Inhalt

VGH München, Beschluss v. 22.08.2023 – 6 ZB 22.2515
Titel:

Sicherheitsüberprüfung eines Soldaten

Normenketten:
VwGO § 43 Abs. 2, § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 S. 2
SG § 82
VwVfG § 38 Abs. 3
Leitsätze:
1. Bei der Sicherheitsüberprüfung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt (stRspr BVerwG BeckRS 2011, 51154), weil sie ihrem objektiven Zweck nach nicht objektiv und unmittelbar darauf gerichtet ist, gegenüber dem Betroffenen eine Rechtsfolge zu setzen; das gilt erst recht für die Entscheidung, das Überprüfungsverfahren einzustellen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch das für eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse ist nicht gegeben, wenn nicht aufgezeigt wird, inwiefern die begehrte Feststellung, die Einstellung des Überprüfungsverfahrens sei rechtswidrig gewesen, die Rechtstellung des Klägers im Hinblick auf die begehrte Wiedereinstellung in das Soldatenverhältnis befördern könnte. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Soldatenrecht, Antrag auf Wiedereinstellung in Soldatenverhältnis, Einstellung der Sicherheitsüberprüfung, Verwaltungsakt (verneint), Feststellungsklage, Feststellungsinteresse (verneint), Antrag auf Wiedereinstellung in das Soldatenverhältnis
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 27.07.2022 – M 21aK 21.4245
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26268

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 27. Juli 2022 – M 21a K 21.4245 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, bleibt ohne Erfolg.
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Der (in der Sache) allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würde. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 15.2.2018 – 6 ZB 17.2521 – juris Rn. 4). Das ist nicht der Fall.
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1. Der Kläger war in den Jahren 2001 bis 2012 in der Offizierslaufbahn bei der Beklagten tätig. Als Reservist nahm er in den Jahren 2015 bis 2019 an verschiedenen Wehrübungen teil und bekleidete zuletzt den Rang eines Majors der Reserve. In dieser Zeit übte er zum Teil eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit aus, für die eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) notwendig war. Auf seinen Antrag auf Wiedereinstellung hin sagte das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr mit Schreiben vom 29. Mai 2020 dem Kläger zu, dass er ab 1. August 2020 als Soldat auf Zeit mit dem Dienstgrad Major wieder eingestellt wird. Mit Schreiben vom 11. August 2020 teilte der Geheimschutzbeauftragte des Bundesministeriums der Verteidigung dem Kläger mit, dass die gemäß § 16 Abs. 2 SÜG eingeleitete Überprüfung der erweiterten Sicherheitsüberprüfung ohne Ergebnis eingestellt worden sei. Denn der Kläger und seine Frau seien derzeit sicherheitsmäßig nicht überprüfbar. Die Überprüfung erstrecke sich in der Regel auf die letzten fünf Jahre. Der Kläger und seine Frau hätten seit spätestens 2013 ihren festen Aufenthaltssitz in Namibia gehabt. Die Behörden in Namibia hätten ihre Verwaltungspraxis geändert und würden Auslandsermittlungen deutscher Behörden nicht mehr unterstützen. Daher sei die Gewinnung von verlässlichen und belastbaren Informationen nicht möglich. Die Sicherheitsüberprüfung müsse daher aufgrund eines Verfahrenshindernisses eingestellt werden.
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Die auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einstellungsentscheidung gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 27. Juli 2022 ab. Der Verwaltungsrechtsweg sei gemäß § 82 SG gegeben, weil der Kläger die Sicherheitsüberprüfung im Hinblick auf die begehrte Wiedereinstellung angreife, mithin eine den Verwaltungsgerichten zugewiesene statusrechtliche Angelegenheit inmitten stehe. Die erhobene Feststellungklage sei allerdings gemäß § 43 Abs. 2 VwGO unzulässig, da sie gegenüber der bereits am 8. Januar 2021 erhobenen Verpflichtungsklage auf Wiedereinstellung (s. das Verfahren 6 ZB 23.2513) subsidiär sei. Sollte die Frage im Rahmen der Klage auf Wiedereinstellung als Zeitsoldat Relevanz haben, werde sie im Rahmen der anhängigen Verpflichtungsklage auf Wiedereinstellung ohnehin vom Gericht geklärt. Habe sie dagegen keine Relevanz, habe der Kläger von der Feststellung im Hinblick auf die von ihm einzig begehrte Wiedereinstellung als Zeitsoldat keinen eigenständigen Nutzen.
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Hiergegen wendet sich die Zulassungsschrift mit der Rüge, die Klage sei als Anfechtungsklage statthaft, da die (Einstellungs-)Mitteilung dem Kläger gegenüber Außenwirkung entfalte. Aber auch bei Annahme einer Feststellungsklage bestehe ein Feststellungsinteresse, da nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die nachteiligen Folgen eines negativen Ergebnisses der Sicherheitsüberprüfung für die Dienstausübung und den weiteren beruflichen Werdegang ein berechtigtes Interesse begründeten. In materieller Hinsicht habe das Verwaltungsgericht rechtsfehlerhaft übersehen, dass der Abbruch der Sicherheitsüberprüfung nicht gemäß § 14 Abs. 5 Nr. 2 SÜG mit der Begründung abgelehnt werden durfte, dass die namibischen Behörden nicht mehr mit den deutschen Behörden zusammenarbeiteten. In diesem Fall sei § 12 Abs. 5 SÜG gem. § 12 Abs. 1a Satz 5 SÜG entsprechend anzuwenden. Es hätte daher zwingend auf die Durchführung alternativer Überprüfungsmaßnahmen ausgewichen werden müssen.
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2. Diese gegen das Urteil vorgebrachten Einwendungen, auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), begründen keine Zweifel, denen in einem Berufungsverfahren weiter nachzugehen wäre.
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Wie die Zulassungsschrift selbst anführt, handelt es sich bei der Sicherheitsüberprüfung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht um einen Verwaltungsakt (BVerwG, U.v. 31.03.2011 – 2 A 3.09), weil sie ihrem objektiven Zweck nicht objektiv und unmittelbar darauf gerichtet sei, gegenüber dem Betroffenen eine Rechtsfolge zu setzen. Das gilt erst recht für die hier in Streit stehende Entscheidung, das Überprüfungsverfahren einzustellen. Dem setzt die Beschwerdebegründung entgegen, im konkreten Fall seien Rechtswirkungen im Außenverhältnis aufgetreten, da auch das Verwaltungsgericht davon ausgehe, dass infolge der Verfahrenseinstellung die dienstrechtliche Zusage der Wiedereinstellung nach § 38 Abs. 3 VwVfG erloschen sei. Implizit liege dies auch der Annahme des Verwaltungsrechtswegs zugrunde, da dem Abbruch der Sicherheitsüberprüfung dann statusrechtliche (Außen-) Wirkung beigemessen werde. Diese Einwände ändern aber nichts daran, dass die Einstellungsmitteilung nicht objektiv und unmittelbar auf das Setzen einer Rechtsfolge gerichtet ist und ihr damit der Regelungscharakter fehlt. Das Herbeiführen einer Rechtsfolge ist aber das zentrale Motiv für den Erlass eines Verwaltungsaktes (vgl. Schoch/Schneider/Knauff VwVfG, § 35, Rn. 142).
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Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass ein Feststellungsinteresse nur dann vorliegen kann, wenn die Feststellung geeignet ist, die Rechtsstellung des Klägers zu verbessern. Die Zulassungsschrift zeigt indes nicht auf, inwiefern die begehrte Feststellung, die Einstellung des Überprüfungsverfahrens sei rechtswidrig gewesen, die Rechtstellung des Klägers im Hinblick auf die begehrte Wiedereinstellung in das Soldatenverhältnis befördern könnte. Die ergebnislose Einstellung der Sicherheitsüberprüfung gemäß § 14 Abs. 5 Satz 1 SÜG erzeugt, anders als die Zulassungsschrift dies unterstellt, gerade keine Bindungswirkung dahingehend, dass sie die Durchführung weiterer Sicherheitsüberprüfungen untersagt oder das Ergebnis künftiger Sicherheitsüberprüfungen vorwegnimmt. Und auch mit der hypothetischen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Einstellung verbliebe es bei der gesetzlichen Rechtsfolge des § 14 Abs. 5 Satz 2 SÜG, nach der der Kläger bis zum positiven Abschluss der Sicherheitsüberprüfung nicht mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten betraut werden darf, sofern nicht im Einzelfall von einer Sicherheitsüberprüfung abgesehen werden kann (§ 14 Abs. 5 Satz 3 SÜG). Die Frage der isolierten Rechtmäßigkeit des Abbruchs der Sicherheitsüberprüfung könnte allenfalls für eine Schadenersatzklage relevant sein, deren beabsichtigte Erhebung aber vom Kläger im Verfahren nicht vorgetragen wurde.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, § 52 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).