Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.09.2023 – 22 AS 23.40025
Titel:

Sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts für vorzeitige Besitzeinweisung wegen planfestgesteller Kompensationsmaßnahme

Normenketten:
VwGO § 38 Abs. 1 S. 3, § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 7, § 50 Abs. 1 Nr. 6, § 83 S. 1
GVG § 17a Abs. 2 S. 1
VerkPBG § 5 Abs. 1
AEG § 18e Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Für Klagen und Anträge in Bezug auf vorzeitige Besitzeinweisungen zur Durchführung naturschutzrechtlicher Kompensationsmaßnahmen anlässlich von Planfeststellungen nach § 5 Abs. 1 VerkPBG bzw. § 18e Abs. 1 Nr. 1 AEG besteht keine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts oder des Verwaltungsgerichtshofs (Oberverwaltungsgerichts). (Rn. 12 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Zweck des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO (und dessen „Vorläufer“ § 5 Abs. 1 VerkPBG) besteht darin, durch die Verkürzung des Verwaltungsgerichtsverfahrens auf eine Instanz die Verwirklichung der von der Vorschrift erfassten Infrastrukturvorhaben zu beschleunigen. Diesem Gesetzeszweck wird eine Auslegung der Vorschrift gerecht, die alle Rechtsstreitigkeiten erfasst, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungsverfahren für Vorhaben nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO haben, also die genehmigungsrechtliche Bewältigung des Vorhabens betreffen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
keine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts oder des Verwaltungsgerichtshofs (Oberverwaltungsgerichts) für Klagen und Anträge in Bezug auf vorzeitige Besitzeinweisungen zur Durchführung naturschutzrechtlicher Kompensationsmaßnahmen anlässlich von Planfeststellungen nach § 5 Abs. 1 VerkPBG bzw. § 18e Abs. 1 Nr. 1 AEG (Abgrenzung zu BayVGH, B.v. 19.6.2023 – 22 AS 23.40016, 22 A 23.40015), sachliche Zuständigkeit, Planfeststellung, naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahme, vorzeitige Besitzeinweisung, genehmigungsrechtliche Bewältigung, Unanfechtbarkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26251

Tenor

I. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist sachlich unzuständig.
II. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin erstrebt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem die Beigeladene zur Durchführung einer naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahme im Rahmen eines planfestgestellten Ausbaus einer Bahnstrecke vorzeitig in den Besitz von Teilflächen eines Grundstücks der Antragstellerin eingewiesen wurde.
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Mit Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahn-Bundesamts vom 28. Juni 2007 wurde der Plan für den Ausbau der ICE-Strecke Nürnberg-Ebensfeld im Planfeststellungsabschnitt 15 „Fürther Bogen“ (Baukm 7.570 bis Baukm 12.400) feststellt. Die Ausbau-/Neubaustrecke Nürnberg-Ebensfeld-Erfurt ist Bestandteil des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit – Schiene Nr. 8 – Ausbau-/Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt-Leipzig/Halle-Berlin. Der Planfeststellungsbeschluss ist bestandskräftig und sofort vollziehbar.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks FlNr. … der Gemarkung V., von welchem für die Durchführung naturschutzrechtlicher Kompensationsmaßnahmen im Zuge der o.g. planfestgestellten Maßnahme eine Teilfläche von 6.335 m² dauerhaft in Anspruch genommen werden soll. Konkret sei laut Beigeladener für die Teilfläche (als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahme) die Anpflanzung von Auwald, die Anlage von Lichtungen mit periodisch wasserführenden Geländevertiefungen und die Anlage einer artenreichen Waldsaumvegetation vorgesehen.
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Mit Bescheid vom 23. Juni 2023 erließ die Antragsgegnerin als Enteignungsbehörde einen Besitzeinweisungsbeschluss, mit dem die Beigeladene zur Durchführung der naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahme vorzeitig in den Besitz der erforderlichen Teilfläche des Grundstücks der Antragstellerin eingewiesen wurde. Die vorzeitige Besitzeinweisung sollte am 10. Juli 2023, 8:00 Uhr wirksam werden, jedoch unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Beigeladene die Befugnis zur Zugangs- und Zufahrtnahme zum o.g. Grundstück im Bereich des östlichen Endes des Feldwegteilstücks auf FlNr. … und der angrenzenden Ecken der FlNrn. … und … erlangt (Anm.: Das Grundstück grenzt mit seiner Ostseite an die Regnitz und ist im Übrigen von Feld-/Wiesengrundstücken umgeben, zu welchen auch die in der Bedingung erwähnten Grundstücksteilflächen zählen). Nach der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrungkann Klage zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Der Besitzeinweisungsbeschluss wurde der Antragstellerin am 26. Juni 2023 zugestellt.
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Am 26. Juli 2023 erhob die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Klage (23 A 22.40026) gegen den Besitzeinweisungsbeschluss und beantragte, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage anzuordnen.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 4. August 2023 wurden die Beteiligten zu einer beabsichtigten Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht Ansbach angehört.
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Bereits zuvor hatte die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 2. August 2023 darauf hingewiesen, dass sie angesichts des zwischenzeitlich veröffentlichten Beschlusses des erkennenden Senats vom 19. Juni 2023 (22 AS 23.40015 – juris) betreffend eine vorzeitige Besitzeinweisung nach § 44b EnWG davon ausgehe, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht nur für den zugrundeliegenden Planfeststellungsbeschluss, sondern auch für die verfahrensgegenständliche Besitzeinweisung zuständig sei. Am 5. September 2023 ergänzte sie, dass die Kette Art. 5 AGVwGO, § 48 Abs. 1 Satz 3 VwGO und § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO dennoch so gelesen werden könne, dass Besitzeinweisungen auf Basis einer eisenbahnrechtlichen Planfeststellung nach dem Willen des Gesetzgebers dem Verwaltungsgerichtshof zugewiesen werden sollen, und zwar unabhängig davon, welches Gericht für die Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses selbst zuständig sei. Denn Art. 5 AGVwGO sei eine Fortführung der Regelung von Art. 19 AGVwGO i.d.F. des Gesetzes vom 1. Dezember 1985, wobei den zwischenzeitlichen Änderungen des § 48 VwGO und spezifisch den Zuweisungen an das Bundesverwaltungsgericht in § 50 VwGO durch den bayerischen Gesetzgeber nicht gefolgt worden sei.
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Mit Schriftsatz vom 31. August 2023 trug die Beigeladene vor, ihrer Auffassung nach sei § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 18e Abs. 1 Nr. 1 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 AEG weit auszulegen und daher eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts gegeben. Dafür spreche, dass das Bundesverwaltungsgericht seine erstinstanzliche Zuständigkeit auch in Fällen der Duldungsanordnung nach § 17 AEG anhand dieser Normen herleite, ohne zusätzliche oder ergänzende Zuständigkeitsregelungen heranzuziehen (BVerwG, B.v. 27.10.2020 – 7 VR 4.20 – juris Rn. 5; B.v. 21.11.2022 – 7 VR 3.22 – juris Rn. 5). Auch der Gesetzgeber beabsichtige eine dem Energiewirtschaftsrecht vergleichbare Rechtslage zu schaffen, indem § 18 Abs. 2 Satz 10 AEG zukünftig die entsprechende Anwendbarkeit von § 18e AEG regeln solle; Gegenstand des Gesetzesentwurfs seien dabei auch Regelungen zum vorzeitigen Baubeginn und zur vorzeitigen Besitzeinweisung (§ 18e Abs. 3 und § 21 Abs. 1a AEG i.d.F. der BT-Drs. 20/6879, 17 ff., 127). Soweit im gerichtlichen Schreiben vom 4. August 2023 Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zitiert werde, habe diese Fälle des planwidrigen Vollzugs und / oder der nachträglichen Schutzauflagen zum Gegenstand. In diesen Fällen nehme das Bundesverwaltungsgericht regelmäßig keine erstinstanzliche Zuständigkeit an (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 27.9.2018 – 9 VR 5.18 – juris Rn. 3; BVerwG, B.v. 18.05.2000 – 11 A 6.99 – juris Rn. 13). Die Besitzeinweisung diene aber der baulichen Umsetzung eines planfestgestellten Vorhabens durch den Vorhabenträger und stelle damit keinen der vorgenannten Fälle dar.
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Die Antragstellerin verzichtete auf eine Äußerung in Bezug auf das gerichtliche Schreiben vom 4. August 2023 bzw. die beabsichtigte Verweisung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
11
Der Verwaltungsgerichtshof ist für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Besitzeinweisungsbeschluss nicht zuständig; die Streitsache ist an das sachlich und örtlich zuständige Verwaltungsgericht Ansbach zu verweisen.
12
Das Verwaltungsgericht Ansbach ist als Gericht der Hauptsache gemäß (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m.) § 45 VwGO sachlich und gemäß § 52 Nr. 1 VwGO i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 AGVwGO örtlich für die Entscheidung über den Antrag zuständig. Eine dem § 45 VwGO vorgehende sachliche Zuständigkeit besteht weder beim Verwaltungsgerichtshof (dazu 1.) noch beim Bundesverwaltungsgericht (dazu 2.).
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1. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. Art. 5 AGVwGO entscheidet der Verwaltungsgerichtshof im ersten Rechtszug über Streitigkeiten, die Besitzeinweisungen in den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwGO betreffen, also Besitzeinweisungen, bei welchen der Verwaltungsgerichtshof auch für das zugrundeliegende Planfeststellungsverfahren zuständig wäre.
14
Vorliegend ist allerdings gemäß § 5 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Beschleunigung der Planungen für Verkehrswege in den neuen Ländern sowie im Land Berlin (Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz – VerkPBG) i.V.m. § 11 Abs. 2 VerkPBG das Bundesverwaltungsgericht für sämtliche Streitigkeiten zum eisenbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren (§§ 18 ff. AEG) zuständig, weil das planfestgestellte Vorhaben als Teil der Strecke Erfurt – Nürnberg von § 1 Abs. 2 VerkPBG i.V.m. § 1 Nr. 10 der Fernverkehrswegebestimmungsverordnung umfasst ist (so BVerwG, U.v. 9.11.2017 – 3 A 4.15 – juris Rn. 16 zum „benachbarten“ PFA 16 Fürth Nord; vgl. zudem § 18e Abs. 1 Nr. 1 AEG i.V.m. Anlage 1 Lfd. Nr. 32).
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Damit bleibt – entgegen der Annahme der Antragsgegnerin – kein Raum für die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. Art. 5 AGVwGO, zumal § 48 Abs. 1 Satz 3 VwGO für Besitzeinweisungen, die bundesrechtlich geregelt sind, nicht einschlägig ist (BVerwG, B.v. 22.6.2023 – 4 VR 4.23 – juris Rn. 11 und BayVGH, BayVGH, B.v. 19.6.2023 – 22 AS 23.40016 – juris Rn. 14 jeweils unter Verweis auf Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 48 Rn. 32; a.A. wohl – ohne Begründung – bzgl. des mit Art. 5 AGVwGO wortgleichen § 5 AGVwGO VGH BW, U.v. 19.1.2017 – 5 S 301/15 – juris Rn. 23).
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2. Aus dieser erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für den zugrundeliegenden Planfeststellungsbeschluss folgt aber mangels entsprechender Rechtsgrundlage nicht zugleich auch seine Zuständigkeit für den verfahrensgegenständlichen Besitzeinweisungsbeschluss.
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Eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts – mit dem Gedanken eines „Gleichlaufs der Zuständigkeit“ für Planfeststellung und Besitzeinweisung (etwa zur Prozessökonomie und Verfahrensbeschleunigung; vgl. dazu BVerwG, B.v. 11.7. 2013 – 9 VR 5.13 – juris Rn. 8 m.w.N.) – könnte man, wie die Beigeladene vorträgt, vorliegend nur mit einer weiten Auslegung von § 5 Abs. 1 VerkPBG bzw. § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO (i.V.m. § 18e Abs. 1 Nr. 1 AEG i.V.m. Anlage 1 Lfd. Nr. 32) begründen (vgl. dazu auch BayVGH, B.v. 19.6.2023 – 22 AS 23.40016 – juris Rn. 15).
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Dem steht aber nach Ansicht des Senats sowohl die gesetzliche Systematik des VerkPBG im Speziellen wie auch der Wortlaut § 5 Abs. 1 VerkPBG bzw. § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO (i.V.m. § 18e Abs. 1 Nr. 1 AEG i.V.m. Anlage 1 Lfd. Nr. 32) entgegen.
19
§ 9 Abs. 3 VerkPBG (i.V.m. §§ 217 ff. BauGB) wies die gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen der Enteignungsbehörde, d.h. auch die Überprüfung von vorzeitigen Besitzeinweisungen (§ 9 Abs. 2 VerkPBG i.V.m. § 116 BauGB), den Kammern für Baulandsachen zu (wenn auch vorbehaltlich landesrechtlicher Regelungen). § 9 Abs. 3 VerkPBG wird allerdings nicht von der „Verlängerung“ nach § 11 Abs. 2 VerkPBG erfasst, weshalb die Regelung nur bis zum Ablauf des 16. Dezember 2006 anzuwenden war (so auch – jeweils zu fernstraßenrechtlichen Planfeststellungen – OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.1.2014 – OVG 1 S 282.13 – juris Rn. 4; OLG Bremen, B.v. 16.3.2022 – 1 W 3/22 (b) – juris Rn. 11). Gesetzessystematisch erscheint es daher zweifelhaft, § 5 Abs. 1 VerkPBG (und § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO) derart auszulegen, dass für den Zeitraum nach Unanwendbarkeit von § 9 Abs. 3 VerkPBG das Bundesverwaltungsgericht auch für vorzeitige Besitzeinweisungen erstinstanzlich zuständig sein soll, obwohl für den Zeitraum davor mit § 9 Abs. 3 VerkPBG eine spezielle (ein anderes Gericht vorsehende) Zuständigkeitsregelung existiert hat.
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Ebenso wenig lässt sich nach Ansicht des Senats anhand des Wortlauts von § 5 Abs. 1 VerkPBG oder § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO – selbst bei weiter Auslegung (vgl. dazu bzgl. § 5 Abs. 1 VerkPBG BVerwG, B.v. 10.9.2018 – 4 A 14.17 – juris Rn. 7) – eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für die verfahrensgegenständliche Besitzeinweisung begründen. Der Zweck des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO (und dessen „Vorläufer“ § 5 Abs. 1 VerkPBG) besteht darin, durch die Verkürzung des Verwaltungsgerichtsverfahrens auf eine Instanz die Verwirklichung der von der Vorschrift erfassten Infrastrukturvorhaben zu beschleunigen. Zugleich sollen durch die Konzentration der Streitsachen beim Bundesverwaltungsgericht divergierende Entscheidungen vermieden werden. Diesem Gesetzeszweck wird eine Auslegung der Vorschrift gerecht, die alle Rechtsstreitigkeiten erfasst, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungs- (oder Plangenehmigungs-)Verfahren für Vorhaben nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO (§ 5 Abs. 1 VerkPBG) haben, also die genehmigungsrechtliche Bewältigung des Vorhabens betreffen. Ein unmittelbarer Bezug ist etwa vorhanden, wenn um Maßnahmen gestritten wird, die einem solchen Verfahren zeitlich und sachlich vorausgehen und seiner Vorbereitung dienen oder einen Ausschnitt der in einem laufenden Planfeststellungsverfahren zu lösenden Probleme darstellen, desgleichen, wenn der Streit die Frage betrifft, ob bestimmten Baumaßnahmen an dem betreffenden Verkehrsweg ein Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren hätte vorausgehen müssen. Dagegen fehlt ein unmittelbarer Bezug, wenn nach Unanfechtbarkeit eines Planfeststellungsbeschlusses etwa nachträgliche Schutzauflagen begehrt oder die vermeintlich planwidrige Verwirklichung des bestandskräftig planfestgestellten Vorhabens verhindert werden soll. Denn Auseinandersetzungen darüber beziehen sich nicht auf die genehmigungsrechtliche Bewältigung des Vorhabens, sondern allein auf dessen Umsetzung. Auch treffen die Erwägungen, die die beschleunigende Konzentration der richterlichen Überprüfung wichtiger Infrastrukturvorhaben auf eine Instanz rechtfertigen, auf Streitigkeiten über die Vollziehung eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses nicht oder nur eingeschränkt zu (vgl. BVerwG, B.v. 11.7. 2013 – 9 VR 5.13 – juris Rn. 8 m.w.N., auch unter Hinweis auf die noch a.A. in BVerwG, B.v. 31.7.2006 – 9 VR 11.06 – juris Rn. 2; B.v. 10.9.2018 – 4 A 14.17 – juris Rn. 7).
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Diesen Prämissen folgend ist die verfahrensgegenständliche vorzeitige Besitzeinweisung nicht mehr vom Wortlaut des § 5 Abs. 1 VerkPBG oder des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO umfasst. Denn bei der Durchführung der naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahme handelt es sich nicht um eine (Vorbereitungs-)Maßnahme, welche die genehmigungsrechtliche Bewältigung des Vorhabens betrifft, sondern um eine Maßnahme zur Umsetzung bzw. Vollziehung des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses. Bestätigt wird diese Auslegung auch durch die jüngste Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welches seine Zuständigkeit bzgl. mit der Planfeststellung zusammenhängenden Maßnahmen (etwa Veränderungssperren, Zulassungen des vorzeitigen Baubeginns und Anzeigeverfahren) nicht schon aus der jeweiligen fachgesetzlichen (meist wortgleich zu § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO formulierten) Zuständigkeitsnorm für die Planfeststellungsstreitigkeiten ableitet, sondern auf „ergänzende/zusätzliche“ Zuständigkeitsregelungen betreffend solche Maßnahmen zurückgreift (vgl. bspw. BVerwG, B.v. 10.2.2023 – 7 VR 1.23 – juris Rn. 12 zu § 12 Satz 2 Nr. 1 LNGG, welcher ergänzend zu § 12 Satz 1 LNGG tritt, oder BVerwG, B.v. 22.6.2023 – 4 VR 4.23 – juris Rn. 11 zu § 6 Satz 2 Nr. 1 BBPlG, der ergänzend zu § 6 Satz 1 BBPlG tritt; vgl. dort zudem auch den Verweis auf § 43e Abs. 4 Satz 1 und 2 EnWG).
22
Die Ausführungen der Beigeladenen führen zu keinem anderen Ergebnis. Soweit sie auf die Rechtsprechung zur Zuständigkeit für Duldungsanordnungen nach § 17 AEG verweist, bestätigt das Bundesverwaltungsgericht darin die oben dargestellte Auslegung bzw. Differenzierung anhand des unmittelbaren Bezugs. Denn – so das Bundesverwaltungsgericht – eine Duldungsanordnung dient der Vorbereitung der Planfeststellung (BVerwG, B.v. 27.10.2020 – 7 VR 4.20 – juris Rn. 5; B.v. 21.11.2022 – 7 VR 3.22 – juris Rn. 5), betrifft mithin die genehmigungsrechtliche Bewältigung des Vorhabens und hat folglich einen unmittelbaren Bezug zum konkreten Planfeststellungs- / Plangenehmigungsverfahren. Dass der Gesetzgeber beabsichtige, eine dem Energiewirtschaftsrecht vergleichbare Rechtslage zu schaffen, indem § 18 Abs. 2 Satz 10 AEG zukünftig die entsprechende Anwendbarkeit von § 18e AEG regeln solle, spricht im (untechnischen) Umkehrschluss gerade dafür, dass die derzeitige Rechtslage keine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für die streitgegenständliche vorzeitige Besitzeinweisung allein auf Grundlage des § 5 Abs. 1 VerkPBG oder des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO abbildet.
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Angesichts dessen ist das Verfahren nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m.
§ 45 VwGO, § 52 Nr. 1 VwGO, Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 AGVwGO an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht Ansbach zu verweisen.
24
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2, § 152 Abs. 1 VwGO).