Titel:
Genehmigung einer Ersatzschule
Normenketten:
GG Art. 7 Abs. 4 S. 3, S. 4, Abs. 5
BayEUG Art. 92
Leitsatz:
Eine Ersatzschule als private einzügige Grund- und Mittelschule kann nicht genehmigt werden, wenn prognostisch die Mindestbildungsstandards des LehrplanPLUS als des für die Grund- bzw. Mittelschulen amtlichen bayerischen Lehrplans am Ende der 4. Jahrgangsstufe (Grundschule) und am Ende der 9. Jahrgangsstufe (Mittelschule) nicht erreicht werden können. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schulaufsichtliche Genehmigung, Ersatzschule, Demokratische Schule, Lehrziele, Gleichwertigkeit mit öffentlichen Schulen, bayerischer Lehrplan
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 30.07.2018 – M 3 K 17.3645
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26279
Tenor
I. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger, ein eingetragener Verein, dessen satzungsmäßiger Zweck insbesondere die Trägerschaft der S2. Schule A., ist, strebt die Wiederaufnahme des Betriebs dieser Schule als Ersatzschule an.
2
Der Kläger hat bereits in den Schuljahren 2014/2015 und 2015/2016 eine private Grund- und Mittelschule betrieben. Eine Verlängerung der befristet erteilten Genehmigung lehnte die Regierung von O. mit Bescheid vom 22. Juli 2016 mit der Begründung ab, die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 92 Abs. 2 BayEUG seien nicht erfüllt. Mit Bescheid der Regierung von O. vom 12. September 2016 wurde der weitere Schulbetrieb untersagt; ab dem Schuljahr 2016/2017 stellte der Kläger den Schulbetrieb ein. Die gegen die Verfügungen erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos.
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In der Zeit nach Ergehen des Ablehnungsbescheids vom 22. Juli 2016 wurden zwischen dem Kläger und der Regierung von O. Möglichkeiten der Wiederaufnahme des Schulbetriebs auf der Basis eines geänderten Konzepts erörtert und dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt, ein überarbeitetes pädagogisches Konzept vorzulegen. Dieses müsse sich in seiner Ausgestaltung so wesentlich vom Bisherigen unterscheiden, dass es als neuer Verfahrensgegenstand gewertet werden könne.
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Mit Schreiben vom 14. Juni 2017 stellte der Kläger den streitgegenständlichen Antrag auf Verlängerung der schulaufsichtlichen Genehmigung vom 21. Juli 2014 (als Schulversuch) ab dem Schuljahr 2017/2018 unter Vorlage eines geänderten Konzepts. Mit Bescheid des Beklagten vom 31. Juli 2017 wurde der Antrag auf Verlängerung der schulaufsichtlichen Genehmigung für den Betrieb einer einzügigen Grund- und einer einzügigen Mittelschule abgelehnt, weil die schulaufsichtliche Genehmigung vom 21. Juli 2014 mit Ablauf der Befristung am 31. Juli 2016 bestandskräftig erloschen sei. Eine neue Genehmigung könne nicht erteilt werden, weil die Voraussetzungen gemäß Art. 92 Abs. 2 BayEUG nicht erfüllt seien.
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Das Verwaltungsgericht München hat die auf (erneute) Erteilung einer schulaufsichtlichen Genehmigung gerichtete Klage mit Urteil vom 30. Juli 2018 abgewiesen. Die Anforderungen des Art. 92 Abs. 2 Nr. 2 BayEUG, der für eine Genehmigung auf eine Gleichwertigkeit der Lehrziele mit denen öffentlicher Schulen abstelle, seien nicht erfüllt. Da der Kläger einheitlich die Genehmigung einer Grund- und einer Mittelschule beantragt habe, habe der Beklagte zu Recht hinsichtlich der Frage der Gleichwertigkeit der Schule insbesondere in der 4. Jahrgangsstufe der Grundschule und der 9./10. Jahrgangsstufe der Mittelschule eine prognostische Überprüfung der Gleichwertigkeit mit öffentlichen Grund- und Mittelschulen durchgeführt. Dabei könne auf die Erkenntnisse aus dem bisherigen Schulbetrieb zurückgegriffen werden, da das dem streitgegenständlichen Antrag zugrundeliegende pädagogische Konzept mit demjenigen übereinstimme, auf dessen Grundlage der zweijährige Schulbetrieb genehmigt und durchgeführt worden sei. Das Konzept als solches habe sich nicht geändert. Aufgrund des pädagogischen Konzepts sei naheliegend, dass erhebliche Zweifel am Erreichen der Gleichwertigkeit bestünden. Der Kläger habe Modifikationen seines Konzepts, etwa hinsichtlich einer Verpflichtung, auf Lernziele des LehrplanPLUS hinzuwirken oder bei Schülern der Jahrgangsstufen 4 und 9 Lernzielkontrollen unter Beachtung der Besonderheiten seines pädagogischen Konzepts durchzuführen und deren Ergebnisse den Schulaufsichtsbehörden mitzuteilen, bewusst nicht vorgenommen.
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Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Die Berufungsbegründung erfolgte mit Schriftsatz des Klägers vom 24. Juli 2019. Am 25. Oktober 2019 fand die (erste) mündliche Verhandlung statt. Dabei erklärte die Bevollmächtigte des Klägers, dieser akzeptiere, dass die Schulbehörde zum Ende der 4. bzw. der 9. Jahrgangsstufe durch Leistungstests überprüfen könne, ob die Schülerinnen und Schüler im Kern die wesentlichen Kompetenzen und Kenntnisse erworben hätten, die in Bayern für öffentliche Grund- und Mittelschulen nach dem bayerischen LehrplanPLUS festgelegt seien. Es werde zugesagt, die Satzung dahingehend zu ergänzen, dass die Schülerinnen und Schüler verpflichtend an diesen Leistungstests teilnehmen müssten. Nach Erklärungen der Vertreter des Beklagten, sie sähen das nach Art. 7 Abs. 5 GG, § 92 Abs. 3 BayEUG erforderliche besondere pädagogische Interesse an der Zulassung einer privaten Grundschule weiterhin als gegeben an und zudem bestehe Einverständnis damit, dass der Kläger entsprechend geänderte Unterlagen zur Grundlage seines Genehmigungsantrags mache, übersandte die Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 25. November 2019 zwei (identische) Ordner mit Genehmigungsunterlagen einschließlich der in § 3 Abs. 4 geänderten Vereinssatzung. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2019 teilte der Senat den Beteiligten mit, dass die Satzungsänderung nicht als ausreichend erachtet werde, da in dieser keine Verpflichtung der Schülerinnen und Schüler aufgenommen worden sei, an den Leistungstests der Schulaufsichtsbehörde teilzunehmen.
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Am 3. März 2020 wurde mit den Beteiligten ein Erörterungstermin durchgeführt. Der Senat wies darauf hin, dass im Hinblick auf die Gleichwertigkeit zu erreichender Lehrziele ein Spannungsverhältnis zwischen dem völlig selbstbestimmten Lernen der Schülerinnen und Schüler, das auch im aktuellen Konzept des Klägers unverändert beibehalten sei, und dem Erreichen von Mindestbildungsstandards bestehe. Da die Schülerinnen und Schüler nach dem insoweit eindeutigen Konzept ausschließlich selbst über ihre Lerninhalte bestimmten, bilde das Konzept nicht ab, wie an der Schule des Klägers ausgehend vom bayerischen LehrplanPLUS am Ende der 4. bzw. 9. Jahrgangsstufe im Kern gleiche Kenntnisse und Fertigkeiten wie an öffentlichen Grund- und Mittelschulen erreicht werden könnten.
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Mit Schreiben der Bevollmächtigten vom 6. November 2020 legte der Kläger das „aktuelle Pädagogische Konzept der S2. Schule M./Umgebung in der 8. Fassung“ (im Folgenden: „Pädagogisches Konzept“) vor, das er als grundlegend überarbeitet und die Kritikpunkte von Senat und Regierung von O. berücksichtigend bezeichnete. Mit Schreiben vom 25. März 2021 führte die Regierung von O. aus, auch aufgrund des nach Angaben des Klägers überarbeiteten Konzepts (8. Aufl. 2020) könne keine positive Prognose und damit keine Genehmigung in Aussicht gestellt werden. Das „Pädagogische Konzept“ weise diverse Mängel auf. Mit Schriftsatz vom 1. Juni 2021 erwiderte die Bevollmächtigte des Klägers, wies unter Hinweis auf verschiedene Fundstellen auf die Erfolge Demokratischer Schulen hin und fügte eine Stellungnahme von Prof. Dr. M., Pädagogische Hochschule O., bei.
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Am 20. Dezember 2021 erließ der Senat nach Anhörung der Beteiligten einen Beweisbeschluss zur Klärung der Frage, ob das aktuelle pädagogische Konzept der S2. Schule M./Umgebung, 8. Auflage 2020, die Prognose erlaube, dass die dort unterrichteten Schülerinnen und Schüler zum Ende der 4. bzw. zum Ende der 9. Jahrgangsstufe aus wissenschaftlich-pädagogischer Sicht im Kern die im LehrplanPLUS aufgeführten Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben können. Mit der Erstellung des Sachverständigengutachtens wurde Prof. Dr. T. E., Lehrstuhl für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Schulentwicklungsforschung und Experiential Learning, F.-Universität E., beauftragt. Das Sachverständigengutachten wurde mit Schreiben vom 30. Juni 2022 vorgelegt und den Beteiligten zur Kenntnis und Stellungnahme gegeben.
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Während der mündlichen Verhandlung am 8. August 2023 erläuterte Prof. Dr. E. das vorgelegte Gutachten. Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Befragung des Sachverständigen.
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den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 30. Juli 2018 zu verpflichten, den Bescheid der Regierung von O. vom 31. Juli 2017 aufzuheben und die schulaufsichtliche Genehmigung zum Betrieb der S2.. Schule A. zu erteilen.
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Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, das umfangreich überarbeitete „Pädagogische Konzept“ gestatte die Prognose, dass die Gleichwertigkeit der Lehrziele am Ende des jeweiligen Bildungsgangs erreicht werde. Gerade wegen der im „Pädagogischen Konzept“ vorgesehenen Freiwilligkeit des Lernens und der Säule der selbstbestimmten Bildung werde die Gleichwertigkeit der Lehrziele gewährleistet. Das sei der Schlüssel für die Erfolge von Demokratischen Schulen, wie sich aus zahlreichen Fundstellen ergebe. Das gesamte Konzept zeige auf, auf welchen Wegen Schülerinnen und Schüler sich Fähigkeiten, Fertigkeiten und Wissen aneigneten. Der LehrplanPLUS mit seinen Lerninhalten finde nicht nur Beachtung, sondern werde als Inhalt des Bildungsrahmens im „Pädagogischen Konzept“ ausdrücklich benannt. Dass dem Lehrer/Lernbegleiter nicht die Verantwortung für den Bildungsprozess der Schülerinnen und Schüler zukomme – für diesen seien sie selbst verantwortlich –, sondern für den Bildungsrahmen, lasse die große Verantwortung des Lernbegleiters unberührt. Er steuere, beeinflusst durch die Sicht des Sudbury-Konzepts, den Bildungs- und Lernprozess durch zahlreiche Faktoren, wie z.B. seine Haltung, seine Botschaften, seine Hilfestellung, seine Präsenz, durch die Gestaltung eines Lernumfelds von Vertrauen und Respekt. Zudem bestehe – innerhalb und außerhalb der Schule – überall die Möglichkeit, in Kontakt mit Wissensinhalten, Lehrplaninhalten und Materialien zu gelangen. Der Lernbegleiter steuere und beeinflusse durch seine Fähigkeit, „in Beziehung zu gehen“, er ermutige, bestärke und unterstütze Schülerinnen und Schüler, ohne die Unterstützung aufzudrängen.
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Der Beklagte tritt dem entgegen und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen, die vorgelegten Behördenakten sowie die vom Kläger vorgelegte Akte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten schulaufsichtlichen Genehmigung für den von ihm beabsichtigten Betrieb der S2. Schule M./Umgebung (bislang: S2. Schule A.) in der Gemeinde R. Der streitgegenständliche Bescheid der Regierung von O. vom 31. Juli 2017, mit dem eine Neuerteilung der schulaufsichtlichen Genehmigung abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Erteilung der beantragten Genehmigung steht bereits entgegen, dass eine Gleichwertigkeit der Lehrziele der privaten Ersatzschule, die als einzügige Grund- und als einzügige Mittelschule betrieben werden soll, mit denen entsprechender öffentlicher Schulen voraussichtlich nicht gewährleistet ist. Die Berufung des Klägers ist daher zurückzuweisen.
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I. Die Verpflichtungsklage des Klägers auf Erteilung der schulaufsichtlichen Genehmigung ist zulässig.
19
Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass der Kläger durch die Vorlage des in Teilen ergänzten „Pädagogischen Konzepts“ in der 8. Auflage 2020 den Streitgegenstand nach Rechtshängigkeit verändert hat (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 91 Rn. 8). Hierin liegt zugleich eine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO (BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 11 B 19.703 – juris Rn. 44). Die Klageänderung ist auch im Berufungsverfahren statthaft (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 91 VwGO). Zudem hat sich der Beklagte schriftlich und in der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2023 auf die Klageänderung eingelassen (§ 91 Abs. 1 Alt. 1 VwGO).
20
II. Die Verpflichtungsklage ist jedoch unbegründet. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Genehmigung für den Betrieb der privaten S2. Schule M./Umgebung als private einzügige Grund- und Mittelschule. Nach Einschätzung des Senats ist es nicht wahrscheinlich, dass an der S2. Schule M./Umgebung prognostisch die Mindestbildungsstandards des LehrplanPLUS als des für die Grund- bzw. Mittelschulen amtlichen bayerischen Lehrplans am Ende der 4. Jahrgangsstufe (Grundschule) und am Ende der 9. Jahrgangsstufe (Mittelschule) erreicht werden können. Auch nach Vorlage und Überprüfung des vom Kläger ergänzten „Pädagogischen Konzepts“ (8. Aufl. 2020) ist unter Berücksichtigung des Ergebnisses des im Berufungsverfahren hierzu eingeholten pädagogischen Sachverständigengutachtens zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats eine positive Prognose im Hinblick auf die für eine Genehmigungserteilung erforderliche Gleichwertigkeit der Lehrziele der S2. Schule M./Umgebung mit denen einer öffentlichen Grund- und Mittelschule nicht möglich. Dahingestellt bleiben kann, ob die Genehmigungsvoraussetzungen im Übrigen vorliegen.
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1. Nachdem der Beklagte erklärt hat, dass das besondere pädagogische Interesse an der Zulassung der privaten Grundschule weiterhin gegeben ist (vgl. Art. 7 Abs. 5 GG, § 92 Abs. 3 BayEUG), richtet sich die Erteilung der beantragten Schulgenehmigung nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG i.V.m. Art. 92 BayEUG.
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Die Genehmigung ist nach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Sie ist nach Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.
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a) Kennzeichnend für eine Privatschule ist ein Unterricht eigener Prägung, insbesondere im Hinblick auf die Erziehungsziele, die weltanschauliche Basis, die Lehrmethode und die Lehrinhalte. Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG will die Freiheit im Schulwesen verwirklichen; er gewährleistet jedermann das Grundrecht, Privatschulen zu errichten (BVerfG, B.v. 14.11.1969 – 1 BvL 24/64 – juris Rn. 21). Das Recht zur Errichtung von Privatschulen als Ersatz für öffentliche Schulen (Ersatzschulen) ist jedoch durch den Vorbehalt staatlicher Genehmigung beschränkt (Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG); nach Art. 7 Abs. 1 GG unterstehen auch Privatschulen der Schulaufsicht des Staates, konkret der Länder, da diese ausschließlich für das Schulrecht zuständig sind. Ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung ist nur unter den in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 und 4 GG und – in Bezug auf die Zulassung einer privaten Grundschule zusätzlich – in Art. 7 Abs. 5 GG aufgeführten Voraussetzungen verfassungsverbürgt. Die Genehmigung einer privaten Schule schließt die Erwartung ein, dass die Schule ihren Schülerinnen und Schülern eine Ausbildung und Erziehung vermittelt, die nicht hinter derjenigen zurücksteht, wie sie durch eine öffentliche Schule zu erlangen ist (BVerfG, U.v. 14.11.1969 – 1 BvL 24/64 – juris Rn. 29).
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Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG schützt die Vielfalt der Formen und Inhalte, in denen Schule sich darstellen kann; das Genehmigungserfordernis hat den Sinn, die Allgemeinheit vor unzureichenden Bildungseinrichtungen zu schützen (stRspr, vgl. statt aller BVerfG, B.v. 8.6.2011 – 1 BvR 759/08 u.a. – NVwZ 2011, 1384 Rn. 15 m.w.N.). Lehrziele im Sinne des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG sind der generelle Bildungsauftrag der Schule und die jeweiligen Bildungsziele der einzelnen Schularten und Schulstufen. Es kommt darauf an, ob im Kern gleiche Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden, unbeschadet eines von einer eigenen weltanschaulichen Basis aus eigenverantwortlich geprägten Unterrichts mit darauf abgestellten Lehrmethoden und Lehrinhalten. Insofern wird keine Gleichartigkeit mit öffentlichen Schulen verlangt, sondern eine Gleichwertigkeit (vgl. BVerfG, B.v. 9.3.1994 – 1 BvR 68/88 – juris Rn. 55). Entscheidend ist mithin, ob am Ende des jeweiligen Bildungsgangs das Niveau des Bildungsprogramms der öffentlichen Schulen im Ergebnis erreicht wird, wobei den Ersatzschulen hinsichtlich der hierbei beschrittenen Wege und eingesetzten Mittel weitgehende Freiheit eingeräumt wird. Dies kann zur Folge haben, dass Ersatzschulen nach ihrer ganzen Struktur so grundsätzlich verschieden von öffentlichen Schulen sein können, dass etwa für ihre Schüler vor Abschluss des Bildungsgangs ein Wechsel in das öffentliche Schulsystem ausscheidet (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 8.6.2011 – 1 BvR 759/08 u.a. – NVwZ 2011, 1384 Rn. 16 m.w.N.).
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b) Im Hinblick auf die grundrechtlich verbürgte Privatschulfreiheit hat das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG als Genehmigungsvoraussetzungen übernommen. Entsprechend bestimmt Art. 92 Abs. 1 BayEUG, dass Ersatzschulen nur mit staatlicher Genehmigung errichtet und betrieben werden dürfen. Art. 92 Abs. 2 BayEUG regelt die Genehmigungsvoraussetzungen im Einzelnen. Unter anderem ist Voraussetzung für die Genehmigung einer Ersatzschule, dass sie in ihren Lehrzielen und Einrichtungen hinter den öffentlichen Schulen nicht zurücksteht (Art. 4, 93 und 94 BayEUG; vgl. Art. 92 Abs. 2 Nr. 2 BayEUG). Nach ständiger Rechtsprechung (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 8.6.2011 – 1 BvR 759/08 – juris Rn. 17) umfasst der Begriff „Lehrziele“ einerseits den Bereich „Erziehungsziele“, andererseits den Bereich „Qualifikation“. Hinsichtlich der Qualifikation sind die Einhaltung von Standards der Wissens- und Fertigkeitsschulung durch die Ersatzschulen einzufordern, mithin umfasst diese Fertigkeiten und Kompetenzen sowie Kenntnisse und Fähigkeiten (BVerwG, U.v. 30.1.2013 – 6 C 6.12 – juris Rn. 19).
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c) Für die Erteilung der Genehmigung ist eine auf den Ausbildungserfolg am Ende des Ausbildungsgangs (Grund- bzw. Mittelschule) bezogene Bewertung der Lehrziele der privaten Ersatzschule erforderlich, wobei die Anforderung des Nichtzurückstehens der Lehrziele im Sinne von Art. 92 Abs. 2 Nr. 2 BayEUG nicht den positiven Nachweis der Gleichwertigkeit der Lehrziele, sondern lediglich eine nachprüfbare Prognose aufgrund konkreter Feststellungen voraussetzt, dass sich – voraussichtlich – gegenüber den Lehrzielen der entsprechenden öffentlichen Schulen keine erheblichen Defizite ergeben werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.1992 – 6 C 3.91 – NVwZ 1992, 118 LS 4). Grundlage für die Prognose ist das jeweilige Konzept der Ersatzschule. Ob dieses eine positive Prognoseentscheidung zulässt, unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung.
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2. Das zuletzt vorgelegte „Pädagogische Konzept“ (8. Aufl. 2020) bietet nach wie vor prognostisch keine Gewähr dafür, dass die Schule des Klägers in ihren Lehrzielen am Ende der 4. bzw. der 9. Jahrgangsstufe nicht hinter denen entsprechender öffentlicher Schulen zurückbleiben wird.
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a) Das „Pädagogische Konzept“ sieht die Errichtung einer Schule nach dem Vorbild der Sudbury Valley School vor, die in dessen Nr. 2 beschrieben wird als „Schule, in der Grundprinzipien unserer freiheitlich demokratischen Gesellschaft konsequent verwirklicht werden. Die Schule ermöglicht jedem Schüler, sich Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit demokratischen Werten und Normen anzueignen. Das Recht auf selbstbestimmte Bildung gilt dort ohne Einschränkung auch für Kinder und Jugendliche. Jeder der ca. 200 Schüler entscheidet selbst, womit er seine Zeit verbringt. Lernen findet als natürlicher Prozess mitten im Leben statt. Die Schüler bestimmen eigenständig, zu welchem Zeitpunkt sie sich ein Themenfeld erarbeiten wollen und welches die geeigneten Methoden, Hilfsmittel und Lehrkräfte sind, die ihnen dabei behilflich sein können. Sie folgen dabei keinem vorgefertigten Lehrplan und sie werden keiner ungewollten Bewertung unterzogen. Angetrieben durch die jedem Menschen wesenseigene und somit angeborene Neugier unternehmen die Kinder enorme Anstrengungen, die sie umgebende Welt spielerisch zu entdecken. … Selbstbestimmtes Lernen findet in einer altersgemischten Umgebung statt. Die Schüler in Sudbury Valley lernen, indem sie experimentieren, forschen, spielen, ausprobieren, anderen zusehen, sich über alles Mögliche unterhalten, lesen, sich etwas erklären lassen, kurzgefasst, indem sie aktiv am Leben in der Schule teilnehmen. Die Schüler haben Zeit, ohne Unterbrechung konzentriert ihren individuellen Interessen nachzugehen, Unterrichtsstunden bzw. Kurse finden nur auf Verlangen statt, dann aber zu den Bedingungen der Lehrenden.“
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Ausweislich der Einleitung des „Pädagogischen Konzepts“ stellt das jahrzehntelang erprobte Schulmodell der Sudbury Valley School eine große Chance dar, auch in Bayern einen neuen Weg der freiheitlichen demokratischen Bildung einzuschlagen und dabei die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen. Neben der Kurzbeschreibung der Sudbury Valley School enthält das „Pädagogische Konzept“ Aussagen zum „Bildungsrahmen“, es beschreibt und begründet die „Grundsätze einer S2. Schule“ und es erläutert „Das Lernfeldumfeld an der S2. Schule“. Zudem führt es unter der Überschrift „Einblicke in den Schulalltag“ speziell zu den Themen „Selbstbestimmte Bildung, Lerninhalte und die Rolle des Lernbegleiters in Bezug auf den LehrplanPLUS“, „Lernformen“, „Lernerfahrungen“, „Besonderheiten“ sowie „Einblicke in den Schulalltag“ aus. Das „Pädagogische Konzept“ verhält sich weiter zu den Themen „Eine demokratische Gemeinschaft und ihre Strukturen“ sowie „Abschlüsse, Schulwechsel und Erfolge nach der Schule“ und führt in weiteren Kapiteln zur „Rolle der Eltern“, zu „Administrativen Einzelheiten“ sowie zu „Gemeinsamkeiten mit alternativen Schulen“ aus. Zuletzt widmet es sich einem Kapitel „Unsere Vision“ und schließt mit einem Literatur- und Quellenverzeichnis. Dem „Pädagogischen Konzept“ angefügt ist eine für die Mittelschule nach den Schulfächern „Deutsch“, „Mathematik“ und „Fremdsprache (Englisch/Französisch)“ gegliederte Ausarbeitung, welche Bildungsstandards nach den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz im jeweiligen Fach erwartet werden. Anhand von konkreten Beispielen aus dem Schulalltag wird jeweils dargestellt, wie diese Bildungsstandards an der S2. Schule erworben werden können. Eine entsprechende Ausarbeitung ist für die Primarstufe für die Fächer „Deutsch“ und „Mathematik“ beigefügt. Mit dem „Pädagogischen Konzept“ will der Kläger neben theoretischen Grundlagen eine konkrete Vorstellung davon vermitteln, wie Lernen und Leben in einer Demokratischen Schule stattfinden.
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b) Zwar wurde das ursprünglich vorgelegte pädagogische Konzept im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erster Instanz und nochmals im Laufe des Berufungsverfahrens in der 8. Auflage 2020 infolge rechtlicher Hinweise des Senats mehrfach verändert. Insbesondere wurde an verschiedenen Stellen die Geltung des LehrplanPlus verankert, wie z.B. auf S. 8, Nr. 3 Bildungsrahmen: „… Die Schüler haben die Möglichkeit, sich sämtliche Inhalte des Lehrplans anzueignen und bekommen die notwendige Unterstützung“; S. 28 Nr. 7.4 „… Das Bildungsverständnis ist weit gefasst. Es schließt alle Inhalte des LehrplanPLUS mit ein, macht aber dort nicht halt, sondern geht weit über diese hinaus und ermöglicht es den Schülern insbesondere, sich in dem Rahmen mit den Inhalten zu beschäftigen, den sie selbst wählen und der am besten für ihr individuelles Lernen geeignet ist. …“. Wenn auch der Kläger die Lehrziele des LehrplanPLUS als maßgebliche Mindeststandards, die es zu erreichen gilt, in seinem „Pädagogischen Konzept“ zwischenzeitlich anerkannt hat, ist jedoch weiterhin nicht ersichtlich, wie er diese Mindeststandards verbindlich vermitteln will und wie sichergestellt werden soll, dass zumindest ein wesentlicher Teil der Schülerinnen und Schüler zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich über das erforderliche Wissen verfügt.
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Nach wie vor enthält das „Pädagogische Konzept“ keine Verpflichtung der Schülerinnen und Schüler, sich die wesentlichen Wissens- und Könnensziele des LehrplanPLUS im Laufe ihrer Schulzeit anzueignen. Im Mittelpunkt des vom Kläger vorgelegten Konzepts steht weiterhin – weil dies nach Angaben der Vertreter des Klägers ein unverzichtbares Element der Sudbury-Pädagogik ist – die Eigenverantwortlichkeit der Schülerinnen und Schüler für ihre Bildung und damit auch für das Erreichen der Lehrziele. Zu welchem Zeitpunkt und ob überhaupt sie sich Lerninhalte aneignen, obliegt nach den Ausführungen des „Pädagogischen Konzepts“ ihrer alleinigen Entscheidung (vgl. z.B. S. 17: „Schüler jeden Alters entscheiden, was, wie, wann und wo sie lernen und mit wessen Hilfe sie lernen; zu welchem Zeitpunkt sie sich Lerninhalte aneignen und welchen Abschluss sie absolvieren, liegt in der Verantwortung der Schüler.“; S. 34: „Eine S2. Schule ermöglicht den Schülern, ihre Ziele innerhalb des Bildungsrahmens, wie er in Kapitel 3, 4.2 und 5 beschrieben wird, selbst zu wählen. Es entsteht der Wunsch, sich ein bestimmtes Wissensgebiet anzueignen, und ist der Schüler entschlossen, diesem Bedürfnis bis zu seinem persönlichen Ziel zu folgen, zeigt er eine hohe Leistungsbereitschaft, Konzentration und Ausdauer. Dies stellt sich vor allem bei Interessensgebieten ein, die für ihn individuell von Bedeutung sind.“). Eine (pro-)aktive Rolle der Lernbegleiter, auf das Erreichen der wesentlichen Kenntnisse und Fähigkeiten hinzuwirken, die der LehrplanPLUS vorgibt und die den Schülerinnen und Schülern ohne entsprechende Anleitung und Vermittlung nicht bekannt sein dürften, ist dem „Pädagogischen Konzept“ des Klägers hingegen nicht zu entnehmen. Vielmehr beschränkt sich die Rolle der Lernbegleiter darauf, auf Anforderung der Schülerinnen und Schüler in einem allein von diesen bestimmten Bereich Wissensvermittlung vorzunehmen bzw. diese zu unterstützen (vgl. S. 26 Nr. 7.2 „Auf Nachfrage der Schüler halten sie Unterrichtskurse oder unterstützen die Schüler beim Finden geeigneter Honorarkräfte.“). Die reduzierte Rolle der Lernbegleiter äußert sich auch dadurch, dass die Schülerinnen und Schüler einer Bewertung von außen, d.h. durch ihre Lernbegleiter, nur dann unterliegen, wenn sie es ausdrücklich wünschen (vgl. S. 28). Das „Pädagogische Konzept“ geht ansonsten davon aus, dass die Schülerinnen und Schüler es am besten alleine wissen, „ob sie etwas können, ob sie sich sicher fühlen in dem Metier“, und „es vor allem die innere Motivation“ ist, „die zu einer realistischen Selbsteinschätzung führt und als Motor für die Weiterentwicklung des eigenen Lebens fungiert“ (vgl. S. 29). Besonders deutlich ist die passive Rolle der Lernbegleiter auf S. 44 unter „Nr. 8.4.1 Langeweile und Orientierungslosigkeit im Übergang zur Selbstbestimmung“ beschrieben: „Wenn Schüler auf eine S2. Schule wechseln, ist eine der schwierigsten Herausforderungen, der sie gegenüberstehen, der Übergang von der bisherigen Schulstruktur zu einer, in der sie selbst für ihre Bildung verantwortlich sind. Nach anfänglicher Begeisterung wird die Hinwendung zur Selbstbestimmung meist durch Langeweile und Orientierungslosigkeit geprägt. Dies wird als eine wichtige Phase des Lernens angesehen. Sie ist eine heilsame Übergangszeit zwischen der Überflutung durch und Abhängigkeit von äußeren Reizen und dem Punkt, von dem aus man eigenen inneren Impulsen folgt und sich das aneignet, was einen wirklich interessiert. … Mitarbeiter bieten in dieser Phase keine Hilfe durch Ideen oder Anregungen an, um die Schüler von ihrer Langeweile zu befreien oder um ihnen Orientierung anzubieten. Sie sind für die Schüler da, wenn diese sie brauchen, und bieten Unterstützung im Umgang mit den auftretenden negativen Gefühlen.“ Der Kläger führte hierzu näher aus, nach dem „Pädagogischen Konzept“ sei elementar, dass Schüler und Lernbegleiter miteinander und gleichberechtigt Entscheidungen träfen. Die Atmosphäre und die Beziehungsebene, die sich hieraus ergäben, hätten entscheidenden Einfluss auf das selbstbestimmte Lernen. Der Schüler nehme die entscheidende Rolle für den Wissenserwerb ein. Aus diesem Grund sei die Beziehungsebene zwischen Schülern und Lernbegleitern entscheidend.
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Der Senat bezweifelt nicht, dass – wie der Kläger unter Verweis auf positive Elternberichte vorträgt – das „Pädagogische Konzept“ bei Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, bei nicht mehr beschulbaren Problemschülern und Schülern mit Lernschwächen durchaus positive Wirkungen haben mag. Beantragt ist aber die schulaufsichtliche Genehmigung für eine Grund- und Mittelschule und nicht für eine Förderschule. Der Senat geht zwar davon aus, dass nach dem „Pädagogischen Konzept“ von einer Gleichwertigkeit der Erziehungsziele ausgegangen werden kann. Nicht gesichert erscheint jedoch eine Prognose dahingehend, dass die Schülerinnen und Schüler des Klägers am Ende des jeweiligen Bildungsgangs (4. bzw. 9. Jahrgangsstufe) über eine im Wesentlichen gleichwertige Qualifikation, insbesondere über ein gleichwertiges Wissen verfügen, wie die Schülerinnen und Schüler öffentlicher Schulen.
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c) Die vom Kläger vorgelegte Stellungnahme von Prof. Dr. habil. T. M. vom 5. Mai 2021, deren Inhalt sich der Kläger zu eigen macht, ist nicht geeignet, die Zweifel des Senats auszuräumen. Vielmehr deuten die dortigen Ausführungen ebenfalls darauf hin, dass prognostisch nicht von einem im Wesentlichen gleichwertigen Wissensstand der Schülerinnen und Schüler am Ende des jeweiligen schulischen Bildungsgangs auszugehen ist. Nicht bezweifelt wird dabei die Feststellung von Prof. Dr. M., etliche Studien würden belegen, dass Schülerinnen und Schüler alternativer Schulen wie der S2. Schule am Ende des schulischen Bildungsgangs zumindest in den Bereichen, die ihren Interessen und Begabungen entsprechen, eindeutig besser „performen“ würden als Schülerinnen und Schüler im staatlichen Schulsystem. In der Folge lässt die Stellungnahme jedoch jede Erklärung dafür vermissen, wie mittels des „Pädagogischen Konzepts“ dafür gesorgt werden soll, dass eine Gleichwertigkeit der Wissensqualifikation insbesondere in Bereichen, die nicht den Interessen der einzelnen Schülerin oder des einzelnen Schülers entsprechen, erreicht werden kann. Nur die allgemeine, wenn auch wortreiche Schilderung, durch Selbstbestimmung und Eigenverantwortung wäre dieses Ziel erreichbar, genügt hierfür nicht.
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d) Aufgrund der pädagogischen Einschätzungen des mit Beweisbeschluss vom 20. Dezember 2021 bestellten Sachverständigen Prof. Dr. E., Inhaber des Lehrstuhls für Schulpädagogik mit dem Schwerpunkt Schulentwicklungsforschung und Experiential Learning an der F.-Universität E., geht der Senat davon aus, dass die für eine schulrechtliche Genehmigung der S2. Schule M./Umgebung zwingend erforderliche Gleichwertigkeit in Bezug auf die wesentlichen Lehrziele öffentlicher Grund- und Mittelschulen nach dem „Pädagogischen Konzept“ des Klägers nicht gewährleistet werden kann. In seinem mit Schreiben vom 30. Juni 2022 vorgelegten Gutachten verneint Prof. Dr. E. die im Beweisbeschluss formulierte Fragestellung, ob das „Pädagogische Konzept der S2. Schule M./Umgebung, 8. Auflage 2020“, die Prognose erlaube, dass die dort unterrichteten Schülerinnen und Schüler zum Ende der 4. bzw. zum Ende der 9. Jahrgangsstufe aus wissenschaftlich-pädagogischer Sicht im Kern die im LehrplanPLUS aufgeführten Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben können.
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aa) Prof. Dr. E. begründet seine fachliche Einschätzung im Wesentlichen damit, für den Bereich der Grundschule sei zwar nicht auszuschließen, dass es einzelne Schüler geben könne, die besondere Voraussetzungen mitbrächten, über erhebliche externe Ressourcen und Unterstützung verfügten und bereits sehr selbstorganisiert lernten. In diesen besonderen Fällen sei es möglich, dass die Ziele und das Leistungsniveau zum Ende der 4. Jahrgangsstufe erreicht würden und ein Übertritt ins Gymnasium möglich sei. Ansonsten sei jedoch zu erwarten, dass ein erheblicher Teil der Schülerinnen und Schüler die notwendigen Kompetenzen nicht erwerben würde. Insbesondere fehlten Konzepte, wie Schülerinnen und Schüler den Kenntnisstand erreichen könnten, der für die Bewältigung der im „Pädagogischen Konzept“ beispielhaft beschriebenen Lernanlässe erforderlich sei, ein Teil dieser Lernanlässe sei nicht altersgemäß, es lägen kaum konkrete Vorschläge über Materialien und sonstige Unterstützung vor, es gebe keinerlei Aussagen über den Kompetenzerwerb des Erstlesens und -schreibens, über Sachunterricht, den Umgang mit der Heterogenität der in die verschiedenen Jahrgangsstufen aufgenommenen Schülerinnen und Schüler sowie mit besonderen Lernbedarfen Einzelner. Auch diese müssten selbständig alle Lehrplanziele und anzustrebenden Kompetenzniveaus erfüllen, während die Lernbegleiter darauf warten müssten, um Unterstützung gefragt zu werden. Entsprechendes gelte für die Mittelschule. Auf der Basis des „Pädagogischen Konzepts“ und der Beiträge nach Aktenlage zur Untermauerung von dessen Erfolg könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler an der S2. Schule über das nötige Kompetenzniveau verfügten und Abschlussprüfungen erfolgreich bewältigen würden. Auffällig sei, dass Schülerinnen und Schüler über erhebliche Kompetenzen fachlicher Art sowie im Hinblick auf Lernen und Zielerreichung verfügen müssten, um in einer Schule auf Basis des „Pädagogischen Konzepts“ erfolgreich lernen zu können. Dies könne nur bei einem Teil der Schülerinnen und Schüler angenommen werden.
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bb) Im Rahmen seiner Befragung durch den Senat und die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2023 führte der Sachverständige hierzu ergänzend aus, bei der Begutachtung des „Pädagogischen Konzepts“ habe er besonderes Augenmerk auf das vorgesehene Lehrerhandeln, die Art der Verantwortungsverteilung zwischen Lehrern und Schülerinnen bzw. Schülern sowie auf die Frage gelegt, wie Kompetenzen erworben und erreicht werden könnten. Nach den im „Pädagogischen Konzept“ des Klägers enthaltenen Kernaussagen über den Unterricht gebe es Unterricht und Projekte nur dann, wenn sie von den Schülerinnen und Schülern ins Leben gerufen würden. Eine Unterstützung durch Lernbegleiter erfolge nur auf Anforderung. Formen der Rückmeldung, des Feedbacks oder eine Bewertung ihrer Leistungen erfolgten ebenfalls nur auf Anforderung der Schülerinnen und Schüler. Das „Pädagogische Konzept“ baue auf der Vorstellung auf, dass Schülerinnen und Schüler wüssten, was sie lernen wollen und wie sie sich eigenverantwortlich auf Lernabschlüsse vorbereiten. Das sei deshalb von Bedeutung, weil das Bildungssystem in Deutschland auf formale Abschlüsse ausgerichtet sei und die Berufswelt in Deutschland an diese Abschlüsse anknüpfe. An allen Schulen fänden sich erfahrungsgemäß Schülerinnen und Schüler, die besondere Lernbedarfe hätten, die dazu tendierten, sich zu schwere oder zu einfache Aufgaben zu stellen, die ein niedriges Selbstkonzept hätten und/oder Lernschwierigkeiten in bestimmten Bereichen aufwiesen. Fachlicher Standard sei in diesen Fällen, die Schüler zu begleiten, ihnen Rückmeldung zu geben und sie durch besondere didaktische Maßnahmen zu unterstützen. Das Konzept des Klägers sehe einen Teil dieser Maßnahmen nicht vor, weil die Lernbegleiter nur anlassbezogen handeln dürften. Ein Teil der in wissenschaftlichen Metastudien als erfolgreich ausgewiesenen Lehrerhandlungen seien an der S2. Schule so nicht möglich, weil ein Handeln des Lehrers nur auf Nachfrage vorgesehen sei, ebenso Feedback und Rückmeldungen. Die im „Pädagogischen Konzept“ enthaltenen potentiellen Lernanlässe zum Erwerb der im LehrplanPLUS vorgesehenen Kompetenzen setzten zum Teil Kompetenzen voraus, die erst in der Schule erworben werden müssten. Zum Teil handle es sich dabei um durchaus praktikable und vernünftige Beispiele, zum Teil aber, insbesondere im Fach Englisch, würden Lernanlässe genannt, die bereits ein hohes Sprachniveau voraussetzten, das regelmäßig erst in der Schule erworben werde.
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cc) Das Gutachten von Prof. Dr. E. ist einschließlich der in der mündlichen Verhandlung hierzu ergangenen Erläuterungen nachvollziehbar und schlüssig begründet, es enthält die für die Überzeugungsbildung des Senats erforderlichen sachlichen Grundlagen und kann deshalb der gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden. Die Einholung eines weiteren Gutachtens zur Frage, ob prognostisch zu erwarten ist, dass mit dem aktuellen „Pädagogischen Konzept“ des Klägers sichergestellt werden kann, dass am Ende des jeweiligen Bildungsgangs eine Gleichwertigkeit der Kenntnisse und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler der S2. Schule M./Umgebung mit denen an einer öffentlichen Schule erreicht werden kann, ist entgegen der Beweisanregung des Klägers im Schriftsatz vom 17. November 2022 – ein entsprechender Beweisantrag wurde in der letzten mündlichen Verhandlung nicht gestellt – nicht erforderlich.
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Liegen zu einer erheblichen Tatsache gutachtliche Stellungnahmen vor, richtet sich die im Ermessen des Gerichts stehende Entscheidung über die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO. Danach kann das Gericht eine weitere Begutachtung anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet. Ungenügend sind Auskünfte und Gutachten insbesondere dann, wenn sie erkennbare Mängel aufweisen, etwa unvollständig, widersprüchlich oder sonst nicht überzeugend sind, wenn das Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder wenn der Gutachter erkennbar nicht sachkundig ist bzw. Zweifel an seiner Unparteilichkeit bestehen (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, B.v. 27.4.2016 – 2 B 23.15 – BeckRS 2016, 46311 Rn. 11 m.w.N.). Hiervon ausgehend ist es dem Kläger nicht gelungen, dem Senat durchgreifende Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens zu vermitteln.
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(1) Gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens trägt der Kläger zunächst vor, der Gutachter habe seinem Gutachten keine Literatur über Reformpädagogik zugrunde gelegt, ihm fehle die erforderliche Sachkunde und das Gutachten sei insgesamt unbrauchbar. Aufgabe des Gutachters sei es gewesen, festzustellen, ob das „Pädagogische Konzept“ die Prognose der Gleichwertigkeit erlaube. Tatsächlich bestehe das Gutachten aus einer wissenschaftlichen Analyse des Konzepttextes und -aufbaus. Der Gutachter gehe daher mit einem unzutreffenden Ansatz an den Gutachtensauftrag heran. Die Beantwortung der Beweisfrage selbst trete in den Hintergrund, sei unzureichend und in der Sache nicht nachvollziehbar begründet. Der Gutachter habe sich nicht hinreichend mit der einschlägigen Literatur der Reformpädagogik befasst. So habe er zum Beispiel auf S. 43 des Gutachtens ausgeführt „… oder es existiert ein dem Gutachter bisher unbekannter und auch in der Fachliteratur nicht beschriebener zuverlässiger und genialer Mechanismus, der sicherstellt, dass die Selbststeuerung stets zum oben genannten Erfolg führt.“ Eine ausreichende Befassung mit entsprechender Literatur hätte zu der Erkenntnis geführt, dass es diesen „genialen Mechanismus“ tatsächlich gebe. Unter anderem seien laut Gloe und Morasch im Handbuch Demokratiepädagogik „Kinder von Natur aus an ihrer Umwelt interessiert und wissbegierig; sie lernen mit Freude, solange sie dies selbstbestimmt tun können“.
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Bei dieser Argumentation lässt der Kläger außer Acht, dass der Gutachtensauftrag nicht dahingehend formuliert war, eine prognostische Einschätzung darüber abzugeben, ob die Schülerinnen und Schüler der S2. Schule im Wege der Selbststeuerung etwas lernen oder ihnen bessere Möglichkeiten zu ihrer Entfaltung gegeben werden – was der Senat im Grunde nicht bezweifelt –, sondern dahingehend, ob aus wissenschaftlich-pädagogischer Sicht am Ende des jeweiligen Bildungsabschnitts prognostisch eine in Bezug auf die Lehrziele wesentliche Gleichwertigkeit mit entsprechenden Schulen des öffentlichen Schulsystems zu bejahen ist. Dem Gutachtensauftrag folgend hat sich der Gutachter mit dieser Frage auseinandergesetzt und im Ergebnis schlüssig und überzeugend herausgearbeitet, dass dies aus verschiedenen Gründen, im Besonderen wegen der passiven Rolle der Lernbegleiter, nicht zu erwarten ist. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Insbesondere hat er keine abweichenden wissenschaftlichen Meinungen vorgetragen oder Veröffentlichungen dazu vorgelegt, dass das „Pädagogische Konzept“ der S2. Schule München/Umgebung geeignet wäre, den Schülerinnen und Schülern zum Ende des jeweiligen Ausbildungsabschnitts die im LehrplanPLUS aufgeführten wesentlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Die vom Kläger im Laufe des Verfahrens vorgelegten wissenschaftlichen Erkenntnisse beziehen sich – wie er selbst ausführt – auf die Sudbury-Pädagogik und im Kern auf die Behauptung, dass durch diese Pädagogik intrinsisches Lernen bei den Schülerinnen und Schülern gefördert wird und allein dies zur Erreichung der erforderlichen wesentlichen Kenntnisse und Fertigkeiten führt. Die eingereichten Unterlagen über eine „aktualisierte Befragung von fünf exemplarischen Demokratischen Schulen in Deutschland aus vier verschiedenen Bundesländern“ (Schriftsatz v. 27.2.2020) sind schon deswegen nicht geeignet, die Einschätzung des Gutachters zu widerlegen, weil die Vergleichbarkeit der zugrundeliegenden Schulkonzepte nicht dargelegt wurde und damit insbesondere die Rolle der dortigen Lernbegleiter nicht abschließend beurteilt werden kann. Erkenntnisse im Hinblick auf ein mögliches Erreichen der Lehrziele ergeben sich daraus ohnehin nicht.
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(2) Nicht durchdringen kann der Kläger mit dem Vortrag, aus verschiedenen Stellen des „Pädagogischen Konzepts“ (z.B. S. 26: „Die Mitarbeiter hören zu, beantworten Fragen, sie helfen beim Auffinden von Informationen, empfehlen Methoden, wie man sich selbständig Unterrichtsstoff aneignen kann und gehen dabei auf individuelle Lernbedürfnisse ein. Auf Nachfrage der Schüler halten sie Unterrichtskurse oder unterstützen die Schüler beim Finden geeigneter Honorarkräfte. … Als erfahrene, lebendige und stabile Persönlichkeiten verfügen die Mitarbeiter über ein hohes Maß an Klarheit und Unterscheidungsfähigkeit, um einerseits den Kindern beim Lernen Autonomie zuzugestehen und sich andererseits als Menschen mit ihrem Wissen und ihren Erfahrungen einzubringen. … Sie übernehmen gemeinsam mit den Schülern Verantwortung. Kein Schüler wird alleingelassen.“), ergebe sich eine deutlich aktivere Rolle der Lernbegleiter als vom Gutachter angenommen. Mit diesem Einwand kann die Verwertbarkeit des Gutachtens nicht in Frage gestellt werden. Hierauf in der mündlichen Verhandlung angesprochen, hat der Gutachter nachvollziehbar erklärt, in dieser Passage werde die Rolle der Lernbegleiter beschrieben, wie sie anlassbezogen agieren könnten. Gleichzeitig sei festzuhalten, dass nach den Aussagen des „Pädagogischen Konzepts“ die Schüler selbstorganisiert lernen sollten/müssten und sie lebenspropädeutisch sowie zur Vorbereitung auf die Hürden und die Abschlüsse im Bildungssystem selbst erkennen müssten und zu entscheiden hätten, was sie lernen müssten. Dies entspricht den Ausführungen des „Pädagogischen Konzepts“. Auf dessen S. 17 ist Folgendes festgehalten: „Die Lernbegleiter tragen gemeinsam mit den Schülern die Verantwortung für den Bildungsrahmen. Im Rahmen des positiv gestalteten Umfelds und unterstützt von den Lernbegleitern tragen die Schüler die Verantwortung für ihre Bildung. Zu welchem Zeitpunkt sie sich Lerninhalte aneignen und welchen Abschluss sie absolvieren, liegt in der Verantwortung der Schüler. Die Lernbegleiter stehen bereit, um sie bei allen wichtigen Entscheidungen zu unterstützen.“ Wie der Kläger selbst zugesteht, ist nach dem „Pädagogischen Konzept“ die Selbstbestimmung der Schülerinnen und Schüler von zentraler Bedeutung. Kommt kein entsprechender Impuls von einer Schülerin oder einem Schüler, ist eine Wissensvermittlung durch Lernbegleiter nicht vorgesehen. Von einer falschen Bewertung der Rolle des Lernbegleiters durch den Gutachter kann somit keine Rede sein.
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(3) Der Einwand des Klägers, entgegen den Feststellungen des Gutachters existierten Evaluationsergebnisse, Erfahrungsberichte von Schülerinnen und Schülern, Nachweise über externe Prüfungen bzw. die Vorbereitung an der S2. Schule sowie Berichte über die wissenschaftliche Begleitung, ist ebenfalls nicht geeignet, Mängel des Gutachtens zu belegen. Der Gutachter hat zwar in seinem Gutachten zusammenfassend ausgeführt (vgl. S. 42), dass substantielle Nachweise und Belege, die den Erfolg des „Pädagogischen Konzepts“ (aus der Zeit des Schulbetriebs) durch Evaluation oder andere dokumentierte Ergebnisse untermauern könnten, gänzlich fehlten. Derartige Nachweise und Berichte halte er zwar nicht für zwingend erforderlich; sie könnten aber einen Beitrag zur Stützung der im „Pädagogischen Konzept“ formulierten Annahmen über die erfolgreiche Gestaltung einer alternativen Schule leisten. Auch im überarbeiteten „Pädagogischen Konzept“ fänden sich nur Beispiele aus der Sudbury-Literatur, hingegen keine Beispiele aus dem konkreten Schulbetrieb oder anderen Sudbury-Schulen.
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Die entgegen der Annahme des Gutachters in den Akten befindlichen Unterlagen wie Schülerbeobachtungen, Fallbeispiele und Berichte über erfolgreiche Lernsituationen sind nicht geeignet, die Verwertbarkeit des Gutachtens in Frage zu stellen, da sie im Hinblick auf die Frage, ob die wesentlichen Ziele des LehrplanPLUS erreicht werden können, nicht aussagekräftig sind. Die Bestätigungen und Dokumentationen bzw. Evaluationen stellen zwar nachvollziehbar das Konzept und die Struktur der Sudbury-Schulen sowie den aufgrund dieser Pädagogik möglichen Kompetenzerwerb bei Schülerinnen und Schülern dar. Zudem verhalten sie sich dazu, wie durch verschiedene Lernereignisse, die die Schülerinnen und Schüler selbst initiieren, die Erreichung der erforderlichen Bildungsstandards gewährleistet werden soll. Die Evaluation insbesondere durch Frau v. L. bezieht sich zwar konkret auf die S2. Schule M./Umgebung, eine fundierte Aussage dazu, ob das Erreichen der Bildungsstandards auch im Hinblick auf das nach dem LehrplanPLUS erforderliche Wissen (wahrscheinlich) gewährleistet werden kann, fehlt jedoch. Maßnahmen, die sicherstellen, dass die Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihren speziellen Interessen das im LehrplanPLUS vorgesehene wesentliche Wissen erwerben, ergeben sich weder aus dem „Pädagogischen Konzept“ noch werden sie in den Evaluationsberichten von Frau v. L. angesprochen. Abgesehen davon hat der Senat bereits entschieden, dass durch die vom Kläger vorgelegten Bestätigungen anerkannter Pädagogen und den Schulbetrieb begleitender wissenschaftlicher Dokumentationen ein Erreichen des notwendigen Bildungsstandards nicht hinreichend belegt wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.1.2017 – 7 CE 16.1898 – BeckRS 2017, 100398 Rn. 22). Vielmehr werden im vorgelegten Abschlussbericht von Frau v. L. weitere Fallanalysen für sinnvoll erachtet, um die aufgestellte Vermutung zu bestätigen, dass die Bildungsstandards im gesamten Schulalltag umgesetzt und erfüllt werden, und um sich der Ergebnisse zu versichern. Erfahrungsberichte von Schülerinnen und Schülern sind nicht geeignet, eine erfolgreiche Vermittlung von Mindeststandards darzulegen.
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(4) Entgegen der Auffassung des Klägers sind die erfolgreichen Abschlüsse der sechs Schülerinnen als externe Teilnehmerinnen von Abschlussprüfungen der Mittelschule kein substantieller Beleg dafür, dass die S2. Schule M./Umgebung in ihren Lehrzielen nicht hinter öffentlichen Grund- und Mittelschulen zurücksteht. Zwei dieser Schülerinnen haben den qualifizierenden Mittelschulabschluss während ihres Besuchs der S2. Schule M./Umgebung (Juli 2015 bzw. Juli 2016) abgelegt. Laut Vortrag des Klägers haben weitere vier Schülerinnen diese Prüfung im Schuljahr 2016/2017 abgelegt; in diesem Schuljahr war die S2. Schule M./Umgebung bereits geschlossen. Drei dieser Schülerinnen hätten sich „in Eigenregie“ darauf vorbereitet. Aufgrund des zeitlich beschränkten Anteils der S2. Schule M./Umgebung an der neunjährigen Schulzeit der Schülerinnen lassen sich daraus keine weiteren Schlüsse ziehen.
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(5) Soweit der Kläger mit seinem Vortrag darüber hinaus die Sachkunde des Gutachters in Zweifel zieht, kann ihm nicht gefolgt werden. Der Gutachter ist Inhaber eines Lehrstuhls für Schulpädagogik mit dem einschlägigen Schwerpunkt Schulentwicklungsforschung; der Lehrstuhl ist mit Lehrerbildung insbesondere der Mittelschullehrer befasst. Der Gutachter hat anlässlich seiner mündlichen Befragung ausgeführt, bei seinem Lehrstuhl handele es sich um einen Bildungsforschungslehrstuhl, es werde zu allen Lernformen geforscht, ein Schwerpunkt sei dabei die Forschung zur Erfahrungsorientierung, die sich insbesondere mit Rückmeldungen befasse, die Lernende durch die jeweilige Lernsituation erhielten. Von einer fehlenden Eignung des Gutachters kann vor diesem Hintergrund nicht ausgegangen werden. Keine Rückschlüsse kann der Kläger daraus ziehen, dass der Sachverständige – wie er selbst angibt – im Zusammenhang mit der Erstellung des Gutachtens keine spezifisch reformpädagogische Literatur, insbesondere keine Veröffentlichungen zur Demokratiepädagogik gelesen hat. Gemessen am Beweisthema, ob durch das „Pädagogische Konzept“ der S2. Schule M./Umgebung eine Gleichwertigkeit der Lehrziele voraussichtlich erreicht werden kann, sind Fragen der Demokratiepädagogik bzw. wie demokratische Elemente im Unterricht umgesetzt werden, nur bedingt relevant. Da der Gutachter nach eigenen Angaben einen Forschungsansatz vertritt, der sich auf Reformpädagogik stützt, reformpädagogische Konzepte kennt und einen Überblick über reformpädagogische und schulkritische Literatur hat, ist davon auszugehen, dass er insgesamt über die notwendigen wissenschaftlichen Kenntnisse verfügt, um die Beweisfrage fachlich zutreffend bearbeiten und beantworten zu können. Nichts Anderes folgt aus der vom Kläger vorgelegten Abhandlung von Gloe und Morasch „Demokratische Schulen“, veröffentlicht im Handbuch Demokratiepädagogik. Hierin werden zwar mit „Offenheit, (Selbst-)Bewusstsein, Initiative, Verantwortungsgefühl, Empathie und gegenseitiges Verstehen, Gemeinschafts- und Gerechtigkeitssinn, Engagement, Selbstwirksamkeit und Reflexionsvermögen, frei sprechen können etc.“ die Entfaltungsmöglichkeiten beschrieben, die Schülerinnen und Schülern in Demokratischen Schulen zukommen. Belege dafür, dass Demokratische Schulen Mindestbildungsstandards verlässlich an ihre Schülerinnen und Schüler vermitteln könnten, finden sich darin jedoch nicht.
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(6) Die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten (S. 5 Nr. 5.2), er habe „die Texte und Unterlagen der Schule wohlwollend geprüft“, sind entgegen dem Vortrag des Klägers nicht geeignet, die Besorgnis zu begründen, dass der Sachverständige befangen ist (§ 98 VwGO, § 406 Abs. 1 Satz 1, § 42 Abs. 2 ZPO). Gründe für ein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Sachverständigen sind dann gegeben, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus bei vernünftiger, objektiver Betrachtung davon ausgehen kann, der Sachverständige werde sein Gutachten nicht unvoreingenommen erstatten (vgl. BVerwG, B.v. 6.10.1998 – 3 B 35.98 – juris Rn. 10). Der Sachverständige hat die beanstandeten Ausführungen nachvollziehbar damit erklärt, dass auch fundierte Texte ab und an eine unglückliche Argumentation aufweisen könnten und deshalb im Gutachten bewusst darauf verzichtet worden sei, besonders kritikwürdige Passagen des „Pädagogischen Konzepts“ zu analysieren. Anhaltspunkte für eine fehlende Unparteilichkeit sind dem nicht zu entnehmen. Im Übrigen ist schon fraglich, wie sich eine „wohlwollende Prüfung“ nachteilig für den Kläger auswirken könnte. Soweit der Kläger meint, für eine Voreingenommenheit des Sachverständigen spreche auch, dass er das „zu prüfende Pädagogische Konzept in Anführungszeichen“ setze und damit seine generellen Zweifel zum Ausdruck bringen wolle, ob es sich überhaupt um ein solches handle, lassen sich auch damit vernünftige Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Gutachters nicht begründen. Der Sachverständige zitiert die vom Kläger verwendete Bezeichnung und setzt diese infolgedessen in Anführungszeichen. Eine Bewertung, welcher Art auch immer, ist damit nicht verbunden.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
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IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.