Inhalt

VGH München, Beschluss v. 15.09.2023 – 11 ZB 22.2525
Titel:

Ausnahmegenehmigung für ein verkleinertes Kfz-Kennzeichen – Berufungszulassung

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
FZV § 9 Abs. 1, § 12 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, § 76 Abs. 1, Anl. 4 Abschn. 1 Nr. 4
Leitsätze:
1. Ein ausnahmsweiser Anspruch auf das Führen eines verkleinerten zweizeiligen Kennzeichens an einem (US-amerikanischen) Fahrzeug – ohne Oldtimer-Eigenschaft – mit einer kleinen Anbringungsstelle kommt nicht in Betracht, wenn ein reguläres Kennzeichen mit einfachen Mitteln, etwa Distanzstücken oder Kennzeichenhaltern, angebracht werden kann. (Rn. 14, 15, 19, 22 und 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach Anl. 4 Abschn. 1 Nr. 4 FZV hat der Halter für den Fall, dass es der Zulassungsbehörde nicht möglich ist, für ein Fahrzeug ein Kennzeichen zuzuteilen, das an der am Fahrzeug vorgesehenen Stelle angebracht werden kann, Veränderungen am Fahrzeug vorzunehmen, die die Anbringung eines vorschriftsmäßigen Kennzeichens ermöglichen, sofern die Veränderungen nicht unverhältnismäßigen Aufwand erfordern. Wird in einem von der Zulassungsbehörde wegen eines Zweifelsfalls verlangten Gutachten festgestellt, dass an einem Kraftfahrzeug die Anbringung eines vorschriftsmäßigen hinteren Kennzeichens einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert oder technisch nicht möglich ist, kann die Zulassungsbehörde eine Ausnahme zum Führen eines verkleinerten zweizeiligen Kennzeichens genehmigen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Privilegierung von Oldtimern durch Zuteilung verkleinerter zweizeiliger Kennzeichen unabhängig davon, ob das Anbringen der regulären Kennzeichen mit einem Eingriff in die Substanz des Fahrzeugs oder einem unverhältnismäßigen finanziellen Aufwand verbunden wäre, wird damit begründet, dass die Forderung nach einem Umbau nicht mit den Anforderungen an das "fahrzeugtechnische Kulturgut" vereinbar sei. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Zuteilung regulärer Kennzeichen liegt im Interesse der Verkehrssicherheit, die erfordert, dass amtliche Kennzeichen auf eine ausreichende Entfernung lesbar sein müssen, um u.a. bei Verkehrsverstößen oder in zivilrechtlichen Haftungsfällen den verantwortlichen Halter eines Kraftfahrzeugs auch bei höheren Fahrzeuggeschwindigkeiten noch ermitteln zu können. Dieses Interesse der Verkehrssicherheit ist höher zu gewichten als das ästhetischen Interesses des Betroffenen an einem möglichst kleinen bzw. zur originalen Anbringungsstelle passenden Kennzeichens, sodass die großzügige Praxis zu Oldtimern nicht auf andere Fallkonstellationen auszudehnen ist. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zuteilung eines Kfz-Kennzeichens, Anspruch auf Genehmigung einer Ausnahme zum Führen eines verkleinerten zweizeiligen Kennzeichens (verneint), Pkw aus US-Produktion mit kleiner Anbringungsstelle für das hintere Kennzeichen, Zumutbarkeit von Veränderungen am Fahrzeug, die die Anbringung eines vorschriftsmäßigen hinteren Kennzeichens erlauben, Ermessensfehler (verneint), vorschriftsmäßiges hinteres Kennzeichen, Veränderungen am Fahrzeug, unverhältnismäßigen Aufwand, Ausnahme zum Führen eines verkleinerten zweizeiligen Kennzeichens, Privilegierung von Oldtimern, Interesse der Verkehrssicherheit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 28.10.2022 – RO 3 K 20.1193
Fundstellen:
LSK 2023, 26230
DAR 2024, 227
BeckRS 2023, 26230

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger begehrt die Genehmigung einer Ausnahme zum Führen eines verkleinerten zweizeiligen Kennzeichens.
2
Der Kläger ist Eigentümer eines Fahrzeugs des Typs Chrysler Dodge Magnum SRT 8 mit Erstzulassung und Baujahr 2008, das am 13. Juni 2019 vom Landratsamt Cham mit dem Saisonkennzeichen … … auf den Kläger zugelassen wurde. Für die Rückseite des Kraftfahrzeugs wurde dabei ein zweizeiliges Kennzeichen gemäß Abschnitt 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b der Anlage 4 zur Fahrzeugzulassungsverordnung (FZV) zugeteilt.
3
Mit Anwaltsschreiben vom 2. August 2019 und 17. September 2019 ließ der Kläger beantragen, zumindest für das hintere Kennzeichen eine Ausnahmegenehmigung für ein verkleinertes Kennzeichen gemäß Abschnitt 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d der Anlage 4 zur FZV zu erteilen. Die vom Hersteller des originalen US-Fahrzeugs vorgesehene Anbringungsstelle für das hintere Kennzeichen, die Einbuchtung am Heck, habe eine Breite von 320 mm und eine Höhe von lediglich 160 mm. Deswegen habe der Unstrut-Hainichen-Kreis dem Vorbesitzer ausweislich der Zulassungsbescheinigung eine entsprechende Ausnahme erteilt; die Anbringungsstelle biete allein Platz für ein zweizeiliges verkleinertes Europakennzeichen. Eine Veränderung des Fahrzeugs oder des Kennzeichenhalters würde zu einer erheblichen Beeinträchtigung und Wertminderung des Pkw führen. Von diesem existierten nur wenige Exemplare, so dass es sich hier – ähnlich wie bei Oldtimern – um ein „fahrzeugtechnisches Kulturgut“ handle, dessen Erhalt sich nicht mit einem Umbau vereinbaren lasse.
4
Das Landratsamt teilte dem Klägerbevollmächtigten daraufhin mit Schreiben vom 6. August 2019 sowie 23. September 2019 mit, Muster und Maße der Kennzeichen seien in Anlage 4 zur FZV verbindlich geregelt. Verkleinerte zweizeilige Kennzeichen seien danach grundsätzlich nur für Leichtkrafträder sowie für Zugmaschinen und Anhänger mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 40 km/h zuzuteilen. Sei es der Zulassungsbehörde nicht möglich, ein Kennzeichen zuzuteilen, das an der am Fahrzeug vorgesehenen Stelle angebracht werden könne, habe der Halter Veränderungen am Fahrzeug vorzunehmen, die die Anbringung eines vorschriftsmäßigen Kennzeichens ermöglichten, sofern die Veränderungen keinen unverhältnismäßigen Aufwand erforderten. In Zweifelsfällen könne die Zulassungsstelle die Vorlage eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr verlangen. Hier sei auf die Anforderung eines solchen Gutachtens verzichtet worden. Das Fahrzeug sei am 13. Juni 2019 zusammen mit dem Kläger besichtigt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass das zugeteilte Kennzeichen z.B. mit Hilfe von Distanzstücken angebracht werden könne. Bei dem klägerischen Fahrzeug handle es sich auch nicht um einen Oldtimer. Bei diesen sei davon auszugehen, dass die Forderung eines Umbaus nicht mit den Anforderungen an das „fahrzeugtechnische Kulturgut“ vereinbar sei, so dass hier kein Umbau verlangt werde.
5
Am 9. Juli 2020 erhob der Kläger Klage auf Verpflichtung des Beklagten zur Zuteilung eines verkleinerten zweizeiligen hinteren Kennzeichens, die das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 28. Oktober 2022 abwies. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Ausnahmegenehmigung. Diese liege im Ermessen der Zulassungsbehörde, die dabei allerdings die Vorgaben der Anlage 4 zur FZV beachten müsse, die die Richtung der Ermessensausübung im Sinn eines intendierten Ermessens vorgäben. Hier könne an der vom Hersteller vorgesehenen Stelle unstreitig kein einzeiliges oder zweizeiliges Kennzeichen in gängiger Größe angebracht werden. Daher habe der Kläger nach Abschnitt 1 Nr. 4 Satz 6, Satz 7 der Anlage 4 zur FZV Veränderungen am Fahrzeug vorzunehmen, um eine Anbringung zu ermöglichen, es sei denn der dafür erforderliche Aufwand sei technisch oder finanziell unverhältnismäßig. Dies sei hier offenkundig nicht der Fall. Der Kläger habe den Umbau, wie sich aus den mit der Klage vorgelegten Lichtbildern des Fahrzeugs ergebe, bereits vorgenommen. Dabei habe er das hintere Kennzeichen so angebracht, dass das untere Ende – bei einer lediglich leichten Neigung – nur geringfügig über die für das Kennzeichen vorgesehene Vertiefung im hinteren Stoßfänger hinausrage, während sich der obere Teil so in die Einbuchtung einfüge, dass die vorhandene Beleuchtungseinrichtung funktionsfähig bleibe. Selbst wenn diese Anbringung noch nicht fest vorgenommen sein sollte, zeigten die Aufnahmen, dass eine normgerechte Befestigung eines regulären Kennzeichenschildes beispielsweise mit einfachen Distanzstücken ohne Weiteres bewerkstelligt werden könne. Dabei werde das Fahrzeug selbst in seiner Substanz nicht nachhaltig verändert. Damit gehe der klägerische Einwand fehl, ein Umbau des Fahrzeugs sei, ähnlich wie bei Oldtimern, mit der Bewahrung des Fahrzeugs als „fahrzeugtechnischem Kulturgut“ unvereinbar. Der Aufwand stehe offensichtlich auch nicht in einem Missverhältnis zum Wert des Fahrzeugs. Optische oder ästhetische Gesichtspunkte müssten ebenso wie persönliche Präferenzen außer Betracht bleiben. Daher habe der Beklagte die begehrte Ausnahmegenehmigung in Anlehnung an die normative Wertung des Abschnitts 1 Nr. 4 der Anlage 4 zur FZV ablehnen können, ohne dass es weiterer Ermessenserwägungen bedurft hätte.
6
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten, eine grundsätzliche Bedeutung sowie einen Verfahrensmangel geltend.
7
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
8
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend dargelegt sind (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
9
1. Aus dem Vorbringen des Klägers, auf das sich die Prüfung des Verwaltungsgerichtshofs beschränkt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung.
10
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn ein tragender Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und sich die Frage, ob die Entscheidung aus anderen Gründen im Ergebnis richtig ist, nicht ohne nähere Prüfung beantworten lässt (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2022 – 22 ZB 21.2116 – BayVBl 2022, 493 Rn. 11; OVG NW, B.v. 1.10.2020 – 1 A 2433/20 – juris Rn. 4; SächsOVG, B.v. 8.12.2019 – 6 A 740/19 – juris Rn. 3; BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16 f.; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 = juris Rn. 9). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
11
a) Das klägerische Verpflichtungsbegehren beurteilt sich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Daher ist im Zulassungsverfahren das Verordnungsrecht zu Grunde zu legen, das sich aus der zum 1. September 2023 in Kraft getretenen Verordnung zum Neuerlass der Fahrzeug-Zulassungsverordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 20. Juli 2023 (BGBl I Nr. 199) ergibt (vgl. dazu Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 24).
12
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Fahrzeugen zum Straßenverkehr vom 20. Juli 2023 (Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) hat die Zulassungsbehörde dem Fahrzeug ein Kennzeichen zuzuteilen, um eine Identifizierung des Fahrers zu ermöglichen. Das Kennzeichen hat aus einem Unterscheidungszeichen für den Verwaltungsbezirk, in dem das Fahrzeug zugelassen ist, und einer auf das einzelne Fahrzeug bezogenen Erkennungsnummer zu bestehen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 FZV). Das Unterscheidungszeichen und das Erkennungszeichen sind mit schwarzer Schrift auf weißem schwarz gerandetem Grund auf ein Kennzeichenschild aufzubringen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 FZV). Nach § 12 Abs. 2 Satz 2 FZV müssen Form Größe und Ausgestaltung des Kennzeichenschilds einschließlich Beschriftung den Mustern, Abmessungen und Angaben in Anlage 4 zur FZV entsprechen.
13
Anlage 4 zur FZV deckt sich – soweit hier von Interesse – inhaltlich mit der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Anlage 4 zur FZV in der bis zum 31. August 2023 geltenden Fassung. Für einen Pkw, wie er hier in Rede steht, sieht sie vor, dass die Zulassungsbehörde das Kennzeichen als einzeiliges (Abschnitt 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a) oder zweizeiliges Kennzeichen (Abschnitt 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b) zuteilt. Für die Breite der Kennzeichenschilder bestimmt die Verordnung insoweit jeweils ein Größtmaß, für die Höhe ein festes Maß von 110 mm bei einzeiligen Kennzeichen und 200 mm bei zweizeiligen Kennzeichen. Verkleinerte zweizeilige Kennzeichen, für die der Verordnungsgeber Kennzeichenschilder mit einem Größtmaß der Breite von 255 mm und einer festen Höhe von 130 mm vorgibt, dürfen hingegen grundsätzlich nur für Leichtkrafträder sowie land-, forstwirtschaftliche und gleichzusetzende Fahrzeuge nach § 12 Abs. 6 Nr. 1 FZV zugeteilt werden (Abschnitt 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d, Abschnitt 1 Nr. 1 Satz 2 der Anlage 4 zur FZV).
14
Eine Ausnahme davon kann jedoch mit Blick auf Abschnitt 1 Nr. 4 der Anlage 4 zur FZV in Betracht kommen. Danach darf das Kennzeichen nicht größer sein als die etwa vorgeschriebene oder die vom Hersteller vorgesehene Anbringungsstelle dies zulässt (Satz 4). Ist es der Zulassungsbehörde nicht möglich, für ein Fahrzeug ein Kennzeichen zuzuteilen, das an der am Fahrzeug vorgesehenen Stelle angebracht werden kann, so hat der Halter Veränderungen am Fahrzeug vorzunehmen, die die Anbringung eines vorschriftsmäßigen Kennzeichens ermöglichen, sofern die Veränderungen nicht unverhältnismäßigen Aufwand erfordern; in Zweifelsfällen kann die Zulassungsbehörde die Vorlage eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr oder eines Technischen Dienstes, der zur Prüfung von Gesamtfahrzeugen der jeweiligen Fahrzeugklasse zur Erlangung einer EU-Typgenehmigung benannt ist, verlangen (Satz 6). Wird in einem solchen Gutachten festgestellt, dass an einem Kraftfahrzeug die Anbringung eines vorschriftsmäßigen hinteren Kennzeichens nach Nr. 1 Satz 1 Buchst. a, b oder c einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert oder technisch nicht möglich ist, kann die Zulassungsbehörde eine Ausnahme zum Führen eines verkleinerten zweizeiligen Kennzeichens nach Nr. 1 Satz 1 Buchst. d genehmigen; dies gilt nicht, wenn durch nachträgliche Änderungen oder den Anbau von Zubehör die Anbringung eines vorschriftsmäßigen Kennzeichens nicht mehr möglich ist (Satz 7).
15
Ferner sieht § 76 Abs. 1 FZV, der sich im hier interessierenden Umfang mit der vom Verwaltungsgericht herangezogenen Bestimmung in § 47 Abs. 1 in der bis zum 31. August 2023 geltenden Fassung deckt, vor, dass die zuständigen obersten Landesbehörden oder die von ihnen bestimmten oder nach Landesrecht zuständigen Stellen – vorbehaltlich der in Satz 2 genannten, hier nicht einschlägigen zwingenden Bestimmungen – Ausnahmen von den Vorschriften über das Zulassungsverfahren genehmigen können. Diese Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Das Merkmal der Ausnahmesituation ist dabei keine eigene tatbestandliche Voraussetzung, sondern Teil der Ermessensentscheidung. Bei der Entscheidung darüber hat die Behörde den mit dem Ge- bzw. Verbot verfolgten öffentlichen Interessen die besonderen Belange der davon Betroffenen unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegenüberzustellen. Dabei ist zu beachten, dass die Ausnahmegenehmigung das Schutzgut der Norm, von der eine Ausnahme erteilt werden soll, nicht wesentlich beeinträchtigen darf (vgl. zu alldem BVerwG, U.v. 21.2.2002 – 3 C 33.01 – NZV 2002, 426 = juris Rn. 20; OVG NW, U.v. 12. 5. 2000 – 8 A 2698/99 – NZV 2000, 514 = juris Rn. 18 ff., jeweils zu § 70 StVZO; BayVGH, B.v. 14.10.2022 – 11 ZB 21.2089 – NJW 2023, 169 Rn. 14 m.w.N. zu § 46 StVO; VG Berlin, U.v. 18.11.2015 – 11 K 330.15 – juris Rn. 15; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Aufl. 2023, § 47 FZV Rn. 2). Die Zuständigkeit für die Entscheidung liegt in Bayern bei den Kreisverwaltungsbehörden (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung über Zuständigkeiten im Verkehrswesen – ZustVVerk – vom 22. Dezember 1998 [GVBl S. 1025], zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. August 2022 [GVBl S. 551]).
16
b) Davon ausgehend stellt der Antrag auf Zulassung der Berufung die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Beklagte habe die begehrte Ausnahmegenehmigung in Anlehnung an die normative Wertung des Abschnitts 1 Nr. 4 der Anlage 4 zur FZV ablehnen können, ohne dass es weiterer Ermessenserwägungen bedurft hätte, nicht ernstlich in Zweifel.
17
Dabei kann dahinstehen, in welchem Verhältnis Abschnitt 1 Nr. 4 Satz 7 der Anlage 4 zur FZV und § 76 Abs. 1 FZV stehen. Teilweise wird angenommen, Rechtsgrundlage für die begehrte Zuteilung eines verkleinerten zweizeiligen Kennzeichens sei allein § 76 FZV und die Regelung in Abschnitt 1 Nr. 4 Satz 7 der Anlage 4 zur FZV enthalte bloß einschränkende Vorgaben für die Ermessensentscheidung (in diesem Sinne VG Koblenz, U.v. 15.5.2006 – 4 K 1442/05.KO – juris Rn. 21, 32; VG Würzburg, U.v. 23.2.2022 – W 6 K 21.644 – juris Rn. 28 ff.). Vertreten wird aber auch, dass die Regelungen in Abschnitt 1 Nr. 4 der Anlage 4 zur FZV i.V.m. § 12 Abs. 2 Satz 2 FZV sowie in § 76 Abs. 1 FZV jeweils eigenständige Rechtsgrundlagen für eine Ausnahmegenehmigung darstellen, bei der Entscheidung nach § 76 FZV jedoch die Wertungen der vorrangig zu prüfenden Anlage 4 zu berücksichtigen sind (in diesem Sinne VG Berlin, U.v. 18.11.2015 – 11 K 330.15 – juris Rn. 13, 15).
18
Ferner bedarf keiner Erörterung, ob die Verordnung, wenn sie die Ausnahme nach Abschnitt 1 Nr. 4 Satz 7 der Anlage 4 zur FZV an die technische Unmöglichkeit der Anbringung eines vorschriftsmäßigen hinteren Kennzeichens oder an einen „unverhältnismäßigen Aufwand“ knüpft, damit ein Tatbestandsmerkmal umschreibt oder die Feststellung dieser Voraussetzungen nicht vielmehr – der vorgenannten Konzeption des § 76 FZV und vergleichbarer Ausnahmeregelungen folgend – Teil der Ermessensentscheidung ist.
19
aa) Dem zentralen Argument der angegriffenen Entscheidung, aus den vom Kläger vorgelegten Lichtbildern sei ersichtlich, dass es technisch ohne Weiteres und mit geringem finanziellen Aufwand möglich sei, mittels einfacher Distanzstücke ein reguläres, d.h. vorschriftsmäßiges zweizeiliges hinteres Kennzeichen (Abschnitt 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b der Anlage 4 zur FZV) anzubringen, ohne die Substanz des klägerischen Fahrzeugs zu verändern, tritt der Antrag auf Zulassung der Berufung bereits nicht entgegen. Abgesehen davon deckt sich diese Annahme des Verwaltungsgerichts mit dem substantiierten Vorbringen des Beklagten, wonach sich das hintere Kennzeichen z.B. mit Hilfe im Handel erwerblicher Unterlegkeile, Distanzstücke oder Montagesätze leicht schräg an der dafür vorgesehenen Stelle montieren lasse und etwaige Kanten durch Kennzeichenverstärker vollständig entschärft werden könnten. Ferner gehen auch die Arbeitshinweise des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 6. Februar 2018 (Gz. IIE6-3614-1-13-2) davon aus, in der Regel könne ein reguläres Kennzeichen mittels technischer Lösungen, etwa unter Rückgriff auf marktübliche oder individuell angefertigte Kennzeichenhalter, am Fahrzeug angebracht werden. Dies entspricht schließlich den Erkenntnissen, die in der einschlägigen Verwaltungsrechtsprechung wiedergegeben werden (vgl. VG Würzburg, U.v. 23.2.2022 – W 6 K 21.644 – juris Rn. 39; VG Berlin, U.v. 18.11.2015 – 11 K 330.15 – juris Rn. 13).
20
bb) Soweit der Kläger darauf verweist, dass der Beklagte bei Oldtimern großzügiger verfährt, vermag er damit ebenfalls nicht durchzudringen.
21
Die Ausführungen dazu in den vorgenannten Arbeitshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern sowie die Erläuterungen des Landratsamts im gegenständlichen Verfahren lassen sich zwar so verstehen, dass für Oldtimer verkleinerte zweizeilige Kennzeichen unabhängig davon zugeteilt werden, ob das Anbringen der regulären Kennzeichen mit einem Eingriff in die Substanz des Fahrzeugs oder einem unverhältnismäßigen finanziellen Aufwand verbunden wäre. Dennoch zeigt der Antrag auf Zulassung der Berufung insoweit keinen Rechtsfehler, insbesondere keinen nach § 114 VwGO beachtlichen Ermessensfehler auf.
22
Die Privilegierung von Oldtimern wird damit begründet, die Forderung nach einem Umbau sei nicht mit den Anforderungen an das „fahrzeugtechnische Kulturgut“ vereinbar. Dies beruht ersichtlich auf der Erwägung, bei Oldtimern, die ihrem Wesen nach weitestgehend dem Originalzustand entsprechen und der Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturguts dienen (vgl. § 2 Satz 1 Nr. 22 FZV), bestehe ein gewichtiges Interesse daran, das Gesamtbild des Fahrzeugs nicht durch solche Kennzeichen zu beeinträchtigen, die nicht zu der im Original vorgesehene Anbringungsstelle passen.
23
Soweit der Beklagte mit Blick auf das klägerische Fahrzeug darauf abgestellt hat, dieses sei kein Oldtimer und stelle auch kein sonstiges fahrzeugtechnisches Kulturgut dar, ist kein Rechts- bzw. Ermessensfehler, insbesondere kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG), ersichtlich. Wenn Abschnitt 1 der Anlage 4 zur FZV die Zuteilung verkleinerter zweizeiliger Kennzeichen für Pkw nur unter engen Voraussetzungen zulässt, hat dies seinen Grund darin, dass diese aus der Distanz schlechter als die regulären Kennzeichen zu lesen und damit weniger geeignet sind, ihren Zweck zu erfüllen, die Identifizierung des Halters zu ermöglichen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 FZV). Denn die Buchstaben und Zahlen eines regulären einzeiligen oder zweizeiligen Kennzeichens für Pkw haben eine Schrifthöhe von 75 mm (Abschnitt 1 Nr. 2.2.1, Nr. 2.2.2 sowie Abschnitt 2 Nr. 1, Nr. 2 der Anlage 4 zur FZV), während verkleinerte zweizeilige Kennzeichen – ersichtlich aus Platzgründen – nur eine Schrifthöhe von 49 mm aufweisen (Abschnitt 1 Nr. 2.2.3 sowie Abschnitt 2 Nr. 3 der Anlage 4 zur FZV). Damit liegt die Zuteilung regulärer Kennzeichen, wie auch das Landratsamt vor dem Verwaltungsgericht ergänzend ausgeführt hat, im Interesse der Verkehrssicherheit. Diese erfordert, dass amtliche Kennzeichen auf eine ausreichende Entfernung lesbar sein müssen, um u.a. bei Verkehrsverstößen oder in zivilrechtlichen Haftungsfällen den verantwortlichen Halter eines Kraftfahrzeugs auch bei höheren Fahrzeuggeschwindigkeiten noch ermitteln zu können (vgl. VG Koblenz, U.v. 15.5.2006 – 4 K 1442/05.KO – juris Rn. 42). Dem gegenüber steht das ästhetische Interesse des Betroffenen an einem möglichst kleinen bzw. zur originalen Anbringungsstelle passenden Kennzeichen. Dazu hat der Beklagte ausgeführt, dass insbesondere Liebhaber US-amerikanischer Kraftfahrzeuge kleine Kennzeichen wünschen, die den amerikanischen möglichst nahe kommen. Dies deckt sich mit dem Eindruck aus der Diskussion, die – teilweise recht emotional – zu dieser Thematik in einschlägigen Internetforen geführt wird. Auch wenn das Anliegen des Klägers subjektiv durchaus nachvollziehbar sein mag, liegt es auf der Hand und bedurfte hier keiner näheren Begründung, warum der Beklagte insoweit das vorgenannte Interesse der Verkehrssicherheit höher gewichtet und die großzügige Praxis zu Oldtimern nicht auf andere Fallkonstellationen ausdehnt. Dabei kann dahinstehen, inwieweit verkleinerte zweizeilige Kennzeichen die Vorgabe aus Art. 36 Abs. 3, Anhang 2 Abs. 2 des von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierten Übereinkommen über den Straßenverkehr vom 8. November 1968 (Wiener Übereinkommen, BGBl 1977 II S. 809, zuletzt geändert durch Änderungsübereinkommen vom 24.3.2014, BGBl II 2016 S. 1306), erfüllen, wonach das Kennzeichen grundsätzlich so ausgestaltet und angebracht sein muss, dass es am Tage bei klarem Wetter und stehendem Fahrzeug auf mindestens 40 m (130 Fuß) für einen in der Verlängerung der Fahrzeuglängsachse stehenden Beobachter lesbar ist (vgl. dazu auch VG Koblenz, a.a.O.).
24
2. Aus dem Antrag auf Zulassung der Berufung ergibt sich auch keine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO), die zu einer Zulassung der Berufung wegen eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 1 Nr. 5 VwGO) führen könnte. Die Verletzung der Sachaufklärungspflicht des Gerichts ist nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung nur dann ausreichend bezeichnet, wenn im Einzelnen dargetan wird, welche Tatsachen auf der Grundlage der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zu welchen Beweisthemen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis diese Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte, inwiefern das angefochtene Urteil auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann und dass auf die Erhebung der Beweise vor dem Tatsachengericht durch Stellung förmlicher Beweisanträge hingewirkt worden ist oder – sollte dies nicht der Fall gewesen sein – aufgrund welcher Anhaltspunkte sich die unterbliebene Sachaufklärung dem Gericht hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.10.2020 – 5 BN 1.20 – juris Rn. 24 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das das klägerische Vorbringen nicht, wenn es einwendet, in Zweifelsfällen sei ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen für den Kraftfahrzeugverkehr anzufordern, daher hätte es daher im Sinne des Amtsermittlungsgrundsatzes weiterer Aufklärung im gerichtlichen Verfahren bedurft. Insoweit wird, wie bereits erwähnt, schon der Annahme des Verwaltungsgerichts, aus den vorgelegten Bildern ergebe sich ohne Weiteres auch ohne Gutachten, dass der Kläger das Kennzeichenschild für ein reguläres zweizeiliges Kennzeichen zumutbar anbringen könne, nichts entgegengesetzt.
25
3. Soweit die Zulassungsbegründung besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in den Raum stellt, sind deren Voraussetzungen nicht dargelegt und nach dem Vorstehenden auch nicht gegeben.
26
4. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
27
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.
28
6. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).