Inhalt

VGH München, Urteil v. 20.09.2023 – 16a D 22.2292
Titel:

Berufung in einer Disziplinarklage gegen einen Oberstudienrat wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen zu Lasten einer minderjährigen Schülerin

Normenketten:
StGB § 201 a Abs. 1 Nr. 1 (idF v. 21.1.2015)
BeamtStG § 34 Abs. 1 S. 3, § 47 Abs. 1 S. 2
BayDG Art. 11, Art. 14, Art. 25 Abs. 2, Art. 55, Art. 63 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Der erforderliche Bezug des Dienstvergehens zum Amt eines Beamten, der als Lehrer ständig Kontakt zu Kindern hat und deren Entwicklungsprozess begleiten soll, ist gegeben, wenn das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung zulässt und den Beamten in der Dienstausübung beeinträchtigt. Grundsätzlich ist die Begehung einer Straftat im Sinne von § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB zum Nachteil einer minderjährigen Schülerin geeignet, Rückschlüsse auf die dienstliche Vertrauenswürdigkeit eines Lehrers zu ziehen, zumal wenn dadurch in den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wird. Der Schutz vor Nacktaufnahmen ist zentraler Aspekt des Schutzes der Intimsphäre und damit des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Lehrer muss in seiner Vorbildfunktion die verfassungsrechtlich geschützte Wertordnung glaubhaft vermitteln. Es bestehen keine Zweifel, dass die außerdienstliche Begehung des in § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB normierten Straftatbestandes, insbesondere wenn das Opfer ein minderjähriges Kind ist, mit dem Bildungsauftrag der Schule unvereinbar ist und dessen Erfüllung durch den Beamten zweifelhaft erscheinen lässt. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Oberstudienrat (BesGr. A 14), Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Strafbefehl, Antragsdelikt, Öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr, Außerdienstliche Pflichtverletzungen, Oberstudienrat, Lehrer Disziplinarklage, Schülerin, minderjährig, Verhältnismäßigkeit, Zumessung, Beeinträchtigung, Vertrauen, Entfernung aus dem Dienst
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 26.09.2022 – RN 10A DK 21.1018
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26245

Tatbestand

1
Dem 1967 geborenen Beklagten, einem Oberstudienrat im Dienst des Klägers, wird vorgeworfen, von der anfangs 11-jährigen Schülerin X (der Schule, in der der Beklagte unterrichtete) im Badezimmer des elterlichen Hauses heimlich Foto- und Videoaufnahmen gemacht zu haben, auf denen sie oft nackt, aus der Dusche kommend, teilbekleidet oder auf der Toilette sitzend zu sehen ist. Weiter wird ihm vorgeworfen, regulär pornografische Inhalte (Erwachsenenpornografie) modifiziert zu haben, indem er die Gesichter der weiblichen Darstellerinnen durch jenes der Schülerin ersetzte.
2
Vorwurf der Disziplinarklage ist zum einen der Sachverhalt des rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts Passau vom 1. Februar 2021, mit dem gegen den Beklagte wegen 17 tatmehrheitlicher Fälle der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB i.d. bis 31.12.2000 geltenden Fassung) eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verhängt worden ist:
3
„Sie waren seit etwa 12 Jahren Nachbar der Geschädigten X., geb. …2006, und deren Eltern. Sie bewohnten die Doppelhaushälfte in …, Familie X. die andere … Durch dieses Nachbarschaftsverhältnis, die beruflichen Verknüpfungen als Lehrerkollege des Herrn X. und der Fürsorge der Geschädigten für Ihre Haustiere (Pferd und Hund) entstand ein enges Näheverhältnis zwischen Ihnen und der Familie X.
4
Zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten im Zeitraum zwischen November 2017 und März 2020 machten Sie immer wieder unbefugt Bild- und Videoaufnahmen der Geschädigten, während sich diese im Badezimmer ihres Wohnhauses aufhielt und unbeobachtet fühlte.
5
Im Zeitraum November 2017 bis Februar 2018 machten Sie an mindestens 7 verschiedenen Tagen diese Aufnahmen durch das [gekippte] Fenster des Badezimmers im Erdgeschoss, wobei das Badezimmerfenster durch eine Milchglasscheibe gegen fremden Einblick besonders geschützt war.
6
Im Zeitraum Juli 2019 bis März 2020 machten Sie an mindestens 10 Tagen diese Aufnahmen durch das Dachfenster des Badezimmers im Dachgeschoss, welches durch die Lage und bauliche Gestaltung gegen fremden Einblick besonders geschützt war. Um die Bilder durch das Dachfenster herstellen zu können, benutzten Sie unter anderem einen von Ihnen selbst hergestellten über 3 Meter langen Holzstab, an dessen Ende Sie eine Kamera befestigten.
7
Auf diese Weise konnten Sie von Ihrem Dachfenster aus diese Ausnahmen machen, ohne die Wohnung verlassen oder auf das Dach steigen zu müssen.
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Aus den so entstandenen Bildern ist die Geschädigte oft nackt, aus der Dusche kommend, teilbekleidet oder auf der Toilette sitzend zu sehen.
9
Sie stellten diese Aufnahmen der Geschädigten her, obwohl Sie wussten, dass die Geschädigte weder von den Aufnahmen wusste, noch damit einverstanden war. Sie wussten ebenso, dass Sie kein Recht hatten, derart in den Kern der Intimsphäre der Geschädigten einzudringen und verletzten dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich von X.
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Die Eltern der Geschädigten stellten als gesetzliche Vertreter durch deren Rechtsanwältin am 4.9.2020 form- und fristgerecht Strafantrag. Im Übrigen liegt die Strafverfolgung im besonderen öffentlichen Interesse.
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Diese Aufnahmen speicherten, kopierten, archivierten und bearbeiteten Sie in der Folgezeit auf vielen Ihrer EDV-Geräte und Datenträger, welche anlässlich der Durchsuchung bei Ihnen am 28.6.2020 sichergestellt wurden. Bei mindestens 46 Videodateien handelte es sich um die versteckt aufgenommenen Videos durch das Badezimmer. Mindestens 720 Bilddateien wurden als Standbilder dieser versteckt aufgenommenen Videos gespeichert bzw. abgelegt. Mindestens 125 Videos davon waren von Ihnen selbst aufgenommen worden.“
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Zweiter Disziplinarvorwurf ist der Sachverhalt der Ziff. 2.3 des im Strafverfahren eingeholten ITforensischen Gutachtens von Prof. Dr. S2. vom 14. September 2020:
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„Auf der im Notebook „HP“ (BW-04) eingebauten Festplatte sowie auf der externen Festplatte „Medion“ (BW-09) sind jeweils mehrere tausend Bilddateien sowie mindestens 100 Videodateien mit regulär pornografischen Inhalten (Erwachsenenpornografie) gespeichert. Hierbei sind augenscheinlich überwiegend weibliche Darstellerinnen mit überdurchschnittlich ausgeprägten sekundären Geschlechtsmerkmalen abgebildet.
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Diese Dateien wurden dann so vom Nutzer digital modifiziert, dass die Gesichter der Pornodarstellerinnen durch jenes von X. ersetzt wurden. Dabei wurde aus verschiedenen Video- und Bilddateien, die X. zeigen, zunächst mindestens 210 Bildausschnitte so erstellt, dass dabei lediglich das Gesicht von X. zu sehen ist.
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Zur Veränderung der Originaldateien wurde wahrscheinlich das Softwarewerkzeug „Movavi Video Editor“ verwendet.
16
Auf diese Weise wurden allein auf BW-04 mindestens 3.261 ungelöschte Bild- und mindestens 78 ungelöschte Videodateien mit regulär pornografischen erzeugt/modifiziert, bei denen die Gesichter der weiblichen Darstellerinnen durch jenes von X. ersetzt wurde.
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Die vorgenannten modifizierten Bilddateien wurden an mindestens 140 unterschiedlichen Tagen im Zeitraum vom 9. Januar 2018 bis 9. Februar 2020 erstellt und abgespeichert…
18
Die vorgenannten, modifizierten 3.261 Bild- und 78 Videodateien sind ebenfalls auf der externen Festplatte „Medion“ (BW-09), teilweise mehrfach mit Kopien, gespeichert, sodass dort insgesamt 6.989 ungelöschte und 323 gelöschte Bildsowie 114 ungelöschte Videodateien gespeichert sind, die das Gesichts des Mädchens auf regulär pornografischen Inhalten zeigen.“
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Das Verwaltungsgericht hat gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
20
Hiergegen wendet sich der Beklagte. Das Verwaltungsgericht habe nicht den Unrechtsgehalt des § 201a i.V.m. § 205 StGB gewürdigt und sich offensichtlich von der Rechtsprechung, die im Zusammenhang mit dem Besitz von kinderpornografischen Bildern ergangen sei, leiten lassen. Zudem lägen im Gegensatz zu der Annahme des Verwaltungsgerichts Milderungsgründe vor. Der Beklagte sei nicht Lehrer der Betroffenen gewesen. Es habe kein Fehlverhalten im Hinblick auf die sexuelle Selbstbestimmung der Betroffenen vorgelegen. Der Beklagte habe sich, indem er sich einer Therapie unterzogen habe, auch ernsthaft – nach Aktenlage erfolgreich – um die Überwindung seiner Alkoholsucht bemüht, sodass keine weiteren Dienstpflichtverletzungen zu befürchten seien. Er befinde sich seit dem 29. Juni 2020 in psychologischer und ärztlicher Behandlung und besuche regelmäßig Treffen der Anonymen Alkoholiker. Es bestehe eine günstige Zukunftsprognose. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Beklagte in völlig rückhaltloser Art und Weise schon im Strafverfahren den Vorwurf eingeräumt habe. Auch gegenüber seinem Dienstherrn hat er den Vorwurf eingeräumt und an einer Aufklärung mitgewirkt. Sämtliche Aspekte, die zur Herbeiführung des Rechtsfriedens betragen könnten, habe der Beklagte im Auge gehabt. Er habe sich nicht nur durch die bloße Aufklärung der Tat in überzeugender Weise um eine Wiedergutmachung seiner Tat bemüht, sondern es sei auch im Strafverfahren ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich durchgeführt worden. Damit liege damit eine Schadenswiedergutmachung vor.
21
Der Beklagte beantragt,
22
das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. September 2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. September 2022 dahingehend zu ändern, dass auf eine Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – d. h. auf eine mildere Disziplinarmaßnahme – erkannt wird.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
25
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
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Der Senat hat am 20. September 2023 mündlich verhandelt. Hierzu wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
27
Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

28
Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.
29
1. Der Beklagte hat eine außerdienstliche Pflichtverletzung begangen, die in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, und daher als Dienstvergehen zu bewerten ist (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG).
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1.1 Der Senat legt seiner Entscheidung den Sachverhalt zugrunde, der Gegenstand der Disziplinarklage ist. Das sind zum einen die Feststellungen des rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts Passau vom 1. Februar 2021 (Cs 32 Js 8364/20). Der dort festgestellte Sachverhalt unterliegt zwar nicht der Bindungswirkung nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbs. 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG, weil diese nur hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils, nicht jedoch eines Strafbefehls eintritt. Allerdings kann der Senat die maßgeblichen Feststellungen im Strafbefehl aufgrund der ihnen zukommenden Indizwirkung ohne nochmalige Überprüfung seinem Urteil zugrunde legen (Art. 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 55 i.V.m. Art. 25 Abs. 2 BayDG). Hinsichtlich der modifizierten Bild- und Videodateien ergibt sich der Sachverhalt aus dem im Strafverfahren eingeholten ITforensischen Gutachten vom 14. September 2020. Der Beklagte hat die Vorwürfe sowohl im behördlichen als auch gerichtlichen Disziplinarverfahren vollumfänglich eingeräumt.
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1.2 Er hat damit – neben der Verwirklichung des Straftatbestandes des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB, sanktioniert mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe – gegen seine Pflicht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verstoßen, wonach sein Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordern (sog. Wohlverhaltenspflicht).
32
Das Fehlverhalten des Beklagten lag außerhalb des Dienstes, weil es weder formell in das Amt des Beklagten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (BVerwG, U.v. 19.8.2010 – 2 C 5.10 – juris Rn. 9). Die Fotos und Videos hatte er sämtlich im häuslichen Umfeld gefertigt und anschließend bearbeitet.
33
Der Gesetzgeber erwartet außerhalb des Dienstes von Beamten kein wesentlich anders Sozialverhalten als von jedem anderen Bürger (vgl. BT-Drs. 16/7076, S. 117 zum BBG sowie BT-Drs. 16/4027, S. 34 zum BeamtStG). Disziplinarwürdig ist ein außerdienstliches Fehlverhalten gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG deshalb nur dann, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maß geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt des Beamten bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Das ist der Fall, wenn der Pflichtenverstoß einen Bezug zu seinem Dienst hat oder es sich um vorsätzliche Straftaten mit einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren handelt und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht nur gering wirkt (vgl. zu beidem: BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 15).
34
Der erforderliche Bezug des Dienstvergehens zum Amt des Beklagten, der als Lehrer ständig Kontakt zu Kindern hat und deren Entwicklungsprozess begleiten soll, ist gegeben, weil das außerdienstliche Verhalten Rückschlüsse auf die Dienstausübung zulässt und den Beklagten in der Dienstausübung beeinträchtigt. Ein naher Bezug des Fehlverhaltens zu den dem Beklagten übertragenen Dienst- und Obhutspflichten ist insoweit offensichtlich. Denn grundsätzlich ist die Begehung einer Straftat im Sinne von § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB zum Nachteil einer minderjährigen Schülerin geeignet, Rückschlüsse auf die dienstliche Vertrauenswürdigkeit eines Lehrers zu ziehen (vgl. NdsOVG, B.v. 20.4.2010 – 5 ME 282/09 – juris Rn. 18), zumal wenn derart in den unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung eingegriffen wird wie hier. Das anfangs 11-, später 13-jährige Mädchen hat darauf vertraut, unbeobachtet zu sein. Der Schutz vor Nacktaufnahmen ist zentraler Aspekt des Schutzes der Intimsphäre und damit des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB.
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Losgelöst vom konkreten Dienstbezug kann ein Dienstvergehen im Übrigen regelmäßig angenommen werden, wenn der vom Gesetzgeber vorgegebene Strafrahmen für eine vorsätzlich begangene Straftat mit einer Höchststrafe von bis zu zwei Jahren im mittleren Bereich liegt und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht nur gering wiegt. Die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs (§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB) ist mit einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe bewehrt. Der Unrechtsgehalt der konkreten Tat wiegt schwer, wie das hier konkret ausgeurteilte Strafmaß von einem Jahr Freiheitsstrafe zeigt (vgl. zur Bezugnahme auf eine verhängte Freiheitsstrafe und den „Gleichklang zum Strafrecht“: BVerwG, U.v. 25.3.2010 – 2 C 83.08 – juris Rn. 21 und 26; BVerwG, B.v. 28.8.2018 – 2 B 5.18 – juris Rn. 18). Das Strafmaß führte nur deshalb nicht von Gesetzes wegen zum Verlust der Beamtenrechte gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG, weil es durch Strafbefehl und nicht durch Urteil verhängt worden war. Gleichwohl kann der Ausspruch der Strafverfolgungsorgane als Indiz für die Schwere einer außerdienstlich begangenen Straftat herangezogen werden (BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 37). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass eine Gesamtstrafe nach § 54 StGB gebildet worden ist (vgl. Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Sumer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: März 2023, § 24 BeamtStG Rn. 24), zumal auch hierbei die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt werden (§ 54 Abs. 1 Satz 3 StGB) und keine bloße Addition vorgenommen wird. Das ausgeurteilte Strafmaß indiziert bei einem Lehrer einen Persönlichkeitsmangel, der Anlass zu Zweifeln an seiner Eignung gibt, der einem Lehrer als Dienstpflicht obliegenden Erziehungsaufgabe gegenüber den ihm anvertrauten Schülerinnen und Schülern jederzeit gerecht zu werden.
36
Der Unrechtsgehalt der konkreten Tat wird auch nicht durch die Gesetzesgenese des § 201a StGB relativiert. Die Bestimmung wurde durch das 36. StRÄndG vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 2012) eingefügt. Zuvor gab es keine Strafvorschrift, die einen dem Bildnisschutz unterfallenden Bereich der Privatsphäre definierte (vgl. Hoppe in GRUR 2004, 990/991). Durch § 1 Nr. 18 des 49. StRÄndG vom 21. Januar 2015 (BGBl I S. 10) wurde schließlich u.a. das Höchstmaß der angedrohten Freiheitsstrafe von einem Jahr auf zwei Jahre erhöht. Damit sollte dem Schutz des höchstpersönlichen Lebensbereichs als hohes Rechtsgut besser als bisher Rechnung getragen werden (BR Drs. 422/14 S. 43). Das in der mündlichen Verhandlung vorgetragene Gedankenspiel „Hätte ich die Aufnahmen vor 2004 bzw. 2015 gemacht, wäre ich besser davongekommen.“ verbietet sich, weil es hinsichtlich Strafbarkeit und Strafrahmen stets auf die zum Tatzeitpunkt geltende Fassung der Strafnorm ankommt (BVerwG, B.v. 24.7.2023 – 2 B 25.22 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 5.4.2017 – 16b D 14.2336 – juris Rn. 72). Entscheidend ist, wie der Gesetzgeber den Unwertgehalt zum Tatzeitpunkt (hier also November 2017 bis März 2020) einschätzt. Zum Tatzeitpunkt galt eine Fassung des § 201a StGB, die der kriminalpolitischen Bedeutung der Vorschrift und insbesondere dem Opferschutzgedanken Rechnung trug (vgl. Heuchemer in BeckOK StGB, Stand: August 2023, § 201a Rn. 5.1 ff) und Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vorsah.
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2. Gemäß Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Disziplinarmaßnahme insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen. Bei einem endgültigen Vertrauensverlust ist der Beamte gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Die Schwere des Dienstvergehens ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch die disziplinare Maßnahmebemessung steuern (BayVGH, U.v. 5.7.2023 – 16a D 21.1331 – juris Rn. 51 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 16).
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2.1 Der wesentliche normative Ansatzpunkt für die Bestimmung der Schwere des Dienstvergehens ist, ob und in welcher Weise der Gesetzgeber das Fehlverhalten des Beamten strafrechtlich bewertet.
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Setzt sich das Dienstvergehen – wie hier – aus mehreren Handlungen zusammen, so bestimmt sich der Orientierungsrahmen in erster Linie nach der schwersten Verfehlung. Dies ist hier die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs der Schülerin X. durch Bildaufnahmen in deren Badezimmer (§ 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
40
Diese Verfehlung wiegt schwer. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens kann bei außerdienstlich begangenen Dienstvergehen auf den gesetzlichen Strafrahmen zurückgegriffen werden. Weist ein Dienstvergehen – wie hier – hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten auf, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme schon für mittelschwere Taten, für die eine Strafandrohung bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe gilt, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BayVGH, U.v. 21.9.2022 – 16a D 20.2411 – juris Rn. 72 zu § 184c Abs. 3 2. Alt. StGB a.F.; BVerwG, U.v. 24.10.2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 30 für kinderpornografische Bilder bei Lehrern; B.v. 8.3.2018 – 2 B 48.17 – juris Rn. 13; Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand 2021, § 2 I 2.2.4 Beeinträchtigung des Vertrauens).
41
Das gilt auch für den vorliegenden Straftatbestand. Die vorzitierte Rechtsprechung beansprucht nicht allein Geltung für kinderpornografische Straftatbestände unter altem Recht. Auch der Umstand, dass es sich um ein Antragsdelikt handelt, ist unerheblich, weil zum einen Strafantrag gestellt wurde und zudem ausweislich des Strafbefehls die Strafverfolgung im besonderen öffentlichen Interesse lag.
42
2.2 Dieser Orientierungsrahmen ist im vorliegenden Fall voll auszuschöpfen.
43
Ein Lehrer muss in seiner Vorbildfunktion die verfassungsrechtlich geschützte Wertordnung glaubhaft vermitteln. Es bestehen keine Zweifel, dass die außerdienstliche Begehung des in § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB normierten Straftatbestandes, insbesondere wenn das Opfer ein minderjähriges Kind ist, mit dem Bildungsauftrag der Schule unvereinbar ist und dessen Erfüllung durch den Beamten zweifelhaft erscheinen lässt. Der Beklagte hat mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten diejenigen Grenzen überschritten, die für einen dem Erziehungs- und Bildungsauftrag verpflichteten Lehrer gesetzt sind. Ihm fällt damit ein erhebliches Dienstvergehen zur Last. Es indiziert einen Persönlichkeitsmangel, der das Vertrauen in diesen Lehrer erheblich beeinträchtigt und es droht die Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung des Dienstbetriebs, wenn der Lehrer seine Dienstgeschäfte an einer Schule fortführt. § 201a Abs. 1 StGB setzt zwar ein sexuelles Motiv – anders als bei der Kinder- und Jugendpornografie – nicht voraus. Dennoch hat der Beklagte mit seiner Verfehlung das Vertrauen seines Dienstherrn erheblich beeinträchtigt. Es ist schlicht nicht mit der Idee einer gestandenen Lehrerpersönlichkeit vereinbar, dass die Tochter eines Kollegen und unmittelbaren Nachbarn bei intimsten Verrichtungen mit erheblichem Aufwand (drei Meter langer Holzstab, um optimale Perspektiven in das geöffnete Dachliegefenster zu erhalten) fotografiert bzw. gefilmt wird, um sich anschließend daran zu „erfreuen“. Das heimliche Filmen des meist nackten Mädchens gibt begründeten Anlass zu Zweifeln an der Eignung für den Lehrerberuf. Ein Lehrer, der die Intim- und Sexualsphäre und den Kerngehalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eines minderjährigen Kindes und damit das Schutzgut des § 201a StGB (Heuchemer in BeckOK StGB, Stand: August 2023, § 201a Rn. 1) verletzt, erscheint für den Lehrerberuf ungeeignet und bietet keine Gewähr dafür, dass er auch im schulischen Alltag die Intimsphäre der ihm verantworteten Schüler(innen) respektieren wird.
44
Zu berücksichtigen ist auch, dass der Beklagte mindestens 46 Videos versteckt aufgenommen hatte. Zu dem strafrechtlich relevanten Vorwurf kommt das Gebrauchen der unbefugt hergestellten Bildaufnahmen (insbesondere die 720 Standbilder der Videodateien) und die Montage des Gesichts der Schülerin auf die Körper erwachsener Pornodarstellerinnen. Ein Lehrer, der solche Montagen herstellt, ist für den Lehreberuf untragbar. Sie sind grenzüberschreitend, weil das Kind damit sexualisiert wird. Darauf, ob das gesamte Verhalten ausschließlich sexuell konnotiert war, kommt es nicht an.
45
Negativ zu werten ist schließlich, dass der Beklagte, die Schülerin „wie ein Ersatzkind behandelt“ (Bl. 44 der Strafakte) haben will und ein enges Näheverhältnis zwischen dem Beklagten und der Familie X. bestanden hatte. Gleichwohl haben ihn diese Umstände nicht von dem Dienstvergehen abhalten können, was der Beklagte in der mündlichen Verhandlung schlicht damit erklärte, er habe die Schülerin ja nun einmal gekannt und sehen wollen, wie sie (nackt) aussieht.
46
Hinreichend gewichtige Milderungsgründe fehlen.
47
Keiner der von Rechtsprechung entwickelten sogenannten „anerkannten“ Milderungsgründe (hierzu BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 25 bis 36) kommt dem Beklagten zugute. Solche können teilweise zu einer Disziplinarmaßnahme führen, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, es sei denn, es liegen gegenläufige belastende Umstände vor (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 13). Über die sogenannten „anerkannten“ Milderungsgründe hinaus ergibt auch die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände, dass der Beklagte wegen des endgültigen Verlustes des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist.
48
Geringfügig mildernd kann das Geständnis des Beklagten berücksichtigt werden, das die Aufklärung der Vorwürfe erleichtert hat. Von einer freiwilligen Offenbarung vor Tatentdeckung kann jedoch nicht die Rede sein, da die Eltern des Kindes die Tat zur Anzeige gebracht hatten, nachdem die Schülerin gerahmte Standbilder der Videos in der Wohnung des Beklagten gefunden hatte.
49
Zu Gunsten des Beklagten war ferner zu berücksichtigen, dass er disziplinarrechtlich nicht vorbelastet ist und ordentliche dienstliche Leistungen gezeigt hat. Dies ist für sich genommen regelmäßig jedoch nicht geeignet, gravierende Pflichtverstöße wie die vorliegenden in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BVerwG, B.v. 19.3.2013 – 2 B 17.12 – juris Rn. 8). Jeder Beamte ist verpflichtet, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz seiner Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (vgl. BVerwG, U.v. 29.3.2012 – 2 A 11.10 – juris Rn. 82). So verhält es sich auch bei dem Beklagten.
50
Zu Gunsten des Beklagten ist – wie das Verwaltungsgericht zu Recht feststellte – sein positives Nachtatverhalten zu berücksichtigen. Er war im Straf- und auch im Disziplinarverfahren geständig und hat seine Reue über seine Taten zum Ausdruck gebracht.
51
Soweit der Beklagte behauptet, er habe jeweils unter Alkoholeinfluss gehandelt (zumindest bei den Videoaufnahmen) fehlt dafür jeder Nachweis. Die in der Berufungsbegründung aufgestellte Behauptung, er befinde sich seit dem 29. Juni 2020 in psychologischer und ärztlicher Behandlung, ist nicht belegt. In der Disziplinarakte findet sich lediglich eine „Bestätigung“ von einem Kurt, datiert auf den 5. Oktober 2020, wonach der Beklagte seit dem 18. August regelmäßig jeden Dienstag das örtliche Meeting der anonymen Alkoholiker, sowie jeden Sonntag das von dieser Gruppe im Internet veranstaltete Zoommeeting besuche (Bl. 263 DA). Zu einem Alkoholmissbrauch im Tatzeitraum und einer möglichen Einschränkung der Steuerungsfähigkeit verhält sich dieses Schreiben ebenso wenig, wie das fachärztliche Attest vom 15. Oktober 2020 (Bl. 262 DA), wonach der Beklagte aktuell keine Alkoholsuchtproblematik hat. Auch in der mündlichen Verhandlung war lediglich die Rede davon, er habe einen Rückfall in seine Alkoholsucht erlitten, eine Lebenskrise erlebt und sei „wahnsinnig von der Spur“ gewesen. Der Beklagte bezeichnete sich zum Tatzeitpunkt „als seelisch und geistig total verwirrt“, gestand aber ein, dass er bei Tatbegehung nicht volltrunken war. Es bestehen mithin keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte während der hier für das Disziplinarverfahren relevanten Tatzeiträume aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht in der Lage gewesen wäre, sein pflichtwidriges Verhalten zu erkennen.
52
Soweit sich der Beklagte schließlich auf eine Zahlung von 5.000 € an die Geschädigte beruft, handelt es sich um eine Geldauflage, die ihm nach § 56b StGB gerichtlich auferlegt wurde. Auch wenn Geldauflagen der Schadenswiedergutmachung dienen sollen, wird dadurch die Schwere der Tat nicht gemildert, weil sie als strafähnliche Maßnahme gerichtlich erteilt und damit weder freiwillig geleistet werden noch Ausdruck von Reue oder einem damit verbundenen Verantwortungsgefühl sind.
53
Angesichts des von dem Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Eine anderweitige Verwendung des Beklagten – verbunden mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – kommt nicht als „mildere Maßnahme“ in Betracht. Wenn – wie hier – das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten endgültig zerstört ist, weil er als Beamter „nicht mehr tragbar ist“ und es dem Dienstherrn nicht zumutbar ist, das Beamtenverhältnis mit ihm fortzusetzen, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig eingesetzt werden kann, nicht nachgegangen werden. Die darin für den Beklagten liegende Härte ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt (BayVGH, U.v. 24.5.2023 – 16a D 20.2247 – juris Rn. 73).
54
Nach alldem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG zurückzuweisen. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).