Inhalt

VGH München, Beschluss v. 18.09.2023 – 10 CS 22.863 , 10 C 22.864
Titel:

Erfolgloser Eil- und PKH-Antrag mit dem Ziel der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken

Normenketten:
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
AufenthG § 16b Abs. 2 S. 4
Leitsätze:
1. Ändert sich im Laufe des Verfahrens die Sach- und Rechtslage zugunsten der Antragsteller- bzw. Klägerseite, ist ausnahmsweise der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts im Beschwerdeverfahren maßgeblich, wenn nach dem materiellen Recht bei einer Entscheidung in der Hauptsache im Laufe des Verfahrens eingetretene Entwicklungen zu berücksichtigen sind (Fortführung von BeckRS 2018, 26914). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn den gesetzlichen Regeln eine starre zeitliche Obergrenze nicht zu entnehmen ist, geht die von den Verwaltungsgerichten gebilligte Vollzugspraxis der Ausländerbehörden davon aus, dass ein angemessener Zeitraum in der Regel dann nicht mehr gegeben ist, wenn das Studium unter Berücksichtigung der bisherigen Studienleistungen und des dafür aufgewandten Zeitbedarfs nicht innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren abgeschlossen werden kann. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums, Prozesskostenhilfe, Angemessenen Zeitraum für das Erreichen des Studienerfolgs, entscheidungserheblicher Zeitpunkt, nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage, Aufenthaltserlaubnis, Studium, angemessener Zeitraum
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 14.03.2022 – M 10 S 21.6694, M 10 K 21.6693
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26222

Tenor

I. Die Verfahren 10 CS 22.863 und 10 C 22.864 werden zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.
II. Die Beschwerde im Verfahren 10 CS 22.863 wird verworfen.
III. Die Beschwerde im Verfahren 10 C 22.864 wird zurückgewiesen.
IV. Die Antragstellerin hat die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.
V. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren 10 CS 22.863 wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin verfolgt im Verfahren 10 CS 22.863 mit ihrer Beschwerde ihren Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer beim Verwaltungsgericht anhängigen Klage (M 10 K 21.6693) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. November 2021 weiter, mit dem diese ihren Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis zu Studienzwecken abgelehnt und ihr die Abschiebung angedroht hat. Mit ihrer Beschwerde im Verfahren 10 C 22.864 verfolgt sie ihren Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und das Antragsverfahren weiter.
2
Die Antragstellerin, eine vietnamesische Staatsangehörige, reiste 2008 in das Bundesgebiet ein. 2011 nahm sie ein Studium auf und erhielt zu diesem Zweck eine bis zum 27. April 2017 verlängerte Aufenthaltserlaubnis; im Februar 2017 schloss sie ihr Studium im Bachelor-Studiengang Ethnologie ab. Nachdem sie keinen Arbeitsplatz fand, nahm sie im Wintersemester 2018/2019 ein Studium im Master-Studiengang Cultural and Cognitive Linguistics auf und erhielt hierfür am 20. Dezember 2018 eine bis zum 15. November 2020 gültige Aufenthaltserlaubnis. Am 30. Oktober 2020 beantragte sie die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis, was von der Antragsgegnerin mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 16. November 2021 abgelehnt wurde.
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Die Antragstellerin erhob hiergegen Klage (M 10 K 21.6693) mit dem Ziel der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und beantragte die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (M 10 S 21.6694); ferner beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und das Eilverfahren.
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Mit dem angefochtenen Beschluss vom 14. März 2022 lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sowie den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und das Eilverfahren ab.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Antragstellerin habe nach summarischer Prüfung keinen Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Studiums (§ 16b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 8 Abs. 1 AufenthG). Es sei nicht zu prognostizieren, dass sie den Abschluss des Master-Studiums noch in einem angemessenen Zeitraum erreichen könne. Zwar habe die Antragstellerin, die sich derzeit tatsächlich im 7. Semester befinde, die Regelstudienzeit für das Master-Studium (üblicherweise vier Semester) noch nicht überschritten, da die Regelstudienzeit nach Art. 99 Abs. 2 BayHSchG aufgrund der Corona-Pandemie in ihrem Fall sieben Semester betrage. Jedoch sei die Gesamtaufenthaltsdauer von in der Regel zehn Jahren mit einer nunmehrigen Gesamtaufenthaltsdauer von 13 Jahren überschritten, und es sei nicht mehr davon auszugehen, dass die Antragstellerin ihren Abschluss noch in einem angemessenen Zeitraum erreichen werde. Sie habe bisher ein eher mäßiges Leistungsverhalten gezeigt; ausweislich des Notenkontoauszugs vom 6. September 2021 habe sie 15 Prüfungen nicht bestanden und fünf Prüfungen bestanden und dabei lediglich 27 von 120 ECTS-Punkten erreicht. Die Behinderungen aufgrund der Corona-Pandemie und vorgetragene gesundheitliche Probleme könnten dies nicht erklären. Wenn die Antragstellerin vortrage, ihr Studium bis September 2022 abschließen zu wollen, und die Universität von einem möglichen Abschluss bis März 2023 ausgehe, erscheine dies gerade auch aufgrund ihrer jüngsten Studienleistungen als unwahrscheinlich. Ferner sei im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts auch der Lebensunterhalt der Antragstellerin nicht im Sinn des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gesichert.
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Die Antragstellerin erhob am 4. April 2022 ohne einen Prozessbevollmächtigten Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts.
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Zur Begründung trug sie mit Schreiben vom 19. April 2022 unter Vorlage entsprechender Unterlagen vor, sie studiere momentan im 4. Semester, die Regelstudienzeit ihres Fachs werde bis zum 7. Semester laufen. Sie habe bis jetzt weitere neun und damit insgesamt 36 ECTS-Punkte erreicht, das Ergebnis zweier weiterer Prüfungen erhalte sie in Kürze. Auch habe sie ein Stipendium beantragt.
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Mit Schreiben vom 9. Mai 2022 brachte sie vor, sie habe nunmehr 42 ECTS-Punkte erreicht und wolle im laufenden Semester mehrere Prüfungen schaffen, um das Studium bald zu beenden. Auch habe sie einen Nebenjob gefunden, mit dem sie ihren Lebensunterhalt finanzieren könne.
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Am 22. August 2022 teilte sie mit, sie sei im Sommersemester 2022 an Corona erkrankt und in Quarantäne gewesen. Weitere Noten werde sie im Oktober 2022 bekommen.
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Die Antragsgegnerin übersandte am 30. Mai 2023 eine Stellungnahme des zuständigen Prüfungsamts der Universität vom 20. Februar 2023. Hieraus ergibt sich, dass die Antragstellerin seit dem Wintersemester 2018/2019 im Master-Studiengang Cultural and Cognitive Linguistics studiere. Die Regelstudienzeit in diesem Studiengang seien vier Semester, spätestens am Ende des 7. Semesters müssten alle Prüfungsleistungen erbracht sein. Da die Antragstellerin durchgehend in diesem Studiengang eingeschrieben gewesen sei, verlängere sich die maximale Studiendauer in ihrem Fall um vier „Corona-Semester“. Das bedeute, dass sie die noch ausstehenden Prüfungsleistungen bis zum Ende des Wintersemesters 2023/2024 erbringen müsse. Es fehlten aktuell noch 61 ECTS-Punkte. Pro Semester sollten 30 ECTS-Punkte erbracht werden. Ein erfolgreicher Abschluss des Studiums sei, formal betrachtet, noch möglich.
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Die Antragsgegnerin trug in ihrer Stellungnahme vom 30. Mai 2023 vor, im Wintersemester 2022/2023 habe die Antragstellerin an sieben Prüfungen teilgenommen, jedoch lediglich zwei bestanden. Im Sommersemester 2023 sei sie im 10. Fachsemester (22. Hochschulsemester), aus dem vorgelegten Notenspiegel ergebe sich, dass sie 72 ECTS-Punkte erreicht habe. Faktisch sei aber ein erfolgreicher Abschluss des Studiums in einem angemessenen Zeitraum oder gar innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums nicht mehr möglich. Selbst bei Abzug der vier „Corona-Semester“ erlaube es ihr individuelles Leistungsverhalten nicht, eine positive Erfolgsprognose anzustellen. Die Stellungnahme der Universität bestätige nur den formal möglichen und nicht den individuell zu erwartenden Studienerfolg.
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Das Gericht hat die Antragstellerin mit Anhörungsschreiben vom 6. Juli 2023 darauf hingewiesen, dass die Beschwerde im Verfahren 10 CS 22.863 mangels Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten als unzulässig verworfen werde müsse. Die Beschwerde im Verfahren 10 C 22.864 sei dagegen zulässig. Da sie im Verfahren geäußert habe, das Studium bis Ende 2022 abschließen zu können, habe das Gericht vorerst noch nicht entschieden und abgewartet, ob sich aus dem Studienverlauf ergebe, dass sie ihr derzeitiges Studium in Kürze werde abschließen können. Dies sei jedoch nach der Stellungnahme des Prüfungsamts nicht der Fall. Einen Studienerfolg könne sie nur noch erreichen, wenn sie bis zum Ende des kommenden Wintersemesters 2023/2024 die restlichen Leistungen erbringe, dies sei in Anbetracht des bisherigen Studienverlaufs allerdings eher unwahrscheinlich. Der Antragstellerin wurde eine Äußerungsfrist bis zum 31. Juli 2023 eingeräumt; eine Äußerung erfolgte nicht.
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Im Übrigen wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerden, die gemäß § 93 Satz 1 VwGO zu gemeinsamer Entscheidung verbunden wurden, bleiben erfolglos.
15
1. Die Beschwerde im Verfahren 10 CS 22.863 (Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage) ist bereits deshalb unzulässig und zu verwerfen, weil sie dem Vertretungserfordernis des § 147 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO nicht genügt. Nach dieser Vorschrift müssen sich die Beteiligten vor dem Oberverwaltungsgericht (und damit auch vor dem Verwaltungsgerichtshof), außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch die in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO bezeichneten Rechtsanwälte oder Hochschullehrer als Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, die noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden, mit denen aber ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte und die sonstigen in § 67 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 VwGO genannten Personen und Organisationen zugelassen.
16
Die Antragstellerin wurde in der Rechtsmittelbelehrungdes angegriffenen Beschlusses, in der Eingangsbestätigung des Verwaltungsgerichtshofs vom 6. April 2022 und erneut in dem gerichtlichen Schreiben vom 6. Juli 2023 auf das Vertretungserfordernis hingewiesen.
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Aber auch wenn die Beschwerde zulässig wäre, wäre sie aus den nachfolgend dargelegten Gründen jedenfalls unbegründet, weil die Klage in der Hauptsache aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird.
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2. Die Beschwerde im Verfahren 10 C 22.864 (Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klage- und das Eilverfahren erster Instanz) ist zwar zulässig, da in Prozesskostenhilfeverfahren die Vertretung durch Bevollmächtigte nicht vorgeschrieben ist (§ 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO), aber nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die Voraussetzungen dafür nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht vorliegen.
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Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V. mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
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Hinsichtlich der Erfolgsaussichten dürfen die Anforderungen nicht überspannt werden. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit in dem Sinn, dass der Prozesserfolg schon gewiss sein muss, ist nicht erforderlich, sondern es genügt bereits eine sich bei summarischer Überprüfung ergebende Offenheit des Erfolgs. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nämlich nicht selbst bieten, sondern ihn erst zugänglich machen (stRspr d. BVerfG, vgl. z.B. B.v. 4.8.2016 – 1 BvR 380/16 – juris Rn. 12; B.v. 28.7.2016 – 1 BvR 1695/15 – juris Rn. 16 f.; B.v. 13.7.2016 – 1 BvR 826/13 – juris Rn. 11 f.; B.v. 20.6.2016 – 2 BvR 748/13 – juris Rn. 12).
21
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist der Zeitpunkt der Bewilligungsreife, der gegeben ist, sobald die vollständigen Prozesskostenhilfeunterlagen vorliegen und die Gegenseite mit angemessener Frist zur Stellungnahme angehört worden ist. Im vorliegenden Fall ist der insoweit maßgebliche Zeitpunkt der 24. Februar 2022, als die Antragsgegnerin sich unter Aktenvorlage zu dem Verfahren äußerte; der vollständige Antrag auf Prozesskostenhilfe war beim Verwaltungsgericht am 3. Februar 2022 eingegangen.
22
Ändert sich jedoch im Laufe des Verfahrens die Sach- und Rechtslage zugunsten der Antragsteller- bzw. Klägerseite, ist ausnahmsweise der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts im Beschwerdeverfahren maßgeblich, wenn nach dem materiellen Recht bei einer Entscheidung in der Hauptsache im Laufe des Verfahrens eingetretene Entwicklungen zu berücksichtigen sind (BayVGH, B.v. 5.10.2018 – 10 C 17.322 – juris Rn. 6 m.w.N.), so dass sich infolge dieser Änderung nunmehr hinreichende Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung erkennen lassen. Denn für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Klage und damit auch für den Beurteilungszeitpunkt kommt es allein auf das materielle Recht an. Es wäre mit dem Sinn der Vorschriften über die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vereinbar, würde man unter Berufung auf das Fehlen hinreichender Erfolgsaussichten in der Vergangenheit die Beschwerde zurückweisen und einen Antragsteller darauf verweisen, wegen einer aufgrund einer Änderung der Sach- und Rechtslage mittlerweile positiven Beurteilung der Erfolgsaussichten einen erneuten Antrag auf Prozesskostenhilfe zu stellen (BayVGH, B.v. 10.4.2013 – 10 C 12.1757 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 21.12.2009 – 19 C 09.2958 – juris Rn. 3 ff., jeweils m.w.N.).
23
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Klage ebenso wie das Eilverfahren keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat; ebenso liegen keine zugunsten der Antragstellerin sich auswirkende nachträglichen Entwicklungen vor.
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Nach der hier einzig in Betracht kommenden Rechtsgrundlage § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG wird die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums an einer Hochschule verlängert, wenn der Aufenthaltszweck noch nicht erreicht ist und in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann.
25
Der angemessene Zeitraum im Sinne des § 16b Abs. 2 Satz 4 AufenthG bestimmt sich nach dem Aufenthaltszweck und den persönlichen Umständen sowie dem Bemühen des Ausländers, das Ziel seines Aufenthalts in einem überschaubaren Zeitraum zu erreichen. Anhaltspunkte für die zu treffende Prognoseentscheidung sind unter anderem die üblichen Studien- und Aufenthaltszeiten und das bisherige Studienverhalten des Ausländers, vor allem bisher erbrachte Zwischenprüfungen und Leistungsnachweise (stRspr, vgl. zuletzt z.B. BayVGH, B.v. 1.8.2022 – 10 CS 22.1596 – juris Rn. 7; U.V. 21.2.2022 – 10 B 21.1290 – juris Rn. 20; B.v. 16.4.2019 – 10 CS 19.445 – juris Rn. 6; B.v. 6.12.2018 – 10 CS 18.2271 – juris Rn. 10; B.v. 20.8.2018 – 10 CS 18.789 – juris Rn. 10 m.w.N.). Spezifischen, vor allem sprachlichen Schwierigkeiten ausländischer Studierender ist dabei angemessen Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.1994 – 1 B 10.94 – juris Rn. 4; U.v. 18.8.1981 – I C 88.76 – juris Rn. 30). Gleiches gilt für krankheitsbedingte Verzögerungen des Abschlusses des Studiums (BayVGH, B.v. 16.4.2019 – 10 CS 19.445 – juris Rn. 8; B.v. 6.12.2018 – 10 CS 18.2271 – juris Rn. 10 m.w.N.). Auch wenn den gesetzlichen Regeln eine starre zeitliche Obergrenze nicht zu entnehmen ist, geht die von den Verwaltungsgerichten gebilligte Vollzugspraxis der Ausländerbehörden davon aus, dass ein angemessener Zeitraum in der Regel dann nicht mehr gegeben ist, wenn das Studium unter Berücksichtigung der bisherigen Studienleistungen und des dafür aufgewandten Zeitbedarfs nicht innerhalb einer Gesamtaufenthaltsdauer von zehn Jahren abgeschlossen werden kann (Nr. 16.2.5 Sätze 2 bis 3 AVV-AufenthG; vgl. auch BayVGH, U.v. 26.5.2011 – 19 BV 11.174 – juris Rn. 24).
26
Zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung ist weiterhin nicht erkennbar, dass die Antragstellerin den Abschluss ihres Master-Studiums noch in einem angemessenen Zeitraum erreichen könnte.
27
Die Regelstudienzeit in ihrem Master-Studiengang beträgt vier Semester, die maximale Studiendauer sieben Semester. Aufgrund der Corona-Regelungen verlängert sich die maximale Studiendauer in ihrem Fall um weitere vier Semester; nach Auskunft des zuständigen Prüfungsamtes müsste sie bis zum Ende des Wintersemesters 2023/2024 alle Studien- und Prüfungsleistungen erbracht haben. Nach dem Stand vom Februar 2023 fehlten ihr noch 61 von 120 ECTS-Punkten, nach der letzten Mitteilung der Antragsgegnerin hat sie bis zum Sommersemester 2023 72 ECTS-Punkte erreicht. Angesichts dieses Studienverlaufs kann nicht mehr die Prognose gestellt werden, die Antragstellerin könnte den Studienabschluss noch innerhalb der Höchststudiendauer, also bis zum Ablauf des Wintersemesters 2023/2024 erreichen. Die Antragstellerin hat auf das gerichtliche Anhörungsschreiben vom 6. Juli 2023 keine Äußerung mehr abgegeben und somit auch keine Umstände dargelegt, die einen Studienerfolg realistisch erscheinen lassen könnten; derzeit ist nicht einmal feststellbar, ob sie noch immatrikuliert ist.
28
Da bereits die Voraussetzung, dass der Studienerfolg in einem angemessenen Zeitraum noch erreicht werden kann, nicht vorliegt, kommt es auf die Frage, ob derzeit der Lebensunterhalt der Antragstellerin gesichert ist, nicht mehr an.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
30
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren 10 CS 22.863 ergibt sich aus § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
31
Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren 10 C 22.864 bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr anfällt.
32
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).