Titel:
Kein Schadensersatzanspruch des Erwerbers eines Diesel-Fahrzeugs mit Thermofenster sowie Restreichweitenfunktion nach Software-Update
Normenketten:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Fahrzeugemissionen-VO Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
Leitsätze:
1. Der Fahrzeughersteller, der sich unter Berufung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum entlasten will, muss sowohl den Verbotsirrtum als solchen als auch die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums konkret darlegen und beweisen. Für die Unvermeidbarkeit seines Verbotsirrtums kann sich der Fahrzeughersteller insbesondere auf eine hypothetische Genehmigung der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde stützen (hier bejaht wegen Thermofensters). (Rn. 24 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Kriterium der Prüfstandsbezogenheit ist grundsätzlich geeignet, um zwischen nur unzulässigen Abschalteinrichtungen und solchen, deren Implementierung die Kriterien einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung erfüllen können, zu unterscheiden. Die sog. Restreichweitenfunktion ist jedoch nicht prüfstandsbezogen, da sie im Prüfstand wie im Realbetrieb gleichermaßen funktioniert. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wurde die vom KBA als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandete Restreichweitenfunktion durch Aufspielen eines hierfür vom Fahrzeughersteller entwickelten Software-Updates entfernt, ist ein etwaiger Differenzschadensersatzanspruch wegen der ursprünglichen Restreichweitenfunktion hierdurch vollständig ausgeglichen. Hinsichtlich dieses Software-Updates hat das KBA ausdrücklich festgehalten, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt wurden. Damit drohen dem streitgegenständlichen Fahrzeug keinerlei Betriebsbeschränkungen mehr. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, sittenwidrige Schädigung, Schutzgesetz, Kfz-Hersteller, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, Verbotsirrtum, Restreichweitenfunktion, Software-Update
Vorinstanz:
LG Landshut, Endurteil vom 09.09.2022 – 44 O 3777/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 26035
Tenor
I. Der Senat weist nach § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 09.09.2022, Az. 44 O 3777/21, gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
II. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Entscheidungsgründe
1
Der Kläger begehrt im Rahmen des sogenannten Abgasskandals von der beklagten Fahrzeugherstellerin Schadensersatz.
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Der Kläger erwarb am 07.03.2017 von der ... GmbH in ... den gebrauchten Pkw Audi A6 Avant 3.0 TDI, 200 kW, Hubraum 2.967 ccm, Euro 6, FIN: ... mit einer Laufleistung von 8.900 km, zu einem Kaufpreis von 61.000 € (Anlage K 1), der über einen SCR-Katalysator verfügt.
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Das streitgegenständliche Fahrzeug ist von einem verpflichtenden Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung hinsichtlich des Emissionsverhaltens betroffen. Hintergrund ist die sog. Restreichweitenfunktion, wonach durch eine verringerte Einspritzung von AdBlue-Reagens sichergestellt wird, dass eine Restreichweite von 2.400 km in jedem Fall erreicht wird. Das Software-Update wurde vom Kraftfahrtbundesamt am 12.11.2018 freigegeben und beim streitgegenständlichen Fahrzeug 2018 aufgespielt.
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Am 04.08.2023 wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 35.485 km auf.
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Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Landshut vom 09.09.2022, Az. 44 O 3777/21, Bezug genommen, § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO.
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Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 09.09.2022 abgewiesen, da der Kläger eine unerlaubte sittenwidrige Handlung der Beklagten nicht substantiiert dargelegt habe. Andere Anspruchsgrundlagen bestünden ebenfalls nicht. Auf den Tenor und die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
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Dagegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 07.10.2022 (Bl. 1 ff. Bd. d.A.) eingelegte und mit Schriftsatz vom 12.12.2022 (Bl. 12 ff. Bd. d.A.) begründete Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Anträge im Wesentlichen weiterverfolgt. Zum Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen und daraus folgender deliktischer Schadenersatzansprüche gegen die Beklagten habe er hinreichend substantiiert vorgetragen. Auch habe er einen kausalen Schaden.
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Er beantragt das Urteil des Landgerichts Landshut abzuändern und zu erkennen wie folgt:
„1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag bezüglich des Fahrzeugs der Marke Audi A6 Avant mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ..., dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 12.200 € betragen muss, zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
2. Es wird festgestellt, dass der in Antrag zu 1) bezeichnete Anspruch aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten des Klägers entstandenen Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.980,16 € freizustellen.“
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Zu den Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 12.12.2022 (Bl. 12 ff. Bd. d.A.), die Berufungserwiderung vom 17.02.2023 (Bl. 45 ff. Bd. d.A.) sowie die weiteren Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
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Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats durch Urteil nicht erfordert und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
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Die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts ist jedenfalls im Ergebnis richtig. Das Ersturteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Die Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung vermögen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf das Ersturteil.
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Zu ergänzen ist Folgendes:
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1. Ein Schadensersatzanspruch nach §§ 826, 31 BGB bzw. §§ 826, 831 BGB scheitert daran, dass der Kläger eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Beklagten nicht hinreichend substantiiert dargetan bzw. keine hinreichenden Anhaltspunkte hierfür vorgebracht hat.
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Aus dem Vortrag des Klägers und den dazugehörigen Anlagen ergibt sich kein objektiv sittenwidriges Verhalten der Beklagten in Bezug auf die behauptete Abschalteinrichtungen. Insbesondere betreffen die von der Klagepartei als Anlagenkonvolut K3a vorgelegten Bescheide des KBA andere Fahrzeugmodelle und/oder andere Motortypen.
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Mit Blick auf das im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaute Thermofenster vermag der Senat bereits nicht zu der Überzeugung zu gelangen, dass es sich hierbei um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. So hat das KBA im Rahmen einer in einem anderen Verfahren erteilten gerichtlichen Auskunft in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeugmodell ausdrücklich bestätigt, dass im Hinblick auf das sog. Thermofenster nach den Untersuchungen des KBA auch unter Berücksichtigung der EuGH-Urteile vom 14.07.2022 zur Zulässigkeit von Thermofenstern (C-128/20, C-134-20, C-145/20) keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt wurde (Anlage B6). Allerdings ist unstreitig, dass das streitgegenständliche Fahrzeug aufgrund der sog. Restreichweitenfunktion einem verbindlichen Rückruf des KBA wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterlag.
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Damit eine unzulässige Abschalteinrichtung eine Haftung der Beklagten wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gemäß § 826 BGB auslösen kann, müssen nach der mittlerweile gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung jedoch weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. Das Kriterium der Prüfstandsbezogenheit ist grundsätzlich geeignet, um zwischen nur unzulässigen Abschalteinrichtungen und solchen, deren Implementierung die Kriterien einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung erfüllen können, zu unterscheiden (vgl. z.B. BGH, Beschluss v. 04.05.2022, Az. ZR 733/21, Rz. 17 f. m.w.N.). Die sog. Restreichweitenfunktion ist jedoch nicht prüfstandsbezogen, da sie im Prüfstand wie im Realbetrieb gleichermaßen funktioniert.
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Zudem vermag der Senat keinerlei Anhaltspunkte für einen Täuschungsvorsatz der Beklagten gegenüber dem KBA zu erkennen. Die Beklagte hat insoweit substantiiert vorgetragen, diese Funktion im streitgegenständlichen Fahrzeug ursprünglich zur Erfüllung der Anforderungen des Abs. 3.5 des Anhangs XVI der Verordnung (EG) 692/2008 implementiert zu haben, wonach sich bei Fahrzeugen, die – wie das streitgegenständliche – ein Reagens für ihr Abgasnachbehandlungssystem benötigen, das vorgeschriebene Warnsystem aktivieren muss, sobald noch eine Strecke von mindestens 2 400 km gefahren werden kann, bevor der Reagensbehälter leer wird. Das KBA hat insoweit zum streitgegenständlichen Fahrzeugmodell in einer amtlichen Auskunft in eime anderen gerichtlichen Verfahren (Anlage B 6) eingeräumt, dass sich aus der Vorschrift nicht klar ergebe, ob das Reagens unter allen möglichen Umständen mindestens 2.400 km oder aber nur bei einem „mittleren“ Betriebsprofil 2.400 km ausreichen müsse.
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Mangels Darlegung weiterer Umstände, die ein verwerfliches Handeln belegen würden – die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit beim Kläger –, kommt ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB nicht in Betracht.
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2. Ebensowenig lässt sich der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz stützen.
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a) Selbst wenn man hinsichtlich des Thermofensters eine unzulässige Abschalteinrichtung unterstellt, ist jedenfalls insoweit ein Verschulden der Beklagten nicht anzunehmen.
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aa) Zwar besteht, wenn man das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unterstellt, eine von der objektiven Schutzgesetzverletzung ausgehende Verschuldensvermutung. Demnach muss derjenige, der objektiv ein Schutzgesetz verletzt hat, Umstände darlegen und erforderlichenfalls beweisen, die geeignet sind, die daraus folgende Annahme seines Verschuldens in Form einer Fahrlässigkeit auszuräumen. Dementsprechend muss der Fahrzeughersteller, wenn er eine Übereinstimmungsbescheinigung trotz der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegeben und dadurch § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV verletzt hat, Umstände darlegen und beweisen, die sein Verhalten ausnahmsweise nicht als fahrlässig erscheinen lassen (BGH, Urteil v. 26.06.2023, Az. VIa ZR 335/21, Rz. 59 m.w.N.).
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bb) Die Beklagte kann sich hinsichtlich des Thermofensters zu ihrer Entlastung vorliegend jedoch auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen.
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Der Fahrzeughersteller, der sich unter Berufung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum entlasten will, muss sowohl den Verbotsirrtum als solchen als auch die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums konkret darlegen und beweisen. Für die Unvermeidbarkeit seines Verbotsirrtums kann sich der Fahrzeughersteller insbesondere auf eine hypothetische Genehmigung der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde stützen. Zu seiner Entlastung muss er in diesem Fall darlegen und erforderlichenfalls nachweisen, dass seine Rechtsauffassung von Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typgenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden wäre (hypothetische Genehmigung). Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Schädigers dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat. Eine Entlastung auf dieser Grundlage setzt allerdings voraus, dass der Fahrzeughersteller nicht nur allgemein darlegt, dass die Behörde Abschalteinrichtungen der verwendeten Art genehmigt hätte, sondern dass ihm dies auch unter Berücksichtigung der konkret verwendeten Abschalteinrichtung in allen für die Beurteilung nach Art. 5 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 maßgebenden Einzelheiten gelingt. Auf das Bestehen einer entsprechenden Verwaltungspraxis kommt es dabei zwar nicht maßgeblich an. Die Grundsätze der hypothetischen Genehmigung gelten mit Rücksicht auf ihren Sinn und Zweck auch, wenn der Fahrzeughersteller eine hypothetische Genehmigung bezogen auf den konkreten Motor einer bestimmten Baureihe nachweist. Neben anderen Indizien kann allerdings aufgrund einer bestimmten, hinreichend konkreten Verwaltungspraxis gem. § 286 Abs. 1 ZPO auf eine hypothetische Genehmigung geschlossen werden (BGH, a.a.O., Rz. 63 ff. m.w.N.).
25
Vorliegend hat die Beklagte substantiiert vorgetragen, dass ihre Rechtsauffassung in Bezug auf das Thermofenster selbst bei einer konkreten Nachfrage beim KBA von diesem bestätigt worden wäre.
26
Aus der im vorliegenden Verfahren von der Beklagten vorgelegten Auskunft des KBA ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass das KBA sowohl im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Klägerin als auch bis heute aufgrund der durchgeführten Untersuchungen der Auffassung ist, dass das im streitgegenständliche Fahrzeug verbaute Thermofenster keine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt (vgl. Anlage B 6).
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b) Wegen der sog. Restreichweitenfunktion hingegen wäre ein Differenzschadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte hier wohl dem Grunde nach aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder Art. 5 VO 715/2007/EG anzunehmen.
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Er ist aber jedenfalls der Höhe nach ausgeglichen durch die nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil v. 26.06.2023, Az. VIa ZR 335/21, Rz. 80; Urteil v. 17.11.2022, Az.ZR 260/20, Rz. 25; Urteil v. 24.01.2022, Az. VIa ZR 100/21, Rz. 16 ff.; Urteil v. 06.07.2021, Az.ZR 40/20 Rz. 23 f.) im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigenden Vorteile des Klägers. Es ist auch rechtlich nicht zu beanstanden, dass der etwaige Schadenersatzanspruch des Klägers durch die Vorteilsanrechnung vollständig aufgezehrt wird und somit entfällt (BGH, Urteil v. 30.07.2020, Az. ZR 354/19, Rz. 15). Dass für die Schätzung des Differenzschadens auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen ist, schließt nach der Rechtsprechung des BGH eine schadensmindernde Berücksichtigung später eintretender Umstände im Wege der Vorteilsausgleichung, deren Voraussetzungen der Fahrzeughersteller darzulegen und zu beweisen hat, nicht aus. Beruft sich der Fahrzeughersteller auf die nachträgliche Verbesserung des Fahrzeugs durch ein Software-Update, kann damit eine Schadensminderung indessen nur verbunden sein, wenn und soweit das Software-Update die Gefahr von Betriebsbeschränkungen signifikant reduziert. Das wiederum kann nur dann der Fall sein, wenn es nicht seinerseits eine unzulässige Abschalteinrichtung beinhaltet (BGH, Urteil v. 26.06.2023, Az. VIa ZR 335/21, Rz. 80 m.w.N.).
29
Der Senat ist vorliegend unter Berücksichtigung des Parteivortrags zu der Überzeugung gelangt, dass ein etwaiger Differenzschadensersatzanspruch wegen der ursprünglichen Restreichweitenfunktion durch das nachträgliche Software-Update beim streitgegenständlichen Fahrzeug vollständig ausgeglichen wurde. Die vom KBA als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandete Restreichweitenfunktion wurde beim streitgegenständlichen Fahrzeug unstreitig 2018 durch Aufspielen eines hierfür von der Beklagten entwickelten Software-Updates entfernt. Dieses Software-Update wurde vom KBA zuvor geprüft und mit Bescheid vom 12.11.2018 freigegeben (vgl. Anlagenkonvolut B). Dabei hat das KBA als Ergebnis ausdrücklich festgehalten, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen festgestellt wurden. Damit drohen dem streitgegenständlichen Fahrzeug keinerlei Betriebsbeschränkungen mehr. Die Vorteilausgleichung kann der Gewährung auch eines Schadensersatzes aus § 823 Abs. 2 BGB entgegenstehen, wenn der Differenzschaden vollständig ausgeglichen ist. Der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte führt nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten (BGH Urteil v. 26.06.2023, Az. VIa ZR 335/21, Rz. 80; EuGH, Urteil vom 21. März 2023 – C-100/21, NJW 2023, 1111 Rz. 94; vgl. schon BGH, Urteil vom 10. Oktober 2022 – VIa ZR 542/21, VersR 2023, 192 Rz. 22).
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Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats als Berufungsgericht oder die Zulassung der Revision (§§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO).
31
Wie dargestellt, liegen den vorstehenden Ausführungen die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Leitlinien zugrunde.
32
Dazu ist keine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO), da keine besonderen Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, bei denen nur die Durchführung einer mündlichen Verhandlung der prozessualen Fairness entspräche.
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Bei dieser Sachlage wird schon aus Kostengründen empfohlen, die Berufung zurückzunehmen, was eine Ermäßigung der Gebühren für das „Verfahren im Allgemeinen“ von 4,0 (Nr. 1220 GKG-KV) auf 2,0 (Nr. 1222 GKG-KV) mit sich brächte.
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Zu diesen Hinweisen besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Der Senat soll nach der gesetzlichen Regelung die Berufung unverzüglich durch Beschluss zurückweisen, falls sich Änderungen nicht ergeben. Mit einer einmaligen Verlängerung dieser Frist um maximal drei weitere Wochen ist daher nur bei Glaubhaftmachung konkreter, triftiger Gründe zu rechnen (vgl. OLG Rostock, Beschluss v. 27.05.2003, Az. 6 U 43/03, juris Rz. 7 ff.). Eine Fristverlängerung um insgesamt mehr als einen Monat ist daneben entsprechend § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO nur mit Zustimmung des Gegners möglich.