Titel:
Keine doppelte Anrechnung für Curricularanteil und Dienstleistungsexport bei gemeinsamen Vorlesungen
Normenketten:
HZV § 41, § 43, § 44, § 46 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1
Leitsätze:
Eine doppelte Berücksichtigung bei der lehreinheitsübergreifenden Durchführung von gemeinsamen Vorlesungen beim Curriculareigenanteil und beim Dienstleistungsexport kann vor dem Kapazitätserschöpfungsgebot nur dann Bestand haben, wenn sich die doppelte Berücksichtigung im Ergebnis nicht auf die konkrete Zulassungszahl auswirkt oder wenn die Durchführung der Lehrveranstaltung typischerweise mit einem ins Gewicht fallenden Mehraufwand verbunden ist.
Eine doppelte Berücksichtigung bei der lehreinheitsübergreifenden Durchführung von gemeinsamen Vorlesungen beim Curriculareigenanteil und beim Dienstleistungsexport kann vor dem Kapazitätserschöpfungsgebot (VGH München BeckRS 2011, 33121) nur dann Bestand haben, wenn sich die doppelte Berücksichtigung im Ergebnis nicht auf die konkrete Zulassungszahl auswirkt oder wenn die Durchführung der Lehrveranstaltung typischerweise mit einem ins Gewicht fallenden Mehraufwand verbunden ist. (Rn. 13 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Universität Nürnberg-Erlangen, Wintersemester 2021/2022, Psychologie (MSc), Kapazitätserschöpfungsgebot, Curriculareigenanteil, Dienstleistungsexport, gemeinsame Vorlesungen
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 14.03.2022 – AN 2 E 21.10082
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26271
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 14. März 2022, mit dem er nach § 123 Abs. 1 VwGO verpflichtet wurde, über die durch Zulassungssatzung der Fr.-Al.-Universität Er.-N.(FAU) vom 21. Juli 2021 für das 1. Fachsemester des Studiengangs Psychologie – Abschluss Master – festgesetzte Zulassungszahl von 75 Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie unter Berücksichtigung der Zahl der im 1. Fachsemester tatsächlich immatrikulierten 77 Studienanfängerinnen und Studienanfänger hinaus für das Wintersemester 2021/2022 (nach den Rechtsverhältnissen dieses Semesters) einen weiteren Studienplatz im Wege eines Nachrückverfahrens unter allen Bewerbern zu vergeben, die die vom Verwaltungsgericht vorgegebenen Kriterien erfüllen. Der nach der besten Gesamtnote des im ersten für die Bewerbung zum Masterstudiengang Psychologie einschlägigen, berufsqualifizierenden Abschlusses zu vergebende Studienplatz entfiel dabei auf die Antragstellerin, die diesen angenommen hat.
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Zur Begründung des angegriffenen Beschlusses führt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, das Lehrangebot sei zu erhöhen, da die Reduktion der Lehrverpflichtung einer A13-Stelle von 18 Semesterwochenstunden (SWS) auf 13 SWS nicht zu akzeptieren sei. Die genaueren Umstände der Lehrverpflichtungsminderung seien mangels Dokumentation nicht zu ersehen. Insbesondere ließen weder die Kapazitätsunterlagen noch die auf explizite Nachfrage des Gerichts erfolgten Ausführungen des Antragsgegners erkennen, ob und ggf. inwieweit eine Abwägung der konkret für und gegen die erfolgte Reduktion der Lehrverpflichtung einer A13-Stelle von 18 SWS auf 13 SWS sprechenden Gründe stattgefunden habe. Zudem sei der vom Antragsgegner angesetzte Dienstleistungsexport in Höhe von 57,1577 SWS um 1,0486 SWS zu kürzen. Die Kürzung sei erforderlich, weil der Antragsgegner im Dienstleistungsexport einzelne Lehrveranstaltungen – nämlich die Vorlesungen Einführung in die Psychologie, Allgemeine Psychologie I, Allgemeine Psychologie II, Biologische Psychologie, Differentielle und Persönlichkeitspsychologie Teil 1 und 2, Entwicklungspsychologie Teil 1 und 2, Sozialpsychologie Teil 1 und 2 und Pädagogische Psychologie – berücksichtigt habe, obwohl sie gemeinsam sowohl von Studierenden der Lehreinheit Psychologie als auch von Studierenden der der Lehreinheit Psychologie nicht zugeordneten Studiengänge Informatik (Bachelor und Master), Mechatronik (Master), Maschinenbau (Master), Kunstvermittlung (Master) und Soziologie (Bachelor und Master) besucht würden. Im Fall solch gemeinsamer Lehrveranstaltungen sei der Lehraufwand bzw. die Lehrnachfrage bereits im Curriculareigenanteil des der Lehreinheit Psychologie zugeordneten Studiengangs Psychologie – Abschluss Master – berücksichtigt. Darüber hinaus falle für die gemeinsame Lehrveranstaltung nach den Grundsätzen der Kapazitätsberechnung kein weiterer Lehraufwand an. Werde aber die gemeinsame Lehrveranstaltung (Vorlesung) zusätzlich als Dienstleistungsexport anerkannt, werde der Lehraufwand bzw. die Lehrnachfrage doppelt berücksichtigt, nämlich jeweils kapazitätsmindernd im Curriculareigenanteil sowie als Abzug vom Lehrangebot in Gestalt des Dienstleistungsexports. Eine solche zweifache Berücksichtigung des Lehraufwands sei aber nicht gerechtfertigt. Nach Angaben des Antragsgegners sei weder hinsichtlich der Veranstaltungen von einem weitergehenden Lehraufwand auszugehen noch werde der zweifache Ansatz der gemeinsamen Lehrveranstaltungen rechnerisch kompensiert.
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Der Antragsgegner wendet dagegen im Wesentlichen ein, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Kapazität im Studienfach „Psychologie (Abschluss Master)“ nicht erschöpft sei, weil die gemeinsamen Vorlesungen beim Dienstleistungsabzug nicht berücksichtigt werden dürften. Das Verwaltungsgericht stelle unzutreffend nicht auf die pauschalierenden und von den Einzeldaten des Ausbildungsbetriebs abstrahierenden Grundsätze der Kapazitätsermittlung ab, sondern auf die Ausbildungswirklichkeit. Grundlage der Kapazitätsberechnung seien die Curricularnormwerte bzw. die Curricularwerte. Aus diesen würden die entsprechenden Teilwerte (CAp bzw. CAq) abgeleitet. Diese Werte bestimmten jeweils, was eine Studierende bzw. ein Studierender ausgedrückt in Semesterwochenstunden an Lehre nachfrage. Nach diesen Grundsätzen sei die FAU bei der Berechnung verfahren. Die Curricularanteile einzelner Veranstaltungen würden „in SWS pro Student“ berücksichtigt. Die Nachfragewerte seien im abstrakten Berechnungssystem sowohl auf der eigentlichen Nachfrageseite als CAp als auch beim Dienstleistungsexport als CAq zu berücksichtigen. Auch der Dienstleistungsbedarf werde nach expliziter rechtlicher Vorgabe in Anlage 8 Ziff. I. Nr. 2 Satz 2 zu § 40 HZV (jetzt Anlage 7 Ziff. I. Nr. 2 Satz 2 zu § 41 HZV) abstrakt ermittelt und nicht mittels Realbetrachtung danach, ob eine mitbesuchte Veranstaltung im konkreten Einzelfall realen Mehraufwand aus Sicht der Lehrenden auslöse.
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Der Antragsgegner beantragt,
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unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 14. März 2022 den Antrag der Antragstellerin abzulehnen.
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Die Antragstellerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
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Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antragsgegner zu Recht dazu verpflichtet, einen weiteren Studienplatz für das 1. Fachsemester im Studiengang Psychologie – Abschluss Master – für das Wintersemester 2021/2022 zu vergeben. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), und das sich in erster Linie gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Kürzung des Dienstleistungsexports, nicht aber gegen die bei der Ermittlung des Lehrangebots nicht akzeptierte Reduktion der Lehrverpflichtung einer A13-Stelle von 18 SWS auf 13 SWS richtet, begründet die vom Antragsgegner beantragte Abänderung des angefochtenen Beschlusses nicht.
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Das Verwaltungsgericht hat den vom Antragsgegner angesetzten Dienstleistungsexport in die der Lehreinheit Psychologie nicht zugeordneten Studiengänge Informatik (Bachelor), Informatik (Master), Mechatronik (Master), Maschinenbau (Master), Kunstvermittlung (Master), Soziologie (Bachelor) und Soziologie (Master) zutreffend im Hinblick auf gemeinsame Vorlesungen von Studierenden der Lehreinheit Psychologie und Studierenden der dieser Lehreinheit nicht zugeordneten Studiengänge gekürzt. Anders als aufgrund des jeweiligen Beschwerdevorbringens in den vom Senat entschiedenen Verfahren aus den Jahren 2005, 2011 und 2019 (vgl. B.v. 25.7.2005 – 7 CE 0510069 u.a. – juris Rn. 29; B.v. 8.6.2011 – 7 CE 11.10123 – juris Rn. 22; B.v. 16.12.2019 – 7 CE 19.10012 – juris Rn. 17) ist es aufgrund der vom Antragsgegner hiergegen angeführten Argumente im Hinblick auf § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO erstmals angezeigt, dass sich der Senat vertieft mit der vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen Thematik auseinandersetzt. Das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners überzeugt jedoch nicht. Der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass lehreinheitsübergreifend gemeinsam durchgeführte Vorlesungen in die Kapazitätsberechnung nicht fiktiv doppelt eingehen dürfen, steht nicht entgegen, dass das geltende Recht der Hochschulzulassung vom Grundsatz pauschalierender und abstrahierender Ermittlung der Ausbildungskapazitäten beherrscht wird.
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1. Gemäß § 46 Abs. 1 HZV sind Dienstleistungen einer Lehreinheit die Lehrveranstaltungsstunden, die die Lehreinheit für nicht zugeordnete Studiengänge zu erbringen hat. Dem Wortlaut der Vorschrift („zu erbringen hat“) lässt sich zunächst lediglich die Verpflichtung der exportierenden Lehreinheit entnehmen, Lehrveranstaltungen, die nach der jeweiligen Studien- oder Prüfungsordnung des nicht zugeordneten Studiengangs für dessen erfolgreichen Abschluss erforderlich sind, für diesen durchzuführen. Durch Anlage 7 Ziff. I. Nr. 2 Satz 1 zu § 41 HZV, wonach das Lehrangebot zu reduzieren ist um die Dienstleistungen, gemessen an Deputatstunden, die die Lehreinheit für die ihr nicht zugeordneten Studiengänge zu erbringen hat, wird klargestellt, dass der Dienstleistungsexport auf Seiten des Lehrangebots zu berücksichtigen ist. Der Verordnungsgeber dürfte hierbei im Blick gehabt haben, dass ein kapazitätsmindernder Abzug nur bei Anfall eines erhöhten bzw. gesonderten, nicht aber bei einem lediglich fiktiv angenommenen Aufwand der zu erbringenden Dienstleistungen berechtigt sein dürfte. Soweit der Antragsgegner zur Untermauerung seiner Auffassung, der Dienstleistungsbedarf sei auch im Fall gemeinsamer Vorlesungen abstrakt zu ermitteln, ins Feld führt, nach Satz 2 der Anlage 7 Ziff. I. Nr. 2 zu § 41 HZV seien für die Berechnung des Dienstleistungsbedarfs die Curricularanteile anzuwenden, die für die jeweiligen nicht zugeordneten Studiengänge auf die Lehreinheiten entfielen, ist dem entgegen zu halten, dass es hierbei um das „Wie“, also um die Berechnung der Höhe des Dienstleistungsabzugs geht und nicht um die Frage, ob überhaupt ein Abzug bei gemeinsam besuchten Vorlesungen vorzunehmen ist. Zudem ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass gerade auf Seiten des Lehrangebots kapazitätsrechtlich durchaus auf eine konkrete Betrachtungsweise abgestellt wird. Zwar ist das Lehrangebot nach dem abstrakten Stellenprinzip zu ermitteln (vgl. § 43 HZV), das Lehrdeputat der jeweiligen Lehrpersonen ist jedoch die im Rahmen des Dienstrechts (konkret) festgesetzte Lehrverpflichtung, gemessen in Deputatstunden (vgl. § 44 Abs. 1 HZV). Zudem ist die Lehrverpflichtung – worauf das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 8. August 2022 – AN 2 E 22.1001 – (juris Rn. 45) zutreffend hingewiesen hat – unter Berücksichtigung der Bestimmungen der bis 23. Februar 2023 geltenden Lehrverpflichtungsverordnung (LUFV) zu mindern. Im Extremfall ließe die ausschließlich abstrakte Betrachtungsweise einen vollständigen Abzug im Rahmen des Dienstleistungsexports auch dann zu, wenn der exportierende Studiengang alle Lehrleistungen für nicht zugeordnete Studiengänge ausschließlich durch gemeinsame Vorlesungen erbringen würde, was jedoch dem Sinn und Zweck der Vorschrift, das für den zugeordneten Studiengang zur Verfügung stehende Lehrangebot zu ermitteln, augenscheinlich widerspräche.
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2. Jedenfalls erfordert das Kapazitätserschöpfungsgebot (Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) vorliegend die verfassungskonforme Auslegung des § 46 Abs. 1 HZV dahingehend, dass tatsächlich lediglich einmal angefallener Lehraufwand nicht zusätzlich kapazitätsmindernd als Dienstleistungsexport berücksichtigt wird. Ohne dies abschließend entscheiden zu müssen, hat der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 25. Juli 2005 – 7 CE 0510069 u.a. – (juris Rn. 29) und vom 8. Juni 2011 – 7 CE 11.10123 – (juris Rn. 22) angedeutet, dass eine doppelte Berücksichtigung lehreinheitsübergreifender Vorlesungen nicht mit dem Kapazitätserschöpfungsgebot vereinbar sein dürfte.
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Das System von Kapazitätsverordnungen wie der Hochschulzulassungsverordnung, dem Lehrangebot die Lehrnachfrage gegenüber zu stellen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; es stellt ein geeignetes Mittel zur Kapazitätsermittlung dar. Dabei setzt das auf Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG beruhende verfassungsrechtliche Gebot erschöpfender Kapazitätsauslastung sowohl dem Normgeber bei der Rechtsetzung als auch der Hochschule bei der Anwendung von zugangsbeschränkenden Vorschriften Schranken. Der Zugang zu den Hochschulen darf nur beschränkt werden, soweit das zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts – Funktionsfähigkeit der Hochschule in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre – unbedingt erforderlich ist. Aus dem Gebot der erschöpfenden Kapazitätsauslastung lassen sich allerdings weder konkrete Berechnungsgrundsätze, die als allein zutreffend gelten könnten, noch Vorgaben für die inhaltlich abschließende Ausgestaltung von einzelnen der Kapazitätsermittlung dienenden Parametern ableiten. Vielmehr geht es um die Abwägung widerstreitender Grundrechtspositionen. Das Zugangsrecht der Hochschulbewerber muss abgestimmt werden mit der grundrechtlich gewährleisteten Forschungs- und Lehrfreiheit der Hochschullehrer (Art. 5 Abs. 3 GG) und mit den Ausbildungsbedürfnissen der bereits zugelassenen Studenten (Art. 12 Abs. 1 GG). Die dazu erforderliche Konkretisierung ist zwar mit einem nicht unerheblichen Gestaltungsfreiraum des Verordnungsgebers verbunden, sie muss aber den Bedingungen rationaler Abwägung genügen. Der Normgeber muss von Annahmen ausgehen, die dem aktuellen Erkenntnis- und Erfahrungsstand entsprechen und eine etwaige Kapazitätsminderung auf das unbedingt erforderliche Maß beschränken. Insoweit ist eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle unentbehrlich (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 24.11.2021 – 6 C 18.19 – juris Rn. 17 m.w.N.).
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Das vom Grundsatz pauschalierender und abstrahierender Ermittlung der Ausbildungskapazität beherrschte Recht der Hochschulzulassung findet dort seine Grenzen, wo Pauschalierung und Abstrahierung zu einer kapazitätsmindernden Doppelberücksichtigung führen. Wird eine Lehrveranstaltung – wie vorliegend die Vorlesungen Einführung in die Psychologie, Allgemeine Psychologie I, Allgemeine Psychologie II, Biologische Psychologie, Differentielle und Persönlichkeitspsychologie Teil 1 und 2, Entwicklungspsychologie Teil 1 und 2, Sozialpsychologie Teil 1 und 2 und Pädagogische Psychologie – zeitgleich sowohl für Studierende der Lehreinheit Psychologie als auch für Studierende anderer, dieser Lehreinheit nicht zugeordneter Studiengänge veranstaltet und wird diese Lehrveranstaltung nicht nur im Curiculareigenanteil der Lehreinheit berücksichtigt, sondern vermindert sie zugleich als Dienstleistungsexport das Lehrangebot der Lehreinheit, führt dies – wie das Verwaltungsgericht anschaulich dargestellt hat – immer zu einer zweifachen Berücksichtigung: Obwohl für eine einzige Lehrveranstaltung Lehraufwand verursacht wird, fließt die Lehrveranstaltung mit dem gleichen Lehraufwand in die Kapazitätsberechnung ein, als würden zwei gesonderte Lehrveranstaltungen durchgeführt. Eine solche Vorgehensweise kann vor dem Kapazitätserschöpfungsgebot nur dann Bestand haben, wenn sich die doppelte Berücksichtigung im Ergebnis nicht auf die konkrete Zulassungszahl auswirkt oder wenn die Durchführung der Veranstaltung typischerweise mit einem ins Gewicht fallenden Mehraufwand verbunden ist. In beiden Fällen ist es im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gerechtfertigt, die einzelne Lehrveranstaltung bei der Ermittlung der Ausbildungskapazität doppelt zu berücksichtigen, nämlich sowohl im Curiculareigenanteil als auch als Dienstleistungsexport. Verursacht hingegen die gemeinsam besuchte Lehrveranstaltung keinen nennenswerten Mehraufwand, ist es zum Zwecke der maximalen Nutzung nicht ausgeschöpfter Kapazitätsreserven erforderlich, von dem aus unumgänglichen Gründen der Praktikabilität grundsätzlich zulässigen abstrahierenden und pauschalierenden Prinzip der Kapazitätsberechnung abzuweichen, auch wenn dies ggf. den Vorstellungen des Normgebers nicht entspricht und als rechtliche Folge dem Wortlaut und dem Regelungszusammenhang der Hochschulzulassungsverordnung nicht unmittelbar entnommen werden kann. Denn an einem Bedürfnis für eine abstrahierende/pauschalierende Normierung des Kapazitätsrechts, die ihrem Wesen nach darauf abzielt, dass die kapazitätsermittelnden Stellen realen Fakten der Ausbildung für den Einzelfall nicht nachzugehen brauchen, fehlt es dann, wenn sich Abweichungen von den Annahmen des abstrakten Kapazitätsberechnungsmodells verwaltungsmäßig ohne Schwierigkeiten feststellen lassen bzw. ohne unverhältnismäßigen Aufwand aufdrängen (vgl. BVerwG, U.v.17.12.1982 – 7 C 99/81 u.a. – juris Rn. 14 zur Berücksichtigung von Doppelstudierenden der Human- und Zahnmedizin).
14
Am Beispiel der Lehreinheit Psychologie zeigt der vorliegende Fall, dass regelmäßig nicht von einem gewichtigen Mehraufwand bei den Vorlesungen auszugehen ist, die gemeinsam sowohl von Studierenden der Lehreinheit als auch von Studierenden der der Lehreinheit nicht zugeordneten Studiengängen besucht werden. Ebenso wie der geringere Ausbildungsaufwand für (Doppel) Studenten, die zugleich Human- und Zahnmedizin studieren, im Rahmen der Kapazitätsberechnung berücksichtigt werden muss, weil Doppelstudenten verwaltungsmäßig ohne Schwierigkeiten erfassbar sind und die Kapazitätsberechnung ansonsten fälschlich einen Mehraufwand fingieren würde, wenn sie vom besonderen Ausbildungsgang der Doppelstudenten abstrahiert (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.1982 – 7 C 99/81 u.a. – juris), ist bei gemeinsamen Vorlesungen ohne Verwaltungsaufwand von vornherein erkennbar, dass von dem der Lehreinheit nicht zugeordneten Studiengang nicht ein „Mehr“ an Lehre nachgefragt wird, das über die Lehrnachfrage der Studierenden der Lehreinheit hinaus geht und für diese ohnehin zu erbringen ist. In diesem Fall fehlt es – ebenso wie bei Doppelstudenten – schon im Ansatz am Bedürfnis abstrahierend/pauschalierender Normierung des Kapazitätsrechts, da die Inanspruchnahme des Dozenten offensichtlich nicht davon abhängt, wie viele Studierende die gemeinsame Vorlesung besuchen (vgl. bei gemeinsamen Vorlesungen im Zusammenhang mit der Berechnung der Lehrnachfrage in SWS pro Studierendem und insoweit missverständlich BayVGH, B.v. 16.12.2019 – 7 CE 19.10012 – juris Rn. 17). Anhaltspunkte dafür, dass ein gewichtiger Mehraufwand für den Lehrenden dadurch entstehen könnte, dass die jeweiligen Vorlesungsinhalte vor- und nachbereitend auf die jeweiligen Studiengänge abzustimmen wären (so aber OVG NW, B.v. 24.10.2022 – 13 B 799/22 – juris Rn. 7), sind weder vorgetragen noch ersichtlich und können typischerweise auch nicht unterstellt werden. Auf Nachfrage des Verwaltungsgerichts hat der Antragsgegner dies hinsichtlich der vorliegend streitgegenständlichen Vorlesungen sogar ausdrücklich verneint. Zudem ist davon auszugehen, dass das jeweilige Curriculum der verschiedenen Studiengänge in Bezug auf die Vorlesungen, die von Studierenden verschiedener Studiengänge besucht werden müssen, nicht voneinander abweicht; andernfalls wäre eine gemeinsame Vorlesung nicht angezeigt. Eine andere Beurteilung kann sich hingegen bei gemeinsamen Kleingruppenkursen ergeben, bei denen der Anfall eines Mehraufwands auf der Hand liegt, weil hier aufgrund der didaktisch vorgezeichneten Betreuungsrelation eine höhere Gesamtteilnehmerzahl zur Notwendigkeit der Einrichtung zusätzlicher Kleingruppen führt. Diese stehen vorliegend jedoch nicht inmitten.
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3. Nach alledem ist die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Kürzung des Dienstleistungsexports nicht zu beanstanden. Eine Berücksichtigung gemeinsam besuchter Vorlesungen durch Korrektur der Gruppengröße bei der Berechnung des Curriculareigenanteils des Studiengangs Psychologie sowie beim Dienstleistungsexport, wie dies zum Teil in der Rechtsprechung vertreten wird (vgl. NdsOVG, B.v.25.8.2017 – 2 NB 247/16 – juris Rn. 18; so wohl auch OVG LSA, B.v. 7.6.2022 – 3 M 17/22 u.a. – juris Rn. 4), hält der Senat nicht für angezeigt. Dies würde die pauschalierende Berechnung auf Seiten der Lehrnachfrage ohne sachlichen Grund in Frage stellen, da für ein Abweichen von der standardisierten Gruppengröße jeweils konkrete Einzeldaten des Ausbildungsbetriebs ermittelt werden müssten, was zu einem gerade nicht gewollten erhöhten Verwaltungsaufwand führen würde.
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4. Bezüglich der konkreten Berechnungen des Verwaltungsgerichts, die eine Kapazität von 78 Studienplätzen ergeben, und die vom Antragsgegner nicht beanstandet wurden, folgt der Verwaltungsgerichtshof den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).