Inhalt

VG München, Beschluss v. 16.08.2023 – M 13L DA 23.3850
Titel:

Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung im Disziplinarverfahren (hier: Verdacht auf Zugehörigkeit zur Ülkücü-Bewegung)

Normenketten:
BayDG Art. 19, Art. 29, Art. 47 Abs. 1
BeamtStG § 34, § 47
StPO § 94, 102, § 110
Leitsätze:
1. Die synonyme Gleichsetzung der „Ülkücü-Bewegung“ mit den „Grauen Wölfen“ ist nicht nur im Verfassungsschutzverbund anerkannt, sondern findet sich auch außerhalb des Verfassungsschutzes, im allgemeinen Sprachgebrauch und in den Medien. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Regelmäßig kommen Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen im Disziplinarverfahren nur in Betracht, wenn die Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erwarten ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar genügt ein bloßes Haben einer rechtsgerichteten Gesinnung für die Annahme eines disziplinarrechtlich relevanten Verfassungstreue-Verstoßes noch nicht, bedarf es jedoch auch keines offensiven Werbens hierfür. Durch das Anbringen eines Patch auf der Dienstkleidung, wenn auch im nicht allgemein sichtbaren Bereich, trägt ein Beamter aber vergleichbar einer nicht sichtbaren Tätowierung seine Ansicht hinreichend nach außen, und dokumentiert er – verbunden sogar mit seiner Dienstkleidung – seine innere Haltung, die er vorliegend mit dem Dienst „vernäht“ und verbindet. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
4. Nach Art. 29 Abs. 3 BayDG dürfen Durchsuchungen und Beschlagnahmen nur durch die nach der Strafprozessordnung dazu berufenen Behörden durchgeführt werden, denen folglich im Wege der Amtshilfe die Vollstreckung des Beschlusses – mit möglichem Rückgriff auf die Polizei als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft – iSv § 36 Abs. 2 StPO obliegt, das Erforderliche zu veranlassen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
(Landes) Disziplinarrecht, Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung, Polizeibeamter
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26072

Tenor

I. Die Durchsuchung - des Herrn Polizeiobermeister … … sowie der von ihm mitgeführten Gegenstände,
- der in seinem (Mit) Gewahrsam befindlichen Wohnung mit Nebenräumen und Nebengelassen … … … … …
- des von ihm genutzten Fahrzeugs PKW – BMW … … - amtl.Kennzeichen * * … … *
- seiner Dienststelle Polizeiinspektion … …, beschränkt auf den ihm zugewiesenen Arbeitsplatz und die ihm zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel (Schränke, Spinde, Postfächer, Schreibtische)
- des ihm zugewiesenen dienstlichen E-Mail-Postfachs zur E-Mail-Adresse …@polizei.bayern.de und seines dienstlich zugewiesenen Home-Laufwerks einschließlich des zur Speicherung persönlicher Daten zugewiesenen Unterordners „Ordner_Persönlich“
zum Zwecke des Auffindens und der Beschlagnahmevon elektronischen Kommunikations- und Speichermedien (insb. Mobiltelefone, Computern, Tablets, Festplatten, USB-Sticks, Speicherkarten (auch aus Spielekonsolen) etc.) sowie
- szenetypischer Gegenstände der sog. Ülkücü-Bewegung / „Grauen Wölfe“ und weiterer Gegenstände mit (türkisch-)rechtsextremen, ultranationalistischen, rassistischen, antisemitischen oder gewaltverherrlichenden Bezügen wird angeordnet.
II. Die Durchsuchungsanordnung bezieht sich auch auf von den vorgenannten Durchsuchungsobjekten räumlich getrennte Speichermedien (z.B. Cloud-Speicherung), soweit auf sie von den durchsuchten Räumen aus zugegriffen werden kann.
Von der Durchsuchung umfasst ist auch die Durchsicht lokal gespeicherten Daten sowie der bei einem Provider gespeicherten elektronischen Postfächer und Profile des Antragsgegners mit den in den elektronischen Postfächern gespeicherten Nachrichten inklusive der Anhänge, insbesondere auch der noch nicht endgültig gelöschten Nachrichten sowie der noch nicht abgesendeten Entwürfe.
Davon umfasst sind neben E-Mail-Postfächern auch die Accounts sozialer Medien wie Facebook Instagram, Twitter und Telegram sowie sog. Messengerdienste wie z.B. WhatsApp oder Signal.III. Die Beschlagnahme der bei den vorgenannten Durchsuchungen aufgefundenen, unter I. bestimmten Gegenstände, Dateien und Daten
- von elektronischen Kommunikations- und Speichermedien (insb. Mobiltelefone, Computern, Tablets, Festplatten, USB-Sticks, Speicherkarten (auch aus Spielekonsolen) etc.) sowie
- szenetypischer Gegenstände der sog. Ülkücü-Bewegung / „Grauen Wölfe“ und weiterer Gegenstände mit (türkisch-)rechtsextremen, ultranationalistischen, rassistischen, antisemitischen oder gewaltverherrlichenden Bezügen wird angeordnet, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden und in einem erkennbaren Zusammenhang mit dem Durchsuchungszweck stehen.
Ausgenommen von der Beschlagnahme sind Gegenstände und Unterlagen, die nachweislich in der Verfügungsgewalt Anderer als dem Antragsgegner stehen.
IV. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung unter Nr. I bis III gilt für 6 Monate ab dem Datum dieses Beschlusses.
V. Vor Durchführung der Durchsuchung und Beschlagnahmemaßnahmen ist dem Antragsgegner dieser Beschluss zusammen mit der Antragsschrift auszuhändigen. Für den Fall der Abwesenheit genügt zunächst ein Einlegen in den Briefkasten bzw. Zurücklassen in der Wohnung verbunden mit einer förmlichen Zustellung spätestens am Tag darauf. Dem Gericht ist unverzüglich ein Nachweis über die erfolgte Zustellung zuzuleiten.
V. Die Vollstreckung des Beschlusses hat über die nach der Strafprozessordnung hierzu berufenen Staatsanwaltschaft zu erfolgen. Dieser bzw. den hierzu von der Staatsanwaltschaft herangezogenen Ermittlungspersonen bei der Polizei wird zudem die Durchsicht der aufgefundenen Papiere, elektronischen Speichermedien und elektronischen Postfächer etc. übertragen.
VII. Mitgewahrsamsinhaber bezüglich der genannten Wohnung, der zu durchsuchenden Fahrzeuge und der zu durchsuchenden sowie zu beschlagnahmenden Gegenstände haben die angeordneten Maßnahmen zu dulden.Dies gilt insbesondere für die Ehefrau des Antragsgegners … …

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt durch das Polizeipräsidium … … als dienstvorgesetzte Stelle im Rahmen eines Disziplinarverfahrens gegen den Antragsgegner eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung.
2
1. Gegen den am 8. April 1995 geborenen Antragsgegner, seit 1. September 2021 Beamter auf Lebenszeit und zum 1. März 2022 zum Polizeiobermeister befördert, tätig im Bereich der Landespolizei des Polizeipräsidiums … … bei der Polizeiinspektion … …, wurde am 12. Juli 2023 durch das Polizeipräsidium … … ein Disziplinarverfahren gemäß Art. 19 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) eingeleitet.
3
Gegen den Beamten wird der Verdacht eines Verstoßes gegen die Verfassungstreue erhoben. Auf die Einleitungsverfügung wird insoweit Bezug genommen. Eine Aushändigung der Einleitungsverfügung an den Beamten ist bislang nicht erfolgt, um den Ermittlungserfolg nicht zu gefährden. Mit an das Gericht gerichteten Schreiben vom 2. August 2023 wird hierzu näher ausgeführt und dem Beamten zur Last gelegt, an der Innenseite der dienstlichen Schutzweste einen Patch mit stilisiertem Wolfskopf, Schriftzug „Turk“ in Orchon-Runen und einem blauen Halbmond sowie fünfzackigem Stern angebracht zu haben. Dies sei der türkisch-rechtsextremen Ülkücü-Bewegung zuzuordnen sei. Der Antragsteller sei daher verdächtig, eine rechtsextreme Gesinnung innezuhaben, und stehe daher im Verdacht eines Dienstvergehens i.S.v. § 47 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) in Bezug auf die Pflicht nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, sich zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten, und sich i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG stets achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten.
4
2. Mit am 2. August 2023 bei Gericht eingegangen Schreiben beantragt der Antragsteller durch das Polizeipräsidium … … als dienstvorgesetzte Stelle die Durchsuchung des Antragsgegners, seiner Wohnung, seines Fahrzeugs, des ihm zugewiesenen Bereichs auf der Arbeitsstätte inkl. dienstlichen E-Mails und des Home-Laufwerks einschl. des Unterordners „Ordner_Persönlich“ zum Zwecke des Auffindens von insb. Mobiltelefonen, EDV-Geräten und elektronischen Speichermedien sowie anderen szenetypischen Gegenständen mit insbesondere Bezügen zur sog. Ülkücü-Bewegung. Zudem wird die Beschlagnahme der genannten Gegenstände beantragt.
5
Zur Begründung wird ausgeführt, die Symbole auf dem Patch seien zum Teil bereits für sich isoliert betrachtet, aber jedenfalls in ihrer Gesamtheit als Bekenntnis/Sympathiebekundung zur extremistischen Ülkücü-Bewegung zu deuten. Hierzu wird auf einen Erkenntnisvermerk des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 6. Juli 2023 Bezug genommen, auf den hinsichtlich seiner Einzelheiten vorliegend wiederum Bezug genommen wird. Soweit der Beamte angegeben habe, den Patch von seinem Bruder erhalten zu haben, der beim türkischen Nachrichtendienst arbeite, habe ein Bezug des Patches zum türkischen Nachrichtendienst nicht festgestellt werden können. Der Beamte sei daher dringend verdächtig, insofern getäuscht und das ihm vorgeworfene Dienstvergehen begangen zu haben. Es sei davon auszugehen, dass er den Patch bewusst als Sympathiebekenntnis für die extremistische Ülkücü-Bewegung verwende und habe durch das Anbringen auf der Innenseite der Uniform einen unmittelbaren dienstlichen Bezug hergestellt. Mit einer Identifikation mit der Ülkücü-Bewegung bringe er zum Ausdruck, eine rechte Gesinnung innezuhaben. Hierzu wird näher ausgeführt, worauf Bezug genommen wird. Im Falle einer erwiesenen rechtsradikalen Gesinnung bzw. Verfassungsuntreue wäre die Verhängung der Höchstmaßnahme gerechtfertigt.
6
Telefonisch hat der Antragsteller am 11. August 2023 auf richterlichen Hinweis seine Antragstellung konkretisiert, dass es ihm auch auf eine Durchsicht der privaten E-Mails und Nachrichten aus Messenger-Diensten ankomme, soweit hierauf von den Mobiltelefonen oder Computern etc. zugegriffen werden könne. Hierzu wird in der Begründung vom 2. August 2023 bereits ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass die Kommunikation mit dem Bruder unter anderem über Instant-Messenger-Dienste und soziale Medien stattgefunden habe. Daher sei auch eine Durchsuchung digitaler Medien erforderlich und verhältnismäßig. Auch auf weiteren elektronischen Speichermedien bzw. Computern sei ein Auffinden von rechtsextremen Inhalten (Chatverläufen und Bilddateien) naheliegend. Da er den Patch auf seiner Polizeiweste angebracht habe, sei auch nicht auszuschließen, dass er sich auch mit Kollegen darüber unterhalten habe und die dienstliche E-Mail-Kommunikation bzw. Home-Laufwerk als Speicherort genutzt habe.
7
Im Übrigen wird auf den Antrag und die vorgelegten Unterlagen verwiesen.
II.
8
Die vorliegende Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung ergeht antragsgemäß aufgrund Art. 29 BayDG i.V.m. §§ 94 ff. Strafprozessordnung (StPO).
9
Nach Art. 29 BayDG kann das Gericht auf Antrag durch Beschluss Beschlagnahmen und Durchsuchungen anordnen. Zuständig für die Anordnung ist der oder die Vorsitzende der Disziplinarkammer ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter.
10
Die Anordnung darf nach Art. 29 Abs. 1 Satz 3 BayDG nur getroffen werden, wenn der Beamte des Dienstvergehens dringend verdächtig ist und die Maßnahme zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht außer Verhältnis steht. Die Bestimmungen der Strafprozessordnung über Beschlagnahmen und Durchsuchungen gelten nach Art. 29 Abs. 1 Satz 4 BayDG entsprechend.
11
Die Voraussetzungen für die beantragte Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung liegen vor. Insbesondere sind der Eingriff in das Grundrecht des Beamten – und etwaiger Mitgewahrsamsinhaber – der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sowie des Art. 10 GG bzw. seines informationellen Selbstbestimmungsrechts in Bezug auf seine E-Mails und Nachrichten in Messenger-Diensten verhältnismäßig.
12
1. Gegen den Antragsgegner ist vorliegend ein Disziplinarverfahren gemäß Art. 19 BayDG eingeleitet worden. Zwar ist die nach Art. 22 BayDG vorgeschriebene Unterrichtung, Belehrung und Anhörung über die Einleitung vorerst unterblieben, weil sie nicht ohne Gefährdung der Aufklärung des Sachverhalts möglich war (vgl. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 a.E. BayDG), dies hindert die Eröffnung des Anwendungsbereichs von Art. 29 Abs. 1 BayDG vorliegend jedoch nicht. Auch ist die Einleitungsverfügung überaus knappgehalten und lässt den zur Last gelegten Sachverhalt und disziplinarischen Vorwurf nur sehr rudimentär, aber für eine wirksame Einleitung noch hinreichend erkennen.
13
2. Der Antragsgegner ist dringend eines Dienstvergehens i.S.v. Art. 47 Abs. 1 BayDG verdächtig. Ein dringender Verdacht liegt vor, wenn eine große Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beamte das ihm zur Last gelegte Dienstvergehen begangen hat (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 16b DC 20.1871 – juris Rn. 6; B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 6).
14
a) Dem gegen den Antragsteller erhobenen Verdacht einer türkisch-rechtsextremen Gesinnung und damit fehlenden Verfassungstreue liegt das Anbringen eines Patches auf der Innenseite seiner dienstlichen Schutzweste zugrunde. Der Patch zeigt einen stilisierten Wolfskopf, einen Schriftzug „Turk“ in Orchon-Runen sowie einen blauen Halbmond und fünfzackigen Stern. Die Tatsache, dass der Antragsgegner das beschriebene Patch an der Innenseite seiner Schutzweste angebracht hat(te), steht nach Aktenlage hinreichend fest.
15
b) Wie der Antragsteller bezugnehmend auf einen Vermerk des Landesamtes für Verfassungsschutz vom 6. Juli 2023 darlegt, ist das Anbringen des Patches mindestens als eine deutliche Sympathiebekundung für die Ülkücü-Bewegung und sog. „Grauen Wölfe“, wenn nicht sogar Zeichen der Zugehörigkeit hierzu, zu bewerten, die er – wenngleich auf der Innenseite seiner Schutzweste – nach außen und in den dienstlichen Kontext hineingetragen hat.
16
c) Das Gericht hat vorliegend keinen Zweifel daran, dass die Symboliken auf dem Patch der Ülkücü-Bewegung zugeordnet werden können.
17
Neben den diesbezüglichen Ausführungen im Antragsschriftsatz vom 2. August 2023 und dem Vermerk des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz sowie im Verfassungsschutzbericht Bayern 2022 und Verfassungsschutzbericht des Bundes 2022 wird hierzu insbesondere auf die umfangreichen Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 23. Mai 2019 – M 30 K 17.1230 – (veröffentlicht u.a. bei beck-online) bezüglich der Ülkücü-Bewegung, die sog. „Grauen Wölfe“ mit der Bedeutung des Wolfsgrußes und die Frage der Verfassungsfeindlichkeit der Ülkücü-Bewegung Bezug genommen. Die Ideologie der Ülkücü-Bewegung ist aufgrund ihrer türkisch-rechtsextremistischen, rassistischen und nationalistischen Ausrichtung mit Überhöhung der Turkvölker und antisemitischen Haltung sowie Abwertung nicht-türkischer Ethnien nicht mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vereinbar. Die nach Ansicht der Verfassungsschutzbehörden dem rechtsextremistischen Spektrum zuzurechnende Ülkücü-Bewegung ist dabei nicht als starre Organisationsform zu sehen, sondern umfasst ein breites Spektrum ultranationalistischen und rassistischen Gedankentums. Symbol der Bewegung ist ein mit fünf Fingern stilisierter Wolfsgruß, weshalb die Anhänger auch als „Graue Wölfe“ bezeichnet werden. Die synonyme Gleichsetzung der „Ülkücü-Bewegung“ mit den „Grauen Wölfen“ ist dabei nicht nur im Verfassungsschutzverbund anerkannt, sondern findet sich auch außerhalb des Verfassungsschutzes, im allgemeinen Sprachgebrauch und in den Medien (vgl. zu den Einzelheiten auch VG München, U.v 23.5.2019 – M 30 K 17.1230 – beck-online).
18
In Übereinstimmung mit den Ausführungen des Polizeipräsidiums … … dürfte das Symbol des „Grauen Wolfs“ und die damit verbundene ideologische Positionierung im Kreise der Bürgerinnen und Bürger mit türkischen Wurzeln hinlänglich bekannt sein. Dass dem Antragsgegner die Bedeutung der Symbolik auf dem Patch nicht bekannt war, ist nicht wahrscheinlich.
19
3. Die beantragten Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen stehen weder zur Bedeutung der Sache noch zur zu erwartenden Disziplinarmaßnahme außer Verhältnis, vgl. Art. 29 Abs. 1 Satz 3 BayDG; vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 16b DC 20.1871 – juris Rn. 15; B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 12). Regelmäßig kommen entsprechende Maßnahmen nur in Betracht, wenn die Zurückstufung oder die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erwarten ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 16b DC 20.1871 – juris Rn. 15; B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 14 m.w.N.). Dies ist vorliegend anzunehmen.
20
a) Das dem Antragsgegner zur Last gelegte Dienstvergehen wiegt sehr schwer.
21
Der Antragsteller geht auf der Grundlage, dass der Antragsgegner einen Patch mit deutlich der Ülkücü-Bewegung zuzuordnenden Motiven auf der Innenseite seiner Schutzweste angebracht hat, nachvollziehbar und zutreffend von einem dringenden Verdacht eines Verstoßes gegen die beamtenrechtliche Verfassungstreuepflicht aus, der über einen (bloßen) Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten weit hinausgeht und ein sehr schweres Dienstvergehen begründet.
22
Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Verfassungstreue durch ein nach außen tretendes Sympathisieren oder gar eine Zugehörigkeit zur Ülkücü-Bewegung bzw. den sog. „Grauen Wölfen“ reicht bis zur Höchstmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Eine nach außen getragene rechtsgerichtete Gesinnung – unabhängig davon, ob diese etwa auf einer deutsch-nationalsozialistischen oder türkisch-rechtsextremen Ideologie basiert – steht einer Verwendung eines Beamten im Polizeidienst entgegen und rechtfertigt die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses lassen es nicht zu, Personen mit der Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt zu betrauen, die die freiheitliche demokratische Verfassungsordnung ablehnen (vgl. BayVGH, B.v. 22.7.2022 -16b DC 22.1484 – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 91). Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist zudem zu berücksichtigen, dass ein Beamter, der als Polizeibeamter in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung genießt, mit einer fehlenden Verfassungstreue das zur Ausübung seines Amtes erforderliche Vertrauen in besonderem Maße beeinträchtigt hat (vgl. nur BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 2 B 21.16 – juris Rn. 10; U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – Ls. 1 und Rn. 35 ff.).
23
Zwar genügt ein bloßes Haben einer rechtsgerichteten Gesinnung für die Annahme eines disziplinarrechtlich relevanten Verfassungstreue-Verstoßes noch nicht, bedarf es jedoch auch keines offensiven Werbens hierfür (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25/17 – beck-online Rn. 21 ff.). Durch das Anbringen des Patch auf der Dienstkleidung, wenn auch im nicht allgemein sichtbaren Bereich, trägt der Beamter aber vergleichbar einer nicht sichtbaren Tätowierung seine Ansicht hinreichend nach außen, und dokumentiert er – verbunden sogar mit seiner Dienstkleidung – seine innere Haltung, die er vorliegend mit dem Dienst „vernäht“ und verbindet (vgl. zur Tätowierung BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25/17 – beck-online Rn. 24 ff.).
24
Angesichts dessen kann durchaus eine Schwere eines Dienstvergehens prognostiziert werden, die eine statusberührende Maßnahme zu erwarten lässt.
25
b) Sowohl die Durchsuchung an der Arbeitsstätte – mit dem persönlichen Home-Laufwerk und der dienstlichen E-Mail-Adresse – als auch der Wohnung inkl. des Fahrzeugs und des Antragsgegners selber sind geeignet, Gegenstände, insbesondere auch elektronische Speichermedien, Mobiltelefone etc. aufzufinden, um die erforderlichen Beweismittel für die Bestätigung oder Entkräftung des gegen den Antragsgegner erhobenen Vorwurfs zu erlangen. Wie der Antragsteller ausgeführt hat, ist davon auszugehen, dass die Durchsuchung aufzeigen wird, inwieweit sich der Antragsgegner über den angebrachten Patch hinaus – insbesondere im Bereich seiner elektronischen Kommunikation – zur Ülkücü-Bewegung und den „Grauen Wölfen“ verhält und ob Daten zutage treten, die auf seine Haltung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung schließen lassen. Hierzu ist nicht nur das Auffinden von Gegenständen wie z.B. Fahnen, Abzeichen etc. in der Wohnung oder im Spind des Antragsgegners naheliegend, sondern insbesondere davon auszugehen, dass sich bei einer Zugehörigkeit zur Ülkücü-Bewegung szenetypisches Material und Bezüge auf den elektronischen Speichermedien, vor allem auch in der elektronischen Kommunikation per E-Mail oder der Messenger-Dienste sowie im Verhalten in den sozialen Medien finden lassen.
26
Daher ist naheliegend, die Durchsuchung nicht alleine auf das Mobiltelefon zu beschränken, nachdem mittlerweile ein Datenaustausch auf vielfältige Weise erfolgt. Auch eine Reduzierung alleine auf den dienstlichen Bereich würde zu kurz greifen, zumal eine etwaig zunächst unterbliebene Durchsuchung im Nachgang nicht mehr erfolgversprechend erscheint.
27
(3) Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmemaßnahmen sind auch erforderlich. Mildere Mittel sind vorliegend nicht ersichtlich, zumal dem Dienstherrn nach Aktenlage keine Anhaltspunkte für – bereits hinreichende – Betätigungen des Antragsgegners im öffentlich zugänglichen Bereich sozialer Medien vorliegen. Insbesondere ist auch nicht zu erwarten, dass der Antragsgegner ohne richterliche Anordnung entsprechende Beweismittel herausgeben wird. Ein diesbezügliches Abwarten würde im Übrigen den Erfolg der Maßnahmen gefährden. Andere gleichermaßen geeignete Ermittlungsmaßnahmen wie Zeugeneinvernahmen etc. sind derzeit (noch) nicht ersichtlich, ohne den Beamten vorzuwarnen und so den Ermittlungserfolg zu gefährden.
28
(4) Die Maßnahmen sind auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund des sich aus Art. 13 Abs. 1 GG ergebenden besonderen Schutzes der Wohnung des Antragsgegners, Eigentumsgrundrecht nach Art. 14 GG und in Bezug auf die Durchsicht der E-Mail-Postfächer und Messenger-Dienste etc. des Fernmeldegeheimnisses nach Art. 10 Abs. 1 GG bzw. des informationellen Selbstbestimmungsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (vgl. zur Abgrenzung bei E-Mail-Postfächern BVerfG, B.v. 16.6.2009 – 2 BvR 902/06 – juris Rn. 42-54).
29
Dabei wird nicht verkannt, dass durch eine Durchsicht der Kommunikation insbesondere mit dem Bruder des Antragsgegners auch in die besonders sensible und geschützte familiäre Privatsphäre eingegriffen wird. Nicht jegliche Kommunikation mit dem Bruder ist aber einer disziplinarischen Werten entzogen (vgl. zur Relevanz eines Einzelchats HessVGH, B.v. 30.6.2023 – 28 E 803/23.D – juris). Hierbei handelt es sich vielmehr um einen Aspekt bei der Auswertung des Chats, dass das öffentliche Interesse disziplinarer Ahndung von Äußerungen ohne echten Kundgabewillen nur im engsten Familien- oder Freundeskreis aufgrund der besonderen Vertrautheit und Vertraulichkeit der Gesamtumstände womöglich zurückzutreten hat (vgl. HessVGH, a.a.O. Rn. 45). Wenn es aber nicht um Äußerungen im engsten Vertrautenkreis geht, sondern um beispielsweise Berichte über Aktivitäten, Teilnahmen an Veranstaltungen usw., dürfte eine disziplinarische Relevanz nicht von vornherein abzusprechen sein. Insofern ist die Kommunikation mit dem Bruder des Antragsgegners gerade im Hinblick auf die Herkunft des Patches und seiner Bedeutung durchaus – belastend wie auch entlastend – von herausgehobenem Interesse.
30
Soweit bei der Wohnungsdurchsuchung auch in die Grundrechte von etwaigen Mitbewohnern eingegriffen wird, ist es verhältnismäßig, dass diese die Maßnahme zu dulden haben. Erkennbar im Alleingewahrsam Anderer stehende Gegenstände haben insoweit bei der Durchsuchung außer Betracht zu bleiben.
31
Zur Sicherstellung der Verhältnismäßigkeit war die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung zudem zu befristen.
32
Dabei ist zu beachten, dass eine Beschlagnahme im Übrigen erst für den Fall erfolgt, dass die Gegenstände nicht freiwillig herausgegeben werden (vgl. § 94 Abs. 2 StPO).
33
4. Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung ist auch im Übrigen von den entsprechend anwendbaren Regelungen in §§ 94 ff. StPO sowie höherrangigen Rechts gedeckt.
34
a) Nach § 102 StPO kann die Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume, der Person und der ihr gehörenden Sachen angeordnet werden, wenn zu vermuten ist, dass sie zur Auffindung von Beweismitteln führen wird. Nach § 102 StPO ist auch die Durchsuchung der ihm zur Verfügung gestellten dienstlichen Spinde zulässig.
35
b) Die Durchsicht der elektronischen Datenträger und Datenspeicher ist nach § 110 Abs. 1 StPO zulässig; der dortige Begriff „Papiere“ ist weit auszulegen (BVerfG, B.v. 12.4.2005 – 2 BvR 1027/02 – juris Ls. 1; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl. 2021, § 110 Rn. 1). Die Durchsuchungsanordnung bezieht sich auch auf von diesen Durchsuchungsobjekten räumlich getrennte Speichermedien, soweit auf sie von den durchsuchten Speichermedien aus zugegriffen werden kann (§ 110 Abs. 3 Satz 1 StPO. Somit ist auch ein Zugriff auf sog. Cloud-Speicher möglich. Umfasst von der Rechtsgrundlage des § 110 StPO ist zudem die offen erfolgende, unmittelbare und einmalige Durchsicht der E-Mail-Postfächer (vgl. hierzu auch BVerfG, B.v. 16.6.2009 – 2 BvR 902/06 – juris Rn. 55 ff) sowie der Nachrichten der Messenger-Dienste und in den Account der sozialen Medien gespeicherten Daten, soweit hierauf von den aufgefundenen Endgeräten zugegriffen werden kann (vgl. LG Koblenz, B.v. 24.6.2021 – 4 Qs 59/21 – juris Rn.17 ff.). Soweit sich die Daten auf Servern im Ausland befinden, hat die mit der Vollstreckung des Durchsuchungsbeschlusses beauftragte Stelle je nach konkreter Begebenheit zu prüfen, ob es noch eines ausländischen Rechtshilfeersuchens bedarf oder ein solches entfallen kann, etwa weil der von der Maßnahme Betroffene die Zugangsdaten den Ermittlungsbehörden überlassen hat oder diese die Zugangsdaten bei der Durchsuchung aufgefunden haben (vgl. zum Streitstand LG Koblenz, a.a.O. Rn. 21 ff. mit kritischen Anmerkungen von Bechtel in NZWiSt 2022, 160; Hegmann in BeckOK StPO § 110 Rn. 16 m.w.N. – beck-online).
36
c) Die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung ist hinreichend bestimmt.
37
Da die Ermächtigung der Exekutive, im Wege der Durchsuchung in den grundrechtlich geschützten Bereich des Betroffenen einzugreifen, regelmäßig den Gerichten vorbehalten ist, trifft diese als Kontrollorgan zugleich die Pflicht, durch eine geeignete Formulierung des Durchsuchungsbeschlusses im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren sicherzustellen, dass der Eingriff in die Grundrechte messbar und kontrollierbar bleibt (BayVGH, B.v. 28.4.2014 – 16b DC 12.2380 – juris Rn. 22).
38
Dem Bestimmtheitsgebot der Beschlagnahmeanordnung wird vorliegend insoweit durch die in Nr. I. tenorierte gattungsmäßige Benennung der zu beschlagnahmenden Gegenständen ihrer Art nach und einem erforderlichen Zusammenhang zur disziplinarischen Vorwurf hinreichend Rechnung getragen (a.A. BVerwG, B.v. 9.2.2022 -2 WDB 12/21 – juris Rn. 13; vgl. zur vereinsrechtlichen Regelung: VGH Kassel, B.v. 21.12.2018 – 8 E 545/18 – beck-online; vgl. auch BayVGH, B.v.11.12.2002 – 4 C 02.2478 – beck-online, der insoweit höhere Anforderungen als der VGH Kassel stellt)). Zwar sind die zu beschlagnahmenden Gegenstände in der Anordnung so genau zu bezeichnen, dass keine Zweifel darüber entstehen können, ob sie von der Beschlagnahmeanordnung erfasst sind; andernfalls würde die Entscheidung, welche Gegenstände unter die richterliche Beschlagnahmeanordnung fallen, nicht dem Richter, sondern den Ermittlungsbehörden obliegen (vgl. VGH Kassel, a.a.O. Rn 27 mit Hinweis auf eine insoweit kritische Rechtsprechung). Sie darf kein „Beschlagnahmeblankett“ darstellen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.9.2009 – OVG 1 L 100.08 – juris Rn. 3 m.w.N.). Die Anforderungen an die Bestimmtheit dürfen hingegen auch nicht überspannt werden (VGH Kassel, a.a.O. Rn. 30). Es ist deshalb für die Wahrung des Bestimmtheitsgebots erforderlich, aber auch ausreichend, Gegenstände, Unterlagen und Daten allgemein nach ihrer Art zu benennen und diese Beschreibung zu konkretisieren, indem auf ihren Bezug zu dem Durchsuchungszweck verwiesen wird. Eine solche Eingrenzung genügt, um in ausreichendem Maße Zweifel darüber, welches Beweismaterial beschlagnahmt werden darf, auszuräumen. Unschädlich sind die hierbei verbleibenden Unbestimmtheiten, weil diese aufgrund des Wesens einer disziplinarrechtlichen Ermittlungsmaßnahme nie völlig vermieden werden können (für vereinsrechtliche Maßnahmen vgl. VGH Kassel a.a.O.; BayVGH, B.v. 17.10.2013 – 4 C 13.1589 – juris Rn. 8). Hinzu kommt, dass der Schutzbereich des Art. 13 GG bei Beschlagnahmen von Gegenständen nicht berührt wird (BVerfG, B.v. 29.1.2002 – 2 BvR 1245/01 – beck-online).
39
Diesem Erfordernis der zumindest gattungsmäßigen Bestimmtheit der zu beschlagnahmenden Gegenstände wird vorliegend hinreichend Rechnung getragen (vgl. kritisch insoweit BayVGH, B.v. 22.7.2022 – 16b DC 22.1484 – beck-online Rn. 5.).
40
Eine gegenstandsbezogene Prüfung von Einzelgegenständen auf deren Beweiseignung und Beschlagnahmefähigkeit hat anhand der konkret aufgefundenen Gegenstände stattzufinden. und ist dabei ggf. auf Antrag einer nachgelagerten gerichtlichen Beschlagnahmeanordnung zugänglich. Antragstellerseitig ist zu prüfen, ob die zur Durchsicht mitgenommenen Gegenstände nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zurückgegeben werden können, ob die Beschlagnahme einer Kopie der auf den Geräten befindlichen Daten ausreicht, inwiefern dabei eine Trennung der potenziell beweiserheblichen Daten von den restlichen Daten möglich und in welchem Umfang eine Löschung oder Herausgabe der für das Verfahren irrelevanten Daten geboten ist (BayVGH, B.v. 23.9.2022 – 16a DC 22.1940 – juris Rn. 19 m.w.N.).
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d) Über den Antrag konnte ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners entschieden werden. Zwar gilt das Gebot rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG grundsätzlich auch für richterliche Anordnungen nach Art. 29 BayDG i.V.m. §§ 94 ff. StPO. Die Sicherung gefährdeter Interessen kann jedoch in besonderen Verfahrenslagen einen sofortigen Zugriff notwendig machen, der die vorherige Anhörung ausschließt. Im vorliegenden Fall ist die unterbliebene vorherige Anhörung des Antragsgegners aufgrund der Gefahr gerechtfertigt, dass bei einer vorherigen Anhörung damit zu rechnen ist, dass Beweismittel beiseitegeschafft oder vernichtet werden Der Antragsgegner ist damit auf eine nachträgliche Anhörung zu verweisen, was Art. 29 Abs. 1 Satz 4 BayDG i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 1 StPO zulässt (vgl. auch BVerfG, B.v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80 – juris Rn. 52 ff.).
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5. Nach Art. 29 Abs. 3 BayDG dürfen Durchsuchungen und Beschlagnahmen nur durch die nach der Strafprozessordnung dazu berufenen Behörden durchgeführt werden, denen folglich im Wege der Amtshilfe die Vollstreckung des Beschlusses – mit möglichem Rückgriff auf die Polizei als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft – i.S.v. § 36 Abs. 2 StPO obliegt, das Erforderliche zu veranlassen (vgl. a. Conrad in Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Art. 29 Rn. 30-31). Auf § 105 Abs. 2 StPO wird hingewiesen.
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Die Übertragung der Befugnis zur Durchsicht der elektronischen Postfächer erfolgt in entsprechender Anwendung von § 100 Abs. 3 Satz 2 StPO. Eine Übermittlung der E-Mails zur Durchsicht an das Gericht würde zu einer nicht hinnehmbaren Verzögerung führen. Die Durchsicht von bei der Durchsuchung aufgefundenen Papieren steht nach § 110 Abs. 1 StPO ohnehin der Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen auf deren Anordnung zu.
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6. Die besondere Verfahrenslage rechtfertigt und gebietet, dass die Zustellung der gerichtlichen Anordnung (zusammen mit der Antragsschrift) gemäß § 3 BayDG i.V.m. § 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 168 Abs. 2, § 176 Abs. 2, 177 ff. ZPO durch die Polizei in Amtshilfe erfolgt. Vor dem Hintergrund des Grundrechtseingriffs durch die vorliegende Maßnahme und unterbliebene Anhörung im Vorfeld hat die Übergabe des Beschlusses soweit möglich vor Beginn der Maßnahme zu erfolgen, vgl. § 106 StPO.
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7. Eine Kostenentscheidung bleibt der Kostenentscheidung im Disziplinarverfahren überlassen, da es sich bei der Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung um eine unselbständige Nebenentscheidung handelt (BayVGH, B.v. 5.10.2020 – 16b DC 20.187 – juris Rn. 4).