Titel:
Nichtbestehen einer Prüfung trotz Erkrankung
Normenketten:
StO § 7 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5, Abs. 7
GG Art. 12 Abs. 1
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 5
AAppO § 6 Abs. 3 Nr. 5
Leitsätze:
1. Macht ein Prüfling seinen Rücktritt nicht unverzüglich geltend, also zum zumutbaren frühestmöglichen Zeitpunkt (BVerwG BeckRS 1988, 4130), sondern erst in seiner Widerspruchsbegründung zum Prüfungsbescheid einer nicht bestandenen Prüfung, zwei bis fünf Monate nach der Prüfung, widerspricht das dem Grundsatz der Chancengleichheit (VGH München BeckRS 2013, 49046). Dies gilt erst recht, wenn der Prüfling in Ansehung seiner Erkrankung zur Prüfung antritt. (Rn. 33 – 38, 34 und 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beschränkung der Prüfungswiederholungen gem. § 7 Abs. 7 S. 1 StO und die Möglichkeit einer Nachholprüfung pro Lehrveranstaltung verstößt nicht gegen das Verfassungsrecht, da kein Anspruch auf unbegrenzte Wiederholungen gem. Art. 12 Abs. 1 GG besteht (VG München BeckRS 2022, 34337). (Rn. 25) (Rn. 17 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bescheinigung, deren Erteilung, Zulassungsvoraussetzung des Ersten, Abschnitts der Pharmazeutischen, Prüfung ist, Regelungen in Studienordnung bei fehlender Prüfungsordnung, Zwischenprüfung wiederholt, Abschlussprüfung, Prüfungsrücktritt, Triftige Gründe nicht unverzüglich geltend und glaubhaft gemacht, Prüfungswiederholung, unverzüglicher Rücktritt
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26076
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen eine Mitteilung über das endgültige Nichtbestehen einer Lehrveranstaltung. Er nahm im Sommersemester 2019 sein Studium im Studiengang Pharmazie an der L.-Ma.-Universität M. (im Folgenden: LMU) auf.
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Im Sommersemester 2019 nahm der Kläger erfolglos an der Zwischenprüfung der praktischen Lehrveranstaltung „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden)“ – im Folgenden: die streitgegenständliche Lehrveranstaltung – teil. Im Wintersemester 2019/20 unterzog sich der Kläger erneut der Zwischenprüfung der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung und bestand diese.
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Am 17. Februar 2020 (im Wintersemester 2019/2020) hat der Kläger an der Abschlussprüfung der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung teilgenommen, diese jedoch nicht bestanden. Die Wiederholungsprüfung hierzu fand am 25. Mai 2020 (war geplant für 1. April 2020, coronabedingt verschoben) statt. Der Kläger hat die Wiederholungsprüfung mitgeschrieben, sie jedoch mit 18 von 43 möglichen Punkten (Bestehensgrenze: 22 Punkte) nicht bestanden.
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Mit Bescheid vom 1. Juli 2020 teilte die LMU dem Kläger mit, dass gemäß § 7 Abs. 7 der Studienordnung für Pharmazie in der Fassung vom 2. November 2004 (im Folgenden: StO) praktische Lehrveranstaltungen höchstens einmal wiederholt werden könnten. Der Kläger habe an der Zwischen- und an der zugehörigen Nachholprüfung der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung im Sommersemester 2019 (am 3. Juli 2019 und am 11. Juni 2019) jeweils ohne Erfolg teilgenommen. Im Wintersemester 2019/20 habe der Kläger die Zwischenklausur bestanden, jedoch die Abschlussklausur am 17. Februar 2020 und die zugehörige Nachholklausur am 25. Mai 2020 jeweils nicht erfolgreich absolviert, weshalb diese Lehrveranstaltung als endgültig nicht bestanden zu werten sei. Nach den genannten Bestimmungen könne eine weitere Wiederholung dieser Lehrveranstaltung nicht mehr zugelassen werden.
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Hiergegen legte der Kläger am 21. Juli 2020 Widerspruch ein. Die Prüfung Allgemeine Chemie habe er unter anderem wegen der SARS-CoV-2-Pandemie, die den Alltag außer Ordnung gesetzt habe, nicht bestanden. Durch die Pandemie habe sich seine Prüfung für Allgemeine Chemie verschoben und sei unmittelbar vor Semesterstart des neuen Semesters gewesen. Obwohl der Kläger zu der Zeit der verschobenen Prüfung krank gewesen sei, habe er sich entschieden, trotzdem an der Prüfung teilzunehmen, weil er keine Möglichkeit mehr hatte und das Semester bereits angefangen hatte. Auch hätten die Studenten in der Zeit wenig Informationen für den weiteren Verlauf des Studiums erhalten. Er habe zu der Zeit auch seiner Familie in Bochum helfen müssen. Weil es sein letzter Versuch gewesen sei, sei er extrem nervös gewesen. Zusätzlich sei er nervös gewesen, da er vorne habe sitzen müssen. Der Kläger legte eine „fachärztliche Stellungnahme“ der Dipl. Sozial. Päd. (FH) und Jugendlichenpsychotherapeutin Frau K. vor, die kein Datum enthält. Außerdem wurde ein Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. J./R. vom 18. Juni 2020 vorgelegt, das ausführt, der Kläger habe vom 23. Mai 2020 bis 17. Juni 2020 die Uni aus gesundheitlichen Gründen nicht besuchen können.
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Mit Widerspruchsbescheid der LMU vom 5. Oktober 2020 wurde der Widerspruch des Klägers vom 13. Juli 2020, eingegangen am 21. Juli 2020, gegen den Bescheid vom 1. Juli 2020 zurückgewiesen. Der Bescheid vom 1. Juli 2020 sei rechtmäßig. Der Kläger könne gemäß § 7 Abs. 7 Satz 1 StO zu keiner weiteren Wiederholung der Lehrveranstaltung „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden)“ mehr zugelassen werden. § 7 Abs. 7 Satz 1 StO sei eine hinreichende Rechtsgrundlage. Nach § 7 Abs. 7 Satz 1 StO könne eine erfolglos besuchte praktische Lehrveranstaltung einmal wiederholt werden. Letztlich habe ein Prüfling an der LMU vier Prüfungsversuche für die Abschlussprüfung. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei damit in jedem Fall gewahrt.
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Die coronabedingten Auswirkungen führten zu keinem abweichenden Ergebnis. Weder Art. 99 BayHSchG (in der Fassung bis zum 31.12.2022) noch die Satzung der LMU zur Flexibilisierung von Prüfungen im Sommersemester 2020 und im Wintersemester 2020/21 (2020) vom 21.04.2020 – im Folgenden: Flexibilisierungssatzung – führten im vorliegenden Fall zu einem abweichenden Ergebnis. Beim letzten Prüfungsversuch des Klägers handele es sich – erstens – um gar keine Prüfung des Sommersemesters 2020, sondern um eine solche des Wintersemesters 2019/20. § 7 Abs. 7 Satz 1 StO sei – zweitens – eine Regelung in einer Studien-, nicht in einer Prüfungsordnung. In § 7 Abs. 7 Satz 1 StO gehe es – drittens – nicht um Regeltermine oder Fristen, sondern um die Anzahl der Prüfungsversuche.
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Im Übrigen habe der Kläger auf seine vermeintliche Prüfungsunfähigkeit erst dann hingewiesen, als sein letzter Prüfungsversuch nicht nur als nicht bestanden bewertet worden war, sondern er sich auch noch vergewissert habe, dass keine weiteren Punkte mehr vergeben werden könnten. Hätte der Kläger seinen letzten Versuch bestanden, hätte er an ihm festgehalten. Der Kläger habe seine vermeintliche Prüfungsunfähigkeit mithin nur geltend gemacht, um einen weiteren, ihm nicht zustehenden Prüfungsversuch zu erlangen. Die vermeintliche Prüfungsunfähigkeit sei auch Monate nach der Prüfung nicht hinreichend glaubhaft gemacht worden. Letztlich könne dies aber alles dahinstehen, weil der Kläger – wie er selbst erklärt habe – gewusst habe, dass er krank sei, aber gleichwohl zur Prüfung angetreten sei.
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Mit Schriftsatz vom 9. November 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Bevollmächtigte des Klägers beim Bayerischen Verwaltungsgericht Klage erhoben und beantragt zuletzt,
I. Unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 5. Oktober 2020 wird der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen der Lehrveranstaltung „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden)“ der ...-M. vom 1. Juli 2020 aufgehoben.
II. Die Abschlussprüfung des Klägers „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden)“ vom 17. Februar 2020 und die zugehörige Wiederholungsprüfung vom 25. Mai 2020 werden durch Wiederholung fortgesetzt.
III. Dem Kläger wird ein erneuter Versuch und Nachholversuch für die Abschlussprüfung „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden) unter Anerkennung des Bestehens der Zwischenprüfung in diesem Fach eingeräumt.
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Zur Begründung wird unter anderem vorgetragen, dem Kläger stehe noch ein weiterer Wiederholungsversuch für die Abschlussprüfung zu. Selbst wenn man von der Rechtmäßigkeit des § 7 Abs. 7 (a.F. Abs. 5) der Studienordnung für den Studiengang Pharmazie der ... M. vom 17. Juli 2002 (letzte Änderung vom 2. November 2004) (StO) ausgehe, so erschließe sich hieraus nicht, dass eine Wiederholung der Zwischenprüfung eine Wiederholung der Abschlussprüfung bereits ausschließe. Des Weiteren sei die Norm bereits zu unbestimmt, um eine rechtsverbindliche Grundlage zu schaffen. Zwar sei seit der Änderung in § 7 Abs. 4 Satz 4 StO normiert, dass die Abschlussprüfung aus einem regulären und einem Nachholtermin bestehe, es fänden sich jedoch keinerlei Vorgaben, wie dies bei der Zwischenprüfung zu handhaben sei. Die Abschlussprüfung sei vom Kläger einmalig nicht bestanden worden. Daneben müsse auch die Prüfungsunfähigkeit des Klägers Berücksichtigung finden, so dass die letzte Prüfung vom 25. Mai 2020 nicht hätte gewertet werden dürfen. In seinem Widerspruchsschreiben habe der Kläger bereits zwei Atteste zur Prüfungsunfähigkeit vorgelegt, die von der Beklagten nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Zwar seien erhöhte Anforderungen an eine nachträglich dargelegte unerkannte Prüfungsunfähigkeit zu stellen, dennoch sei die Geltendmachung nicht per se ausgeschlossen. Trotz schwerer psychischer Belastung und Depression habe der Kläger an den Prüfungen am 17. Februar 2020 und 25. Mai 2020 teilgenommen, da er um seine Exmatrikulation fürchtete und nicht noch mehr Zeit verlieren wollte. Eine ärztliche und therapeutische Untersuchung sei erst hinterher erfolgt. Das fachärztliche Attest vom 30. Dezember 2020 werde vorgelegt. Das fachärztliche Gutachten bestätige, dass der Kläger bei den letzten beiden Prüfungen prüfungsunfähig gewesen sei und sich dies aufgrund seiner schweren depressiven Krise nicht eingestehen habe können.
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wird neben Verweis auf den Widerspruchsbescheid unter anderem ergänzend ausgeführt, dass der Kläger vier Prüfungsversuche ausgeschöpft habe, nachdem er die Zwischenprüfung im Sommersemester 2019 zweimal nicht bestanden habe, und im Wintersemester 2019/2020 zwar die Zwischenprüfung bestanden, aber die Abschlussprüfung zweimalig nicht bestanden habe. Ein weiterer Versuch sei nicht vorgesehen. Das Attest vom 30. Dezember 2020 vermöge nicht zu belegen, dass der Kläger bereits bei der ersten Wiederholungsprüfung der Abschlussprüfung am 17. Februar 2020 an der Krankheit gelitten habe, da es nur Frühjahr 2020 als Beginn der Krankheit angebe. Auch sei die Einschätzung des Krankheitszeitraumes an sich ebenfalls zu beanstanden, da Frau Dr. B. K. einen fast ein Jahr vor der Erstuntersuchung liegenden Anfang der depressiven Episode des Klägers überhaupt nicht bestimmen könne. Auch genüge das Attest nicht den an ein die Prüfungsunfähigkeit bescheinigendes Attest zu stellenden Anforderungen. Frau Dr. B. K. gebe lediglich an, dass der Kläger im Frühjahr 2020 den Anforderungen des Studiums nicht mehr gerecht werden habe können. Konkrete Prüfungsunfähigkeit sei hieraus nicht ersichtlich. Im Übrigen sei die Prüfungsunfähigkeit zu spät geltend gemacht worden. Selbst wenn der Kläger seine tatsächliche oder vermeintliche Prüfungsunfähigkeit erst im Rahmen der Erstuntersuchung durch Frau Dr. B. K. am 16. Dezember 2020 erkannt hätte, dürfte die Vorlage des Attests bei Gericht am 22. Januar 2021 nicht mehr die gebotene unverzügliche Glaubhaftmachung darstellen. Diese Überlegungen könnten jedoch dahinstehen, da der Kläger zum Zeitpunkt der Prüfung gewusst habe, dass er krank sei, und damit prüfungsunfähig gewesen sei. Die nachträgliche Geltendmachung von Prüfungsunfähigkeit sei nur bei unerkannter Prüfungsunfähigkeit einschlägig.
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Der Bevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben vom 15. Mai 2023 auf eine mündliche Verhandlung verzichtet. Die Beklagtenpartei hat ebenfalls, mit Schreiben vom 19. Januar 2023, auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht kann mit Einverständnis der Prozessparteien ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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A) Die Nichtbestehensentscheidung im Bescheid vom 1. Juli 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2020 ist hinsichtlich geltend gemachter Verfahrensfehler in Bezug auf die Studienordnung für den Studiengang Pharmazie der LMU vom 17. Juli 2002, zuletzt geändert durch Satzung vom 2. November 2004 (im Folgenden: StO) rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dabei wird zunächst auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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Ergänzend wird ausgeführt: 1) Für die Zulassung zum Ersten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung sind nach § 6 Abs. 3 Nr. 5 der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) vom 19. Juli 1989 (BGBl I S. 1489), FNA 2121-1-6, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. August 2019 (BGBl.I S. 1307), die Bescheinigungen über die regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme an den Veranstaltungen zu den in der Anlage 1 zu Buchstaben A bis D angeführten Stoffgebieten nach dem Muster der Anlage 2 vorzulegen. Wird der Nachweis nicht erbracht, ist die Zulassung zu dem Prüfungsabschnitt zu versagen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 AAppO). Im Stoffgebiet A („Allgemeine Chemie der Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe“) sind drei Bescheinigungen über die erfolgreiche und regelmäßige Teilnahme an Lehrveranstaltungen vorzulegen; zu den vom Stoffgebiet A umfassten Veranstaltungen zählt auch die Veranstaltung „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe (unter Einbeziehung von Arzneibuchmethoden)“.
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Die Voraussetzungen für die Erteilung der Bescheinigung der regelmäßigen und erfolgreichen Teilnahme an den entsprechenden Lehrveranstaltungen sind durch die aufgrund von Art. 58 Abs. 1 Satz 3 Bayerisches Hochschulgesetz (BayHSchG) vom 23. Mai 2006 (GVBl. S. 245, BayRS 2210-1-1-WK), zuletzt geändert durch Gesetz vom 5. August 2022 (GVBl. S. 414) (außer Kraft getreten am 31.12.2022), erlassene Studienordnung für den Studiengang Pharmazie der LMU (im Folgenden: StO) vom 17. Juli 2002, zuletzt geändert durch Satzung vom 2. November 2004, geregelt. Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 StO kann die Bescheinigung der erfolgreichen und regelmäßigen Teilnahme an einer praktischen Lehrveranstaltung nach dem Muster der Anlagen 2 oder 3 AAppO nur erteilt werden, wenn die erforderlichen praktischen und theoretischen Kenntnisse über den der Lehrveranstaltung zugehörigen Wissensstoff nachgewiesen wurden. Die Leitung der Veranstaltung bestimmt, in welcher Form der Nachweis zu führen ist (§ 7 Abs. 4 Satz 2 StO). Studienleistungen bestehen bei praktischen Lehrveranstaltungen aus Praktikumsaufgaben mit Protokollen, Zwischenprüfungen und Testaten (praktischer Teil), sowie einer mündlichen oder schriftlichen Abschlussprüfung (§ 7 Abs. 4 Satz 3 StO).
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Es begegnet keinen Bedenken, dass die Regelungen zur Erteilung der Bescheinigung der erfolgreichen und regelmäßigen Teilnahme an einer praktischen Lehrveranstaltung nach dem Muster der Anlage 2 und die Regelungen zur Wiederholbarkeit der praktischen Lehrveranstaltung in einer Studienordnung und nicht in einer Prüfungsordnung nach Art. 61 Abs. 2, 3 BayHSchG getroffen wurden. Hochschulprüfungen, die aufgrund von Prüfungsordnungen abgenommen werden (Art. 61 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG), sind Prüfungen, die das Studium abschließen (Art. 61 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayHSchG) oder als Vor- oder Zwischenprüfung Voraussetzung für die Fortsetzung des Studiums oder den Übergang in das Hauptstudium sind (Art. 61 Abs. 1 Satz 3 bis 5 BayHSchG). Vorliegend geht es jedoch um eine Prüfung als Voraussetzung für die Erteilung der Bescheinigung, die wiederum Voraussetzung für die Zulassung zum Ersten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung ist. Diesbezüglich sieht Art. 58 Abs. 1 Satz 3 BayHSchG vor, dass die Studienordnung Regelungen über den Erwerb der Voraussetzungen für die Zulassung zu einer Prüfung und dessen Wiederholbarkeit treffen kann (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2010 – 7 ZB 09.1072 – juris Rn. 15, 20 und insgesamt VG München, U. v. 25.10.2022 – M 3 K 20.650 – juris Rn. 19 – 24)
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Verfassungsrecht verbietet nicht, schon die Zulassung zu einer Abschlussprüfung oder einem Prüfungsabschnitt vom Erreichen eines bestimmten Ausbildungserfolgs abhängig zu machen, der im Wege einer als Prüfung durchgeführten studienbegleitenden Leistungskontrolle festgestellt wird; dabei ist auch als Ergebnis dieser Leistungskontrolle eine endgültige negative Feststellung nicht ausgeschlossen. Die fehlende Eignung eines Studenten möglichst frühzeitig und nicht erst in der das Studium abschließenden Prüfung zu erkennen, liegt auch in dessen wohlverstandenem eigenen Interesse (vgl. insgesamt: BVerwG, B.v. 3.11.1986 – 7 B 108/86 – juris Rn. 8). Dies gilt vorliegend insbesondere vor dem Hintergrund der Bedeutung der hier betroffenen Lehrveranstaltung für den Apothekerberuf.
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2) Nach § 7 Abs. 7 Satz 1 StO kann eine erfolglos besuchte praktische Lehrveranstaltung einmal wiederholt werden.
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a) Nach § 7 Abs. 7 Satz 1 StO kann die praktische Lehrveranstaltung, egal aus welchen Gründen sie zunächst nicht bestanden wurde (nichtbestandener praktischer Teil, nichtbestandene Zwischenprüfung, nichtbestandene Abschlussprüfung), nur einmal wiederholt werden. Die praktische Lehrveranstaltung muss in zwei Semestern, mit nur einem Wiederholungssemester, bestanden werden. Wurde, wie beim Kläger, die Zwischenprüfung bereits einmal in einem weiteren Semester wiederholt, bleibt für die Abschlussprüfung nur eine Möglichkeit der Prüfung mit anschließendem Nachholversuch ohne Wiederholungsmöglichkeit in einem weiteren Semester übrig.
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Die verschiedenen Konstellationen werden durch die Beklagte den Studierenden in der „Einweisung ins Praktikum“ (siehe Gerichtsakte: Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 31. März 2023) näher dargelegt und finden ihre hinreichende normative Stütze in der Studienordnung (§ 7 Abs. 4 Satz 1 StO).
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Die Zahl der sich aus § 7 Abs. 7 Satz 1 StO und der Möglichkeit jeweils einer Nachholprüfung pro Lehrveranstaltung ergebenden Prüfungsversuche, ist nicht zu beanstanden. Aus Art. 12 Abs. 1 GG lässt sich kein Anspruch darauf herleiten, Ausbildungsveranstaltungen und Prüfungen unbegrenzt wiederholen zu dürfen (BVerwG, B.v. 3.11.1986 – 7 B 108/86 – juris Rn. 8). Die Beschränkung der Wiederholungsmöglichkeit auf nur eine Wiederholung verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (Art. 12 Abs. 1 GG). Auch besteht kein Anspruch auf Wiederholung einzelner (unselbständiger) Prüfungsteile. Hier ist im Falle des Nichtbestehens der Gesamtprüfung die Prüfung in allen Teilen zu wiederholen, wenn die Prüfungsordnung nichts Abweichendes regelt (vgl. insgesamt: Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 766). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist mit der Gewährung einer Wiederholungsmöglichkeit der praktischen Lehrveranstaltung insgesamt gewahrt.
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Aus der Studienordnung für den Studiengang Pharmazieergibt sich pro praktischer Lehrveranstaltung ein Wiederholungssemester. Entweder wird dieses für die Wiederholung des praktischen Teils, der Zwischenprüfung oder der Abschlussprüfung gewährt, wobei in einem Semester für die Zwischen- und Abschlussprüfung zwei Möglichkeiten des Bestehens gegeben sind, da pro Semester immer ein Nachholtermin ermöglicht wird (siehe für Abschlussprüfung § 7 Abs. 4 Satz 4 StO). Die Prüfung gilt als bestanden, wenn der Ursprungstermin oder der Nachholtermin bestanden wird.
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b) Die Vorschriften des § 7 Abs. 4 StO zur Zwischenprüfung genügen den Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG für Eingriffe in die freie Wahl des Berufs (vgl. VG München, U. v. 25.10.2022 – M 3 K 20.650 – juris Rn. 25 – 28, worauf Bezug genommen wird).
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Es begegnet auch keinen Bedenken, das Bestehen der Zwischenprüfung als Voraussetzung für das Bestehen der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung und damit für die Zulassung zum Ersten Abschnitt der Pharmazeutischen Prüfung vorzusehen. Voraussetzung hierfür ist, dass mit der Prüfung ein unerlässlicher, nicht ausgleichsfähiger Bestandteil der Qualifikation nachgewiesen wird (BVerwG, U.v. 15.3.2017 – 6 C 46.15 – juris Rn. 13). Hiervon kann im Hinblick auf die Bedeutung des Prüfungsstoffs für den Studiengang (vgl. Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 AAppO Stoffgebiet A, § 17 Abs. 1
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I. AAppO) und auf die aus Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 AAppO (bei Stoffgebiet A 336 Unterrichtsstunden praktische Übungen von insgesamt 462 Unterrichtsstunden) ersichtliche Bedeutung des praktischen Teils der streitgegenständlichen Lehrveranstaltung ausgegangen werden. Verfassungsrecht verbietet nicht, schon die Zulassung zu einer Abschlussprüfung oder einem Prüfungsabschnitt vom Erreichen eines bestimmten Ausbildungserfolgs abhängig zu machen, der im Wege einer als Prüfung durchgeführten studienbegleitenden Leistungskontrolle festgestellt wird (BVerwG, B.v. 3.11.1986 – 7 B 108/86 – juris Rn. 8). (VG München, U.v. 25.10.2022 – M 3 K 20.650 – juris Rn. 29)
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c) Die Regelungen der StO, aus denen folgt, dass der Kläger keine weitere Möglichkeit zur Wiederholung der Lehrveranstaltung „Allgemeine und analytische Chemie der anorganischen Arzneistoffe, Hilfsstoffe und Schadstoffe“ hat, sind damit insgesamt nicht zu beanstanden. Die Verfahrensrügen der Klagepartei hiergegen bleiben ohne Erfolg. Nachdem der Kläger die Abschlussprüfung im Wintersemester 2019/2020 nicht bestanden hatte, war damit die entsprechende Mitteilung über das endgültige Nichtbestehen im Bescheid vom 1. Juli 2020 nicht zu beanstanden, weshalb auch ein Wiederholung nicht in Betracht kommt.
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Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Regelungen den Studenten auch in der „Einweisung ins Praktikum“ näher dargelegt und kommuniziert worden sind und dem Kläger bekannt waren, da er bereits in seinem Widerspruchsschreiben geäußert hat, dass ihm bewusst gewesen sei, dass er am 25. Mai 2020 den letzten Versuch für die Abschlussprüfung und zum Bestehen der praktischen Lehrveranstaltung wahrnehmen würde.
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B) Auch hinsichtlich des geltend gemachten Rücktritts von den Prüfungen ist der Bescheid der Beklagten vom 1. Juli 2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 2020 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Prüfungsrücktritts von der streitgegenständlichen Prüfung und damit keinen Anspruch auf Wiederholung der Abschlussprüfung. Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird auch insoweit Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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Nach § 7 Abs. 5 StO gilt für Studenten, die an einer Prüfung oder einem Prüfungsteil aus Gründen nicht teilnehmen, die sie zu vertreten haben, die jeweilige Prüfung oder der jeweilige Prüfungsteil als abgelegt und nicht bestanden. Gründe für die Nichtteilnahme müssen unverzüglich schriftlich geltend gemacht und nachgewiesen werden; im Krankheitsfall ist ein ärztliches Attest vorzulegen (§ 7 Abs. 5 Satz 2 StO).
34
Ein nachträglicher Prüfungsrücktritt nach Abschluss der Prüfung wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit ist weder in der APSO noch in der Studienordnung für den Studiengang Pharmazie der LMU (StO) geregelt. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen des Prüfungsrechts ist aber nicht nur im Falle einer in § 7 Abs. 5 Satz 1 StO geregelten, bereits vor oder während der Prüfung einsetzenden Prüfungsunfähigkeit ein Rücktritt möglich, sofern der Prüfling seine Prüfungsunfähigkeit erst nach Ablegung der Prüfung erkannte. Denn es ist Aufgabe der Prüfung, die wirkliche Befähigung des Kandidaten festzustellen, so dass es dem Grundsatz der Chancengleichheit widerspräche, ihn an einem Prüfungsergebnis festzuhalten, das durch eine von ihm zunächst nicht erkannte erhebliche Störung seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt worden ist (vgl. BayVGH, U.v. 16.4.2002 – 7 B 01.1889 – juris Rn. 17). Der nach Abschluss der Prüfung erfolgte nachträgliche, auf Prüfungsunfähigkeit gestützte Rücktritt von einer Prüfung berührt jedoch in besonderem Maße den das gesamte Prüfungsrecht beherrschenden, verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundsatz der Chancengleichheit, da sich der Prüfling so eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance verschaffen kann. Dieser Gefahr für die Chancengleichheit wird dadurch entgegengewirkt, dass eine nachträgliche Geltendmachung der Prüfungsunfähigkeit dem Erfordernis der Unverzüglichkeit unterliegt, wobei an die Unverzüglichkeit des Rücktritts ein strenger Maßstab anzulegen ist. Denn es ist Sache des Prüflings, sich darüber Klarheit zu verschaffen, ob seine Leistungsfähigkeit durch außergewöhnliche Umstände, insbesondere durch Krankheit, erheblich beeinträchtigt ist, und bejahendenfalls daraus unverzüglich die in der jeweiligen Prüfungsordnung vorgesehenen Konsequenzen zu ziehen, und zwar bei krankheitsbedingter Prüfungsunfähigkeit grundsätzlich vor Beginn der Prüfung, spätestens aber dann, wenn er sich ihrer bewusst geworden ist (BVerwG, U.v. 7.10.1988 – 7 C 8/88 – juris Rn. 12). Nur ein strenger Maßstab kann Missbräuche des Rücktrittsrechts mit dem Ziel der Verbesserung der Prüfungschancen verhindern. Eine Rücktrittserklärung ist dann nicht mehr unverzüglich, wenn sie nicht zu dem frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgt, zu dem sie vom Prüfling zumutbarerweise hätte erwartet werden können (BVerwG, U.v. 7.10.1988, a.a.O. Rn. 13).
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Nach der Rechtsprechung zum Rücktritt ist es dem Prüfling, wenn während der Prüfung gesundheitliche Beschwerden auftreten, von denen der Prüfling nicht weiß, ob sie bloße Begleiterscheinungen der Prüfungssituation oder aber Ausdruck einer Erkrankung sind, regelmäßig nicht anzulasten, wenn er zunächst – sofort nach der Prüfung – ärztlichen Rat einholt und erst danach alsbald die Entscheidung trifft, ob er von der Prüfung zurücktritt (BVerwG, U.v. 7.10.1988 – 7 C 8/88 – juris Rn. 16). Der Prüfling muss sich aber bereits bei subjektivem Krankheitsverdacht unverzüglich selbst um eine Aufklärung seines Gesundheitszustands bemühen (BayVGH, B.v. 28.1.2011 – 7 ZB 10.2236 – juris Rn.19; vgl. BVerwG, B.v. 22.9.1993 – 6 B 36/93 – juris Rn. 4). Nimmt der Prüfling an der Prüfung teil und erklärt erst nach deren Beendigung seinen Rücktritt unter Berufung auf eine zunächst unerkannte Prüfungsunfähigkeit, muss er die Gründe dafür, dass er seine Prüfungsunfähigkeit zunächst nicht erkennen konnte, in gleicher Weise glaubhaft machen wie die Prüfungsunfähigkeit selbst; insbesondere muss er ausreichende Nachweise in Form einer ärztlichen Bescheinigung erbringen, in der anhand konkreter Feststellungen nachvollziehbar dargelegt wird, dass er bis zum Abschluss der Prüfung nicht in der Lage war, die Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens zu erkennen (BayVGH, B.v. 4.3.2013 – 7 CE 13.181 – juris Rn. 15; OVG NW, B.v. 7.11.2012 – 14 A 2325/11 – Rn. 16).
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Maßstab ist dabei, ob dem Prüfling erhebliche Beeinträchtigungen seines Leistungsvermögens im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre nicht verborgen geblieben sind (BVerwG, B.v. 22.9.1993 – 6 B 36/93 – juris Rn. 4). Es kommt maßgeblich darauf an, ob der Prüfling seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die ihn prüfungsunfähig machen, erkennt, nicht aber darauf, ob er seinen gesundheitlichen Zustand begrifflich als einen solchen der Prüfungsunfähigkeit erfasst (BVerwG, B.v. 2.8.1984 – 7 B 129/84 – juris Rn. 2). Das Nichterkennen der eigenen Prüfungsunfähigkeit ist demnach ein Ausnahmefall. Denn wer keine erhebliche Verminderung seines Leistungsvermögens bemerkt, ist in der Regel auch nicht prüfungsunfähig (BVerwG, B.v. 17.1.1984 – 7 B 29/83 – juris Rn. 6).
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Gemessen an diesen Maßstäben bestehen beim Kläger bereits Bedenken dahingehend, ob er unerkannt prüfungsunfähig gewesen ist. Der Kläger hat bereits in seiner Widerspruchsbegründung angegeben, dass er zu der Zeit der verschobenen Prüfung (25. Mai 2020) krank gewesen sei, sich aber entschieden habe, trotzdem an der Prüfung teilzunehmen, weil er keine weitere Möglichkeit mehr gehabt habe, die Prüfung zu wiederholen. Damit war dem Kläger am Prüfungstag schon bewusst, dass er gesundheitlich beeinträchtigt ist und hätte die entsprechenden Konsequenzen daraus ziehen müssen.
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Im Übrigen hat der Kläger nicht unverzüglich seinen Rücktritt geltend gemacht. Der Kläger machte erstmals in dem Schreiben seiner Widerspruchsbegründung vom 13. Juli 2020, eingegangen bei der Beklagten am 21. Juli 2020, einen Rücktritt wegen Krankheit geltend. Zu diesem Zeitpunkt lagen die Abschlussprüfungen vom 17. Februar 2020 und 25. Mai 2020 zeitlich bereits zwei bzw. fünf Monate zurück und waren korrigiert. Auch die Prüfungsergebnisse lagen vor und waren dem Kläger bekannt. Es widerspräche dem Grundsatz der Chancengleichheit, einem Prüfling, der trotz der für ihn erkennbaren Beeinträchtigung seiner Prüfungsfähigkeit an der Prüfung in der Hoffnung teilnimmt, einen Erfolg erreichen zu können, im Falle des Nichtbestehens eine weitere Prüfungsmöglichkeit einzuräumen (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 4.3.2013 – 7 CE 13.181 – juris Rn. 18). Mit dem Widerspruch legte der Kläger zwei Bescheinigungen hinsichtlich seines Gesundheitszustandes vor, die die Anforderungen an gesundheitliche Atteste nicht erfüllen. Auch wenn die Bescheinigung der Psychotherapeutin Frau K. mit „fachärztlicher Stellungnahme“ betitelt ist, bleibt offen, welche fachärztliche Ausbildung Frau K. vorweisen kann. Darüber hinaus gibt die Bescheinigung als „Belastungszeitraum“ des Klägers mit Frühjahr 2020 einen relativ unbestimmten Zeitrahmen an. Zudem enthält die Bescheinigung kein Ausstellungsdatum. Das Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. J./R. enthält ohne Angabe von Befundtatsachen nur den Satz, dass der Kläger vom 23. Mai 2020 bis 17. August 2020 die Uni aus gesundheitlichen Gründen nicht besuchen habe können. Die Notwendigkeit der Angabe von Befundtatsachen folgt aber bereits aus der Nachweisfunktion des ärztlichen Attests, ohne dass es einer entsprechenden Regelung in der Prüfungsordnung bedürfte (OVG NW, B.v. 19.11.2014 – 14 A 884/14 – juris Rn. 6, 7). Davon abgesehen enthalten sowohl die Bescheinigung der Psychotherapeutin Frau K. als auch das von der Gemeinschaftspraxis Dr. J./R. am 18. Juni 2020 ausgestellte Attest keinerlei Gründe dahingehend, warum der Kläger seine Prüfungsunfähigkeit zunächst nicht erkennen habe können. Erst in einem Attest vom 30. Dezember 2020, vorgelegt im gerichtlichen Verfahren am 22. Januar 2021, ausgestellt von Frau Dr. med. B. K. (Fachärztin für Kinderu. Jugendpsychiatrie) wird erwähnt, dass der Kläger seit Frühjahr 2020 krankheitsbedingt (wegen einer mittelgradigen depressiven Episode und einer posttraumatischen Belastungsstörung) nicht in der Lage gewesen sei, sich adäquate Hilfe zu holen. Aber auch durch diese Formulierung wird nicht glaubhaft gemacht, dass der Kläger, entgegen seinem eigenen Vortrag, erst nach der Prüfung habe erkennen können, dass es ihm gesundheitlich nicht gut gegangen sei. Der Kläger hat sich trotz subjektivem Krankheitsverdacht nicht unverzüglich selbst um eine Aufklärung seines Gesundheitszustandes bemüht und hierzu adäquate ärztliche Atteste vorgelegt. Das Attest vom 30. Dezember 2020 wurde zudem sieben Monate nach der letzten Prüfung erstellt und im gerichtlichen Verfahren erst nach fast einem Monat nach dessen Ausstellung eingereicht.
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3) Aus den dargestellten Gründen war die Klage daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.