Inhalt

VGH München, Beschluss v. 20.09.2023 – 24 CS 23.650
Titel:

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit bei Mitgliedschaft in der Partei „Die Heimat“

Normenketten:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 3 lit. a, lit. b, lit. c, § 45 Abs. 1, Abs. 2
BJagdG § 17 Abs. 1 S. 2, § 18
Leitsätze:
1. Nachträgliche Tatsachen iSd § 45 Abs. 2 WaffG liegen vor, wenn die Unterstützung für die Partei „Die Heimat“ (früher: NPD) intensiviert wird, auch wenn die Parteimitgliedschaft schon früher bestand. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gegen § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG n.F. bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, auch soweit er auf eine Partei angewendet wird. Das Parteienprivileg schützt nicht das Besitzen von Waffen. Es ist nunmehr ausreichend für die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, wenn der Betreffende Mitglied einer Vereinigung ist, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf des Kleinen, Waffenscheins und der Waffenbesitzkarte, Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins, Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, Mitglied der Partei „Die, Heimat“, Rechtsänderung, Tatsachenänderung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 20.03.2023 – RO 4 S 23.304
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26259

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs seines Kleinen Waffenscheins und seiner Waffenbesitzkarte sowie der Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins.
2
Am 7. Dezember 2016 erteilte die zu dieser Zeit zuständige Stadt Weiden in der Oberpfalz (im Folgenden: Stadt) dem Antragsteller nach Einholung von Auskünften zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit bei der Polizei einen Kleinen Waffenschein (Nr. 130/2016). Nach Aktenlage hatte der Antragsteller bei einer polizeilichen Befragung im Jahr 2010 angegeben, dass er zwar nicht Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), aber deren Unterstützer sei (Bl. 167 BA). Anfang des Jahres 2018 erkundigte sich der Antragsteller bei der Stadt hinsichtlich eines Jagdscheins und einer Waffenbesitzkarte. Mit Schreiben vom 23. April 2018 teilte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (im Folgenden: BayLfV) der Stadt mit, der Antragsteller sei seit 2007 bekannt und der NPD zuzurechnen. Er sei zusammen mit Patrick Schröder an der Gestaltung des rechtsextremen Internetsenders FSN-TV und der Nachfolge-Videos auf einem YouTube-Kanal beteiligt und fungiere als Ordner bei rechtsextremistischen Veranstaltungen. Am 29. Juli 2017 sei er stellvertretender Versammlungsleiter einer rechtsgerichteten politischen Kundgebung gewesen. Aus einer polizeilichen Mitteilung vom 3. April 2018 ergibt sich, dass der Antragsteller für ein Rechtsrock-Konzert Ende Oktober 2017 Toilettenhäuschen angemietet hatte. Am 21. Juni 2018 erteilte ihm die Stadt einen Jagdschein (Nr. 77/2018) und am 22. Juni 2018 eine Waffenbesitzkarte (Nr. 13/2018).
3
Mit Schreiben vom 25. Juni 2020 teilte das BayLfV der Waffenbehörde u.a. mit, der Antragsteller habe im Mai 2019 an einer von der NPD organisierten Veranstaltung und im Jahr 2018 am Europakongress der Jungen Nationalisten (JN), der Jugendorganisation der NPD, in Riesa/Sachsen teilgenommen und sei für das rechtsextremistische Medienprojekt FSN-TV („Frei-Sozial-National“) aktiv.
4
Am 25. Januar 2021 verlängerte das nunmehr zuständige Landratsamt Neustadt a. d. Waldnaab (im Folgenden: Landratsamt) den zunächst bis 31. März 2021 gültigen Jagdschein des Antragstellers auf dessen Antrag hin bis 13. März 2024.
5
Mit Schreiben vom 8. Juli 2022 teilte das BayLfV dem Landratsamt mit, der Antragsteller sei seit Jahren als Rechtsextremist bekannt und habe nach eigener Aussage am 14./15. Mai 2022 als gewählter Delegierter am Bundesparteitag der NPD in Altenstadt/Hessen teilgenommen. Der Antragsteller sei nach eigener Aussage aus dem Jahr 2017 bereits seit 2007 Mitglied der NPD. Informationen zu seinen rechtsextremistischen Aktivitäten seien umfassend im Internet sowie in der nationalen und internationalen Presse aufzufinden.
6
Daraufhin widerrief das Landratsamt nach Anhörung des Antragstellers mit Bescheid vom 24. Januar 2023 unter Androhung von Zwangsmitteln den Kleinen Waffenschein und die Waffenbesitzkarte (Nrn. 1 und 2 des Bescheids), erklärte den Jagdschein für ungültig und zog ihn ein (Nr. 3), traf verschiedene Nebenanordnungen (Nrn. 4 und 5) und ordnete den Sofortvollzug hinsichtlich der Nrn. 3 und 4 des Bescheids an. Zur Begründung führt das Landratsamt aus, dem Antragsteller fehle gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG die erforderliche Zuverlässigkeit, da er Mitglied der NPD sei. Zudem sei auch noch § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG erfüllt, da der Antragsteller die NPD unterstütze und § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG, da er selbst gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolge.
7
Über die gegen den Bescheid vom 24. Januar 2023 erhobene Klage (Az. RO 4 K 23.305) hat das Verwaltungsgericht Regensburg noch nicht entschieden. Den Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. März 2023 abgelehnt. Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht aus, das Landratsamt habe den Widerruf zu Recht auf § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG n.F. gestützt, da die aktuelle Gesetzeslage heranzuziehen sei und es sich bei der in den letzten fünf Jahren fortdauernden Mitgliedschaft des Antragstellers in der NPD um eine nachträglich eingetretene Tatsache i.S.v. § 45 Abs. 2 WaffG handele. Eine Abweichung von der Regelvermutung komme nicht in Betracht. Es komme daher nicht mehr darauf an, ob auch eine Unzuverlässigkeit nach anderen Vorschriften vorliege. Bei summarischer Prüfung spreche aber viel dafür, dass die Teilnahme als Delegierter am NPD-Bundesparteitag die Voraussetzungen einer Unterstützungshandlung i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG erfülle.
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Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Er macht geltend, § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG n.F. verstoße gegen das Parteienprivileg und sei daher einschränkend auszulegen. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum für die Einschätzung von Gefahren, die der Allgemeinheit drohten, und für Maßnahmen, die der Verhütung und Bewältigung dieser Gefahren dienen sollten, überschritten, weil die gesetzgeberische Erwägung, dass allein durch die Mitgliedschaft Gefahren für das Leben und die körperliche Unversehrtheit drohen könnten, unzutreffend sei. Die rückwirkende Anwendung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip und es sei deshalb ein Ausnahmefall anzunehmen. Zudem handele es sich bei der fortdauernden Parteimitgliedschaft nicht um eine nachträgliche Tatsache, der Antragsteller sei vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in die NPD eingetreten.
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Die Landesanwaltschaft Bayern tritt der Beschwerde entgegen und trägt vor, diese sei schon unzulässig, da sie sich nicht hinreichend mit dem erstinstanzlichen Beschluss auseinandersetze. Zutreffend stelle das Verwaltungsgericht auf die fortgesetzte Mitgliedschaft in den letzten fünf Jahren vor Bescheiderlass ab. Ein Verstoß gegen das Parteienprivileg liege nicht vor, da die Annahme einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit eines Parteimitglieds die von Art. 21 GG geschützte Mitwirkung der Parteien an der politischen Willensbildung nicht in rechtserheblicher Weise beeinträchtige.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
11
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern. Nach der gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 24. Januar 2023 rechtmäßig ist, da der Antragsteller zum einen Mitglied der Partei „Die Heimat“ (früher: Nationaldemokratische Partei Deutschlands – NPD) ist, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, und er diese Partei zum anderen auch unterstützt. Die Interessenabwägung ergibt deshalb unter Berücksichtigung des gesetzlichen Sofortvollzugs, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers überwiegt.
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1. Der Widerruf des Kleinen Waffenscheins ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig, da nachträglich Tatsachen i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 1 des Waffengesetzes (WaffG) i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), eingetreten sind, die zur Versagung hätten führen müssen.
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1.1 In der Rechtsprechung ist diesbezüglich geklärt, dass Tatsachen i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG dann nachträglich eintreten, wenn sich nach Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis die tatsächlichen Umstände ändern. Die nachträglich geänderte Sachlage ist dann an der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids gültigen Rechtslage zu messen (vgl. BVerwG, U.v. 16. 5. 2007 – 6 C 24/06 – juris Leitsatz). Bloße Rechtsänderungen fallen nicht unter § 45 Abs. 2 WaffG und können für sich alleine nicht zu einem Widerruf führen. Deshalb können nur die Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis, bei denen keinerlei tatsächliche Änderungen eingetreten sind darauf vertrauen, dass die ursprünglichen Erlaubnisse, soweit sie damals rechtmäßig erteilt worden sind, bestehen bleiben.
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1.2 Gemessen daran liegen hier nachträgliche Tatsachen i.S.d. § 45 Abs. 2 WaffG vor, da der Antragsteller nach Erteilung des Kleinen Waffenscheins seine Unterstützung für die Partei „Die Heimat“ erheblich intensiviert hat. Eine möglicherweise im Erteilungszeitpunkt schon bestehende Mitgliedschaft des Antragstellers in der Partei „Die Heimat“ führt nicht dazu, alle im Laufe der Zeit vorgenommenen Handlungen als Parteimitglied von vorherein als in der Mitgliedschaft bereits angelegte Tatsache betrachten zu müssen und sie damit nicht mehr als nachträgliche Tatsachen i.S.v. § 45 Abs. 2 WaffG ansehen zu können. Deshalb stellen die Unterstützungshandlungen des Antragstellers, die er nach Erteilung des Kleinen Waffenscheins vorgenommen hat, jeweils nachträgliche Tatsachen dar, die eine beachtliche Sachverhaltsänderung begründen, unabhängig davon, wann der Antragsteller tatsächlich der Partei „Die Heimat“ beigetreten ist. Nach Auskunft der Sicherheitsbehörden hat er am 12. Mai 2018 am „Europakongress“ der Jungen Nationalisten (Jugendorganisation der Partei „Die Heimat“) teilgenommen, bei dem es sich um ein jährlich stattfindendes bundesweites Diskussions- und Vernetzungstreffen handelt. Weiter hat er am 17. Mai 2019 an einem „Zeitzeugenvortrag“ teilgenommen. Bei „Zeitzeugenvorträgen“ handelt es sich um wichtige Vernetzungsveranstaltungen, bei denen die ideologische Prägung von Szeneangehörigen gefestigt wird und die damit unmittelbar der Außendarstellung dienen. Schließlich hat er im Jahr 2022 als gewählter Delegierter an einer Parteiversammlung der Partei „Die Heimat“ teilgenommen und damit öffentlich seine Verbundenheit und seinen Willen zur Förderung der Ziele der Partei zum Ausdruck gebracht.
15
1.3 Die geänderte Sachlage führt zur Unzuverlässigkeit des Antragstellers gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG (2020), da er Mitglied der Partei „Die Heimat“ ist. Bei dieser Partei handelt es sich um eine Vereinigung, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind (vgl. BVerfG, U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn. 633 ff.). Dass die Partei durch das Bundesverfassungsgericht nicht verboten wurde, hindert nicht daran, die dortigen Feststellungen zu berücksichtigen; § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG (2020) ist insoweit keine Vorschrift, die die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG (2020) auf Parteien ausschließt. Der Begriff einer Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG (2020) bildet insoweit den Oberbegriff für Vereine und Parteien im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG 2020 (vgl. Papsthart in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 5 Rn. 54).
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Gegen § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG (2020) bestehen bei summarischer Prüfung auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken und er muss nicht einschränkend ausgelegt werden, soweit er im konkreten Fall auf eine Partei als Vereinigung angewendet wird. Das Parteienprivileg schützt die politische Betätigung und nicht das Besitzen von Waffen (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9.18 – juris Rn. 17 ff.). Es trifft zwar zu, dass nach dem im Jahr 2020 neu eingefügten § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG nunmehr ausreichend ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende Mitglied einer Vereinigung ist, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, um eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu begründen und es demgegenüber bis zur Rechtsänderung darauf ankam, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass eigene Bestrebungen und Unterstützungshandlungen des Betreffenden i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG (2017) vorlagen. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich aber einen weiten Gestaltungsspielraum und es ist nicht zu beanstanden, dass er bei Personen, die einem verfassungsfeindlichen Spektrum zuzuordnen sind, in der Regel die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht gegeben sieht. Denn der Umgang mit erlaubnispflichtigen Waffen erfordert eine stete Rechtstreue und Besonnenheit, woran bei einem solchen Personenkreis berechtigte Zweifel bestehen. Darüber hinaus ist es bei einem Regeltatbestand auch möglich, die gesetzliche Vermutung durch Darlegung eine Ausnahme rechtfertigenden Umständen zu widerlegen.
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1.4 Darüber hinaus ist der Antragsteller auch gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG (2020) unzuverlässig, da er die Partei „Die Heimat“ unterstützt.
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Als Unterstützungshandlung ist dabei jede Tätigkeit anzusehen, die sich – für den Betreffenden erkennbar – in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung oder die Verbreitung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen auswirkt. Der Begriff des Unterstützens wird im Waffengesetz und den diesbezüglichen Nebengesetzen nicht ausdrücklich definiert und weder der Gesetzesbegründung zum Sprengstoffgesetz 2005, an das das Waffengesetz im Jahr 2008 angeglichen werden sollte (vgl. BT-Drs. 16/7717, S. 19), noch zur Änderung des Waffengesetzes im Jahr 2008 lässt sich entnehmen, was der Gesetzgeber darunter konkret verstanden hat (missverständlich BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9.18 – juris, das die Rechtsänderung im Jahr 2008 nicht in den Blick nimmt). Es ist daher auf andere gängige Definitionen im Bereich des Sicherheitsrechts zurückzugreifen. So hat das Bundesverwaltungsgericht im Bereich des Ausländerrechts – in Anlehnung an die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Kriterien zum Unterstützungsbegriff in §§ 129, 129a StGB – jede Tätigkeit als Unterstützungshandlung angesehen, die sich – für den Ausländer erkennbar – in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt (BVerwG, U.v. 15.3.2005 – 1 C 26.03 – juris Leitsatz 2; U.v. 26.10.2010 – 1 C 19.09 – juris Rn. 21). Darunter kann die Mitgliedschaft in der verfassungsfeindlichen oder in der unterstützenden Vereinigung ebenso zu verstehen sein wie eine Tätigkeit für eine solche Vereinigung ohne Mitgliedschaft. Auch die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen kann eine Unterstützung in diesem Sinne darstellen, wenn sie geeignet ist, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die missbilligten Ziele zu entfalten (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 21). Auch im Bereich des Einbürgerungsrechts (vgl. BayVGH, U.v. 27.5.2003 – 5 B 01.1805 – juris Rn. 32) und des Verfassungsschutzrechts (vgl. Aicher in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand: 15.04.2023, § 4 BayVSG Rn. 7) kann die Gewährung finanzieller Unterstützung oder die Teilnahme an Aktivitäten zur Verfolgung oder Durchsetzung der inkriminierten Ziele als Unterstützungshandlung angesehen werden. Es reicht aus, dass Handlungen vorgenommen werden, die die innere Organisation und den Zusammenhalt des Personenzusammenschlusses, seinen Fortbestand oder die Verwirklichung seiner Bestrebungen fördern und damit seine potenzielle Gefährlichkeit festigen, also dessen Stellung in der Gesellschaft begünstigt und seine Aktionsmöglichkeiten und eventuell auch sein Rekrutierungsfeld erweitert werden und dadurch insgesamt zu einer Stärkung seines latenten Gefahrenpotenzials beigetragen wird (vgl. VGH BW, B.v. 8.12.2010 – 11 S 2366/10 – NVwZ-RR 2011, 298/299). Diese Definitionen erfüllen auch im Bereich des Waffenrechts den in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/7758, S. 55) manifestierten Zweck, dass jedwede – individuelle oder kollektive – verfassungsfeindliche Betätigung in der Regel zur Unzuverlässigkeit führen soll, denn damit werden Personen, die extremistischem Gedankengut nahestehen und entsprechende Vereinigungen oder Bestrebungen zu fördern suchen, erfasst (vgl. SächsOVG, U.v. 16.3.2018 – 3 A 556/17 – juris Rn. 51 ff.; HessVGH, U.v. 12.10.2017 – 4 A 626/17 – juris Rn. 42 f.).
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Gemessen daran unterstützte der Antragsteller zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei „Die Heimat“ über die bloße Mitgliedschaft hinaus, denn durch seine Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen, die auch die Außendarstellung festigen, Mitglieder an die Partei binden und zur Vernetzung beitragen sollen, sollte für ihn erkennbar, positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Partei eingewirkt werden (s.o. Nr. 1.2).
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1.5 Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein Ausnahmefall vorliegt, bei dem die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 WaffG entkräftet ist. Weder hat der Antragsteller an einem Ausstiegsprogramm teilgenommen noch sich von hetzenden Äußerungen sowie gewaltgeneigten, bedrohenden oder einschüchternden Verhaltensweisen anderer Mitglieder oder Anhänger der Partei „Die Heimat“ unmissverständlich und beharrlich distanziert (vgl. BVerwG, U.v. 19.6.2019 – 6 C 9.18 – juris Rn. 37), noch lässt das vom Beklagten für die Unzuverlässigkeitsprognose herangezogene Veralten, das bis in die jüngste Gegenwart reicht, auch nicht erkennen, dass sich der Antragsteller unter Änderung seiner Gesinnung von den verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei distanziert hat.
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2. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass es sich bei der Intensivierung der Unterstützung des Antragstellers für die Partei „Die Heimat“ nicht um eine Sachverhaltsänderung i.S.d. § 45 Abs. 2 WaffG, sondern um eine in der Begründung der Mitgliedschaft angelegte, bloße Fortführung einer im Erteilungszeitpunkt bereits vorhandenen Tatsachen handelt, dann könnte der Widerrufsbescheid nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG in einen Rücknahmebescheid nach § 45 Abs. 1 WaffG umgedeutet werden (stRspr, vgl. Gerlemann in Steinsdorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 45 WaffG Rn. 6 m.w.N.) und wäre ebenfalls rechtmäßig.
22
Der Kleine Waffenschein kann auch gestützt auf § 45 Abs. 1 WaffG zurückgenommen werden, da er nach der Gesetzeslage im Jahr 2016 nicht hätte erteilt werden dürfen, weil der Antragsteller schon damals die verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei „Die Heimat“ i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a WaffG (2008) unterstützt hat und daher unzuverlässig war.
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2.1 Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 5 Abs. 2 WaffG sowohl vor Erteilung des Kleinen Waffenscheins an den Antragsteller als auch danach, mehrfach geändert worden ist. In der Fassung vom 11. Oktober 2002, in Kraft getreten am 1. April 2003 regelte § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG (2002), dass Personen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht besitzen, wenn sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind. Zur Begründung ist in der Bundestagsdrucksache 14/7758 vom 7. Dezember 2001 ausgeführt, dass einer Beschlusslage der Innenministerkonferenz zufolge, die mehrfach vom Bundesrat bestätigt worden ist, jedwede – individuelle oder kollektive – verfassungsfeindliche Betätigung in der Regel zur Unzuverlässigkeit führen solle, und dass aber im Unterschied zu Nummer 2 der Begriff des „Verfolgens“ verfassungsfeindlicher Bestrebungen auch bei kollektiver Betätigung immer an die aktive individuelle Betätigung anknüpft und für die Einschlägigkeit dieses Unzuverlässigkeits-Tatbestandes eine Mitgliedschaft zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung sei (S. 55).
24
Zum 1. April 2008 änderte der Gesetzgeber § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG dahingehend, dass Personen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht besitzen, wenn sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die a) gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder b) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, oder c) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Zur Begründung ist in der Bundestagsdrucksache 16/7717, S. 19, ausgeführt, § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG (2008) solle mit der Parallelregelung des § 8a Abs. 2 Nr. 3 des Sprengstoffgesetzes in Übereinstimmung gebracht werden. Sachlich neu sei die Einbeziehung auch der Unterstützung sowie die Gefährdung der auswärtigen Belange Deutschlands.
25
Mit Wirkung vom 6. Juli 2017 wurde § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG (2017) noch weiter an die Formulierung im Sprengstoffgesetz angeglichen und dahingehend verschärft, dass seit diesem Zeitpunkt auch Tatsachen, die die jeweilige Annahme rechtfertigen, ausreichend sind.
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Im Jahr 2020 wurde § 5 Abs. 2 WaffG erneut geändert, und mit Wirkung vom 20. Januar 2020 wurde § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG (2020) eingefügt, wonach es ausreichend ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass jemand in den letzten fünf Jahren Mitglied in einer Vereinigung war, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat.
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2.2 Gemessen an den zum Zeitpunkt der Erteilung des Kleinen Waffenscheins gültigen Vorschriften des Waffengesetzes (2008) ergibt sich aus den polizeilichen und nachrichtendienstlichen Erkenntnissen, dass der Antragsteller seit dem Jahr 2007 der rechtsextremen Szene um die Partei „Die Heimat“ (damals noch NPD) zuzuordnen war und zusammen mit dem damaligen NPD-Politiker Patrick Schröder (u.a. Kreisvorsitzender in Weiden/Oberpfalz-Tirschenreuth und Mitglied des Landesvorstands Bayern) das seit dem Jahr 2006 betriebene FSN-Medienportal betreute. In dessen Livesendungen wurden häufig Szene-Musiker oder rechtsextreme Parteifunktionäre live zugeschaltet. In den Sendungen tauchten u. a. der damalige NPD-Bundeschef Udo Pastörs und der damalige NPD-Pressesprecher Frank Franz auf. Diesen Personen konnten die Zuhörer von FSN dann Fragen stellen (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/FSN_(Medienportal)). Eine solche Betätigung stellt eine Unterstützung der verfassungsfeindlichen Bestrebungen der Partei „Die Heimat“ dar, da damit deren Außendarstellung und Außenwirkung positiv beeinflusst werden sollte. Nach summarischer Prüfung hat der Antragsteller daher die Partei „Die Heimat“ und deren verfassungsfeindliche Bestrebungen auch im Jahr 2016 schon i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG (2008) unterstützt.
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3. Der Widerruf der im Jahr 2018 erteilten Waffenbesitzkarte begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden Bedenken, da der Widerruf jedenfalls in eine Rücknahme umgedeutet werden kann (s.o. Nr. 2).
29
Dabei ist auf den zum Zeitpunkt der Erteilung der Waffenbesitzkarte gültigen § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG (2017) abzustellen. Danach sind Personen unzuverlässig, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die a) gegen die verfassungsmäßige Ordnung, oder b) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind oder c) durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Dabei reichen bloße Spekulationen und Vermutungen nicht aus, sondern es müssen belegbare Tatsachen die geschlussfolgerten Annahmen rechtfertigen.
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Diese Voraussetzungen lagen hier im Jahr 2018 vor. Denn nach den eigenen Angaben des Antragstellers bei der polizeilichen Vernehmung aus dem Jahr 2010 sowie den zahlreichen Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden unterstützte der Antragsteller möglicherweise schon seit 2007, jedenfalls aber seit dem Jahr 2010 die Bestrebungen der Partei „Die Heimat“ gegen die verfassungsmäßige Ordnung (s.o. Nr. 2). Damit liegen ausreichende Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass er verfassungsfeindliche Bestrebung unterstützt.
31
Im Übrigen konnte die Waffenbesitzkarte auch deshalb widerrufen werden, weil mit der rechtmäßigen Ungültigerklärung des Jagdscheins (s.u. Nr. 4) das Bedürfnis für eine Waffenbesitzkarte nach §§ 8, 13 WaffG entfallen ist, da zu den nachträglich eintretenden Tatsachen i.S.v. § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG auch der Wegfall des waffenrechtlichen Bedürfnisses gehört (vgl. OVG Berlin, U.v. 14.10.1998 – 1 B 67/95 – NVwZ-RR 2000, 431/432). Besondere Gründe, die auch in Fällen des endgültigen Wegfalls des Bedürfnisses ein Absehen von einem Widerruf nach § 45 Abs. 3 Satz 1 WaffG in Betracht kommen lassen könnten, sind weder geltend gemacht worden noch ersichtlich.
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4. Auch die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins gemäß § 18 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) i.d.F. d. Bek. vom 29. September 1976 (BGBl I S. 2849), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328) i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG erweist sich als rechtmäßig, denn auch der Jagdschein ist rechtswidrig erteilt worden. Gemäß § 18 BJagdG werden ursprünglicher und nachträglicher Versagungsgrund gleichbehandelt (vgl. Lorz/Metzger a.a.O. § 18 BJagdG Rn. 1). Hinsichtlich der Frage, ob der Jagdschein rechtmäßig erteilt worden ist, ist auf den Zeitpunkt der letzten Verlängerung im Jahr 2021 abzustellen, da die Zuverlässigkeit bei der Verlängerung stets neu zu beurteilen ist und die Maßstäbe den aktuell geltenden Vorschriften zu entnehmen sind (vgl. Lorz/Metzger, Jagdrecht, 5. Aufl. 2023, § 15 BJagdG Rn. 12; OVG NW, U.v. 24.05.2006 – 20 A 2531/04 – juris Rn. 37).
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Zum Zeitpunkt der Verlängerung des Jagdscheins im Jahr 2021 war der Antragsteller nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG (2020) als unzuverlässig anzusehen, da er damals nach seinen eigenen Angaben Mitglied der Partei „Die Heimat“ war. Gegen § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG bestehen bei summarischer Prüfung auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (s.o. Nr. 1.4).
34
Es liegt auch diesbezüglich kein Ausnahmefall i.S.v. § 5 Abs. 2 WaffG vor (s.o. Nr. 1.5).
35
5. Wegen der Unzuverlässigkeit des Antragstellers aus den genannten Gründen kann dahinstehen, ob allein seine fortdauernde Mitgliedschaft in der Partei „Die Heimat“ eine nachträglich eingetretene Tatsache i.S.d. § 45 Abs. 2 Satz 1, § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG darstellt. Es spricht einiges dafür, dass das bloße Beibehalten einer Mitgliedschaft in einer Partei und die ggf. regelmäßig-wiederkehrende Bezahlung der Mitgliedsbeiträge entsprechend der Satzung keine nachträgliche Änderung der Sachlage ist. Auch die Feststellung durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2017 (U.v. 17.1.2017 – 2 BvB 1/13 – juris Rn 633 ff.), dass es sich bei der Partei „Die Heimat“ um eine verfassungsfeindliche Partei handelt, ist keine nachträgliche Tatsache, da die Partei nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts auch schon in den Jahren davor verfassungsfeindlich war.
36
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
37
7. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.2 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013.
38
8. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).