Titel:
Wirksamkeit eines Bebauungsplans als Grundlage eines Erschließungsanspruchs
Normenketten:
BauGB § 123 Abs. 3
BayGO Art. 26 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Besteht eine Satzung aus einem Textteil und einer oder mehreren Planzeichnungen, müssen diese entweder körperlich untrennbar miteinander verbunden sein oder sind grundsätzlich alle Teile gesondert auszufertigen. Die Ausfertigung allein des Textteils oder allein der Planzeichnung genügt in einem solchen Fall nur dann, wenn durch eindeutige Angaben oder auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit des nicht gesondert ausgefertigten Teils zum ausgefertigten Satzungsteil ausgeschlossen ist. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Festsetzungen eines Bebauungsplanes werden nur dann funktionslos, wenn die tatsächliche Entwicklung einen Zustand erreicht hat, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und wenn die dadurch fehlende Steuerungsfunktion der Festsetzung offenkundig ist, sodass ein Vertrauen in die Fortgeltung der Festsetzung nicht mehr schutzwürdig ist. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verdichtung der gemeindlichen Erschließungslast zur Erschließungspflicht, Bebauungsplan, Ausfertigungsmangel, gedankliche Schnur, Funktionslosigkeit, Verjährung, Treu und Glauben
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 12.01.2022 – Au 4 K 21.1108
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26253
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000, – EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung nach §§ 124, 124a Abs. 4 VwGO bleibt ohne Erfolg. Die vom Beklagten geltend gemachten Berufungszulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
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1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet im Rahmen der dargelegten Zulassungsgründe keinen ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass der Beklagte verpflichtet ist, geeignete Maßnahmen zur Erschließung des klägerischen Grundstücks entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplanes „… … … …“ zu ergreifen.
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1.1. Der Beklagte führt in der Zulassungsbegründung unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 11.5.2018 – 15 N 17.1175) aus, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von der Wirksamkeit des Bebauungsplanes ausgegangen. Ein unwirksamer Bebauungsplan könne nicht Grundlage eines Erschließungsanspruches sein, auch dann nicht, wenn sich der Anspruch auf Herstellung der Erschließung aus einem widersprüchlichen und gegen Treu und Glauben verstoßenden Verhaltens der Gemeinde resultiert. Das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass der Bebauungsplan an einem Ausfertigungsfehler leide. Denn unterschrieben und damit ausgefertigt seien lediglich die beiden Planzeichnungen (Ursprungs- und Änderungsfassung), nicht aber die textlichen Festsetzungen. Zudem bestehe zwischen den textlichen Festsetzungen und den ausgefertigten Planzeichnungen keine Verbindung und in den ausgefertigten Planzeichnungen werde nicht auf die nicht ausgefertigten Bestandteile der Satzung in einer Weise Bezug genommen, die jeden Zweifel an der Identität und Zusammengehörigkeit ausschließe.
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Diese Ausführungen verhelfen dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Nach Ansicht des Senats bestehen vorliegend keine Zweifel an der Zugehörigkeit des nicht gesondert ausgefertigten textlichen Teils des Bebauungsplanes zu den ausgefertigten Planzeichnungen.
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Sind – wie vorliegend – die Regelungen eines Bebauungsplans nicht auf einem Blatt zusammengefasst, sondern finden sich diese auf mehreren, untereinander nicht hinreichend fest verbundenen Einzelblättern, genügt der mit Unterschrift des Bürgermeisters versehene Ausfertigungsvermerk auf lediglich einem Einzelblatt grundsätzlich nur dann den Anforderungen des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GO für eine wirksame Ausfertigung, wenn alle Einzelblätter des Bebauungsplans mit Regelungsinhalt zusammen mit dem ausgefertigten Einzelblatt durch eine Art „gedanklicher Schnur“ untereinander derart verknüpft sind, dass jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der nicht gesondert ausgefertigten Einzelblätter zur Satzung ausgeschlossen ist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt entschieden, dass für den Fall, dass eine Satzung aus einem Textteil und einer oder mehreren Planzeichnungen besteht, diese entweder körperlich untrennbar miteinander verbunden sein müssen oder grundsätzlich alle Teile gesondert auszufertigen sind. Die Ausfertigung allein des Textteils oder allein der Planzeichnung genügt in einem solchen Fall nur dann, wenn durch eindeutige Angaben oder auf andere Weise jeder Zweifel an der Zugehörigkeit des nicht gesondert ausgefertigten Teils zum ausgefertigten Satzungsteil ausgeschlossen ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.2.2008 – 1 NE 07.2946 – juris Rn. 36; U.v. 5.2.2009 – 1 N 07.2713 u.a. – juris Rn. 37; U.v. 28.10.2014 – 15 N 12.1633 – NVwZ-RR 2015, 321 = juris Rn. 40; U.v. 3.3.2015 – 15 N 13.636 – juris Rn. 11 ff.; U.v. 28.2.2017 – 15 N 15.2042 – juris Rn. 39; König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2015, Rn. 241 ff.; vgl. auch BVerwG, U. v. 5.2.2009 – 7 CN 1.08 – NVwZ 2009, 719 = juris Rn. 25).
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Diesen Anforderungen wird der angegriffene Bebauungsplan gerecht. So gibt es hier bereits unstreitig nur eine einzige Fassung der textlichen Festsetzung des Bebauungsplanes, sodass Zweifel an der Zugehörigkeit des nicht gesondert ausgefertigten Textteiles zur Satzung bereits deswegen erst gar nicht aufkommen können (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris Rn. 42) und auch bislang in den letzten 60 Jahren offenbar nicht aufgekommen sind. Entsprechend wurden von keinem der Beteiligten weder im Verwaltungsverfahren noch vor dem Verwaltungsgericht Zweifel an der Wirksamkeit des Bebauungsplanes deswegen, weil der textliche Teil der Satzung keine Unterschrift des Bürgermeisters enthält und dadurch nicht sichergestellt ist, dass der Inhalt des als Satzung beschlossenen Bebauungsplanes mit dem Willen des Gemeinderates übereinstimmt (vgl. BVerwG, U.v. 1.7.2010 – 4 C 4.08 – BVerwGE 137,247 = juris Rn. 13 – sog. Identitätsfunktion), geäußert, obgleich auch im erstinstanzlichen Verfahren schon die formelle Wirksamkeit des Bebauungsplanes aus anderen Gründen – inmitten stand die Frage, ob die chronologische Reihenfolge der Ausfertigung eines Bebauungsplanes und seiner Bekanntmachung eingehalten worden ist – verfahrensgegenständlich war.
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Eine zweifelsfreie Individualisierung der verschiedenen Satzungsteile ergibt sich vorliegend zudem durch die hinreichend definierte Bezugnahme in den einzelnen Satzungsbestandteilen. So wird in § 1 der textlichen Festsetzung auf die gefertigte Bebauungsplanzeichnung des Architekten E. R. Pfeiffer vom 12. Dezember 1962, ergänzt am 4. April 1963, verwiesen. In der öffentlichen Bekanntmachung des Beklagten wird in § 2 ausdrücklich auf die textlichen und zeichnerischen Festsetzungen des mit RE vom 21.11.1963 Nr. XX 2488/63 genehmigten Bebauungsplanes Bezug genommen. Und schließlich werden Zweifel an der Identität der Satzungsbestandteile dadurch ausgeschlossen, dass nur auf dem textlichen Teil des Bebauungsplanes wie auch auf den Planunterlagen der originale Genehmigungsstempel der Regierung von Schwaben (RE) angebracht ist, aus welchem sich ergibt, dass die Regierung den Bebauungsplan Nr. XX 2488/63 am 21. November 1963 genehmigt hat. Auch ohne eine körperliche Verbindung der verschiedenen Teile des Bebauungsplanes besteht daher die nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs geforderte „gedankliche Schnur“, die die drei textlichen Blätter des Bebauungsplanes mit hinreichender Bestimmtheit zu einer untrennbaren gedanklichen Einheit mit der Planzeichnung verbindet, sodass jeder Zweifel an der Zugehörigkeit der Planteile zu der beschlossenen Satzung ausgeschlossen wird.
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1.2. Der Beklagte wendet darüber hinaus gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplanes ein, der im Jahre 1963/1964 erlassene Bebauungsplan sei mittlerweile zumindest im Hinblick auf die festgesetzten und noch nicht errichteten Verkehrsflächen funktionslos geworden. Er beruft sich hierbei auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 22.7.2010 – 4 B 22.10), wonach ein Bebauungsplan auch dann funktionslos werden könne, wenn die Gemeinde den Bau einer Straße endgültig aufgegeben habe und dies offenkundig sei.
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Die Argumentation des Beklagten überzeugt nicht. Der verfahrensgegenständliche Bebauungsplan ist nicht funktionslos geworden. Festsetzungen eines Bebauungsplanes werden nur dann funktionslos, wenn die tatsächliche Entwicklung einen Zustand erreicht hat, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt und wenn die dadurch fehlende Steuerungsfunktion der Festsetzung offenkundig ist, sodass ein Vertrauen in die Fortgeltung der Festsetzung nicht mehr schutzwürdig ist (vgl. BVerwG, U.v. 29.4.1977 – IV C 39.75 – BVerwGE 54,5). Bloße Zweifel an der Verwirklichungsfähigkeit eines Planes führen nicht zu seiner Funktionslosigkeit; er tritt nur außer Kraft, wenn offenkundig ist, dass er als Instrument für die Steuerung der städtebaulichen Entwicklung nicht mehr tauglich ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 CN 11.03 – juris). Die zur Funktionslosigkeit führende Abweichung zwischen der planerischen Festsetzung und der tatsächlichen Situation muss in ihrer Erkennbarkeit einen Grad erreicht haben, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (vgl. BVerwG, B.v. 22.7.2010 – 4 B 22.10 – juris Rn. 10).
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Für die Annahme einer Funktionslosigkeit des Bebauungsplanes fehlt es an dem Erfordernis der Offenkundigkeit. So führt das Verwaltungsgericht aus, dass der gerichtliche Augenschein ergeben hat, dass trotz der in der Vergangenheit erteilten Befreiungen eine Verwirklichung des Bebauungsplans, insbesondere im Hinblick auf die plangemäße Erschließung, nach wie vor möglich ist. Vorliegend entspricht lediglich die Bebauung auf den Grundstücken FlNr. … und … der Gemarkung T … nicht dem Bebauungsplan. Eine Erschließung der Grundstücke FlNr. … und … über den südlichen Teil der geplanten „Ringstraße“ wäre jedoch auch derzeit noch möglich, wenn sich die Standortgemeinde die Rechtsmacht über die erforderlichen Wegeflächen auf den Grundstücken FlNr. … und …durch die Einleitung eines Enteignungsverfahrens verschafft. Die tatsächliche Situation hat daher in ihrer Erkennbarkeit nicht den von der Rechtsprechung geforderten Grad erreicht, der einem etwa dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt (vgl. BVerwG, B.v. 22.7.2010 – 4 B 22.10 – juris Rn. 10).
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Soweit der Beklagte sich darauf beruft, dass das Bundesverwaltungsgericht in diesem Beschluss weiter ausgeführt hat, dass nicht nur die planwidrige Grundstücksnutzung, sondern auch andere Umstände ein Hindernis sein können, das der Verwirklichung der Planung auf unabsehbare Zeit entgegensteht und deshalb unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit gem. § 1 Abs. 3 BauGB ausschließt, dass der Plan wirksam wird, liegen solche Hindernisse hier nicht vor. Zwar nennt das Bundesverwaltungsgericht als Beispiel für einen solchen Fall, dass ein Bebauungsplan auch deshalb funktionslos werden kann, weil die Gemeinde den Bau einer im Bebauungsplan festgesetzten Straße endgültig aufgegeben hat und dies offenkundig ist. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn es ist nicht offenkundig, dass der Beklagte den Bau der Ringstraße endgültig aufgegeben hat. Der Beklagtenbevollmächtigte hat vielmehr mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2021 (GA Bl. 59) selbst ausgeführt hat, dass der Beklagte vor dem Hintergrund des gerichtlichen Augenscheintermins die Sachlage in Bezug auf die Erschließungsstraße nochmals geprüft habe und zu dem Ergebnis gelangt sei, dass die verfahrensgegenständliche „Ringstraße“ mit einer Breite von 6,50 m grundsätzlich – entgegen der bisherigen Auffassung – hergestellt werden könne. Zum anderen ist es auch nicht offenkundig erkennbar, dass der Beklagte den Bebauungsplan hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Ringstraße als funktionslos ansieht und sich folglich an diesen insoweit nicht mehr gebunden fühlt. So ergibt sich beispielsweise aus dem den Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides ablehnenden Bescheid des Landratsamtes O … vom 11. Januar 2021, dass der Beklagte selbst nach wie vor von der Rechtsverbindlichkeit des Bebauungsplanes ausgeht. So wird hierin ausgeführt, dass sich die Erschließung des Bauvorhabens nach den Festsetzungen des „rechtsverbindlichen qualifizierten Bebauungsplans T … …“ zu richten habe und die erforderliche gesicherte Erschließung des beantragten Zweifamilienhauses nur entsprechend der im Bebauungsplan vorgesehenen öffentlichen Verkehrsfläche stattfinden könne.
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1.3. Schließlich führt die vom Beklagten erstmals in der Zulassungsbegründung erhobene Einrede der Verjährung gegen den Anspruch auf Herstellung der Erschließung nicht zum Erfolg des Berufungszulassungsantrags. Der Beklagte beruft sich darauf, dass die Realisierung der Erschließung im südlichen Teil des Bebauungsplanes spätestens im Jahr 2002 aufgegeben worden sei, sodass der Anspruch auf Herstellung der Erschließung mit Schluss des Jahres 2002 entstanden und somit die zehnjährige kenntnisunabhängige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 BGB (gemeint ist wohl § 199 Abs. 4 BGB) schon vor gut einem Jahrzehnt abgelaufen sei. Hiermit dringt der Beklagte nicht durch.
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Unabhängig von der Rechtsfrage, ob ein Anspruch auf Erschließung gegenüber einer Gemeinde überhaupt der Verjährung unterliegt und welche Fristen hierbei Anwendung finden, wäre auch dann, wenn man der Argumentation des Beklagten folgt, also diesen Anspruch der Verjährung unterfallen ließe und hierbei die zehnjährige Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 4 BGB entsprechend anwenden würden, diese Frist jedenfalls im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht abgelaufen. Nach § 199 Abs. 4 BGB beginnt die Verjährung ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder die grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Verjährungsbeginn ist also der Zeitpunkt, in dem der Anspruch erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann (BGH, U.v. 17.2.1971 – VIII ZR 4/70 – BGHZ 55,340 = NJW 1971, 979). Die Verjährungsfrist würde vorliegend also erst in dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, in dem sich die allgemeine gemeindliche Erschließungslast zur Herstellung der südlichen „Ringstraße“ wegen des Verstoßes des Beklagten gegen das Gebot von Treu und Glauben zu einer aktuellen Erschließungspflicht verdichtet hat. Aus der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens zu der Bauvoranfrage aus dem Jahr 2002 zur Errichtung von zwei Einfamilienhäusern auf den Grundstücken FlNr. … und … der Gemarkung T … kann nicht geschlossen werden, dass der Beklagte die Realisierung des Bebauungsplanes hinsichtlich der südlichen Verkehrsflächen endgültig aufgegeben hat. Zwar hat der Bau- und Umweltausschuss des Beklagten das gemeindliche Einvernehmen mit der Maßgabe in Aussicht stellte, dass die öffentliche Zufahrt an der südwestlichen Grenze des Grundstückes FlNr. … endet und die restliche Zufahrt durch den Bauwerber in eigener Angelegenheit herzustellen ist. Hiermit hat er aber noch nicht ausreichend zu erkennen gegeben hat, dass er diesen Plan überhaupt nicht verwirklichen will (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 46.91 – juris Rn. 28). Zwar wurde, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt, durch die Genehmigung der beiden Bauvorhaben im Jahr 2002 unter Erteilung einer Befreiung von den festgesetzten Baugrenzen die Verwirklichung der südlichen „Ringstraße“ erschwert. Wie oben dargelegt wäre aber trotz dieser erteilten Befreiungen eine Verwirklichung des Bebauungsplans nach wie vor möglich.
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Eine endgültige und offenkundige Abkehr von der Verwirklichung des Bebauungsplanes kann nach Ansicht des erkennenden Senats vielmehr frühestens mit Schreiben des Beklagten vom 19. Februar 2019 an die Eigentümer des Grundstückes FlNr. … oder aber in der Entscheidung des Bau- und Umweltausschusses des Beklagten vom 21. Oktober 2020 und dem daraufhin ergangenen ablehnenden Vorbescheid vom 2. Februar 2021 (Bl. 19 ff. BA des beigezogenen Verfahrens Au 4 K 21.462) gesehen werden. So erklärte der Beklagte in dem Schreiben vom 19. Februar 2019, dass der „funktionslose Bebauungsplan“ für den „K … … Stand heute (01/02 2019) in dieser Form nicht mehr umsetzbar“ sei. Am 21. Oktober 2020 lehnte der Bau- und Umweltausschuss die Erteilung des Einvernehmens für den Neubau eines Zweifamilienhauses auf dem Grundstück FlNr. … mit einer bebauungsplankonformen Erschließung ab. Daraufhin lehnte das Landratsamtes O … mit Bescheid vom 11. Januar 2021 den Vorbescheidsantrag mit der Begründung ab, der Beklagte habe den Bau der „Ringstraße“ laut Sitzung des der Bau- und Umweltausschusses vom 21. Oktober 2020 bereits vor Jahrzehnten endgültig aufgegeben, derzeit sei eine bebauungsplankonforme Erschließung des Baugrundstücksstückes nicht gegeben und aufgrund der Stellungnahme des Marktes zur endgültigen Aufgabe der Ringstraße könne auch nicht mit der Benutzbarkeit der bauplanungskonformen Erschließung zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Zweifamilienhauses gerechnet werden.
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Letztlich kann dahingestellt werden, welcher dieser drei genannten Zeitpunkte – der 19. Februar 2019, der 21. Oktober 2020 oder der 11. Januar 2021 – für den Beginn der Verjährungsfrist maßgeblich ist, da die Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 4 BGB mit Klageerhebung am 5. Mai 2021 in keinem Fall abgelaufen wäre.
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2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Denn sie verursacht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine größeren, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich übersteigende Schwierigkeiten und es handelt sich auch nicht um einen besonders unübersichtlichen oder kontroversen Sachverhalt, bei dem noch nicht abzusehen ist, zu welchem Ergebnis ein künftiges Berufungsverfahren führen wird. Vielmehr ist der Rechtsstreit im tatsächlichen Bereich überschaubar und die entscheidungserheblichen rechtlichen Fragen sind durch die Rechtsprechung hinreichend geklärt. Wann sich die Erschließungslast der Gemeinde zu einer Erschließungspflicht – auch nach dem Gebot von Treu und Glauben – verdichtet ist höchstrichterlich umfassend geklärt (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1993 – 8 C 46.91 – juris m.w.N; Ernst/Grziwotz in Ernst-Zinkahn-Bielenberg, BauGB, Stand Febr. 2019, § 123 Rn. 28 ff.). Die Wirksamkeit des Bebauungsplanes unter dem Aspekt eines Ausfertigungsfehlers oder der Funktionslosigkeit bereitet in rechtlicher Hinsicht – wie oben dargelegt (Ziffern 1.1. und 1.2.) – keine rechtlichen Schwierigkeiten. Hinsichtlich der Frage der Verjährung wird auf die obigen Ausführungen (Ziffer 1.3.) Bezug genommen.
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3. Der vom Beklagten geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nicht gegeben.
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Der Beklagte hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob ein Anspruch auf Herstellung der Erschließung verjähren kann bzw. unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist. Das vom Verwaltungsgericht zitierte Verwaltungsgericht Arnsberg habe sich mit Verjährungsfragen nicht befasst.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlichen obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer daher eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72).
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Nach diesen Maßstäben fehlte es vorliegend an der Entscheidungserheblichkeit der vom Beklagten aufgeworfenen Frage. Die Frage, ob ein Anspruch auf Herstellung der Erschließung verjähren kann und welche Rechtsvorschriften hierfür einschlägig sind, würde sich bei der Durchführung eines Berufungsverfahrens so nicht stellen, da in jedem Fall im Zeitpunkt der Klageerhebung selbst eine kurze dreijährige Verjährungsfrist nicht abgelaufen wäre (s.o., Ziffer 1.3.).
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der von den Beteiligten nicht infrage gestellten Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.