Titel:
Streitwert der Stufenklage zu Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung
Normenketten:
GKG § 63 Abs. 3 S. 1, § 68 Abs. 1, Abs. 3
RVG § 32 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Der Streitwert einer Stufenklage nach einer Beitragserhöhung in der privaten Krankenversicherung richtet sich nach dem höchsten der mit der Klage verbundenen Ansprüche. Dieser wird bestimmt durch das Interesse der Klagepartei, wobei die Bemessung dieses Interesses nicht im Belieben des Klägers steht, sondern nach objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen ist. (Rn. 11 – 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Beschwerdeverfahren der Streitwertfestsetzung gibt es kein Verschlechterungsverbot. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Stufenklage, Streitwert, Klägerinteresse, objektive Gesichtspunkte, Beschwerdeverfahren, Verschlechterungsverbot
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 29.09.2022 – 2 O 5971/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26284
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 29.09.2022, Aktenzeichen 2 O 5971/21, wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Festsetzung des Gebührenstreitwertes durch das erstinstanzliche Prozessgericht.
2
In dem vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth erstinstanzlich geführten Rechtsstreit stritten die Parteien in der Hauptsache um die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung.
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Mit rechtskräftigem Endurteil vom 29.09.2022 (Bl. 116 ff. d.A.) hat das Landgericht der Klage nur zu einem geringen Teil stattgegeben und dem Kläger die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Gleichzeitig hat es den Streitwert auf 650,24 € festgesetzt (vgl. Beschluss, LGU 2). Darin enthalten sind 500,00 € als Wert des – im Rahmen einer Stufenklage – zuletzt geltend gemachten Auskunftsanspruchs zu „auslösenden Faktoren“ (LGU 17/18).
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Gegen diesen letztgenannten Wertansatz wendet sich die Prozessbevollmächtigte des Klägers (eine Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) „im eigenen Namen“ mit einer Beschwerdeschrift vom 09.05.2023 (Bl. 147 ff. d.A.), mit der beantragt wird, den Streitwert auf 10.750,00 € festzusetzen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass nach § 44 GKG nur der höchste Einzelwert maßgeblich sei und das sei hier der bei Klageerhebung vom Kläger „auf Grundlage realistischer Erwartungen“ geschätzte Wert der nach Auskunftserteilung zu realisierenden Forderung, im Streitfall eben – wie in der Klageschrift näher ausgeführt – sei dies ein Betrag in Höhe von rund 10.750,00 € gewesen.
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Die Beklagte hat rechtliches Gehör zum Beschwerdevorbringen erhalten; eine Stellungnahme ist nicht zur Akte gelangt.
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Mit Beschluss vom 11.09.2023 (Bl. 151 ff. d.A.) hat das Landgericht – umfangreich begründet – eine Abhilfe abgelehnt und die Sache dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Wertfestsetzung des Prozessgerichts erweist sich als richtig.
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1. Die gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, 68 Abs. 1 GKG statthafte Beschwerde wurde form- und fristgerecht erhoben. Die Erwachsenheitssumme (200,00 €) des § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG ist überschritten, da der maßgebliche Unterschiedsbetrag der Gebühr der Beschwerdeführer einschließlich Umsatzsteuer, berechnet nach dem festgesetzten und dem mit der Beschwerde beantragten Streitwert (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 34. Aufl., § 3 Rn. 9 a.E., siehe auch Rn. 16.159 „Streitwertbeschwerde“), höher ist.
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Die Beschwerdefrist von sechs Monaten ab rechtskräftiger Hauptsacheentscheidung (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) ist gewahrt, da formelle Rechtskraft des Urteils erst mit Ablauf der Berufungsfrist am 11.11.2022 eingetreten ist und der Eingang der Beschwerdeschrift am 09.05.2023 somit innerhalb offener Frist erfolgte.
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Das Beschwerdegericht hat die Entscheidung des Prozessgerichts in vollem Umfang nachzuprüfen, wobei an die Stelle des Ermessens der 1. Instanz dasjenige des Beschwerdegerichts tritt; wegen der amtswegigen Abänderungsmöglichkeit nach § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG gilt auch kein Verschlechterungsverbot (vgl. BeckOK-KostR/Jäckel, GKG, § 63 Rn. 33 [Stand: 01.07.2023]).
11
2. In der Sache hat das Landgericht im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 11.09.2023 (umfassend 5 Druckseiten) in wissenschaftlich fundierter Art und Weise, akribisch und erschöpfend herausgearbeitet, dass und warum die beschlossene Wertfestsetzung den gesetzlichen Kriterien entspricht.
12
Es hat ebenso sorgfältig dargelegt, dass die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Gesichtspunkte und Argumente zur Heraufsetzung des Streitwertes nicht überzeugen und unter Beachtung der konkreten Umstände des Streitfalles keine abändernde Wertfestsetzung rechtfertigen.
13
Diese Ausführungen des Landgerichts überzeugen den Senat und sind derart umfassend, dass es weiterer Darlegungen des Beschwerdegerichts nicht bedarf.
14
Für den Senat sind keine Rechtsanwendungsfehler des Erstgerichts erkennbar, auch ein entscheidungserheblicher Ermessensfehlgebrauch zum Nachteil der Beschwerdeführerin lässt sich nicht feststellen.
15
Die Beschwerde ist deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
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3. Denn das Verfahren ist gebührenfrei und Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
17
Diese Entscheidung ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).