Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 18.09.2023 – 2 WF 150/23
Titel:

Verbindung von Scheidungs- und Folgesachen mit Nichtfolgesachen

Normenketten:
BGB § 1353, § 1385, § 1386
FamFG § 113 Abs. 1, § 121, § 126 Abs. 2, § 137 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 5 S. 1, § 140 Abs. 2 S. 2 Nr. 4
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 127 Abs. 2, Abs. 4, § 145 Abs. 1, § 150, § 574 Abs. 2, Abs. 3
Leitsätze:
1. Das Verfahren auf vorzeitigen Zugewinnausgleich kann nicht mit einer Scheidungssache verbunden werden, da es sich weder um eine Folgesache noch um eine Ehesache handelt und die Entscheidung nicht, wie es § 137 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 FamFG verlangt, für den Fall der Scheidung getroffen wird. (Rn. 15)
2. Das Verbot der Verbindung von Ehesachen mit Nichtfolgesachen gemäß § 126 Abs. 2 FamFG umfasst auch die Verbindung einer nach § 140 Abs. 2 FamFG abgetrennten Folgesache mit einer Nichtfolgesache. (Rn. 17)
3. Die (hilfsweise) selbständige Geltendmachung eines Zahlungsanspruches aus unentgeltlicher ehebedingter Zuwendung im Rahmen der abgetrennten güterrechtlichen Folgesache durch den Zugewinnausgleichsgläubiger ist daher unzulässig. (Rn. 17)
4. Ein unzulässiger Verbindungsbeschluss ist gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 145 Abs. 1, 150 ZPO durch das Amtsgericht von Amts wegen wieder aufzuheben. (Rn. 15)
Schlagworte:
Verbindung von Scheidungs- und Folgesachen mit Nichtfolgesachen, Verfahrenskostenhilfe, Folgesache Zugewinn, Nichtfolgesache, Güterrecht, vorzeitige Durchführung des Zugewinnausgleichs, vorzeitiger Zugewinnausgleich, unbenannte Zuwendungen, Abtrennung güterrechtlicher Ansprüche, Kostenverbund
Vorinstanz:
AG Aschaffenburg, Beschluss vom 27.07.2023 – 7 F 815/20
Fundstellen:
FamRZ 2024, 64
LSK 2023, 26316
BeckRS 2023, 26316

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Aschaffenburg vom 27.07.2023, Az. 7 F 850/18, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Der Antragsgegner begehrt Verfahrenskostenhilfe für die hilfsweise Geltendmachung einer Forderung aufgrund ehebedingter unentgeltlicher Zuwendung im Rahmen einer güterrechtlichen abgetrennten Folgesache.
2
1. Im Rahmen eines von der Antragstellerin mit Antragsschrift vom 22.09.2017 eingeleiteten Verfahrens auf Ehescheidung (Az. 7 F 1325/17, Amtsgericht Aschaffenburg) machte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 26.04.2018 die Folgesache Güterrecht anhängig. Er beantragte im Wege des Stufenantrags, die Antragstellerin zur Auskunftserteilung und Zahlung eines noch zu beziffernden Zugewinnausgleichs zu verpflichten. Mit Beschluss vom 17.07.2018 bewilligte das Amtsgericht dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe, die auch die Folgesache Güterrecht umfasste.
3
Mit Schriftsatz vom 17.12.2018 bezifferte der Antragsgegner seine Forderung auf Zugewinnausgleich und beantragte, die Antragstellerin zur Zahlung von 20.000,00 € zu verpflichten. Nach Erstattung eines Sachverständigengutachtens zum Wert einer im Alleineigentum der Antragstellerin befindlichen Immobilie erhöhte der Antragsgegner seinen Zahlungsantrag mit Schriftsatz vom 17.07.2020 auf 55.179,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtskraft der Scheidung.
4
Mit Schriftsatz vom 23.06.2020 beantragte die Antragstellerin im Verfahren 7 F 815/20 (AG Aschaffenburg) die vorzeitige Durchführung des Zugewinnausgleichs gemäß § 1386 BGB. Im Rahmen eines Widerantrags vom 15.09.2020 beantragte der Antragsgegner die Antragstellerin zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs von 55.180,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtskraft zu verpflichten.
5
Mit im Termin verkündeten Beschluss vom 21.09.2020 wurde im Verfahren wegen Ehescheidung 7 F 1325/17 die Folgesache Güterrecht abgetrennt und mit Endbeschluss vom gleichen Tag die Ehe der Beteiligten geschieden.
6
Mit Beschluss vom 27.10.2020 verband das Amtsgericht auf übereinstimmenden Antrag beider Beteiligter das Verfahren zum vorzeitigen Zugewinnausgleich (7 F 815/20) und die abgetrennte Folgesache Güterrecht (7 F 1325/17) zur gemeinsamen Entscheidung. Mit weiterem Beschluss vom 16.02.2021 bewilligte das Amtsgericht dem Antragsgegner Verfahrenskostenhilfe für die zu diesem Zeitpunkt gestellten Anträge.
7
Mit Schriftsatz vom 19.03.2021 erklärte die Antragstellerin ihr Einverständnis mit der Erledigung des Verfahrens betreffend den vorzeitigen Zugewinnausgleich. Der Antragsgegner gab mit Schriftsatz vom 22.03.2021 eine entsprechende Erledigungserklärung ab.
8
Mit Schriftsatz vom 11.04.2022 beantragte der Antragsgegner die bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf einen beabsichtigten Hilfsantrag zu erstrecken. Für den Fall der Erfolgslosigkeit des geltend gemachten Anspruchs auf Zugewinnausgleich machte der Antragsgegner insoweit einen Anspruch in Höhe von 42.726,97 € nebst Rechtshängigkeitszinsen wegen ehebedingter unbenannter Zuwendungen geltend. Dem lagen mehrere Vorgänge in den Jahren 2016 und 2017 zugrunde, in denen nach der Behauptung des Antragsgegners ihm allein zustehende Vermögenswerte von der Antragstellerin vereinnahmt worden seien. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift Bezug genommen (Bl. 270 UH Güterrecht). Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 12.05.2022 die Zurückweisung des Antrags auf Verfahrenskostenhilfe.
9
2. Mit Beschluss vom 27.07.2023 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Aschaffenburg den Antrag des Antragsgegners auf Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe auf den Hilfsantrag vom 11.04.2023 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Geltendmachung schuldrechtlicher Rückabwicklungsansprüche außerhalb der vorliegend anwendbaren Regelungen des Zugewinnausgleichs vom Antragsgegner nicht hinreichend dargelegt worden seien. Zudem sei der Hilfsantrag unzulässig, da Ansprüche auf Rückforderung ehebedingter Zuwendungen nicht im Rahmen einer Scheidungsfolgesache geltend gemacht werden könnten. Es fehle daher an der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung.
10
3. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 22.08.2023 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Es erschließe sich seiner Auffassung nach nicht, aus welchem Grund die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg habe. Dem Beschluss vom 27.07.2023 fehle jegliche Begründung.
11
Das Amtsgericht hat den Beschluss vom 27.07.2023 der Antragsgegnervertreterin mit Verfügung vom 24.08.2023 nochmals formlos übersandt. Nachdem keine weitere Begründung eingegangen ist, hat es der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 11.09.2023 nicht abgeholfen.
12
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 11.09.2023 beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und auf die fehlende Erfolgsaussicht der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen neben der güterrechtlichen Auseinandersetzung verwiesen.
II.
13
Die nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung verneint, §§ 113 Abs. 1 FamFG, 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO, da der hilfsweise geltend gemachte Anspruch aus ehebedingter Zuwendung im Rahmen einer Scheidungsfolgesache bereits unzulässig ist.
14
1. Der Hilfsantrag wurde vorliegend im Verfahren der Güterrechtssache Zugewinnausgleich gemäß §§ 1353, 1373 ff. BGB geltend gemacht. Diese stellt gemäß § 137 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 FamFG kraft Gesetzes (vgl. BGH, Beschluss v. 21.07.2021, Az. XII ZB 21/21) eine Folgesache im Verbund mit dem Scheidungsverfahren dar. Die mit Beschluss des Amtsgerichts vom 21.09.2020 gemäß § 140 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG erfolgte Abtrennung der güterrechtlichen Ansprüche lässt gemäß § 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG den Charakter als Folgesache unberührt.
15
Soweit das Amtsgericht mit Beschluss vom 27.10.2020 das Verfahren auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft und vorzeitigen Zugewinnausgleich gemäß §§ 1385, 1386 BGB mit der abgetrennten Folgesache Zugewinn verbunden hat, war dieses zwar unzulässig. Das Verfahren auf vorzeitigen Zugewinnausgleich kann nicht mit einer Scheidungssache verbunden werden, da es sich weder um eine Folgesache noch um eine Ehesache handelt und die Entscheidung nicht, wie es § 137 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 FamFG verlangt, für den Fall der Scheidung getroffen wird (vgl. BGH, Beschluss v. 20.3.2019, Az. XII ZB 544/18; KG Berlin, Urteil v. 21.03.2000, Az. 13 UF 9188/99; Zöller-Lorenz, ZPO, 34. Aufl., § 137 FamFG Rn. 18 m.w.N.). Der Verbindungsbeschluss wird daher gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 145 Abs. 1, 150 ZPO durch das Amtsgericht von Amts wegen wieder aufzuheben sein (vgl. BT-Drs. 17/6308, S. 237; BGH, Beschluss v. 15.11.2006, Az. XII ZR 97/04; Musielak/Borth/Frank-Borth, FamFG, 7. Aufl., § 126 Rn. 4 m.w.N.).
16
Allerdings hat sich mit der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtskraft der Scheidung der Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft erledigt (vgl. MüKo-BGB/Koch, 9. Aufl., § 1385 Rn. 34). Entsprechende Erledigungserklärungen sind von beiden Beteiligten abgegeben worden. Der erst zeitlich nachfolgend am 11.04.2022 gestellte Hilfsantrag des Antragsgegners bezog sich daher auf den als Hauptantrag in der Folgesache Zugewinn gestellten, weiterhin anhängigen Leistungsantrag.
17
2. Das Verbot der Verbindung von Ehesachen mit Nichtfolgesachen gemäß § 126 Abs. 2 FamFG umfasst auch die Verbindung einer nach § 140 Abs. 2 FamFG abgetrennten Folgesache mit einer Nichtfolgesache. Es ist von Amts wegen zu beachten (MüKo/FamFG-Lugani, 3. Aufl., § 126 Rn. 6). Die hilfsweise Geltendmachung eines Anspruchs aus unentgeltlicher ehebedingter Zuwendung im Rahmen der abgetrennten güterrechtlichen Folgesache durch den Antragsgegner ist daher unzulässig.
18
Zwar benennt § 126 Abs. 2 Satz 1 FamFG ausdrücklich nur die Unzulässigkeit der Verbindung von Ehesachen gemäß § 121 FamFG mit anderen Verfahren. Aufgrund der gemäß § 137 Abs. 5 Satz 1 FamFG auch nach der Abtrennung fortbestehenden rechtlichen Verbindung von Folgesachen nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG mit der Scheidungssache nach § 121 Nr. 1 FamFG erstreckt sich das Verbindungsverbot jedoch auf eine aus dem Verbund abgetrennte Folgesache.
19
Dieses ist sachgerecht, da die Abtrennung nichts daran ändert, dass, vorbehaltlich etwa einer zulässigen Antragsänderung, eine Entscheidung für den Fall der Scheidung zu treffen ist (vgl. BT-Drs. 16/6380, S. 230). Eine derartige Änderung des im Verbund gestellten güterrechtlichen und auf den Zeitpunkt der Scheidung bezogenen Folgesachenantrags durch den Antragsgegner ist nicht erfolgt (zur Antragsänderung und den mit dieser verbundenen kostenrechtlichen Nachteilen vgl. etwa MüKo/FamFG-Heiter, 3. Aufl., § 137 Rn. 102). Ferner ist über die mit der abgetrennten Folgesache verbundenen weiteren Kosten erst im Rahmen der Endentscheidung eine Regelung zu treffen und deren Verfahrenswert festzusetzen, der für die Berechnung anfallender bzw. auszugleichender (weiterer) Gebühren aus dem bereits festgesetzten Wert des Scheidungsverbundverfahrens hinzuzurechnen ist (vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 20.10.2015, Az. 4 WF 175/15). Dieser nach der Abtrennung fortbestehende vorteilhafte (§§ 44 FamGKG, 16 Nr. 4 RVG, vgl. BeckOK-FamFG/Weber, Stand 01.08.2023, § 137 Rn. 42) Kostenverbund steht einer Einbeziehung von Verfahren außerhalb des Scheidungsverbunds wie vorliegend des Anspruchs auf Ausgleich ehebedingter Zuwendungen entgegen. Anderenfalls würde entgegen § 126 Abs. 2 Satz 1 FamFG auf der Kostenebene eine unzulässige Verbindung der Scheidungssache mit einer Nichtfolgesache herbeigeführt.
20
3. Es bedarf daher keiner Entscheidung der Frage, ob sich die fehlende Erfolgsaussicht des Hilfsantrags auch materiell-rechtlich aufgrund der Vorrangigkeit güterrechtlicher Ausgleichsansprüche gegenüber dem Anspruch wegen ehebedingter Zuwendungen ergibt.
21
Die sofortige Beschwerde ist somit zurückzuweisen.
22
4. Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist nicht zu entscheiden (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO). Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 574 Abs. 2, Abs. 3 ZPO) besteht nicht.