Inhalt

VG München, Urteil v. 28.07.2023 – M 5 K 22.780
Titel:

Rechtmäßigkeit der Beurteilung eines Richters

Normenketten:
BBG § 21
DRiG § 46
BLV § 48
Leitsätze:
1. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, die für die Erstellung von Beurteilungen vorgesehenen Fristen mit einer gewissen Flexibilität zu handhaben, insbes. das Ende des Beurteilungszeitraums auf einen Monatsanfang festzulegen, um die Erstellung und weitere Bestimmung von Beurteilungszeiträumen zu vereinfachen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Anwendung eines uneinheitlichen Beurteilungsmaßstabs kann nicht schon damit begründet werden, dass die Beurteilerin/der Beurteiler nunmehr einen etwas strengeren Maßstab anwendet um die Beurteilungsnoten damit insgesamt abzusenken, da der Bereich des Prädikats "gut" zu ausgeprägt gewesen sei; auch kommt gerade in der Nichteinhaltung der Quotenvorgabe zum Ausdruck, dass die Beurteilerin/der Beurteiler ihren/seinen Beurteilungsspielraum ohne Vorgaben oder Einengungen ausgeübt hat. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dienstliche Beurteilung, Richter am Bundespatentgericht, Vergleichsgruppe, Quantität, Qualität, Erledigungszahlen, Voreingenommenheit (verneint), dienstliche Beurteilung, Voreingenommenheit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 14.02.2024 – 6 ZB 23.1557
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26082

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Der im Jahr 1971 geborene Kläger steht als Richter am Bundespatentgericht in Diensten der Beklagten.
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Er erhielt für den Beurteilungszeitraum … Juni 2016 bis … Mai 2019 durch die damalige Präsidentin des Bundespatentgerichts am … November 2020 eine periodische dienstliche Beurteilung („Personal- und Befähigungsnachweis“), die auf das Gesamturteil „vollbefriedigend, obere Grenze“ lautet.
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Der Richter erhob Widerspruch gegen diese Beurteilung. Dieser wurde im Wesentlichen damit begründet, dass sich das Beurteilungsverfahren eineinhalb Jahre hingezogen habe. Die Beurteilerin sei ihm gegenüber voreingenommen. Das zeige sich bereits an der zeitlich unterschiedlich erfolgten Beurteilung vergleichbarer Richter des Gerichts. Es sei auch kein einheitlicher Beurteilungsmaßstab angelegt worden, insbesondere mit Blick auf die Erledigungszahlen. Auch die persönliche Einsatzbreite sei nicht bei allen Beurteilungen gleichmäßig gewichtet worden. Die Beurteilung weiche auch von den Beurteilungsvoten und dem Beurteilungsentwurf zum Nachteil des Klägers ab. Die Bewertung der Belastbarkeit fehle. Auch die in Zusammenhang mit der Referatsleitertätigkeit wahrgenommenen Zusatzaufgaben seien nicht berücksichtigt worden. Das gelte auch für einen Vortrag. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom … Januar 2022 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde am … Januar 2022 zugestellt.
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Mit Schriftsatz vom … Februar 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Kläger Klage erhoben. Die Erstellung der dienstlichen Beurteilung habe unangemessen lange gedauert. Insbesondere sei damit das Recht des Klägers auf Chancengleichheit verletzt worden. Dem Entwurf der Beurteilung habe auch – entgegen der ständigen Verwaltungspraxis – eine Note gefehlt. Der Beurteilungszeitraum belaufe sich auch entgegen der Bestimmung in den Beurteilungsgrundsätzen des Gerichts nicht auf drei Jahre nach der Eignungsfeststellung, sondern umfasse weniger als drei Jahre (...6.2016 bis …5.2019). Es sei auch ein uneinheitlicher Beurteilungsmaßstab angewendet worden. Insbesondere bezüglich der Erledigungszahlen sei ein Vergleich zu den Markenrichtern insgesamt gezogen worden und nicht entsprechend der Beurteilungsgrundsätze zur mittleren Leistung im Senat. Das Beurteilungsermessen sei auch fehlerhaft ausgeübt worden, da von den Beurteilungsvoten der Senatsvorsitzenden zu Ungunsten des Klägers abgewichen worden sei. Im Vergleich der „Landesjuristen“ sei eine große Notenspreizung festzustellen, die zeige, dass es bei der Notenvergabe in der Vergleichsgruppe überwiegend nur auf die Erledigungen angekommen sei. 80% der Vergleichsgruppe der „Landesjuristen“ liege über der Note „vb-obere Grenze“, was als Beurteilungsprädikat drei Jahre nach der Eignungsfeststellung nach der Verwaltungspraxis des Bundespatentgerichts vergeben werde. Außerdem seien seine Verwaltungstätigkeit und seine wissenschaftliche Tätigkeit nicht vollständig erfasst und berücksichtigt worden. Das gelte insbesondere für die Tätigkeit für das Gericht bei „juris“. Auch die Verwendungsbreite des Klägers sei nicht berücksichtigt worden, entsprechend auch nicht das Kriterium der Belastbarkeit, dessen Bewertung in den Beurteilungsgrundsätzen vorgesehen sei. Insgesamt zeige sich dadurch die Voreingenommenheit der Beurteilerin gegenüber dem Kläger.
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Die Klagepartei hat zuletzt beantragt,
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Die Beklagte wird verurteilt, die dienstliche Beurteilung des Klägers vom … November 2020 für den Beurteilungszeitraum … Juni 2016 bis … Mai 2019 sowie den Widerspruchsbescheid des Bundesministeriums der Justiz vom … Januar 2022 aufzuheben und den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu beurteilen.
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Das Bundesministerium der Justiz hat für die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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In der Übermittlung des Entwurfs der Beurteilung ohne Note wie ohne Abzeichnung durch den Vizepräsidenten liege kein Verfahrensfehler. Die Dauer der Erstellung der Beurteilung sei den zahlreichen Änderungswünschen des Klägers nach der Entwurfsfassung, die dieser drei Monate nach Übermittlung des Entwurfs mitgeteilt habe, und den besonderen Umständen während der Pandemie geschuldet gewesen. Auch der Beurteilungszeitraum sei nicht rechtsfehlerhaft gewählt. Denn der Beurteilungszeitraum sei mit mindestens drei Jahren festgelegt. Eine Kürzung um wenige Tage zum Zweck eines glatten Monatsabschlusses sei nicht rechtwidrig und häufiger erfolgt. Insbesondere sei kein einheitlicher Stichtag für die Beurteilungen vorgesehen. Auch der Beurteilungsmaßstab sei nicht in rechtlich relevanter Weise verletzt worden. Vergleichsgruppe für den Kläger seien alle rechtskundigen Mitglieder des Bundespatentgerichts und beschränke sich nicht auf die „Landesjuristen“. Auch die durchschnittliche Erledigungszahl von 188 beziehe sich auf die Vergleichsgruppe der Richter in den Markensenaten. Die Formulierung der Erledigungszahl im Verhältnis zur mittleren Leistung im Senat beziehe sich nur auf die Erstellung der Voten der Senatsvorsitzenden. Es liege auch ausdrücklich kein Rechtsverstoß darin, dass die Beurteilerin die Voten der Senatsvorsitzenden nicht wörtlich übernommen habe. Das gilt auch für Veränderungen gegenüber dem Entwurf der Beurteilung. Es gebe auch keine feste Zuordnung von Erledigungszahlen zu einer Beurteilungsnote, die aufgrund einer Gesamtbewertung der Leistung erfolge. Es sei auch die Tätigkeit des Klägers in mehreren Senaten in der Beurteilung berücksichtigt. Die Tätigkeit für das Gericht bei „juris“ sei in die Beurteilung eingeflossen. Die Einwertung dieser Tätigkeit sei Aufgabe der Beurteilerin. Das gelte auch für die Belastbarkeit. Wenn in einer E-Mail angegeben sei, dass Spitzennoten in der Regel erst nach längerem herausragenden Einsatz in mehreren Bereichen bzw. bei Betrauung mit Zusatzaufgaben vergeben werde, bedeute ein Einsatz in verschiedenen Senaten, dass nicht automatisch eine besonders gute Bewertung zu vergeben sei. Es gebe auch keinen Grundsatz, dass eine bessere „Einstiegsnote“ als „VB glatt“ nicht vergeben werde.
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Das Gericht hat Beweis erhoben zum Zustandekommen der dienstlichen Beurteilung für den Kläger durch Einvernahme von Präsidentin des Bundespatentgerichts a.D. B.S. als Zeugin.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 24. Juli 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der dienstlichen Beurteilung vom … November 2020 für den Zeitraum vom … Juni 2016 bis … Mai 2019 und Erstellung einer neuen Beurteilung für diesen Zeitraum (§ 113 Abs. 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO analog).
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1. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (BVerwG, U.v. 13.5.1965 – II C 146.62 – BVerwGE 21, 127/129, juris Rn. 40; U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245 – juris Rn. 18 – ständige Rechtsprechung). Das gilt auch für die dienstliche Beurteilung von Richtern.
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Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte/Richter den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu.
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Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.
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Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 11.1.1999 – 2 A 6/98 – ZBR 2000, 269, juris Rn. 11).
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Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten/Richters durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245, juris Rn. 18).
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Der Gesetzgeber muss die grundlegenden Vorgaben für die Erstellung von dienstlichen Beurteilungen in Rechtsnormen regeln. Das ist mit § 21 des Bundesbeamtengesetzes/BBG und §§ 48 ff. der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten/Bundeslaufbahnverordung – BLV erfolgt. Diese Normen gelten für die Richter im Bundesdienst nach § 46 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) entsprechend. Innerhalb dieses normativen Rahmens unterliegt es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene, für zukünftige Personalentscheidungen verwertbare Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im einzelnen sein Gesamturteil stützen will (BVerwG, U.v. 7.7.2021 – 2 C 2/21 – BVerwGE 173, 81, juris Rn. 31 ff.). Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen (BVerwG, U.v. 16.10.1967 – VI C 44.64 – ZBR 1968, 42; U.v. 26.6.1980 – 2 C 8/78 – BVerwGE 60, 245, juris Rn. 20). Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke beschränken. Schließlich kann er die aufgezeigten verschiedenen Möglichkeiten, über die Eignung und Leistung des Beamten ein aussagekräftiges, auch für Dritte verständliches Urteil abzugeben, in abgestufter Form miteinander verwenden bzw. miteinander verbinden. Alle diese Gestaltungsformen einer dienstlichen Beurteilung halten sich in dem von den Laufbahnvorschriften vorgezeichneten rechtlichen Rahmen (vgl. zum Ganzen auch: VG München, U.v. 13.6.2023 – M 5 K 20.6461 – juris Rn. 17 ff.).
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Maßgebend ist, welches Beurteilungssystem und welche Regelungen zum Beurteilungsstichtag (hier: 31.5.2019) gegolten haben (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2000 – 2 C 7/99 – NVwZ-RR 2000, 621, juris Rn. 13 ff. unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 14.2.1990 – 1 WB 181/88 – BVerwGE 86, 240, juris Rn. 6). Im vorliegenden Fall sind insbesondere die von der Beklagten am 10. Februar 2023 vorgelegten Beurteilungsgrundsätze zum Beurteilungswesen im Bundespatentgericht (richterlicher Dienst) (im Folgenden: Beurteilungsgrundsätze) maßgeblich (Ausdruck vom 25.5.2022).
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2. Nach diesem rechtlichen Maßstab ist die streitgegenständliche dienstliche Beurteilung für den Kläger vom … November 2020 nicht zu beanstanden.
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Die streitgegenständliche Beurteilung ist in Einklang mit den genannten Beurteilungsgrundsätzen erstellt worden.
22
a) Soweit der Beurteilungszeitraum nicht volle drei Jahre nach Ende des letzten Beurteilungszeitraums – die eine Eignungsfeststellung zum Richter am Bundespatentgericht enthält – beträgt, ist das rechtlich nicht zu beanstanden. Auch wenn in den Beurteilungsgrundsätzen im Abschnitt „Fristen und Anlässe für Beurteilungen“ angegeben ist, dass eine erste, benotete Regelbeurteilung 3 Jahre nach der Eignungsfeststellung erfolgt (was vom Zeitraum her § 48 BLV entspricht), so ist dort im weiteren Text ebenfalls angegeben, dass „die für die Erstellung von Beurteilungen vorgesehenen Fristen mit einer gewissen Flexibilität gehandhabt“ werden. Diese in den Beurteilungsrichtlinien bereits ausdrücklich festgelegte Abweichungsmöglichkeit vom exakten Beurteilungszeitraum rechtfertigt es, das Ende des Beurteilungszeitraums auf einen Monatsanfang festzulegen, um die Erstellung und weitere Bestimmung von Beurteilungszeiträumen zu vereinfachen. Diese nach Angaben des Bundesjustizministeriums häufig angewendete und auch vorliegend zur Anwendung gekommene Praxis ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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b) Soweit die Klagepartei angibt, dass der Beurteilungsentwurf, der dem Kläger übermittelt und mit ihm besprochen wurde, keinen Notenvorschlag enthalten habe, bedingt auch das keinen Rechtsfehler. Denn für die Erstellung eines Beurteilungsentwurfs bestehen – soweit ersichtlich – keine normativen oder in den Beurteilungsgrundsätzen enthaltenen Vorgaben. Soweit die Beurteilerin im Fall des Klägers von einer Praxis abgewichen sein sollte, dem Beurteilungsentwurf einen Notenvorschlag anzufügen, so hat die Beurteilerin dafür einen sachlichen Grund angegeben. Denn zwei sehr gut formulierten Voten von Senatsvorsitzenden wäre ein ziemlich zurückhaltend formuliertes Votum eines erfahrenen Vorsitzenden gegenübergestanden, was die Zeugin mit dem Kläger besprechen wollte. Es ist sachlich begründet und nachvollziehbar, wenn die Beurteilerin in einer solchen Situation noch keine Endnote vorschlagen wollte. Entsprechend gilt das auch für die Abweichung von Formulierungen im Beurteilungsentwurf gegenüber dem endgültigen Beurteilungstext. Das entspricht dem vorläufigen Charakter eines Entwurfs im Sinn einer Arbeitsgrundlage, aus dem keine Bindungswirkung abgeleitet werden kann.
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c) Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass die Beurteilerin einen uneinheitlichen Beurteilungsmaßstab angewendet hätte. Sie habe nach ihren Angaben – an deren Glaubhaftigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht – die von ihr erstmals zu beurteilenden sechs Richterinnen und Richter sowie die Richterin, für die eine weitere Beurteilung zu erstellen war, anhand des von ihr seit Jahren angewendeten Maßstabs für die rechtskundigen Richterinnen und Richter als Beisitzer in einem Senat verglichen. Dabei hat sie angegeben, insgesamt einen etwas strengeren Maßstab angewendet zu haben, da sie die Beurteilungsnoten insgesamt etwas abgesenkt habe, denn der Bereich des Prädikats „gut“ sei ihr zu ausgeprägt gewesen. Sie hat auch angegeben, dass sie bei der Bewertung nicht durch Vorgaben gebunden gewesen sei. Das gilt zum einen für eine Quote durch das Bundesjustizministerium hinsichtlich der Beurteilungsergebnisse. Auch wenn das Ministerium die Note „sehr gut“ auf maximal 10 Prozent der Beurteilungen und die Note „gut“ auf maximal 20 Prozent begrenzt wissen wollte, hat die Beurteilerin das nur als Vorschlag gesehen, lediglich als Anhaltspunkt. Sie hat sich daran ausdrücklich nicht gebunden gefühlt und die Quotenvorgabe auch nicht strikt umgesetzt. Auch intern hat sie keine Bindung angegeben. Soweit die Zeugin angegeben hat, dass bei der ersten benoteten Beurteilung „vollbefriedigend“ der Standard sei, kann daraus keine Bindung oder Einengung des Beurteilungsspielraums abgeleitet werden. Denn es ist nachvollziehbar, dass die Leistungen der Richterinnen und Richter am Anfang ihrer Tätigkeit am Bundespatentgericht sind gemessen an den Leistungen der diensterfahreneren Kolleginnen und Kollegen in der Regel etwas zurückbleiben. Das ist aber nicht zwingend, sondern ein Erfahrungswert. Die Beurteilerin hat angegeben, dass sie in einigen Fällen in dieser Gruppe sogar das Prädikat „gut“ vergeben habe. Das zeigt, dass die Beurteilerin ihren Beurteilungsspielraum ohne Vorgaben oder Einengungen ausgeübt hat.
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Die Zeugin habe die Beurteilungsvoten der Senatsvorsitzenden zugrunde gelegt und beim Vergleich der richterlichen Tätigkeit sowohl die Qualität der Arbeit wie auch die Quantität in erster Linie in den Blick genommen. Dabei hat sie auch angegeben, dass für sie die Quantität nicht das allein ausschlaggebende Merkmal für die Beurteilung der richterlichen Tätigkeit gewesen sei. Vielmehr habe für sie die Qualität im Vordergrund gestanden. Sie hat hierzu angegeben, dass bei einer gleichen Bewertung der Qualität in den Voten die Quantität bei einem deutlichen numerischen Unterschied eine abweichend positive Beurteilung rechtfertigen würde. Das hält sich im Rahmen des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraums und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Wenn die Beurteilung insbesondere bei der Qualität im Beurteilungstext des Klägers teilweise zurückhaltende Bewertungen enthält, so steht das in Einklang mit den Erkenntnissen im Beurteilungsvotum eines Senatsvorsitzenden vom … August 2019. Insofern ist die Abweichung von den beiden anderen zur Beurteilung des Klägers vorliegenden Voten sachlich begründet (BVerwG, U.v. 28.1.2016 – 2 A 1/14 – NVwZ 2016, 1654, juris Rn. 23) und hält sich innerhalb des rechtlich nicht zu beanstandenden Beurteilungsspielraums.
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Auch die Bewertung der Quantität der richterlichen Arbeit bewegt sich im Rahmen des einer gerichtlichen Kontrolle nur eingeschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraums. Die Beurteilerin hat angegeben, allein die Zahl der Erledigungen des Klägers sei unter dem Durchschnitt der Erledigungszahlen in den Markensenaten gewesen. Sie habe aber in einer Gesamtbetrachtung berücksichtigt, dass im Beurteilungszeitraum zwei Senatswechsel erfolgt wären und der Kläger nach den Beurteilungsvoten umfangreiche und schwierige Altfälle erledigt habe. Die von ihr erfolgte Gesamtbewertung der numerischen Anzahl unter Berücksichtigung zweier Senatswechsel (mit entsprechender Einarbeitungszeit) und der Struktur der erledigten Fälle mit dem Ergebnis einer insgesamt überdurchschnittlichen Bewertung der Quantität, liegt innerhalb des ihr zukommenden Beurteilungsspielraums. Hiergegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Die Berücksichtigung der durchschnittlichen Erledigungszahlen in den Markensenaten als Vergleichsanhalt ist gerechtfertigt, da die Richter der zu beurteilenden Gruppe alle in Markensenaten tätig waren und andere Senate aufgrund der Struktur der dort zu bearbeitenden Verfahren eher geringere Erledigungszahlen haben. Dabei ist die durchschnittliche Erledigungszahl nicht nur eines Senats zugrunde zu legen, da ansonsten der Vergleichsmaßstab verkürzt wäre. Die vom Kläger hierfür angegebene Wendung in den Beurteilungsgrundsätzen, dass die Leistung der zu Beurteilenden nach Qualität und Quantität im Verhältnis zur mittleren Leistung im Senat anzugeben sei, richtet sich ersichtlich nur an die Senatsvorsitzenden. Diese können einen Vergleich nur innerhalb ihres Senats ziehen. Die Beurteilungsgrundsätze gelten auch für die Erstellung der Beurteilungsvoten der Vorsitzenden Richterinnen und Richter.
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Es ist auch rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass die Beurteilerin die beiden Senatswechsel zur Bewältigung von Belastungsspitzen des Gerichts bei der Quantität für den Kläger positiv bewertet hat, aber nicht stärker positiv im Sinne der Berücksichtigung einer Verwendungsbreite. Denn die Zeugin hat angegeben, dass die Senatswechsel immer nur Senate betrafen, die das selbe Rechtsgebiet zu bearbeiten hatten, was keine beurteilungsrelevante Verwendungsbreite darstelle. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach deren langjährig angewendeten Beurteilungsmaßstab bedingt die nur Einarbeitung in ein neues Rechtsgebiet einen Zuwachs an Verwendungsbreite, was für die Beurteilung relevant ist. Das brachten die beiden Senatswechsel des Klägers gerade nicht mit sich.
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Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers als Leiter des Pressereferats verfügte die Beurteilerin über eigene Erkenntnisse zu dessen dienstlicher Leistungsfähigkeit, da er in dieser Funktion häufig mit der Zeugin zusammengearbeitet hat. Hierzu hat die Beurteilerin angegeben, dass der Richter gute Leistungen erbracht habe, aber im Vergleich zu früheren Pressereferentinnen/Pressereferenten seien andere besser gewesen. Insbesondere seien sie sprachlich nicht immer auf einer Linie gelegen. Insgesamt habe der Kläger bei dieser Tätigkeit eine über dem Durchschnitt liegende Leistung gezeigt, die mit dem Prädikat „vollbefriedigend, obere Grenze“ bewertet worden sei. Das hält sich innerhalb des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Bewertungsspielraums des Beurteilenden.
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Ein uneinheitlicher Beurteilungsmaßstab kann auch nicht in der Dauer des Beurteilungsverfahrens der für den Kläger erstellten Beurteilung gesehen werden. Auch wenn der Kläger zeitlich als letzter Richter der zur ersten Beurteilung anstehenden Gesamtgruppe seine Beurteilung erhalten hat, hat die Zeugin angegeben, dass dies im Wesentlichen darin begründet lag, dass der Kläger während der Pandemie überwiegend im Homeoffice gewesen sei und zudem am Entwurf der Beurteilung umfangreiche Anmerkungen und Änderungswünsche angebracht habe. In den Beurteilungsgrundsätzen ist keine Vorgabe enthalten, in welchem Zeitraum nach Ende des Beurteilungszeitraums eine dienstliche Beurteilung erstellt werden muss. Jedenfalls nahm die Bearbeitungszeit auch nicht eine so lange Zeitspanne in Anspruch, dass die für das Leistungsbild maßgeblichen Eindrücke aufgrund erheblichen Zeitablaufs nicht mehr hinreichend präsent gewesen wären, um die dienstliche Leistungsfähigkeit (auch bei Rückfragen) vergleichend bewerten zu können. Soweit die Beurteilerin angegeben hat, zunächst (im Dezember 2019) die Beurteilungen von zwei leistungsstarken Richtern erstellt zu haben und die Beurteilungen der anderen Richter erst später, ist auch das rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Zeugin hatte sich ihren Leistungseindruck über die von ihr als „Spitzengruppe“ bezeichneten Richter der Beurteilungsgruppe bereits gebildet. Wenn sie die Leistung der anderen Richter als dahinter zurückbleibend bewertet, aber die konkrete Bewertung erst nach einer im Vergleich längeren Überlegung abgibt, so stellt das die Anwendung eines einheitlichen Bewertungsmaßstabs nicht in Frage. Beim Kläger kam auch die Zeit hinzu, die aufgrund der Bearbeitung dessen Änderungs- und Ergänzungswünsche zum Beurteilungsentwurf erforderlich wurde.
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Auch der Umstand, dass die Beurteilerin über die durchschnittliche Erledigungszahl in den Markensenaten erst im Frühsommer 2020 verfügt hat, aber bereits im Dezember 2019 zwei Beurteilungen in der Gruppe mit „gut u.G.“ erteilt hat, bedingt nicht die Annahme, dass die Zeugin einen uneinheitlichen Beurteilungsmaßstab angelegt haben könnte. Denn sie hat angegeben, dass sie für die herausragende Bewertung dieser beiden Richter keine genaueren Zahlen benötigt habe, insbesondere die Durchschnittszahlen der Markensenate. Aus den ihr zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden Voten der Senatsvorsitzenden hätten sich die bemerkenswert hohen Erledigungen dieser Richter ergeben. Soweit bei Richter 1 im Vermerk vom …3.2021 auf Seite 12 eine Gesamtzahl von 144 Erledigungen angegeben ist, was keine herausragend hohe Zahl darstellt, so hat sie vorgetragen, dass diesem Richter eine herausragende Qualität bei der Arbeit zuzuerkennen war. Die Quantität stand bei dieser Beurteilung damit nicht im Vordergrund, weshalb der Vergleich mit den Durchschnittszahlen der Erledigungen in den Markensenaten nicht ausschlaggebend war.
32
d) Soweit der Kläger angegeben hat, dass seine Tätigkeit bei „juris“ für das Gericht nicht hinreichend berücksichtigt worden sei, so hat die Zeugin hierzu ausgeführt, dass diese aus ihrer Sicht für die Beurteilung nicht wesentlich ins Gewicht gefallen sei. Denn diese habe nur einen geringen Aufwand verursacht und sei im Rahmen der Leitung des Pressereferats durch den Kläger nicht bedeutend gewesen. Das gilt entsprechend auch für die Nebentätigkeit an der Ausbildungsstätte der Polizei Nordrhein-Westfalen. Wenn die Beurteilerin beide Tätigkeiten im Gesamtrahmen als unbedeutend einschätzt, liegt das im rechtlich zulässigen Rahmen ihres Beurteilungsspielraums. Wenn zur Belastbarkeit und Ausdauer keine gesonderten Bemerkungen in der dienstlichen Beurteilung enthalten sind, so sind diese in der umfangreichen Textdarstellung in anderem Zusammenhang – etwa bei der Arbeitsmenge – mit bewertet. Wenn zu diesem Einzelmerkmal ausdrücklich keine besondere Bewertung erfolgt ist, so lagen der Beurteilerin keine Erkenntnisse vor, die eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit diesem Merkmal bedingt hätten.
33
e) Es sind auch keine Anhaltspunkte für eine Voreingenommenheit der Beurteilerin gegenüber dem Kläger ersichtlich. Eine Voreingenommenheit kann sich aus der Beurteilung selbst, aber auch aus dem Verhalten des Beurteilers in Angelegenheiten des zu beurteilenden Beamten oder diesem gegenüber ergeben. Ein unmittelbarer Vorgesetzter ist dann als voreingenommen anzusehen, wenn er nicht willens oder in der Lage ist, den Beamten sachlich oder gerecht zu beurteilen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dienstliche Beurteilungen grundsätzlich durch Dienstvorgesetzte des Beamten erstellt werden und eine ständige dienstliche Zusammenarbeit und die Führungsaufgaben eines Vorgesetzten naturgemäß auch die Möglichkeit von Konflikten mit sich bringen. Dementsprechend können grundsätzlich weder eine kritische Einschätzung der Arbeitsweise und des sonstigen dienstlichen Verhaltens des beurteilten Beamten durch den beurteilenden Vorgesetzten noch das Bestehen dienstlich veranlasster Spannungen bereits Anlass geben, eine Voreingenommenheit des Vorgesetzten anzunehmen. Dadurch und durch im Einzelfall emotional gefärbte Reaktionen wird grundsätzlich noch nicht die Erwartung in Frage gestellt, der Vorgesetzte wolle und könne seine Pflichten einschließlich derjenigen zur sachlichen und gerechten dienstlichen Beurteilung erfüllen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 23.5.2022 – 3 ZB 21.2958 – juris 5 f.).
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Die vom Kläger hierfür angegebenen angeblichen Rechtsverstöße bei der Erstellung der streitgegenständlichen dienstlichen Beurteilungen erweisen sich bereits als rechtlich nicht begründet. Dafür, dass die Beurteilerin nicht willens oder in der Lage gewesen wäre, den Kläger sachlich oder gerecht zu beurteilen, sind auch keine konkreten weiteren Anhaltspunkte von Klägerseite genannt worden. Hierfür ergibt sich auch ansonsten kein Anhalt. Vielmehr hat die Beurteilerin einen Beurteilungsentwurf erstellt und mit dem Richter sachlich erörtert. Wenn das Beurteilungsergebnis hinter den Erwartungen des Klägers zurückbleibt und er sich in seiner dienstlichen Leistungsfähigkeit nicht gerecht beurteilt sieht, bedingt das keine Voreingenommenheit der Beurteilerin.
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3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.