Inhalt

VGH München, Urteil v. 26.09.2023 – 24 B 22.167
Titel:

Bodenschutzrechtliche Sanierungsanordnung und betragsmäßig festgesetzte Belastungsgrenze

Normenketten:
GG Art. 14
BBodSchG § 2 Abs. 7, § 4 Abs. 3, § 10 Abs. 1, § 25
BayVwVfG Art. 40
VwGO § 114 S. 1
Leitsätze:
1. Es ist mit Art. 14 Abs. 1 GG nicht vereinbar, bereits in einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsanordnung gegenüber einem Zustandsverantwortlichen den Verkehrswert, der für den Grundstückszustand nach Abschluss der angeordneten oder erstrebten Sanierung prognostiziert wird, als Belastungsobergrenze betragsmäßig festzulegen, wenn eine gesteigerte Ungewissheit über die Sanierungsdauer oder den Sanierungserfolg besteht. Die Behörde ist in diesem Fall (nur) berechtigt und verpflichtet, darüber zu entscheiden, ob die Haftung auf den Verkehrswert beschränkt ist oder wegen Besonderheiten des Einzelfalls ausnahmsweise den Verkehrswert über- oder unterschreitet. Eine betragsmäßige Festlegung der Haftungsgrenze ist erst nach Abschluss der Sanierung oder einer anderweitigen Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit durch gesonderten Bescheid möglich. (Rn. 35 – 43)
2. Für die Bestimmung des Verkehrswerts sind namentlich die §§ 192 ff. BauGB und die Vorgaben der Immobilienwertermittlungsverordnung maßgeblich. Verbleibende Restkontaminationen (Restbelastungen) sind hiernach ebenso zu berücksichtigen wie gegebenenfalls ein merkantiler Minderwert auch im Falle der erfolgreichen Sanierung. Zugrunde zu legen sind für die Wertbestimmung außerdem nicht nur die konkrete gegenwärtige Nutzung des betroffenen Grundstücks, sondern jede planungsrechtlich gegenwärtig oder auch absehbar zulässige Nutzung. Dingliche Belastungen, insbesondere Grundpfandrechte und der Umfang ihrer Valutierung, sind für die Höhe des Verkehrswerts nicht relevant. (Rn. 46 – 49)
3. Dingliche Belastungen des verunreinigten Grundstücks müssen bei der Bestimmung des Haftungsbetrags nicht aus Gründen der Zumutbarkeit in der Weise berücksichtigt werden, dass der an sich aus dem Verkehrswert gebildete Haftungsbetrag im Umfang der dinglichen Belastungen bzw. im Umfang der Valutierungsbeträge zu reduzieren ist. (Rn. 50 – 52)
Schlagworte:
Bodenverunreinigung im Zusammenhang mit der jahrzehntelagen Nutzung eines Grundstücks durch verschiedene chemische Reinigungsbetriebe, Nachträgliche Änderung der Störerauswahl, Beschränkung der Haftung des Zustandsverantwortlichen auf den Verkehrswert als Regelfall, Maßstab für die Annahme einer Obliegenheitsverletzung mit Folge der Haftung über den Verkehrswert hinaus, Berücksichtigungsfähige Faktoren für die Festlegung des Verkehrswerts (Restkontamination bzw. Restbelastung, merkantiler Minderwert nach erfolgreicher Sanierung), Irrelevanz von dinglichen Belastungen für die Bestimmung des Verkehrswerts, Keine Reduktion der Haftung auf einen Betrag unterhalb des Verkehrswerts wegen dinglicher Belastungen, Eigentum
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 16.01.2019 – AN 9 K 18.612
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Urteil vom 07.11.2024 – 10 C 12.23
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
UPR 2024, 494
BayVBl 2024, 87
NuR 2024, 200
NuR 2025, 122
DVBl 2024, 370
BeckRS 2023, 26243
LSK 2023, 26243
ZUR 2024, 111

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 16. Januar 2019 – AN 9 K 18.612 – wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine bodenschutzrechtliche Sanierungsanordnung und eine betragsmäßig festgesetzte Belastungsgrenze.
2
Der Kläger ist Eigentümer des mit einer gewerblich genutzten Halle bebauten Grundstücks FlNr. … … … Er erwarb das Grundstück, das zuvor jahrzehntelang von verschiedenen chemischen Reinigungsbetrieben genutzt wurde, im September 1989. Nachdem anschließend der Besitz auf ihn übergegangen war, meldete er zum … … 1990 einen Werkzeug- und Formenbaubetrieb an. Als Eigentümer wurde er erst … … 2000 eingetragen. Nach § 15 des Kaufvertrags sicherte die Verkäuferin dem Kläger zu, in den nächsten zehn Jahren sämtliche Kosten für etwaige Umweltschäden aus ihrem Betrieb der chemischen Reinigung zu übernehmen bzw. ihm entstehende Kosten zu erstatten.
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Das Grundstück ist vielfach dinglich belastet. In der zweiten Abteilung des Grundbuchs wurde 2001 ein Bodenschutzlastvermerk nach § 25 BBodSchG eingetragen. In der dritten Abteilung sind seit den 1990er und 2000er Jahren u.a. zugunsten einer Bank eine Grundschuld zu 355.000,00 DM und eine Grundschuld ohne Brief zu 1 Mio. DM sowie für den Freistaat Bayern eine Zwangssicherungshypothek über rund 617.000,00 EUR eingetragen, deren Löschung aber zwischenzeitlich bewilligt wurde.
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Ende 1988 stellte das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) fest, dass der Umgang mit wassergefährdenden Stoffen durch die jeweiligen Reinigungsbetriebe nicht korrekt erfolgt sei, insbesondere Schadstoffe in größerem Umfang vergraben worden seien. Namentlich die Gehalte an Tetrachlorethen seien sehr hoch. Es erließ deshalb im Jahr 1990 gegenüber der Voreigentümerin und Betreiberin der chemischen Reinigung einen Bescheid zur Schadenserkundung. Die Voreigentümerin befolgte den Bescheid nicht. Daraufhin beauftragte das Landratsamt selbst ein Institut mit einer Untersuchung. Es wurden erhebliche Kontaminationen des Grundstücks festgestellt.
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Da es dem Landratsamt nicht möglich erschien, die Schäden auf Handlungen konkreter früherer Eigentümer bzw. Betriebsinhaber zurückzuführen, verpflichtete es im August 1993 den Kläger durch Bescheid, ein Fachinstitut zu beauftragen und bereits begonnene Sanierungsarbeiten fortzusetzen. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid Klage erhoben (AN 13 K 94.00950), das gerichtliche Verfahren ruht bis heute. 1997 vereinbarte der zuständige Landkreis mit der Gesellschaft für Altlastensanierung in Bayern mbH die Durchführung einer fünfjährigen Sanierung und die Aufteilung der auf rund 1 Mio. DM geschätzten Sanierungskosten. In einem gesonderten Vertrag verpflichtete sich der Kläger gegenüber der Gesellschaft, in Raten 150.000,00 DM zur Sanierung beizutragen. Er kam seinen Verpflichtungen teilweise nach. 2003 kam es zu einer Anschlussvereinbarung.
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Im Jahr 2005 wurde die Sanierung zunächst beendet. Da jedoch im Jahr 2009 ein erneuter Anstieg der Schadstoffkonzentrationen festgestellt wurde, verpflichtete das Landratsamt den Kläger zunächst im Dezember 2010 mit Bescheid, weitere Schadensuntersuchungen vorzunehmen, und sodann auf Basis der hierdurch gewonnenen Erkenntnisse mit Bescheid vom 21. Mai 2012, näher bezeichnete Sanierungsmaßnahmen (Nr. 1) innerhalb bestimmter Fristen (Nr. 3) durchführen zu lassen und über den Sanierungsfortschritt zu berichten (Nrn. 2, 4). Die Belastungsgrenze wurde auf 183.000,00 EUR festgesetzt (Nr. 5), ein Zwangsgeld angedroht (Nr. 6) und der Kostenbetrag der Ersatzvornahme, bezogen auf einen Zeitraum von drei Jahren, vorläufig mit ca. 56.000 EUR brutto veranschlagt (Nr. 7). Die sofortige Vollziehung des Bescheids wurde angeordnet (Nr. 8).
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Hiergegen erhob der Kläger am 29. Juni 2012 Klage. In der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2014 äußerte das Verwaltungsgericht Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit der Anordnung, ordnete aber auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens an, um Einigungsgespräche zu ermöglichen. Eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens gelang in der Folge jedoch nicht. Mit Bescheid vom 17. März 2015 änderte das Landratsamt den Bescheid vom 21. Mai 2012 und präzisierte insbesondere die zu erreichenden Sanierungsziele und ergänzte die Gründe.
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Nach der Wiederaufnahme des Verfahrens hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Januar 2019 den Bescheid in der Gestalt des Änderungsbescheids auf. Der Kläger hätte wegen eines mit Null anzusetzenden Verkehrswerts des Grundstücks nicht als Zustandsverantwortlicher herangezogen werden dürfen. Zwar sei es zutreffend, dass der Beklagte als Belastungsgrenze den Verkehrswert des Grundstücks angesetzt habe; eine ausnahmsweise zulässige Haftung über dessen Höhe hinaus komme nicht in Betracht. Bei der Ermittlung des Verkehrswerts habe der Beklagte allerdings zu Unrecht den Wert eines nach Sanierung vollständig schadstofffreien Grundstücks zugrunde gelegt, obwohl von einer signifikanten und dauerhaften Restbelastung auszugehen sei. Außerdem hätte der Verkehrswert um den Valutabetrag der auf dem Grundstück im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids lastenden Grundpfandrechte, der diesen deutlich übersteige, reduziert werden müssen.
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Gegen das Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung. Er trägt im Wesentlichen vor, dass eine mögliche, im Einzelnen aber gar nicht bekannte Schadstoffrestbelastung des Grundstücks auch nach einer Sanierung jedenfalls im konkreten Fall den Verkehrswert nicht mindere, weil etwa eine kostenintensive Entsorgung des Erdreichs nach Maßgabe des Abfallrechts davon abhänge, wie das bereits bebaute Grundstück in Zukunft genutzt würde. Das sei jedoch derzeit nicht absehbar; lediglich mögliche, aber noch nicht konkretisierte Nutzungen müsse die Behörde nicht berücksichtigen. Im maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung sei damit von einer Fortführung der bisherigen Nutzung auszugehen gewesen, die durch eine nur mögliche, aber ohnehin nicht abschätzbare Schadstoffrestbelastung nicht nachteilig beeinflusst werde. Ferner seien nach den anerkannten Regeln der Immobilienwirtschaft Grundpfandrechte bei der Festlegung des Verkehrswerts nicht zu beachten.
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Der Beklagte beantragte,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. Januar 2019 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragte,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Verkehrswert des Grundstücks belaufe sich auf Null. Das Grundstück sei wegen der verbleibenden Restbelastung und seiner ersichtlichen Übersicherung unveräußerlich.
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In der mündlichen Verhandlung am 29. Juni 2023 führte der Beklagte aus, dass inzwischen das Sanierungsziel aus dem streitgegenständlichen Bescheid erreicht worden sei. Da jedoch die Schadstoffwerte wieder angestiegen seien, werde derzeit durch das Landratsamt noch ein Monitoring betrieben. Bisher sei nur eine leicht steigende Tendenz der Werte festzustellen. Es stehe jedoch noch nicht abschließend fest, ob weitere Maßnahmen zur Sanierung des Grundstücks in Zukunft erforderlich sei. Weiter erklärt der Beklagte, dass seit den 1990er Jahren insgesamt Sanierungskosten von rund 980.000 EUR entstanden seien. Der Kläger habe sich mit rund 45.000 EUR beteiligt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die Behördenakten sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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A. Der Senat entscheidet über die Berufung mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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B. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten vom 21. Mai 2012 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 17. März 2015 im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die Berufung des Beklagten ist deshalb zurückzuweisen. Der Bescheid ist rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 125 VwGO). Zwar sind das Bundes-Bodenschutzgesetz anwendbar (I.), schädliche Bodenveränderungen und Altlasten gegeben sowie der Kläger als Zustandsverantwortlicher anzusehen (II.) und die diesbezüglichen Ermessenserwägungen des Beklagten nicht zu beanstanden (III.). Rechtswidrig ist es aber, bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Sanierungsbescheids als Belastungsgrenze den Verkehrswert, der zudem fehlerhaft ermittelt wurde, verbindlich zu beziffern (IV.).
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I. Das Bundes-Bodenschutzgesetz, das zum 1. März 1999 in Kraft getreten ist (Art. 4 Satz 2 des Gesetzes zum Schutz des Bodes vom 17.3.1998, BGBl I S. 502), ist auf den vorliegen Fall anwendbar, auch wenn die schädlichen Bodenveränderungen bereits vorher eingetreten und dem Beklagten bekannt geworden waren. Andernfalls könnten die Ziele des § 1 Abs. 1 BBodSchG, neben der Sicherung der Bodenfunktionen auch in der Vergangenheit beeinträchtigte Bodenfunktionen wiederherzustellen, nicht erreicht werden. Außerdem würde die vormals bestehende heterogene Rechtslage ad infinitum fortgesetzt, da die Behörden und Betroffenen mit bodenschutzrechtlichen Sachverhalten nicht selten Jahrzehnte befasst sind. Folgerichtig steht es der Anwendbarkeit des Gesetzes auch nicht entgegen, dass einige der für den streitgegenständlichen Bescheid maßgeblichen oder hierfür ursächlichen tatsächlichen Feststellungen durch die Behörde bereits vor dem 1. März 1999 getroffen worden waren (anders offenbar HessVGH, U.v. 5.4.2011 – 2 A 2931/09 – juris Rn. 28). Auch verfassungsrechtliche Rückwirkungsprobleme bestehen insoweit nicht (ausführlich BVerwG, U.v. 16.3.2006 – 7 C 3.05 – juris Rn. 15; s.a. BayVGH, U.v. 28.11.2007 – 22 BV 02.1560 – juris Rn. 40).
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Da die bodenrechtlichen Befugnisse weder der Verjährung (vgl. VGH BW, U.v. 18.12.2012 – 10 S 744/12 – juris Rn. 58; VG Regensburg, U.v. 7.12.2009 – RO 8 K 09.01987 – juris Rn. 99 f.) noch der Verwirkung unterliegen (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.2013 – 7 B 9.13 – juris Rn. 10), kommt es für die Anwendbarkeit des Bundes-Bodenschutzgesetzes auch nicht darauf an, ob der Beklagte vorliegend schneller und effektiver handeln hätte können oder müssen.
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II. Die festgestellten Verunreinigungen bilden nach übereinstimmender Ansicht der Beteiligten schädliche Bodenveränderungen und Altlasten; es besteht insoweit kein Streit darüber, dass die Voraussetzungen von § 4 Abs. 3, § 2 Abs. 7 und § 10 Abs. 1 BBodSchG vorliegen. Als Eigentümer ist der Kläger auch Zustandsverantwortlicher und kann als solcher grundsätzlich in Anspruch genommen werden. Seiner Pflichtigkeit stehen weder seine fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit (1.) noch ein möglicherweise ineffektives Handeln der Behörden (2.) entgegen.
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1. Der Eigentümer eines Grundstücks ist für schädliche Bodenveränderungen und Altlasten auf seinem Grundstück verantwortlich und ausweislich der Regelung in § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG grundsätzlich zum Ergreifen von Sanierungsmaßnahmen nach § 2 Abs. 7 BBodSchG verpflichtet. Hiergegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Eigentümer muss lagebedingte oder anthropogen verursachte Nachteile seines Grundstücks so tragen, wie sie sich aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten tatsächlich darstellen und auswirken, weil er regelmäßig die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit hat, auf die Sache und damit auch auf die Gefahrenquelle einzuwirken. Außerdem stellt sich die Zustandsverantwortlichkeit als Kehrseite seiner Nutzungsmöglichkeiten dar. Für ihre Entstehung ist es daher ohne Bedeutung, von welcher Person oder aufgrund welcher Umstände die schädliche Bodenveränderung herbeigeführt wurde, ob der Kläger bei Erwerb des Grundstücks in Bezug auf das Vorhandensein einer solchen Bodenveränderung gut- oder bösgläubig war oder ob er wirtschaftlich leistungsfähig ist (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 49 ff.; BVerwG, B.v. 7.8.2013 – 7 B 9.13 – juris Rn. 9; OVG Berlin-Bbg, B.v. 27.3.2020 – OVG 11 N 118.16 – juris Rn. 3; s.a. Pünder in Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 3, 4. Aufl. 2020, § 69 Rn. 121).
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2. Die Zustandsverantwortlichkeit des Klägers als Eigentümer besteht kraft Gesetzes und wird durch die behördliche Anordnung nur konkretisiert. Sie kann daher nicht verjähren (vgl. BayVGH, U.v. 28.11.2007 – 22 BV 02.1560 – juris Rn. 61) und steht auch nicht unter dem Vorbehalt ordnungsgemäßer behördlicher Befugnisausübung (vgl. Steinkemper, EurUP 2014, 128/129). Sie wird daher nicht durch lange Untätigkeit oder fehlerhaftes und ineffektives Handeln der Behörde beeinflusst (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.2013 – 7 B 9.13 – juris Rn. 9 a.E., Rn. 10). Ein solches Verhalten der Behörde würde im Übrigen auch nicht zu einer – die Zustandsverantwortlichkeit beseitigenden – Legalisierung einer bodenbelastenden Aktivität führen (vgl. BVerwG, U.v. 16.3.2006 – 7 C 3.05 – Rn. 31; BayVGH, U.v. 28.11.2007 – 22 BV 02.1560 – juris Rn. 55).
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III. Die Ermessensausübung des Beklagten hinsichtlich der Bestimmung des Klägers als Zustandsverantwortlichen anstelle eines oder mehrerer der Betreiber der chemischen Reinigung als (mutmaßliche) Handlungsstörer ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat von seinem Ermessen in einer dem Zweck der § 4 Abs. 3, § 2 Abs. 7 und § 10 Abs. 1 BBodSchG entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens nicht überschritten (§ 114 Satz 1 VwGO). Ein Handlungsstörer muss weder im Allgemeinen noch im konkreten Fall vor dem Zustandsverantwortlichen in Anspruch genommen werden (1.). Der Beklagte war an der Inanspruchnahme des Klägers auch nicht dadurch gehindert, dass er 1990 zunächst die Voreigentümerin des klägerischen Grundstücks verpflichtet hat (2.). Der Beklagte war auch nicht als Verantwortlicher in die Auswahl einzubeziehen (3.). Schließlich begründet das wirtschaftliche Unvermögen des Klägers keinen Ermessensfehler (4.).
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1. Eine allgemeine Pflicht, Handlungsstörer vorrangig in Anspruch zu nehmen, besteht von Verfassung wegen nicht (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 53). Auch dem Bundes-Bodenschutzgesetz lässt sich ein solcher Vorrang nicht entnehmen. Schon § 24 Abs. 2 BBodSchG zeigt, dass der Streit über die Störerauswahl nicht das behördliche Vorgehen belasten soll (vgl. OVG Bremen, B.v. 19.8.2003 – 1 A 42/03 – NuR 2004, 182/183; BayVGH, B.v. 22.3.2001 – 22 ZS 01.738 – juris Rn. 5). Auch der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr verlangt grundsätzlich nach einem insoweit „freien“ Ermessen der Behörden (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 27.3.2020 – OVG 11 N 118.16 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 30.1.2018 – 22 B 16.2099 – juris Rn. 16), auch wenn dieser Grundsatz im Bodenschutzrecht mit Blick auf das typische Alter der Belastungen und den Umstand, häufig ohnehin Dritte zur Sanierung einsetzen müssen, nicht überbetont werden darf (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 8.11.2007 – OVG 11 B 14.05 – juris Rn. 68 f.; VG Regensburg, U.v. 7.12.2009 – RO 8 K 09.01987 – juris Rn. 63; Ruthig in Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 2, 4. Aufl. 2020, § 49 Rn. 67). Auch im konkreten Fall ist nicht ersichtlich, dass ein Handlungsstörer vorrangig hätte in Anspruch genommen werden müssen. Der Beklagte hat in seinem Bescheid aufgearbeitet, wer als potenzieller Störer in Erwägung zu ziehen war und auch ausreichend ausführlich dargelegt, dass und weshalb kein Handlungsstörer klar identifiziert werden konnte. Die Bodenuntersuchungen hätten zwar ergeben, dass sich zwei Schadensepochen (ältere und jüngere Schäden) unterscheiden ließen; eine Zuordnung zu den Betriebszeiten der verschiedenen Inhaber der Reinigungsbetriebe sei jedoch nicht möglich, zumal mangels einheitlichem Bodenmilieu nicht von einem gleich schnellen und gleichartigen mikrobiologischen Abbau der Kontaminationen auszugehen sei. Es bestünden daher keine erfolgversprechenden Möglichkeiten, mit ausreichender Sicherheit auf Verursachungszeitpunkte zurückzuschließen. Belastbare Zeugenaussagen, wer die Verunreinigungshandlungen verursacht habe, seien ebenfalls nicht vorhanden (vgl. Seiten 4 und 9 des Bescheids vom 21.5.2012). Weitere kaum erfolgversprechende Ermittlungen in Richtung auf frühere Verursacher nicht vorzunehmen und nicht zuletzt aus Effektivitätsgründen den Kläger als Verantwortlichen heranzuziehen, entspricht insoweit dem Zweck der Ermächtigungsgrundlage und wahrt die Grenzen des Ermessens.
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2. Die Inanspruchnahme des Klägers ist auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Behörde daran gehindert war, die bereits 1990 getroffene Störerauswahlentscheidung hinsichtlich der Voreigentümerin durch Bestimmung des Klägers als Adressaten nachträglich zu erweitern oder zu ersetzen (gleich ob auf Basis des alten Landesrechts oder des Bundes-Bodenschutzgesetzes).
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Die Behörde hat nach pflichtgemäßem Ermessen (Art. 40 BayVwVfG) zu entscheiden, wen sie zur Gefahrenbeseitigung auswählt, wenn mehrere Personen als Störer in Betracht kommen. Für die notwendige Reihungsentscheidung sind – erneut – der Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr, aber auch Aspekte der Zumutbarkeit und der gerechten Lastenverteilung maßgeblich (vgl. BayVGH, U.v. 30.1.2018 – 22 B 16.2099 – juris Rn. 16; VGH BW, U.v. 18.12.2012 – 10 S 744/12 – juris Rn. 36; BayVGH, U.v. 10.1.2005 – 24 BV 04.456 – juris Rn. 45). Hiernach kann die Behörde bei mehreren Störern grundsätzlich einen, mehrere oder auch alle heranziehen (vgl. OVG NW, U.v. 20.5.2015 – 16 A 1686/09 – juris Rn. 189; BayVGH, U.v. 28.11.2007 – 22 BV 02.1560 – juris Rn. 53 f.; BayVGH, U.v. 10.1.2005 – 24 BV 04.456 – juris Rn. 45). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb ihr diese Entscheidungsfreiheit nur vor der ersten Anwendung einer Befugnis, nicht aber auch nachträglich zusteht. Offensichtlich ist das in einem Fall, in dem ein Störer erst nachträglich bekannt geworden ist. Nichts anderes hat grundsätzlich zu gelten, wenn die Gefahrenabwehr mittels des zunächst in Anspruch Genommenen – aus welchen Gründen auch immer – scheitert (vgl. auch OVG NW, U.v. 20.5.2015 – 16 A 1686/09 – juris Rn. 191), abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall die Voreigentümerin ohnehin lediglich zur Durchführung sachverständiger Erkundungsmaßnahmen verpflichtet worden ist. Außerdem setzen die bodenschutzrechtlichen Untersuchungs- und Sanierungsbefugnisse nach ihrem Wortlaut allein voraus, dass die Behörde die vom Gesetzgeber abstrakt-generell in § 4 BBodSchG benannten Verpflichteten für den Einzelfall konkretisiert (vgl. BT-Drs. 13/6701, S. 34), um der jeweiligen inhaltlichen Maßnahme eine personelle Richtung zu geben. Eine Beschränkung hinsichtlich des Zeitpunkts einer solchen Konkretisierung enthält das Gesetz hingegen nicht. Folgerichtig kommt es für die Rechtmäßigkeit der Inanspruchnahme des Klägers auch nicht darauf an, dass der Bescheid, mit dem die Voreigentümerin in Anspruch genommen worden ist, förmlich aufgehoben oder angepasst wurde.
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3. Die Behörde selbst war nicht in den Kreis der Verantwortlichen einzubeziehen. Handlungsstörer durch positives Tun ist sie ersichtlich nicht. Ihr erwächst auch für den Fall von Untätigkeit, fehlerhaftem oder ineffektivem Handeln oder bei Feststellung von Überwachungsdefiziten in Kenntnis einer möglichen Kontamination keine – eine eigene ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit begründende – Garantenstellung (vgl. BVerwG, B.v. 7.8.2013 – 7 B 9.13 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 28.11.2007 – 22 BV 02.1560 – juris Rn. 55), die sodann die Ermessensfehlerhaftigkeit einer gleichwohl erfolgten Inanspruchnahme des Klägers zur Folge haben könnte (vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2007 – 22 ZB 07.22.1560 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 22.3.2001 – 22 ZS 01.738 – juris Rn. 3 f.).
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4. Das wirtschaftliche Unvermögen des Klägers führt ebenfalls nicht zur Fehlerhaftigkeit der behördlichen Auswahlentscheidung. Ob dies überhaupt möglich ist, kann offenbleiben (in diese Richtung BayVGH, B.v. 26.5.2010 – 22 CS 09.3250 – juris Rn. 15; s. a. OVG NW, U.v. 20.5.2015 -16 A 1686/09 – juris Rn. 193 f.), da vorliegend jedenfalls kein leistungsstarker Verantwortlicher ersichtlich ist, dessen Auswahl stattdessen in Betracht gekommen wäre.
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IV. Der Verkehrswert bildet zwar richtigerweise die Haftungsobergrenze (1.), der Bescheid ist aber insoweit rechtswidrig, als er ihn verbindlich auf 183.000,00 EUR festlegt (2.).
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1. Die Verantwortlichkeit des Zustandsverantwortlichen ist grundsätzlich auf den Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sanierung beschränkt, weil sie als Kehrseite der durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten eigentumsrechtlichen Entfaltungsfreiheit zugleich im Vermögensgegenstand ihre Grenze findet (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 56; BVerwG, B.v. 7.8.2013 – 7 B 9.13 – juris Rn. 10; s. a. noch unten Rn. 39 f.); insoweit ist gegen den Bescheid rechtlich nichts zu erinnern. Eine Reduktion der Haftungsgrenze ergibt sich für den Kläger auch nicht aus seiner 1997 abgeschlossenen Vereinbarung mit der Gesellschaft für Altlastensanierung in Bayern mbH (GAB) und dem dort von ihm festgelegten (und nur teilweise entrichteten) Finanzierungsbeitrag in Höhe von 150.000,00 DM, da an dieser der Beklagte nicht beteiligt ist.
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Da der Beklagte in den Gründen des Bescheids angedeutet hat, auch eine Haftung des Klägers über den Verkehrswert für denkbar zu halten (vgl. Bescheid vom 21.5.2012, S. 10 f.), weist der Senat mit Blick auf ein möglicherweise neues Verwaltungsverfahren vorsorglich auf Folgendes hin:
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a) Es ist anerkannt, dass eine Haftung über den Verkehrswert hinaus nicht nur in Betracht kommt, wenn der Erwerber das Risiko der entstandenen Gefahr kannte, sondern auch dann, wenn er es bewusst in Kauf genommen oder vor ihm in fahrlässiger Weise die Augen verschlossen hat (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 59 f.). Für die Bildung des Maßstabs zwecks Beurteilung des Vorliegens einer hierfür vorausgesetzten Obliegenheitsverletzung ist – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts (vgl. UA S. 33) – nicht relevant, wie sich die Behörde im Rahmen des bodenschutzrechtlichen Verwaltungsverfahrens verhalten hat, erst recht kommt es nicht darauf an, ob bei idealem Ablauf im Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks die Bodenbeeinträchtigung bereits beseitigt gewesen wäre. Nach allgemeinem Verständnis handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt (vgl. § 276 Abs. 2 BGB, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Der Fahrlässigkeitsmaßstab ist grundsätzlich jeweils objektiv und nimmt daher auf individuelle Umstände keine Rücksicht, auch wenn er insoweit Einbruchstellen für Subjektives kennt, als er auf eine konkrete Handlungssituation bezogen wird und nach Verkehrskreisen differenziert (vgl. für das Deliktsrecht Wagner in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 823 Rn. 38, 40; für das Vertragsrecht Grundmann in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2022, § 276 Rn. 55; für das Strafrecht Kudlich in v. Heintschel-Heinegg, BeckOK StGB, Stand 1.5.2023, § 15 Rn. 44, jeweils m.w.N.). Schon dieses objektive oder jedenfalls objektivierte Verständnis des Fahrlässigkeitsmaßstabs steht der einzelfallbezogenen Berücksichtigung des Verhaltens anderer, insbesondere des Beklagten, entgegen. Die gegebenenfalls reduzierte Schutzwürdigkeit eines Zustandsverantwortlichen ist Resultat nur seines eigenen Verhaltens bzw. Unterlassens und seiner Abweichung vom normativ Gebotenen, aber nicht Ergebnis einer Gesamtabwägung des Verhaltens unterschiedlicher Akteure im konkreten Fall oder der Berücksichtigung von fiktivem Alternativverhalten.
33
b) Allein die Kenntnis von der jahrzehntelangen gefahrgeneigten Grundstücksnutzung durch die verschiedenen Reinigungsbetriebe – diese hatte der Kläger schon ausweislich des § 15 des Kaufvertrags – dürfte im Regelfall keine Untersuchungsobliegenheit begründen, deren Verletzung eine erhöhte Haftung zur Folge haben könnte. Ohne jede Untersuchung trägt ein Eigentümer grundsätzlich das Risiko, das erworbene Grundstück zwecks Finanzierung einer Sanierung veräußern zu müssen, wirtschaftlich also einen Totalverlust zu erleiden. Ein Grundstückserwerber, der dieses „Basisrisiko“ eingeht, kann nicht unter Verweis auf seine Kenntnislosigkeit von der Bodenverunreinigung oder Altlast eine Haftung unterhalb des Verkehrswerts verlangen. Folgerichtig kann ihm in einem solchen Fall regelmäßig nicht ohne Weiteres ein höherer Belastungsbetrag zugemutet werden. Außerdem würde andernfalls im Ergebnis eine bodenschutzrechtliche Untersuchungsobliegenheit für alle vormals risikobetrieblich genutzten Grundstücke begründet, was kaum mit dem verfassungsrechtlichen Gebot vereinbar sein dürfte, das Handeln in „vorwerfbarer“ Unkenntnis mit dem Handeln in positiver Kenntnis nicht unterschiedslos gleichzusetzen (BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 61). Ferner spricht für die Verneinung einer Untersuchungsobliegenheit jenseits gesetzlicher Statuierung, dass ein Interessent eine Untersuchung nicht gegen den Willen des Veräußerers durchsetzen kann; dieser wird nicht selten mit Blick auf die bußgeldbewehrte Mitteilungspflicht nach Art. 1, 14 BayBodSchG hieran kein Interesse haben (vgl. Engelhardt in Holzapfel/Pöllath/Bergjan/Engelhardt, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, 16. Aufl. 2021, Rn. 1067; Hilf/Roth, DB 2005, 1951/1952 f.). Keine anderen Schlussfolgerungen dürften sich aus den kaufvertraglichen (Umwelt-)Haftungsregelungen des § 15 des Kaufvertrags ergeben; denn eine solche Regelung ist nur Ausdruck der im Zivilrecht geltenden Offenbarungspflichten im Rahmen der Gewährleistungshaftung (vgl. Engelhardt in Holzapfel/Pöllath/Bergjan/Engelhardt, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 1067 m.w.N.).
34
2. Die betragsmäßige Festlegung des Verkehrswerts durch Bescheid ist indes aus anderen Gründen rechtswidrig. Zumindest im vorliegenden Fall ist hierfür die Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit des Klägers Voraussetzung; sie durfte daher nicht schon im Sanierungsbescheid erfolgen (a). Im Übrigen – hierauf weist der Senat ebenfalls vorsorglich hin – ist der Betrag unzutreffend ermittelt, weil nicht alle relevanten Faktoren berücksichtigt worden sind; dingliche Belastungen hat der Beklagte hingegen zu Recht außer Betracht gelassen (b).
35
a) Die betragsmäßige Festlegung des Verkehrswerts als Belastungsgrenze in Nummer 5 des Bescheids ist unzulässig, weil sogar bis heute eine gesteigerte Ungewissheit über die Sanierungsdauer oder den Sanierungserfolg und damit zugleich über die Höhe des Verkehrswerts nach Sanierung besteht. In einem Fall solcher Ungewissheit muss der Beklagte zwar im Sanierungsbescheid regelmäßig die (Haftungs-)Grundentscheidung treffen, ob er den Verkehrswert (als abstrakte Entität) zur Belastungsobergrenze machen möchte oder ob er ausnahmsweise eine Haftung hierüber hinaus begründen möchte. Denn die dem Eigentümer zustehende Entscheidung, ob er die seine Zustandsverantwortlichkeit aktualisierende Sanierungsanordnung anfechten möchte, hängt jedenfalls auch davon ab, dass er weiß, ob er unbegrenzt mit den Kosten belastet sein wird (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 65; s.a. VG Ansbach, U.v. 5.2.2020 – AN 9 K 17.02181 – juris Rn. 110).
36
Verwehrt ist dem Beklagten aber zumindest im vorliegenden Fall, bereits eine betragsmäßige Haftungsobergrenze festzulegen. Das ist erst zulässig, wenn die Zustandsverantwortlichkeit des Klägers endet (in diese Richtung NdsOVG, B.v. 3.11.2005 – 11 ME 146/05 – juris Rn. 41; anders OVG NW, B.v. 6.2.2013 – 5 B 839/12 – juris Rn. 18; VGH BW, U.v. 8.3.2013 – 10 S 1190/09 – juris Rn. 67 ff.), also insbesondere, wenn er sein Eigentum rechtmäßig und schutzwürdig veräußert (§ 4 Abs. 6 BBodSchG), die Sanierung erfolgreich abgeschlossen ist oder der Beklagte den Kläger aus anderen Gründen nicht mehr weiter in Anspruch nehmen möchte. Die Herausnahme der betragsmäßigen Verkehrswertfestlegung aus dem behördlichen Entscheidungsprogramm bei Erlass der Sanierungsanordnung ist Konsequenz der grundrechtlichen Eigentumsfreiheit und in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits angelegt.
37
aa) Grundsätzlich nimmt das Bundesverfassungsgericht an, dass die Verwaltung verpflichtet ist, gleichzeitig mit der Anordnung von Sanierungsmaßnahmen über die Kostenbelastung und ihre Begrenzung zu entscheiden. Allerdings darf eine Sanierungsverfügung mit dem Vorbehalt einer gesonderten Entscheidung über die Kostentragung verbunden werden (also eine bescheidsmäßige Festlegung des Haftungsbetrags unterbleiben), wenn der Verwaltung die Gründe der Unzumutbarkeit im Zeitpunkt der Sanierungsanordnung nicht oder nicht vollständig bekannt sind und sie deshalb über die Kostentragung zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend entscheiden kann (BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 65).
38
bb) Die vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich geforderte Entscheidung über die Kostentragung und ihre Grenzen im Sanierungsbescheid setzt voraus, dass sowohl der Sanierungsaufwand als auch der Verkehrswert nach Sanierung (sofern er, wie meist, die Grenze der Haftung bildet) vorhersehbar sind. Folglich liegt ein Entscheidungshindernis über die Kosten(tragung) nicht nur in der vom Bundesverfassungsgericht implizit zugrunde gelegten Situation vor, dass Unsicherheit darüber besteht, ob die Sanierungskosten unterhalb des Verkehrswerts bleiben werden (hierzu vgl. etwa BayVGH, B.v. 18.4.2007 – 22 ZB 07.222 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 26.5.2010 – 22 CS 09.3250 – juris Rn. 16; OVG NW, B.v. 6.2.2013 – 5 B 839/12 – juris Rn. 18; VGH BW, U.v. 8.3.2013 – 10 S 1190/09 – juris Rn. 63 ff.; NdsOVG, B.v. 3.11.2005 – 11 ME 146/05 – juris Rn. 41), sondern – erst recht – auch dann, wenn schon der Verkehrswert nach Sanierung auch unter Anerkennung eines gerichtlich nicht voll kontrollierbaren (Markt-)Bewertungsspielraums (vgl. OVG Hamburg, B.v. 11.5.2023 – 2 Bs 32/23 – juris Rn. 13) nicht ausreichend verlässlich prognostiziert werden kann.
39
Besteht – wie hier – über den Verkehrswert nach Sanierung insbesondere deshalb gesteigerte Ungewissheit, weil der Sanierungserfolg unsicher oder jedenfalls die Sanierungsdauer unübersehbar ist, so ist dem Zustandsverantwortlichen eine – eher fiktive als prognostische (vgl. zu den handgreiflichen Abschätzungsproblemen anschaulich VGH BW, U.v. 8.3.2013 – 10 S 1190/09 – juris Rn. 63 ff.) – Festlegung der Belastungsgrenze durch Bezifferung des Verkehrswerts bereits im Sanierungsbescheid nicht zumutbar. Sie würde ihm das Risiko aufbürden, dass die frühzeitig festgelegte Haftungsobergrenze durch den Sanierungsaufwand im Ergebnis ausgeschöpft wird, aber der fiktive Verkehrswert später prognosewidrig nicht realisiert werden kann. Hierfür besteht vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund der (eigentums-)grundrechtlichen Limitierung der Haftung des Zustandsverantwortlichen kein rechtfertigender Grund; seine Belastung würde das Maß des nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 GG Zulässigen überschreiten.
40
(1) Zumutbar ist grundsätzlich nur der wirtschaftliche Totalverlust des Grundstücks, dem die Höhe des Verkehrswerts nach Sanierung (oder nach anderweitiger Beendigung der Verantwortlichkeit) entspricht. Es ist immanentes Kennzeichen der Eigentumsordnung, dass jeder Eigentümer – gleich ob einer Mobilie oder einer Immobilie – das Risiko des Objektuntergangs und seiner Folgen zu tragen hat. Beim Untergang einer beweglichen Sache versteht es sich von selbst, dass es der Eigentümer ist, der hieraus resultierende Folgen zu tragen hat; dabei ist gleichzeitig der ihm zugeordnete und zugemutete Schaden substanzmäßig auf den Gegenstand, ökonomisch auf dessen Wert beschränkt. Ebenso muss es sich bei Grundstücken verhalten. Da sich bei Immobilien die Schadensfolgen wesensmäßig nicht in einem Substanzverlust materialisieren können – der das Grundstück bildende Teil der Erdoberfläche geht bei einer Verunreinigung nicht im eigentlichen Sinne unter –, kann die zumutbare Belastung nur ökonomisch bemessen werden (vgl. Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139/156 f.). Ökonomischer Ausdruck des Risikos des Totalverlusts, dessen Hinnahme durch den Eigentümer unverbrüchlicher Bestandteil der auf Privatnützigkeit gegründeten Eigentumsordnung ist, ist aber nur der Verkehrswert nach Sanierung. Diese durch das Grundstück repräsentierte und bei Veräußerung realisierbare Summe hat der Zustandsverantwortliche für Zwecke der Sanierung aufzuwenden – mehr (in der Regel) nicht. Es ist folglich nicht zumutbar, dass der Haftungsbetrag den Wert des Grundstücks in einer ex post Betrachtung verfehlt. Es kommt dann auch nicht in Betracht, den Zustandsverantwortlichen auf einen möglichen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach Art. 51 BayVwVfG und eine nachträgliche Herabsetzung des Haftungsbetrags, einschließlich einer Rückerstattung, zu verweisen. In welchem Umfang „kleinere“ Prognose- bzw. Bewertungsunsicherheiten einer Bezifferung des Verkehrswerts bereits im Sanierungsbescheid nicht entgegenstehen und mit Blick auf ein effizienteres Verwaltungsverfahren und den Umstand gerechtfertigt werden können, dass sich ein Verkehrswert ohnehin nicht „centgenau“ ermitteln lässt (vgl. OVG Hamburg, B.v. 11.5.2023 – 2 Bs 32/23 – juris Rn. 13), muss vorliegend nicht entschieden werden.
41
(2) Dieses eigentumsrechtliche Wertungsgefüge liegt der Altlastenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Übrigen nicht nur hinsichtlich der Verkehrswertgrenze, sondern auch an anderen Stellen erkennbar zugrunde. Denn soweit die Haftung nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ausnahmsweise den Verkehrswert nach Sanierung überschreiten darf (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 59 f.), ist sie aus diesen Wertungsgründen gegenständlich auf das Vermögen beschränkt, welches mit dem sanierungsbedürftigen Grundstück zusammen eine funktionale Einheit darstellt. Auch in diesem Ausnahmefall ist die Zustandsverantwortlichkeit also keine Vermögenshaftung, bei der Nutzen und Risiko von ihrer eigentumsrechtlichen Wurzel entkoppelt würden (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 62; Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139/144). Dass umgekehrt die Belastung des Zustandsverantwortlichen mit Sanierungskosten bis zur Höhe des Verkehrswertes unzumutbar sein kann, wenn das zu sanierende Grundstück den wesentlichen Teil des klägerischen Vermögens bildet und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner Familie darstellt (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 58), ist insoweit nicht Folge der spezifisch-eigentumsrechtlichen Verkoppelung von Nutzen und Risiko, sondern eine hiervon losgelöste, im Sozialstaatsprinzip wurzelnde Verhältnismäßigkeitsüberlegung, die der besonderen sozialen Bedeutung von „Eigenheim-Grundeigentum“ Rechnung tragen möchte und insoweit die Interessen der Allgemeinheit an der Verschonung von Sanierungskosten belasteter Grundstücke niedriger gewichtet (vgl. auch BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 57 a.E.).
42
(3) Ein Rechtfertigungsgrund für eine Überbürdung des die Höhe des Verkehrswerts betreffenden Prognoserisikos auf den Zustandsverantwortlichen ergibt sich auch nicht aus dem Charakter des Bodenschutzrechts als Gefahrenabwehrrecht, das notwendigerweise durch Prognosen und nur gerichtliche Ex-ante-Kontrollen gekennzeichnet ist (vgl. BVerwG, U.v. 8.7.1998 – 11 A 53.97 – juris Rn. 25; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 114 Rn. 324). Denn anders als bei der Auswahl des Störers wird mit der Bestimmung des Verkehrswerts nur die zur Verfügung stehende Haftungssumme des Zustandsverantwortlichen bestimmt, aber keine Entscheidung zur Abwehr einer Gefahr getroffen. Es handelt sich in der Sache um eine Entscheidung auf der Kostenebene. Kosten werden jedoch allgemein, auch im Sicherheitsrecht, nicht auf der Basis von Prognosen (endgültig) abgerechnet, sondern auf Basis ihres tatsächlichen Anfalls (vgl. NdsOVG, B.v. 3.11.2005 – 11 ME 146/05 – juris Rn. 41 a.E.). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb das für die Bestimmung der Haftungssumme nicht grundsätzlich auch gelten soll.
43
(4) Dieses Ergebnis ist auch aus Sicht der Allgemeinheit sachgerecht, weil sie kein Interesse daran hat, durch eine frühzeitige Fixierung der Haftungsobergrenze etwaig nachträglich eingetretene sanierungsunabhängige Wertsteigerungen des Grundstücks (etwa als Folge planungs- und marktbedingter Wertsteigerungen – vgl. hierzu BVerfG, B.v. 16.2.2000 – 1 BvR 242/91, 1 BvR 315/99 – juris Rn. 56) außer Betracht lassen zu müssen. Im Übrigen dürfte es auch ohne genaue Bezifferung des Verkehrswerts nicht in jedem Fall ausgeschlossen sein, Vorschusspflichten nach Art. 36 Abs. 4 Satz 2 VwZVG zu begründen; zumindest kann es in Betracht kommen, jedenfalls den Ertragswert, den ein Zustandsverantwortlicher etwa mit der Verpachtung seines Grundstücks erzielt, zur Finanzierung sukzessive einzubeziehen.
44
Ob ungeachtet dessen für die Behörde die Möglichkeit besteht, einen „Mindestverkehrswert“ im Sanierungsbescheid festzusetzen – etwa den Wert des verunreinigt-unsanierten Grundstücks, da mit einer Verschlechterung des Verkehrswerts kaum zu rechnen sein dürfte –, muss vorliegend nicht entschieden werden. Ebenfalls keiner Entscheidung bedarf die Frage, ob bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Bescheids, der nach den Maßgaben des Senats den Verkehrswert festsetzt, aus eigentumsrechtlichen Gründen geboten ist, den im Bodenschutzrecht regelmäßig maßgeblichen Zeitpunkt von dem der letzten Behördenentscheidung auf den der gerichtlichen Kontrollentscheidung zu verschieben.
45
(5) Der Bescheid ist wegen des festgestellten Verstoßes nicht nur in Nummer 5, sondern insgesamt aufzuheben. Denn es fehlt – aus Sicht des Beklagten folgerichtig, aber durch den Senat im Rahmen einer Anfechtungsklage nicht korrigierbar – der notwendige Vorbehalt für eine nachträgliche Haftungsbeschränkung.
46
b) Für den Fall, dass nach dem Vorstehenden mit der Beendigung der Zustandsverantwortlichkeit der Verkehrswert bescheidsmäßig bestimmt werden darf, ist vorsorglich darauf hinzuweisen, dass mangels spezieller bodenschutzrechtlicher Vorschriften und wegen der vergleichbaren Interessenlagen hierfür die im Baurecht geltenden Regelungen anzuwenden sind. Da der in diesem Zusammenhang grundsätzlich bestehende Wertermittlungsspielraum der zuständigen Behörde nicht die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen der Bewertung umfasst (vgl. OVG Hamburg, B.v. 11.5.2023 – 2 Bs 32/23 – juris Rn. 13), kommt es nicht in Betracht, der Wertermittlung das Grundstück des Klägers unbesehen von verbleibenden Restkontaminationen oder – bei erfolgreicher Sanierung – die Annahme zugrunde zu legen, das Grundstück wäre nie kontaminiert gewesen (aa). Auch zulässige andere Nutzungen dürfen nicht völlig ausgeblendet werden (bb). Grundpfandrechte sind hingegen weder für die Verkehrswertbestimmung im engeren Sinne relevant (cc) noch kann mit ihnen eine Herabsetzung der Haftung unterhalb des Verkehrswerts begründet werden (dd).
47
aa) Maßgeblich für die Verkehrswertbestimmung sind namentlich die §§ 192 ff. BauGB und die Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Immobilien und der für die Wertermittlung erforderlichen Daten – Immobilienwertermittlungsverordnung vom 14. Juli 2014 – ImmoWertV (vgl. VG Stuttgart, U.v. 10.12.2014 – 3 K 3006/12 – juris Rn. 29). Nach § 194 BauGB ist der Verkehrswert der Marktwert und wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre (vgl. Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 194 Rn. 2; Danesitz in Haase/Jachmann, Beck'sches Handbuch Immobiliensteuerrecht, 2. Aufl. 2020, § 2 Rn. 14, 16). Hieraus ergibt sich, dass ausschließlich das konkrete und nicht nur ein vergleichbares Grundstück zu betrachten ist (vgl. § 2 Abs. 3 ImmoWertV; s. a. OVG NW, B.v. 6.2.2013 – 5 B 839/12 – juris Rn. 11). Folglich ist ein für den Grundstücksmarkt offenkundig relevanter Makel „Restkontamination“ (Restbelastung) bei der Wertbestimmung zu berücksichtigen, wenn das Grundstück nicht vollständig saniert werden kann (vgl. OVG RhPf, U.v. 12.7.2022 – 1 A 10363/21.OVG – juris Rn. 57; BayVGH, B.v. 13.4.2007 – 22 CS 06.2478 – juris Rn. 9; VG Ansbach, U.v. 5.2.2020 – AN 9 K 17.02181 – juris Rn. 114; VG Stuttgart, U.v. 10.12.2014 – 3 K 3006/12 – juris Rn. 35; Mohr, UPR 2020, 288; Mohr, NVwZ 2005, 904 ff.; Ginzky, DVBl. 2003, 169/172; Knopp, DÖV 2001, 441/451). Ferner ist in jedem Fall konkret zu erwägen, ob und weshalb der Grundstücksmarkt das schon einmal für den Eigentümer eingetretene Risiko der bodenschutzrechtlichen Inanspruchnahme auch im Falle einer erfolgreichen Sanierung nicht zumindest für einen begrenzten Zeitraum bei der Verkehrswertbildung als merkantilen Minderwert berücksichtigt.
48
bb) Als Basis der Wertbestimmung ist im Übrigen – entgegen der Annahme des Beklagten – nicht nur die konkrete gegenwärtige Nutzung des Grundstücks (vgl. OVG RhPf, U.v. 12.7.2022 – 1 A 10363/21.OVG – juris Rn. 59), sondern jede planungsrechtlich gegenwärtig oder auch absehbar zulässige Nutzung zugrunde zu legen. Nur das harmoniert mit der Wertung des Gesetzgebers in § 4 Abs. 4 BBodSchG und wird auch im Übrigen durch § 3 Abs. 2 und § 41 ImmoWertV deutlich (vgl. OVG NW, B.v. 6.2.2013 – 5 B 839/12 – juris Rn. 11; Ginzky, DVBl 2003, 169/172).
49
cc) Dingliche Belastungen, insbesondere Grundpfandrechte und der Umfang ihrer Valutierung, berücksichtigen die vorstehend genannten Bewertungsvorschriften hingegen nicht. Das ist auch sachgerecht, weil der Verkehrswert den Preis abbildet, den ein fingierter Durchschnittskäufer erwartungsgemäß zu bezahlen bereit ist. Dafür ist die dingliche Belastung eines Grundstücks nicht relevant. Im Gegenteil bieten Belastungen mit Grundpfandrechten – vorliegend nicht, aber im Regelfall – einen Anhaltspunkt für einen ihren Nennwert übersteigenden Wert des belasteten Grundstücks (vgl. VG Gelsenkirchen, B.v. 26.9.2014 – 9 L 1048/14 – Rn. 87; Storch in Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, NK-BGB, Band 3, Sachenrecht, Anhang 1, 5. Aufl. 2022, Rn. 245; Tiedtke in Korintenberg, GNotKG, 22. Aufl. 2022, § 46 Rn. 29; s.a. OLG Thüringen, B.v. 30.4.2020 – 4 W 24/20 – juris Rn. 15). Eine dingliche Belastung wirkt sich auf den Verkaufsvorgang vielmehr nur insoweit aus, als sich ihretwegen der Empfänger des Kaufpreises (teilweise) ändert. Der Verkäufer-Zustandsverantwortliche kündigt sein Darlehen nach § 490 Abs. 2 BGB, weil der Käufer das Grundstück regelmäßig lastenfrei erwerben möchte. Der so entstehende Ablösungsanspruch des Darlehensgebers, dessen Höhe sich im Wesentlichen aus der noch nicht getilgten Darlehensvaluta und der Vorfälligkeitsentschädigung ergibt (vgl. § 490 Abs. 2 BGB), wird im Einvernehmen mit dem Verkäufer vom Käufer an den Darlehensgeber entrichtet, der sodann – verpflichtet durch den Sicherungsvertrag – sein dingliches Recht am Grundstück nach § 875 Abs. 1 BGB aufgibt (vgl. Kirchner/Prasse/Steinbach-Martens in Schulze/Grziwotz/Lauda, BGB, Kommentiertes Vertrags- und Prozessformularbuch, 4. Aufl. 2020, § 311b BGB, Muster Grundstückskaufvertrag, § 3 Nr. 1).
50
dd) Es ist auch nicht aus Gründen der Zumutbarkeit geboten, dingliche Belastungen des verunreinigten Grundstücks in der Weise zu berücksichtigen, dass der an sich aus dem Verkehrswert gebildete Haftungsbetrag im Umfang der dinglichen Belastungen bzw. im Umfang der Valutierungsbeträge zu reduzieren ist (in diese Richtung ohne weitere Begründung BayVGH, B.v. 13.4.2007 – 22 CS 06.2478 – juris Rn. 10 unter Verweis auf Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139/160 f.; diesem Beschluss folgend das Verwaltungsgericht in der Ausgangsentscheidung, UA S. 30; s. a.VG Ansbach, U.v. 5.2.2020 – AN 9 K 17.02181 – juris Rn. 114; ebenso Ginzky, DVBl 2003, 169/172). Eine solche Berücksichtigung ist mit der Struktur der Eigentumsordnung und der sie begründen Zustandsverantwortlichkeit unvereinbar.
51
(1) Es ist der Eigentumsordnung immanent, dass jeder Eigentümer – gleich ob einer Mobilie oder einer Immobilie – grundsätzlich das Risiko des Objektuntergangs und seiner Folgen zu tragen hat (vgl. Rn. 40). Ist eine bewegliche Sache untergegangen, so versteht es sich von selbst, dass der Eigentümer sie nicht mehr nutzen kann, seine Kaufpreisinvestition frustriert ist und er gegebenenfalls bestehende Kreditverbindlichkeiten, die er etwa zur Finanzierung des Erwerbs begründet hat, weiter bedienen muss. Gleichermaßen muss es sich bei Grundstücken verhalten. Muss im Falle einer Grundstückskontamination die dem Zustandsverantwortlichen zumutbare Belastung wirtschaftlich mit dem Verkehrswert bemessen werden, so darf konsequenterweise der Kaufpreis ebenso wenig von der Haftungssumme in Abzug gebracht werden (vgl. VG Regensburg, U.v. 7.12.2009 – RO 8 K 09.01987 – juris Rn. 89; Ginzky, DVBl. 2003, 169/172) wie der Wert dinglicher Belastungen. Wäre dies anders, wäre der dem Grundeigentümer zugeordnete und zumutbare Schaden ökonomisch gerade nicht mehr auf den Wert des untergegangenen Gegenstands bezogen; der Grundeigentümer wäre ohne sachlichen Grund gegenüber einem Mobilieneigentümer privilegiert (im Ergebnis ebenso, aber mit anderer Begründung OVG RhPf, U.v. 12.7.2022 – 1 A 10363/21.OVG – juris Rn. 58; VG Frankfurt, U.v. 29.1.2002 – 3 E 3447/98 – juris Rn. 41; VG Frankfurt, B.v. 23.7.1999 – 14 G 212/99 – NVwZ 2000, 107/109; implizit auch VG Gelsenkirchen, B.v. 26.9.2014 – 9 L 1048/14 – juris Rn. 87; s.a. Tollmann, Die umweltrechtliche Zustandsverantwortlichkeit, 2007, S. 190 f.).
52
Mithin lässt sich für die Annahme einer haftungsreduzierenden Wirkung von Grundpfandrechten auch nicht anführen, dass das Bundesverfassungsgericht in der Altlastenentscheidung auf die „konkrete Vermögenssituation“ des pflichtigen Eigentümers rekurriert habe (so aber Huber/Unger, VerwArch 96 (2005), 139/160 f.; diesen folgend BayVGH, B.v. 13.4.2007 – 22 CS 06.2478 – juris Rn. 10). Denn das hat das Bundesverfassungsgericht für die Frage der grundsätzlichen Inanspruchnahme des Eigentümers nicht getan. Die „konkrete Vermögenssituation“ ist weder begrifflich noch in der Sache Argumentationstopos in der Altlastenentscheidung. Nur bei der individuellen Verhältnismäßigkeitsprüfung, wie sie in jedem Einzelfall vorzunehmen ist, argumentiert das Bundesverfassungsgericht in der Sache mit einer konkreten Betrachtung des Vermögens. (Nur) deshalb ist es auch nicht ausgeschlossen, dass sich in einem konkreten Fall aus dem Bestehen von Grundpfandrechten Aspekte ergeben können, die eine Inanspruchnahme zum vollen Verkehrswert unzumutbar erscheinen lassen; eine schematische Berücksichtigung dinglicher Belastungen ist aber eigentumsrechtlich gerade nicht geboten. Der Beklagte wird in einem gegebenenfalls neuen Verwaltungsverfahren insoweit auch im vorliegenden Fall die besondere Überlastungssicherungssituation des klägerischen Grundstücks zu würdigen haben.
53
(2) Folgerichtig kann sich auch der eingetragene Bodenschutzlastvermerk nach § 25 BBodSchG, der eine dingliche Belastung bildet, die zwangsvollstreckungsrechtlich anderweitigen Sicherungen vorgeht, nicht auf die Haftung des Klägers auswirken. Es gelten insoweit die gleichen Überlegungen wie für Grundpfandrechte.
54
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
55
D. Der Senat lässt die Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu, weil insbesondere die Frage, unter welchen Voraussetzungen im Rahmen einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsanordnung der Verkehrswert als Haftungsobergrenze festgelegt werden darf und welche Umstände und Markterwartungen hierbei berücksichtigt werden können, grundsätzliche Bedeutung aufweist.