Inhalt

VGH München, Beschluss v. 15.09.2023 – 3 CE 23.1322
Titel:

Erfolgloses einstweiliges Rechtsschutzverfahren - Stellenbesetzung

Normenkette:
VwGO § 123, § 146
Leitsätze:
1. Dem unterlegenen Bewerber fehlt das Rechtsschutzinteresse für eine einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO dahin, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, die Stelle mit einem anderen Bewerber zu besetzen, wenn der Dienstposten einen Monat, nachdem der Antragsteller die Mitteilung erhalten hatte, dass die verfahrensgegenständliche Stelle mit dem Beigeladenen besetzt werden solle, bereits auf diesen übertragen worden ist, und der Anordnungantrag erst Wochen nach dieser Stellenbesetzung bei Gericht eingeht. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine mit der Beschwerdebegründung erklärte Antragsänderung des unterlegenen Antragstellers im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO ist unzulässig. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ob in einer dienstlichen Beurteilung ein begründungsbedürftiger Leistungsabfall anzunehmen ist, bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Hierzu gehören insbesondere der Umfang des attestierten Leistungsabfalls bzw. Leistungssprungs sowie die Dauer des Beurteilungszeitraums. Bei einer Herabsetzung um einen Punkt bei einem 16-stufigen Benotungssystem kann nicht von einem besonders begründungsbedürftigen Leistungsabfall ausgegangen werden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Stellenbesetzung, Antragstellung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren, Plausibilisierungspflicht, einstweiliges Rechtsschutzverfahren, Rechtsschutzinteresse, dienstliche Beurteilung, egründungsbedürftiger Leistungsabfall, Beurteilungszeitraum
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 17.07.2023 – RO 1 E 23.953
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26261

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.238,47 € festgesetzt.

Gründe

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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht, auf dessen Darstellung des Sachverhalts in dem angefochtenen Beschluss vom 17. Juli 2023 verwiesen wird, hat den Antrag,
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der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO vorläufig – bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache – zu untersagen, die Stelle „Feuerbeschauer“ (Stellen-Nr. 36-16/ECLI:I:1852) mit einem anderen Bewerber oder einer anderen Bewerberin zu besetzen,
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hilfsweise der Antragsgegnerin zu untersagen, den Beigeladenen nach Besoldungsgruppe A 9+Z zu befördern,
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zu Recht abgelehnt.
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1. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Hauptantrag bereits unzulässig ist. Da der Dienstposten dem Beigeladenen bereits am 5. April 2023 (einen Monat, nachdem der Antragsteller die Mitteilung erhalten hatte, dass die verfahrensgegenständliche Stelle mit dem Beigeladenen besetzt werden solle) übertragen worden ist, fehlt dem am 26. Mai 2023 eingegangenen Antrag erster Instanz bereits das Rechtsschutzbedürfnis.
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Da das Verwaltungsgericht auch davon ausgegangen ist, dass dem Antrag das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt, soweit die einstweilige Anordnung über den Zeitpunkt einer erneuten Auswahlentscheidung hinaus bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache begehrt wird, stellte der Antragsteller den Antrag in der Beschwerdeschrift um und beantragte,
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der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO vorläufig – bis zwei Wochen nach einer neuen Auswahlentscheidung – zu untersagen, die Stelle „Feuerbeschauer“ (Stellen-Nr. 36-16/ECLI:I:1852) mit einem anderen Bewerber oder einer anderen Bewerberin zu besetzen.
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Eine mit der Beschwerdebegründung erklärte Antragsänderung des unterlegenen Antragstellers ist unzulässig (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 25; BayVGH, B.v. 16.4.2020 – 11 CE 20.561 – juris Rn. 21).
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Es kann daher offenbleiben, ob die Freimachung des Dienstpostens bzw. die Rückumsetzung des Beigeladenen Ziel des geänderten Antrags ist. Der Antragsteller will seinen Antrag ausweislich der Beschwerdebegründung jedenfalls in diesem Sinne verstanden wissen. Offenbleiben kann auch, ob die Freimachung der Stelle bzw. Rückumsetzung nur dann in Betracht kommt, wenn dem Beamten nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, effektiven Rechtsschutz zu erlangen, oder wenn der Arbeitgeber und der Konkurrent, dem die Stelle übertragen wurde, kollusiv zusammengewirkt haben (so OVG NW, B.v. 31.10.2005 – 1 B 1450/05 – juris Rn. 35 unter Hinweis auf BAG, U.v. 28.5.2002 – 9 AZR 751/00 – juris Rn. 22 und 43).
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2. Der Hilfsantrag ist bereits als unzulässig abzulehnen, soweit die Untersagung der Beförderung des Beigeladenen über den Zeitpunkt einer erneuten, die Rechtsauffassung des Gerichts beachtenden, Auswahlentscheidung hinaus begehrt wird (vgl. BayVGH, B.v. 1.12.2021 – 3 CE 21.2593 – juris Rn. 8 zur Stellenbesetzung; OVG NW, B.v. 8.2.2022 – 1 B 1861/21 – juris Rn. 5).
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Soweit zulässig, ist der Hilfsantrag unbegründet.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller sog. „chancenloser Bewerber“ ist. Denn auch bei einer erneuten Auswahlentscheidung erscheine die Vergabe des Dienstpostens an ihn nicht ernstlich möglich. Da der Beigeladene im gleichen Statusamt besser im Gesamturteil als der Antragsteller sei (9 Punkte statt 8 Punkte), habe der Antragsteller keine realistische Beförderungsmöglichkeit. Denn es bestünden keine Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unrichtigkeit der dienstlichen Beurteilungen. Der Antragsteller sei seiner Obliegenheit, Einwände gegen die Richtigkeit seiner Beurteilung darzulegen, nicht nachgekommen, da er keine konkreten Punkte benannt habe, die er entweder für unklar oder für unzutreffend halte.
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Der Antragsteller rügt, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass er mit seinem Einspruch vom 12. März 2023 beanstandet habe, dass er in den letzten Jahren von elf Punkten auf acht Punkte herabgefallen sei, ohne dass es hierfür eine Begründung gebe. Er habe explizit um eine Begründung gebeten, warum er diese Beförderung nicht verdiene. Damit habe er bereits im März klargemacht, dass seine dienstliche Beurteilung gerade in Ansehung seines vermeintlichen Leistungsabfalls nicht hinreichend plausibilisiert und begründet sei. Seine Hauptkritik an der dienstlichen Beurteilung richte sich gegen die mangelnde Begründung sowohl der Einzelmerkmale als auch des Gesamturteils und die fehlende Plausibilisierung. Er habe vorgetragen, dass die dienstliche Beurteilung nicht ansatzweise Schlüsse darauf zulasse, weshalb er im Vergleich zu den Beamten in seiner Vergleichsgruppe schlechter beurteilt worden sei. Schon aus der dienstlichen Beurteilung heraus lasse sich kein Argument dafür entnehmen, sodass es ihm auch nicht möglich gewesen sei, dem zu entgegnen. Die Obliegenheit, substantiierte Einwände gegen eine Beurteilung zu erheben, könne nur so weit gehen, wie die Plausibilisierung reiche. Denn wogegen hätte der Antragsteller denn Einwendungen erheben sollen außer dagegen, dass er aus seiner Sicht zu Unrecht schlechter beurteilt worden sei als in den Vorjahren. Hätte man ihm die dienstliche Beurteilung erläutert, hätte man sie plausibilisiert oder begründet, hätte der Antragsteller im Einzelnen Einwände vorbringen können. Weil die Beurteilung für sich genommen nichts hergebe, könne sein nur pauschaler Einwand auch nicht zu seinen Lasten gehen.
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Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
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Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass sich der Umfang der erforderlichen Plausibilisierung nach den im jeweiligen Einzelfall vom Beamten erhobenen Einwänden richtet (BVerwG, B.v. 14.2.2023 – 2 B 3.22 – juris Rn. 19). In einem ersten Schritt ist der betroffene Beamte gehalten, Einwände gegen seine dienstliche Beurteilung zu erheben. Hier hat der Antragsteller lediglich im Hinblick auf die Auswahlentscheidung mit Schreiben vom 12. März 2023 die Frage formuliert: „Wie kann es sein, dass ich in den letzten Jahren von elf Punkten plötzlich nur noch acht Punkte bekomme?“. Weiter bat er um Begründung, warum er diese Beförderung nicht verdient habe und stellte „Mobbing in den Raum“.
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Dieses Vorbringen reicht nicht, um eine Plausibilisierungspflicht des Dienstherrn zu einer zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal eröffneten dienstlichen Beurteilung auszulösen. Nachdem dem Antragsteller nach dessen monatelanger Dienstunfähigkeit die Beurteilung 2022 am 11. April 2023 eröffnet und ihm angeboten werden konnte, wurde ihm bei Beanstandungen oder zur Besprechung einen Termin mit der Beurteilerin zu vereinbaren. Am 17. Mai 2023 wurde dies dem Antragsteller ein weiteres Mal angeboten, ohne dass er die Gelegenheiten genutzt hätte. Die Pauschalrüge, er sei aus seiner Sicht zu Unrecht schlechter beurteilt worden, genügt nicht. Schon das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich die Notwendigkeit zur Plausibilisierung mit dem inhaltlichen Argument verneint, der Antragsteller habe nicht hinreichend substantiiert eine Plausibilisierung verlangt (BA S. 31). Der Antragsteller hat es binnen der ihm gegebenen Monatsfrist zur Darlegung der Gründe nicht ansatzweise unternommen, diese Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu widerlegen und konkrete Einwände gegen einzelne Aspekte seiner dienstlichen Beurteilung zu formulieren, die geeignet wären eine Plausibilisierungspflicht des Antragsgegners zu begründen.
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Dem Vortrag, er sei in den letzten Jahren von elf Punkten auf acht Punkte herangefallen, liegt zugrunde, dass der Antragsteller in der Regelbeurteilung für den Beurteilungszeitraum 1. April 2008 bis 31. März 2012 ein Gesamturteil von elf Punkten erhalten hatte, in der Beurteilung für den Zeitraum 1. April 2012 bis 31. März 2016 ein Gesamturteil von zehn Punkten, in der für den Zeitraum 1. April 2016 bis 31. März 2019 ein solches von neun Punkten und in der aktuellen Beurteilung 2022 von acht Punkten. Da sich der Antragsteller im Vergleich zur Vorbeurteilung bei den Einzelmerkmalen „2.2.4 Entscheidungsfreude“ und „2.3.3 Schriftliche Ausdrucksfähigkeit“ verschlechtert hatte, hätte es nahegelegen, z.B. hier mit substantiierten Einwendungen anzusetzen. Der Antragsteller war aber augenscheinlich nicht an einer Erläuterung interessiert und zog sich vielmehr auf den (unzutreffenden) Standpunkt zurück, die dienstliche Beurteilung müsse ihm auf Zuruf umfassend erläutert werden, um dann an beliebigen Punkten anzugreifen.
18
Entgegen der Auffassung des Antragstellers liegt kein derart erheblicher Leistungsabfall vor, dass dieser gesondert zu begründen gewesen wäre. Ob in einer dienstlichen Beurteilung ein begründungsbedürftiger Leistungsabfall oder ein – ebenso begründungsbedürftiger – Leistungssprung anzunehmen ist, bestimmt sich nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Hierzu gehören insbesondere der Umfang des attestierten Leistungsabfalls bzw. Leistungssprungs sowie die Dauer des Beurteilungszeitraums (BVerwG, B.v. 7.1.2021 – 2 VR 4.20 – juris Rn. 39 ff.). Der Antragsteller erzielte in der vorhergehenden Beurteilung als Gesamtergebnis neun Punkte. In der aktuellen, verfahrensgegenständlichen Beurteilung sind es acht Punkte. Dies bedeutet eine Herabsetzung um lediglich einen Punkt bei einem 16-stufigen Benotungssystem. Insoweit kann nicht von einem besonders begründungsbedürftigen Leistungsabfall ausgegangen werden.
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Der Senat hat auch die weiteren Argumente des Antragstellers, die dieser in der Beschwerdebegründung vom 16. August 2023 vorgebracht hat, erwogen. Er hat sie jedoch ebenfalls nicht für eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung geeignet gehalten, ohne dass es insoweit im vorliegenden Beschluss einer ausdrücklichen Auseinandersetzung bedurft hätte.
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2. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass der unterlegene Antragsteller auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen trägt, der einen Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 162 Abs. 3, § 154 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 GKG (wie Vorinstanz).
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3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).