Inhalt

VG München, Urteil v. 06.02.2023 – M 5 K 19.30785
Titel:

Unglaubhafter Vortrag der Homosexualität eines Ugander

Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsatz:
Für ein glaubhafte Schilderung der eigenen Homosexualität bedarf es eines nachvollziehbaren Vortrages zum „inneren Ringen“ zwischen den erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Ugander, Homosexualität, Unglaubhaft, Asyl, Uganda, Strafe
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2632

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Der 1991 geborene Kläger ist ugandischer Staatsangehöriger, reiste am … November 2018 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … Dezember 2018 einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung am … Januar 2019 trug er vor, dass er Uganda aufgrund seiner Homosexualität verlassen habe. Er habe sieben Jahre einen festen Freund gehabt. Seiner Familie habe das nicht gefallen. Nur sein Onkel und seine Schwester hätten seine sexuelle Veranlagung akzeptiert.
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Im Jahr 2012 sei er mit seinem festen Partner in einem Schlafraum des Internats erwischt worden. Er sei darauf von der Schule verwiesen worden. Im Jahr 2015 sei sein Freund bei ihm eingezogen. Danach hätten die Dorfbewohner, die zuvor misstrauisch gewesen seien, endgültig von seiner Homosexualität gewusst. Im September 2015 seien die Dorfältesten mit der Polizei zu ihm gekommen. Darauf habe ihn der Vermieter eines Grundstücks, auf dem er ein landwirtschaftliches Lager unterhalten habe, herausgeworfen. Sein Traktor sei von den Dorfbewohnern verbrannt worden, er sei nackt zusammen mit seinem Freund in seinem Haus von seinem Bruder und anderen Leuten überrascht worden. Darauf sei er inhaftiert und wieder freigelassen worden. Weil er sich immer noch in der Gemeinde aufgehalten habe, sei er erneut im Dezember 2015 von der Polizei festgenommen und einen Tag inhaftiert worden. Auch sein Vater habe ihm gedroht, dass der Kläger sterben müsse, wenn er nicht sofort gehen würde. Er sei dann noch einmal in Haft gekommen. Im Januar 2016 habe es einen Gerichtsbeschluss gegeben, dass er vor Gericht erscheinen müsse.
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Von Januar 2016 bis Dezember 2017 habe sich der Kläger in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) aufgehalten und habe dort erfolglos Asyl beantragt.
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Er sei dann wieder nach Uganda zurückgekehrt und habe bei seinem Onkel gewohnt. Nach einigen Wochen habe er sich mit seinem früheren Freund und dessen neuen Freund A** getroffen. Später seien sie in Clubs gegangen und hätten sich in Pensionen und Motels getroffen. Im März 2018 hätten er und A** in einem Auto neben einem Club Sex gehabt. Die Freundin von A** sei gekommen, habe das bemerkt und laut geschrien. Es habe einen Menschenauflauf gegeben. A** sei brutal zusammengeschlagen worden, der Kläger habe keine schwerwiegenden Verletzungen davongetragen. Er sei dann von der eingetroffenen Polizei festgenommen und für drei Tage inhaftiert worden. Sein Onkel habe eine Kaution bezahlt. Im April 2018 habe er einem Polizeioffizier, der am Flughafen gearbeitet habe und bereits bei seiner Ausreise in die VAE und Wiedereinreise bestochen worden war, erneut Geld gegeben, sodass er problemlos auf dem Luftweg habe ausreisen können.
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Mit Bescheid vom … Februar 2019 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Die Klagepartei hat am 1. März 2019 Klage erhoben und zuletzt beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … Februar 2019, wird in den Ziffer 1 und in Ziffer 3 bis 6 aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
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3. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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4. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bestehen.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Am 6. Februar 2023 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift vom 6. Februar 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
16
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG), da er kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert hat, das diese Zuerkennung rechtfertigen würde.
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b) Der Vortrag des Klägers, insbesondere hinsichtlich einer befürchteten Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität bei einer Rückkehr nach Uganda, ist unglaubhaft.
18
Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen homosexuellen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert – gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat der Kläger nichts Substantiiertes vorgetragen. Das „innere Ringen“ zwischen den erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung ist auch nicht nachvollziehbar vorgetragen worden (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.).
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Soweit der Kläger hierzu bei der Anhörung vor dem Bundesamt (der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen) angegeben hat, dass er als „Individuum denke, dass er so sei“ und er habe es „für sich akzeptiert“, so wirkt das vage und aufgesetzt. Ein „inneres Ringen“ oder einen „Zwiespalt“ zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen und dem Nachgeben zugunsten seiner angeblich homosexuellen Veranlagung hat der Kläger nicht schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass er 2012 im Schlafraum eines Internats mit einem anderen Jungen „erwischt“ und des Internats verwiesen worden sei. Die Angabe, dass es seiner Familie nicht gefallen habe, besonders seinem Vater nicht, wirkt oberflächlich. Auch der Hinweis, dass er seine Heimat und sein Grundstück nicht habe verlassen wollen, weshalb er überlegt habe, „damit aufzuhören“, aber als die Angriffe gegen ihn dennoch weitergegangen seien, habe er sich „dafür entschieden, was er wolle und was nicht und nicht was die anderen für ihn wollten“, wirkt formelhaft. Angesichts der grundsätzlichen Ablehnung von Homosexualität in Uganda ist das Ausleben dieser Form der Sexualität ein weitreichender Schritt. Eine Abwägung, der eigenen sexuellen Veranlagung dennoch nachzugeben und das damit verbundene Risiko in Kauf zu nehmen, muss auch bei einem jungen Menschen nachvollziehbar und schlüssig geschildert werden. Das ist mit den vom Kläger erfolgten Äußerungen jedoch nicht erfolgt. Insgesamt hat der Kläger hierzu nur oberflächliche Angaben gemacht. Es wirkt platt, wenn der Kläger hierzu im Kern angibt, dass „er sich dafür entschieden habe, was er wolle und was nicht und nicht, was die anderen für ihn wollten“.
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Es wirkt auch unlogisch und aufgesetzt, somit unglaubhaft, dass der Kläger wenige Wochen nach seiner Rückkehr nach Uganda auf einem Parkplatz mit seinem Freund Sex gehabt haben will. Denn diese Vorgehensweise birgt die massive Gefahr einer Entdeckung. Ohne jede Vorkehrung zum Schutz vor einer Entdeckung ist das völlig unlogisch.
21
Unterstrichen wird der Eindruck der Unglaubhaftigkeit des Vortrags durch den Umstand, dass das vom Kläger beim Bundesamt vorgelegte Dokument „release on bond“ (Bl. 113 der Bundesamtsakte) nicht sinnvoll ausgefüllt ist und daher nicht authentisch sein kann. Bei diesem Dokument soll es sich um die Bestätigung der Freilassung aus der Polizeihaft gegen Kaution handeln. Das Feld im oberen Abschnitt des Dokuments, in dem die Summe der Kaution einzutragen ist, ist mit der Angabe „TO BE DECLERED BY COURT“ ausgefüllt. Das ist aber völlig sinnwidrig. Denn das Dokument soll die Summe wiedergeben, die verfällt, falls der Betroffene nicht vor Gericht erscheint. Die Höhe dieser Summe dem Gericht zu überlassen, ist völlig widersinnig. Das zeigt sich auch daran, dass im unteren Abschnitt dieses Dokuments von einer Art Bürgen eine gewisse Summe an staatliche Organe zu zahlen ist, falls der Betroffene die Erscheinenspflicht nicht erfüllt. Dort ist die Höhe der Summe, die zu zahlen wäre, überhaupt nicht ausgefüllt. Das zeigt, dass das Dokument nicht authentisch ist, da es in zentralen Punkten nicht sinngemäß ausgefüllt ist und damit den Erklärungszweck nicht erfüllen kann.
22
In der Gesamtschau wirkt der gesamte Vortrag, insbesondere hinsichtlich der angeblichen Homosexualität, äußerst oberflächlich, vage, widersprüchlich und aufgesetzt.
23
c) Das von der Klagepartei beim Bundesamt vorgetragene Engagement in einer Organisation, die homosexuelle Menschen betreut und berät, kann den Kläger nicht davon befreien, seine homosexuelle Veranlagung glaubhaft darzulegen. Das hat der Kläger nicht getan.
24
d) Nach § 145 des Strafgesetzbuches (Penal Code Act, 1950) sind homosexuelle Handlungen sowohl zwischen Männern als auch Frauen in Uganda unter Strafe gestellt („Geschlechtsverkehr wider die Natur“). Am 24. Februar 2014 unterzeichnete der Präsident Ugandas ein Gesetz, das für gleichgeschlechtliche Handlungen Strafen bis zur Todesstrafe sowie eine Strafbarkeit für „Förderung der Homosexualität“ und die „Unterstützung und Beihilfe zur Homosexualität“ vorgesehen hat (Auskunft von amnesty international vom 30.8.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof). Dieses Gesetz wurde aber vom Verfassungsgericht im August 2014 für nichtig erklärt (Länderinformationsblatt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Stand 27.9.2017, S. 17). Die Diskussion um die letztlich erfolglose Gesetzesverschärfung 2014/15 sei danach abgeflacht (Auswärtiges Amt vom 2.7.2018 an das BAMF). Eine im Oktober 2019 von Ethik- und Integritätsminister Ugandas angekündigte Einführung der Todesstrafe für einvernehmliche homosexuelle Handlungen wurde wenige Tage später von einem Regierungssprecher dementiert (Auskunft von amnesty international vom 21.10.2019 an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof).
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Die von anderen Verwaltungsgerichten in Bezug auf Homosexuelle in Uganda vertretene Ansicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 4.9.2017 – RN 1 K 17.32818 – juris S. 12 m.w.N.), dass insoweit die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG erfüllt wären, kommt für den vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen. Denn der Kläger hat nicht glaubhaft vortragen können, homosexuell zu sein. Zur weiteren Begründung kann auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes vom … August 2018 verwiesen werden (§ 77 Abs. 2 AsylG).
26
e) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
27
Für das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
28
Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
29
Zur weiteren Begründung wird auf den bereits zitierten Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
30
2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
31
Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.