Waffen. Straf- und waffenrechtliches Wohlverhalten stelle keine Besonderheit dar, sondern müsse bei Waffenbesitzern als selbstverständliche Grundvoraussetzung für den Umgang mit Waffen angesehen werden. Fotos von den Waffen könnten nach Terminabsprache in der Dienststelle gemacht werden. Somit könnten die vom Antragsteller im Schreiben vom 30. Mai 2022 vorgebrachten Punkte nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden. Da er aus diesen Gründen nicht mehr die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit besitze, sei der Jagdschein für ungültig zu erklären und dessen Einziehung anzuordnen gewesen. Auch die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis sei gemäß § 45 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG zu widerrufen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Betroffene die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG nicht mehr besitze. Da der Antragsteller nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit besitze, sei auch die Erteilung seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse zu widerrufen gewesen. Nach § 46 Abs. 5 WaffG könne die Waffenbehörde sichergestellte Waffen und Munition einziehen und verwerten oder vernichten, wenn der Antragsteller innerhalb eines Monats nach der Sicherstellung bzw. nach Zugang des Bescheids keinen empfangsbereiten Berechtigten benenne, der diese abhole. Rechtsgrundlage für die Verfügung unter Nr. I.4 des Bescheids sei § 52 VwVfG in Bezug auf den Jagdschein und § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG hinsichtlich der Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnisse. Es solle dadurch verhindert werden, dass ungültig gewordene Erlaubnisurkunden im Rechtsverkehr missbräuchlich verwendet würden. Rechtsgrundlage für die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Es liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins sowie (die Verpflichtung) zur Rückgabe der jagd- und waffenrechtlichen Erlaubnisse vor der, bei Ausschöpfung des Verwaltungsrechtswegs unter Umständen erst in mehreren Jahren zu erwartenden Unanfechtbarkeit des Bescheids wirksam würden. Der Antragsteller besitze aufgrund des Aufbewahrungsverstoßes nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit. Die Ausübung der Jagd und der Umgang mit Schusswaffen und Munition seien jedoch nur dann unbedenklich, wenn über die Zuverlässigkeit des Erlaubnisinhabers keine Zweifel bestünden. Personen, die über Schusswaffen verfügten, müssten hohen Ansprüchen in Bezug auf Charakter und persönlicher Integrität entsprechen. Dagegen stellten Schusswaffen in der Hand einer Person, die den strengen Anforderungen nicht genügen könne, eine ständige Gefahr für die Allgemeinheit dar. Diese Gefahr abzuwenden liege im öffentlichen Interesse. Die Abwägung des öffentlichen Interesses an einer möglichst rasch wirksamen Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins, des Widerrufs der Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnisse und einer umgehenden Erfüllung der Herausgabe- und Nachweispflichten gegenüber dem privaten Interesse, jagd- und waffenrechtliche Erlaubnisse bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids zu besitzen, ergebe daher einen eindeutigen Vorrang der öffentlichen Belange. Die Zwangsgeldandrohung erfolge aufgrund Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds stehe in angemessenem Verhältnis zu dem angestrebten Zweck und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers. Dabei sei hier insbesondere das öffentliche Interesse an der Rückgabe ungültig gewordener jagd- und waffenrechtlicher Erlaubnisse zu berücksichtigen. Die nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG zu treffende Ermessensabwägung habe den eindeutigen Vorrang des öffentlichen Interesses an der fristgerechten Rückgabe gegenüber dem privaten Interesse am weiteren Besitz der Erlaubnisse ergeben. Die Kostenerhebung beruhe auf den im Einzelnen zitierten Vorschriften des Kostenrechts.
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Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Antragstellers am 24. Juni 2022 Klage erhoben (M 7 K 22.3212) und zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, wie sich aus der parallel eingereichten Klage ergebe, sei der Lebenssachverhalt, welcher dem Widerrufsbescheid zugrunde liege und den Sofortvollzug stützen solle, nicht ausreichend evaluiert. Die Begründung des Bescheids, insbesondere die Ausführungen zum Sofortvollzug, seien rechtlich nicht haltbar. Im vorliegenden Fall spreche nichts dafür, dass der Antragsteller Waffen missbräuchlich verwende. Waffen und Munition seien in zertifizierten Behältnissen und nicht für Dritte zugriffsbereit verwahrt worden. Der Widerrufsbescheid stelle lediglich allgemeine Erwägungen zum Thema Sofortvollzug an, er stelle aber nicht kausal den Zusammenhang zu einem möglichen zu befürchtenden Waffenmissbrauch des langjährig unbescholtenen Antragstellers her. Einen derartigen Zusammenhang gebe es auch in der Person des Antragstellers nicht. Der Antrag sei zulässig, insbesondere hinsichtlich aller in der Verfügung der Antragsgegnerin enthaltenen vollziehbaren Regelungen statthaft. Der Antrag erweise sich auch als begründet, da das private Interesse des Antragstellers an einem vorläufigen Aufschub der getroffenen Regelung das öffentliche Interesse an deren sofortiger Vollziehung überwiege. Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung erweise sich der Ausgang der Klage des Antragstellers schon aufgrund des geschilderten Lebenssachverhalts als völlig offen. Daher seien alle wechselseitigen Interessen sorgsam zu ermitteln und zu gewichten. Die vorzunehmende Abwägung führe zu dem Ergebnis, dass dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers für die Dauer des Hauptsacheverfahrens Vorrang vor dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin gebühre. Vorliegend könne nämlich der Vollzug des Bescheids ohne schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen aufgeschoben werden. Der Unterfertigende verkenne bei dieser Bewertung nicht, dass bei Entscheidungen der Behörde nach dem Waffengesetz wegen mangelnder persönlicher Eignung oder Unzuverlässigkeit des Waffeninhabers regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehe, um die Gefahr, die von einem unzuverlässigen Waffenbesitzer ausgehe, möglichst bald zu beseitigen. Aus den besonderen Umständen des vorliegenden Falls, nämlich der belegbar überdurchschnittlichen Seriosität des Antragstellers, ergebe sich indes eine hiervon abweichende Bewertung der beiderseitigen Interessen. Es lasse sich aufgrund des bisherigen jahrzehntelangen untadeligen Verhaltens des betagten Antragstellers (insbesondere in waffenrechtlichen Belangen) keine von dem Antragsteller ausgehende Gefahr für Dritte und keine erhebliche Gefahr einer Eigenverletzung erkennen. Daher erscheine die sofortige Vollziehung der Rücknahme der waffenrechtlichen Erlaubnisse nicht dringlich oder geboten. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei wiederherzustellen. Im Rahmen des Klageverfahrens (M 7 K 22.3212) wurde weiter ausgeführt, die Aufbewahrung einer geladenen Kleinkaliberpistole in einem zertifizierten Behältnis stelle unstreitig eine Ordnungswidrigkeit nach § 13 Abs. 2 i.V.m. § 34 Nr. 12 AWaffV i.V.m. § 53 Abs. 1 WaffG dar. Alle anderen Waffen seien sorgfältig in einem zertifizierten Behältnis getrennt von der Munition aufbewahrt worden. Der Antragsteller habe dies gegenüber der Behörde mit Schreiben vom 30. Mai 2022 eingeräumt und sich einsichtig gezeigt. Art und Schwere des Verstoßes seien zu würdigen. Dieser könne als leichte Fahrlässigkeit qualifiziert werden, zu keinem Zeitpunkt habe eine Gefahr bestanden. Alle erlaubnispflichtigen Waffen seien vollzählig vorhanden gewesen, ebenso wie ausreichend zertifizierte Verwahrbehältnisse i.S.v. § 36 WaffG. Ein Zugriff durch Dritte sei zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen. Auch die Tatsache, dass der Antragsteller einsichtig sei, spreche gegen einen Entzug sämtlicher Erlaubnisse. Eine Analogie zum Fahrerlaubnisrecht zeige, dass eine folgenlose Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr bestenfalls zu einem Fahrverbot, nicht aber zum Führerscheinentzug herangezogen werden könne. Tatsächlich habe hier bestenfalls eine Ordnungswidrigkeit nach § 53 Abs. 1 WaffG vorgelegen. Diese Ordnungswidrigkeit sei im absolut unteren Bereich anzusiedeln, da das Maß der Pflichtwidrigkeit gering und ein Abhandenkommen so gut wie ausgeschlossen gewesen sei. Es liege kein absoluter Widerrufsgrund bzw. ein gebundenes Ermessen vor. Die Persönlichkeitsbeurteilung für die waffenrechtliche Zuverlässigkeit müsse nach dem Gesetzeswortlaut des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG eine Zukunftsprognose beinhalten, dass der Antragsteller das Gemeinwesen durch seinen Waffenbesitz und die dadurch gegebene Möglichkeit des Missbrauchs wahrscheinlich stören werde. In seinem Schreiben vom 30. Mai 2022 habe der Antragsteller ein belegbares positives Bild seiner Persönlichkeit gezeichnet. Der vorliegende Fall hebe sich von anderen Fällen ab, da der Antragsteller über sehr lange Zeiträume unbescholtener Waffenbesitzer gewesen sei. Der jahrzehntelange einwandfreie Umgang mit Waffen und Munition müsse zu seinen Gunsten gewürdigt werden. Es seien auch keinerlei Verstöße aus anderen Rechtsgebieten erkennbar. Die Wahrscheinlichkeitsprognose sei bei der Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit schon allein deshalb erforderlich, weil milde Sonderfälle aufgrund eines Augenblickversagens lediglich als Gefährdungsmomente zu betrachten seien und nicht als konkrete Gefahr oder konkretisierbare Gefahr. Die Eigenart des Charakters des Antragstellers und sein Verhalten müsse nach Berücksichtigung der Lebenserfahrung die Wahrscheinlichkeit für den zukünftigen Eintritt eines Störungsereignisses ergeben. Diese Grundsätze seien vom Schrifttum bereits zum früheren § 5 WaffG a.F. entwickelt worden. Im vorliegenden Fall spreche nichts dafür, dass der Antragsteller durch Jagdvergehen oder Waffenmissbrauch das Gemeinwesen stören werde. Der von der Behörde festgestellte Aufbewahrungsmangel sei sofort im Anschluss an die Kontrolle anerkannt worden, die Angelegenheit sei dem Antragsteller eine Lehre. Der gesetzliche Präventivzweck rechtfertige den Widerruf ebenfalls nicht, da keine denkbare Variante des weiteren zukünftigen Verlaufs zu einer Gefahr hätte werden können. Die beabsichtigte Maßnahme eines Widerrufs – der stärksten Sanktion des Waffenrechts – erscheine vor dem oben genannten Hintergrund höchst unverhältnismäßig.
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Der Antragsteller beantragt,
Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid des KVR München vom 3. Juni 2022, insbesondere Nr. I.1 und I.4, wird angeordnet.
10
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
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Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 18. Juli 2022 im Wesentlichen auf den Inhalt der Behördenakten und insbesondere auf die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, dass jeder grobe waffenrechtliche Aufbewahrungsverstoß – wie die Aufbewahrung einer fertiggeladenen Pistole – in der Regel auch mindestens eine waffenrechtliche Ordnungswidrigkeit darstelle. Bereits ein einmaliger Aufbewahrungsverstoß hinsichtlich einer erlaubnispflichtigen Waffe rechtfertige den Widerruf aller erlaubnispflichtigen Waffen des Antragstellers. Die Kalibergröße spiele hierfür keine Rolle. Ob die übrigen Waffen ordnungsgemäß aufbewahrt worden seien, sei daher irrelevant. Straf- und waffenrechtliches Wohlverhalten stelle keine Besonderheit dar, sondern müsse bei Waffenbesitzern als selbstverständliche Grundvoraussetzung für den Umgang mit Waffen angesehen werden. Der Widerruf der Erlaubnisse für erlaubnispflichtige Waffen stelle im Übrigen im Vergleich zu dem hier nicht geplanten Verbot des Erwerbs und Besitzes von erlaubnisfreien Waffen nicht die stärkste Sanktion im Waffenrecht dar.
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Mit E-Mail vom 25. Oktober 2022 bat die Antragsgegnerin um zeitnahe Entscheidung, da der Antragsteller versuche, neue Waffen zu kaufen. Am 2. Januar 2023 übermittelte sie eine E-Mail des Antragstellers, in der dieser der Antragsgegnerin u.a. mitteilte, einen Bockdrilling erworben zu haben, der ihm am 27. Dezember 2022 zugestellt worden sei. Weiter gab der Antragsteller an, er wolle noch einmal auf die Jagd gehen, was ihm drei Revierinhaber ermöglichen würden, und würde dann, spätestens im August 2023, freiwillig seinen Jagdschein, die Waffenbesitzkarten und seine Waffen abgeben bzw. verkaufen/vernichten. Er bitte um Gewährung dieser Frist und sei bereit, eine Buße von 5.000,- bis 10.000,- Euro zu zahlen und versichere, Waffen und Munition immer zu trennen.
13
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem und im Klageverfahren (M 7 K 22.3212) sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
14
Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung der Klage im Verfahren M 7 K 22.3212 bezüglich der Nrn. I.2, I.6 und I.7 des Bescheids vom 3. Juni 2022 anzuordnen und gegen die Nrn. I.1, I.3 und I.4. wiederherzustellen.
15
Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg.
16
1. Soweit sich der Antrag gegen Nr. I.3 des Bescheids vom 3. Juni 2022 richtet, ist er bereits unzulässig.
17
Nr. I.3 des Bescheids ist weder gesetzlich sofort vollziehbar noch hat die Antragsgegnerin eine sofortige Vollziehbarkeit besonders angeordnet. § 45 Abs. 5 WaffG bezieht sich aufgrund seines eindeutigen Wortlauts nur auf Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 WaffG, nicht aber auf weitere Maßnahmen nach § 46 WaffG. Auch § 46 Abs. 4 Satz 3 WaffG bezieht sich nicht auf § 46 Abs. 5 WaffG. Daher ist der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO insoweit unstatthaft.
18
2. Im Übrigen ist der Antrag zulässig, jedoch nicht begründet.
19
Der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen den Bescheid vom 3. Juni 2022 gerichteten Klage ist unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung bezüglich der Nrn. I.1 und I.4 formell rechtmäßig ist und das (teilweise kraft Gesetzes bestehende) öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
20
Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung betreffend die Nrn. I.1 und I.4 des Bescheids ist formell rechtmäßig. Die von der Behörde vorgebrachte Begründung – an die keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55 m.w.N.) – genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Im Bereich des Sicherheitsrechts sind die Anforderungen an die Begründung der Anordnung eines Sofortvollzugs gering, weil es um den Schutz von Leben und Gesundheit geht und deshalb der Sofortvollzug in der Regel bereits aus der Natur der Sache begründet ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.8.2008 – 19 CS 08.1471 – juris Rn. 3; B.v. 23.3.2006 – 19 CS 06.456 – juris Rn. 12). § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO verpflichtet die Behörde nicht, eine Begründung zu geben, die ausschließlich auf den konkreten Einzelfall zutrifft oder eine im Einzelfall bestehende konkrete Gefahr darlegt. Gerade dann, wenn – wie insbesondere im Sicherheitsrecht – immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen eine typische Interessenlage zugrunde liegt, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage nach ihrer Auffassung auch im konkreten Fall vorliegt (vgl. OVG NW, B.v. 25.8.2010 – 20 B 613/10 – juris Rn. 5).
21
Der Antragsteller hat nach der vorzunehmenden Interessensabwägung keinen Anspruch auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins (Nr. I.1 des Bescheids), des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse (Nr. I.2 des Bescheids) sowie der in den Nrn. I.4, I.6 und I.7 hierzu ergangenen Folgeanordnungen überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage.
22
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden beziehungsweise von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
23
Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt die summarische Prüfung, dass der Bescheid vom 3. Juni 2022 rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen dürfte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach summarischer Prüfung bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarten sowie der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, abzustellen.
24
Der in Nr. I.2 des Bescheids angeordnete Widerruf der Waffenbesitzkarten gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG sowie die in Nr. I.1 des Bescheids angeordnete Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins gemäß § 18 Satz 1 BJagdG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG dürften rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis, vorliegend die Waffenbesitzkarten nach § 10 Abs. 1 WaffG, zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Des Weiteren ist die zuständige Behörde nach § 18 Satz 1 BJagdG in Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheins eintreten oder der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, bekannt werden. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BJagdG ist der Jagdschein Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit oder körperliche Eignung nicht besitzen. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG darf nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (Falknerjagdschein) erteilt werden, wenn die Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 WaffG fehlen.
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Der Antragsteller dürfte nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG verfügen. Die anlässlich der unangekündigten Aufbewahrungskontrolle am 19. Mai 2022 vorgefundene gesetzeswidrige Aufbewahrungssituation ist eine nachträglich eingetretene Tatsache, die die Annahme fehlender waffenrechtlicher Zuverlässigkeit des Antragstellers rechtfertigen dürfte.
27
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden.
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Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen (st. Rspr. BVerwG, vgl. z.B. B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris Rn. 10; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris Rn. 5; st. Rspr. BayVGH, vgl. z.B. B.v. 5.10.2017 – 21 Cs 17.1300 – juris Rn. 11; B.v. 21.11.2019 – 21 CS 18.2523 Rn. 15). Dabei wird nicht der Nachweis verlangt, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird, sondern es genügt vielmehr allgemein nach tatrichterlicher Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris Rn. 10; B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris Rn. 5). Im Bereich des Waffenrechts kann angesichts der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgehen, ein Restrisiko nicht hingenommen werden. Bereits ein einmaliger Verstoß gegen die Aufbewahrungspflichten rechtfertigt die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn. 12 m.w.N.). Hat ein Waffenbesitzer in diesem Sinne bereits einmal versagt, ist allein das ein gewichtiges Indiz dafür, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht mehr verdient. Eine dahingehende Lebenserfahrung oder ein entsprechender Rechtssatz, dass erst ab einem weiteren Verstoß eine negative Zukunftsprognose gerechtfertigt ist, besteht nicht (st. Rspr. BayVGH, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 28.11.2013 – 21 CS 13.1758 – juris Rn. 12; B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.11.2015 – 21 CS 15.2023 – juris Rn. 15; B.v. 14.11.2016 – 21 ZB 15.648 – juris Rn. 17).
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Die am 19. Mai 2022 in der Wohnung des Antragstellers durch die Kontrolleure festgestellte Aufbewahrungssituation in Bezug auf die erlaubnispflichtige Kurzwaffe dürfte die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller seine Waffen und Munition nicht sorgfältig verwahrt und aufgrund dessen nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG verfügt.
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Eine sorgfältige Aufbewahrung i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG liegt nur dann vor, wenn die gesetzlichen Anforderungen an die Aufbewahrung von Waffen oder Munition beachtet sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.2.2016 – 21 ZB 15.1949 – juris Rn. 16). Dabei dienen die waffenrechtlichen Aufbewahrungsvorschriften und hierbei insbesondere § 36 Abs. 1 Satz 1 WaffG der Umsetzung eines der vordringlichsten und wichtigsten Ziele des Waffengesetzes, nämlich das Abhandenkommen oder die unbefugte Ansichnahme von Waffen durch Dritte zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2015 – 21 ZB 15.2418 – juris Rn. 12).
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Durch die Aufbewahrung der Kurzwaffe im Tresor in geladenem Zustand zum Zeitpunkt der Aufbewahrungskontrolle am 19. Mai 2022 dürfte der Antragsteller gegen waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften verstoßen haben. Denn nach § 13 Abs. 2 AWaffV hat derjenige, der Waffen oder Munition besitzt, diese ungeladen aufzubewahren. Dementsprechend verletzt das Aufbewahren einer geladenen/unterladenen Waffe in einem Waffentresor eine elementare und selbstverständliche Pflicht beim Umgang mit Waffen (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2017 – 21 CS 17.2506 – juris Rn. 10) und widerspricht somit grundlegenden Vorsichts- bzw. Sorgfaltsmaßgaben im Umgang mit bzw. bei der Aufbewahrung von Waffen und Munition im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG (vgl. BayVGH, B.v. 15.3.2019 – 21 CS 17.2281 – juris Rn. 17).
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Hierbei dürfte es weder maßgeblich darauf ankommen, ob der Antragsteller die Kurzwaffe bzw. seine übrigen Langwaffen ansonsten entsprechend der einschlägigen Vorschriften sicher verwahrt hat oder seine Waffen künftig vorschriftsmäßig verwahren will. Denn unabhängig davon, wie lange der Antragsteller die Kurzwaffe tatsächlich schon in geladenem Zustand aufbewahrt hat, steht unstreitig fest, dass er sie im Zeitpunkt der Waffenaufbewahrungskontrolle jedenfalls nicht vorschriftsmäßig verwahrt hat.
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Ebenso wenig dürfte es darauf ankommen, dass Dritte nach Einlassung des Antragstellers zu keinem Zeitpunkt Zugriff auf die Kurzwaffe gehabt hätten und eine konkrete Gefährdung der Allgemeinheit ausgeschlossen gewesen sein soll. Denn zum einen soll der Schutz der Allgemeinheit vor von Waffen und Munition ausgehenden Gefahren gerade durch die geltenden Aufbewahrungsvorschriften erreicht werden. Dementsprechend berührt jeder Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften zugleich die Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit, jedenfalls im Sinn einer abstrakten Gefährdung (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2015 – 21 ZB 14.2690 – juris Rn. 15). Zum anderen sollen die an den Waffenbesitzer gestellten Anforderungen im Hinblick auf die sorgfältige Verwahrung nicht nur die Allgemeinheit vor den Gefahren schützen, die sich daraus ergeben können, dass unberechtigten Dritten die einfache Wegnahme von Waffen zum schnellen, sofortigen Gebrauch ermöglicht wird, sondern sie dienen auch dem Schutz des Berechtigten selbst vor den mit einer geladenen Waffe verbundenen Gefahren (vgl. BVerwG, B.v. 3.3.2014 – 6 B 36/13 – juris Rn. 5).
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Mit der nicht den Vorschriften entsprechenden Aufbewahrung der geladenen Kurzwaffe dürfte der Antragsteller gegen § 36 Abs. 1 WaffG verstoßen haben. Dies dürfte die Annahme rechtfertigen, dass er seine Waffen nicht sorgfältig verwahrt und aufgrund dessen nicht über die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG verfügt. Vor dem Hintergrund, dass eine unsorgfältige und gesetzeswidrige Aufbewahrung den Übergang von der legalen zur illegalen Schusswaffe erleichtert, schlagen Aufbewahrungsmängel insbesondere auf die waffenrechtliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) durch. Im Rahmen von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG kann damit schon – wie ausgeführt – ein einziger Verstoß gegen die in § 36 Abs. 1 WaffG normierten Aufbewahrungspflichten die Feststellung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2017 – 21 CS 17.1531 – juris Rn. 16).
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Es dürfte sich bei dem konkreten Verstoß gegen die dem Antragsteller als Waffenbesitzer obliegenden Aufbewahrungspflichten angesichts der Gesamtumstände auch nicht lediglich um eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts handeln, die bei nur einmaligem Auftreten noch toleriert werden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30/13 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 31.7.2015 – 21 CS 15.1156 – juris Rn. 12). Der Antragsteller hat vorliegend zum Umstand der nicht vorschriftsmäßigen Aufbewahrung der Kurzwaffe keine Gründe vorgetragen, die eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts oder ein Augenblicksversagen nahelegen würden. Seinem Vortrag kann schon nicht entnommen werden, unter welchen Umständen es überhaupt zu der Aufbewahrung der geladenen Waffe gekommen ist. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Aufbewahrung von Waffen in geladenem Zustand um einen schwerwiegenden Verstoß gegen grundlegende Vorsichts- bzw. Sorgfaltsmaßgaben im Umgang mit bzw. bei der Aufbewahrung von Waffen und Munition im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG handelt, durch den letztlich auch eine Gefahrenquelle für die Waffenkontrolleure geschaffen wurde, kann darin nicht mehr lediglich eine situative Nachlässigkeit minderen Gewichts gesehen werden.
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Dem steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller – nach seinem Vortrag – jahrzehntelang einwandfrei mit Waffen und Munition umgegangen und auch seine Inhaberschaft von 49 Jahresjagdscheinen ohne jegliche Beanstandungen geblieben sei und er auch ansonsten einen untadeligen Lebenswandel und eine langjährige verantwortungsvolle Tätigkeit in der Ministerialverwaltung gehabt habe. Der Antragsteller hat mit dem von ihm gezeigten äußerst sorglosen Umgang mit Schusswaffen neue Tatsachen geschaffen, die nach aller Lebenserfahrung ein plausibles Risiko dafür begründen, dass er künftig eine Verhaltensweise im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG an den Tag legen wird. Der Hinweis auf die lange unbeanstandete Zeit als Jäger ist daher unbehelflich (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2018 – 21 CS 17.2506 – juris Rn. 11). Im Übrigen dürfte die bei der Aufbewahrungskontrolle getätigte Äußerung des Antragstellers, dass die Aufbewahrung der geladenen Waffe nicht schlimm gewesen sei, da es sich nur um ein Kleinkaliber handele, Anlass zu der Besorgnis geben, dass sich der Antragsteller mit der durch den Verstoß gegen die Aufbewahrungsvorschriften geschaffenen Gefahrenlage nicht hinreichend auseinandergesetzt hat oder er sich dieser gar nicht bewusst ist und er damit ein zentrales Anliegen der insoweit bewusst strengen Reglementierungen des Waffenrechts verkannt hat (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn. 15).
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Zudem stellt § 36 Abs. 1 WaffG – ausweislich seines Wortlauts – weder auf die Umstände der Verwahrung noch auf das Verhalten des Waffeninhabers ab, sondern erfordert vielmehr ausschließlich, dass die erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden, um ein Abhandenkommen oder ein An-Sich-Nehmen durch unbefugte Dritte zu verhindern. Aus welchen Gründen diese nicht getroffen wurden bzw. welcher Verschuldensgrad dem zugrunde liegt, ist demgegenüber im Rahmen von § 36 Abs. 1 WaffG nicht maßgeblich. Entscheidend ist, dass der Antragsteller nicht alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, die erforderlich gewesen wären, um seine Waffen angemessen zu sichern. Gemessen am Gesetzeszweck ist dem Verstoß gegen § 36 Abs. 1 WaffG damit mehr als nur ein geringes Gewicht zuzumessen.
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Die festgestellten Tatsachen dürften damit insgesamt die Annahme begründen, dass der Antragsteller auch zukünftig Waffen und Munition nicht jederzeit ordnungsgemäß verwahren wird und er somit als unzuverlässig i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG anzusehen sein dürfte. Die Waffenbesitzkarten des Antragstellers dürften danach zwingend zu widerrufen, § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG, sowie der Jagdschein zwingend für ungültig zu erklären und einzuziehen gewesen sein, § 18 Satz 1 BJagdG.
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Schließlich dürften auch gegen die mit dem Widerruf der Waffenbesitzkarten sowie der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins verbundenen notwendigen Folgeanordnungen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen. Diese Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe der Erlaubnisurkunden sicher. Soweit der Behörde in diesen Folgeentscheidungen Ermessen eingeräumt ist, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich.
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Im Übrigen würde auch unabhängig von den Erfolgsaussichten der Klage bei einer reinen Interessenabwägung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der streitgegenständlichen Anordnungen das Interesse des Antragstellers überwiegen.
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§ 45 Abs. 5 WaffG beseitigt von Gesetzes wegen (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage gegen den Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis wegen nachträglichen Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges, legitimes, privates Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-) Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (BT-Drucks. 16/7717 S. 33). In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.; BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 16; B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 23 f.).
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Der Antragsteller hat hier keine Gründe vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Der im streitgegenständlichen Bescheid verfügte Widerruf dient dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen sowie Munition und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das private Interesse des Antragstellers zurückzustehen, zumal insoweit ohnehin kein besonderes, einen vergleichbaren Fall übersteigendes Interesse vorgetragen wurde.
43
Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht regelmäßig auch für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfasste, mit der Widerrufsentscheidung verbundene notwendige Anordnung der Rückgabe von Erlaubnisurkunden (§ 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG). Diese Folgeentscheidung dient der Umsetzung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnisse und stellt die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe der Erlaubnisurkunden sicher. Die Verpflichtung, die Waffenbesitzkarten zurückzugeben, folgt aus dem Widerruf der Waffenbesitzkarten. Nachdem der Widerruf der Waffenbesitzkarten kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, ist im Regelfall davon auszugehen, dass hinsichtlich der Folgeentscheidungen dem öffentlichen Vollzugsinteresse der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17; B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 26).
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Bezogen auf die Einziehung des Jagdscheins besteht bei der vorzunehmenden Abwägung ebenfalls ein Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses. Insoweit ist die sofortige Vollziehung – anders als im Waffenrecht – zwar nicht schon gesetzlich angeordnet, weil das Bundesjagdgesetz eine Vorschrift wie § 45 Abs. 5 WaffG nicht enthält. Allerdings ist das öffentliche Vollzugsinteresse bei einer Entziehung des Jagdscheins wegen Unzuverlässigkeit inhaltlich deckungsgleich mit demjenigen des waffenrechtlichen Widerrufs. Denn der Jagdschein berechtigt unter den in § 13 Abs. 3 bis Abs. 6 WaffG erfassten Umständen ebenfalls zum Umgang mit Waffen. Mithin besteht auch hier ein öffentliches Interesse, nach einer Entziehung wegen Unzuverlässigkeit den weiteren Umgang mit Waffen nicht bis zu einem bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinzunehmen, sondern diesen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung, die in § 45 Abs. 5 WaffG die Grundlage des gesetzlichen Sofortvollzugs bilden, sofort zu unterbinden (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 27 m.w.N.).
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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nrn. 1.5, 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.