Titel:
Unzulässiger Normenkontrollantrag – hier: fehlendes Rechtsschutzbedürfnis und fehlende Darlegung der Antragsbefugnis
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2, Abs. 6
BauGB § 13b
Leitsätze:
1. Nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens mit erneutem Satzungsbeschluss und erneuter Bekanntmachung entsteht ein neuer Bebauungsplan, sodass für eine beantragte Außervollzugsetzung des ursprünglichen Bebauungsplans kein Rechtsschutzbedürfnis erkennbar ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird im Wesentlichen die Verletzung von Verfahrensrecht (§ 3 Abs. 2 S. 1 BauGB und § 13b BauGB) bzw. eine Vorabfestlegung für die Abwägung geltend gemacht, ohne aufzuzeigen, dass der Antragsteller in eigenen Rechten verletzt sein könnte, ist eine Antragsbefugnis nicht dargetan. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, Fehlende Darlegung der Antragsbefugnis, Normenkontrollantrag, beschleunigtes Verfahren, Bebauungsplan, Rechtsschutzbedürfnis, Antragsbefugnis
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26238
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB am 22. Dezember 2020 beschlossenen und am 22. Januar 2021 bekannt gemachten Bebauungsplan „H. II“.
2
Das Planungsgebiet umfasst eine bislang unbebaute Fläche von ca. 25.500 m² und liegt in Verlängerung der H.straße am nördlichen Ortsrand von B.. Der Bebauungsplan weist ein reines Wohngebiet mit insgesamt 38 Parzellen für eine dreireihige Bebauung mit Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern aus.
3
Der Antragsteller ist Eigentümer des an der H.straße gelegenen Grundstücks FlNr. …, Gemarkung B.., das sich in einer Entfernung von ca. 220 m südwestlich des Plangebiets befindet und mit einem Wohngebäude bebaut ist. Am 21. Mai 2021 stellte er einen Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan. Zur Begründung führte er aus, der Bebauungsplan sei unwirksam. Die Auslegung im Aufstellungsverfahren sei fehlerhaft erfolgt. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB nicht vor, da sich das Planungsgebiet nicht an dem im Zusammenhang bebauten Ortsteil anschließe. Der Bebauungsplan sei zudem abwägungsfehlerhaft, da im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin im Vorfeld eingegangenen finanziellen Verpflichtungen in Gestalt des Erwerbs von bislang landwirtschaftlichen Flächen zu Baulandpreisen und die bereits erfolgten Ausgaben für die Verfüllung des A.stollens eine ergebnisoffene Abwägung nicht mehr möglich gewesen sei.
4
Die Antragsgegnerin trat dem Normenkontrollantrag entgegen. Der Normenkontrollantrag sei mangels Antragsbefugnis bereits unzulässig, da der Antragsteller nicht vorgetragen habe, inwieweit der Bebauungsplan seine individuellen Belange betreffen könne.
5
Am 4. August 2023 beantragte der Antragsteller,
6
den Bebauungsplan „H. II“ der Antragsgegnerin, bekannt gemacht durch amtliche Bekanntmachung im T. … vom 22. Januar 2021, bis zur Entscheidung in der Hauptsache außer Vollzug zu setzen.
7
Der Normenkontrollantrag werde im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2023 (Az. 4 CN 3.22), wonach § 13b BauGB unionsrechtswidrig sei, voraussichtlich Erfolg haben, sodass der Bebauungsplan außer Vollzug zu setzen sei. Auf ca. 14 der 38 festgesetzten Bauparzellen sei bereits mit dem Bau begonnen worden. Zur Vermeidung schwerer Nachteile sei der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung daher dringend geboten.
8
Die Antragsgegnerin hat im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens am 22. Februar 2022 den Bebauungsplan erneut beschlossen und ihn am 25. März 2022 erneut bekannt gemacht.
9
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Normaufstellungsakten Bezug genommen.
10
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO bleibt ohne Erfolg.
11
Dem Antrag fehlt bereits das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens mit erneutem Satzungsbeschluss und erneuter Bekanntmachung ist ein neuer Bebauungsplan entstanden, der sich aus zwei Teilnormgebungsakten zusammensetzt, während der ursprüngliche Plan nicht mehr existiert (vgl. BVerwG, U.v. 29.06.2021 – 4 CN 8.19 – BVerwGE, 173, 75; B.v. 12.7.2017 – 4 BN 7.17 – BauR 2017, 1677), sodass für die beantragte Außervollzugsetzung des ursprünglichen Bebauungsplans kein Rechtsschutzbedürfnis erkennbar ist.
12
Selbst wenn man den Antrag nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel wohlwollend zu Gunsten des Antragstellers dahingehend auslegt, dass er mit seinem Antrag die Aussetzung der Vollziehung des Bebauungsplans in der Gestalt des ergänzenden Verfahrens begehrt, ist der Antrag mangels Darlegung einer Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO unzulässig.
13
Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Der Eigentümer eines Grundstücks, für das der Bebauungsplan Festsetzungen trifft, ist grundsätzlich nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 u.a. – BauR 2018, 814). Der Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks ist antragsbefugt, wenn er eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen kann. Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2019 – 3 BN 2.18 – NVwZ-RR 2019, 1027; U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Die Antragsbefugnis ist jedoch dann nicht gegeben, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich ausscheidet (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2015 – 4 BN 30.14 – BauR 2015, 967; B.v. 10.7.2012 – 4 BN 16.12 – BauR 2012, 1771).
14
Gemessen an diesen Maßstäben ist eine Antragsbefugnis nicht dargetan. Mit der Begründung des Normenkontrollantrags wird im Wesentlichen die Verletzung von Verfahrensrecht (§ 3 Abs. 2 Satz 1 und § 13b BauGB) bzw. eine Vorabfestlegung der Antragsgegnerin für die Abwägung geltend gemacht, ohne aufzuzeigen, dass der Antragsteller in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Soweit er auf seine im Aufstellungsverfahren vorgetragenen Einwendungen verweist, fehlt es den dortigen Ausführungen ebenfalls an einem spezifischen Bezug zum Grundstück des Antragstellers sowie der substantiierten Darlegung der Möglichkeit der Verletzung von eigenen Belangen, zumal sich die Antragsgegnerin ausführlich in der Abwägungsentscheidung mit den vorgetragenen Einwendungen auseinandergesetzt hat. Allein die Tatsache, dass sein Grundstück an der Zufahrtsstraße zum ausgewiesenen Baugebiet liegt, ist nicht ausreichend.
15
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
16
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).