Titel:
Beschränkung der Befugnisse des Notjagdvorstandes
Normenketten:
BJagdG § 9 Abs. 2 S. 1
BayJG Art. 11 Abs. 2
AVBayJG § 5 Abs. 1, § 11 Abs. 2 S. 2 der Anl. 1
GKG § 41 Abs. 1
ZPO § 2, § 8
Leitsätze:
1. Die in der Mustersatzung gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 der Anlage 1 zu § 5 Abs. 1 AVBayJG enthaltene Beschränkung der Vertretungsmacht des Jagdvorstehers ist aufgrund ihrer hinreichend klaren Fassung für jeden Dritten ohne weiteres erkennbar und damit auch im Außenverhältnis wirksam. (Rn. 19 und 23)
2. Die im Außenverhältnis wirksame satzungsmäßige Beschränkung der Vertretungsmacht des Jagdvorstehers beschränkt auch die Befugnisse des gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 BJagdG an die Stelle des Jagdvorstandes tretenden Gemeindevorstandes als Notjagdvorstand. (Rn. 25)
3. Bei Streitigkeiten über den Bestand eines Jagdpachtvertrages erfolgt die Festsetzung des Gebührenstreitwertes nach § 41 Abs. 1 GKG, während die Regelungen der §§ 2, 8 ZPO für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert maßgeblich sind. (Rn. 39)
Schlagworte:
Beschränkung der Befugnisse des Notjagdvorstandes, Gemeindevorstand, Beschränkung der Vertretungsmacht, Jagdvorsteher, Beschränkung im Außenverhältnis
Vorinstanz:
LG Schweinfurt, Endurteil vom 08.05.2023 – 23 O 622/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 25965
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 08.05.2023, Az. 23 O 622/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für die 1. Instanz und die Berufung jeweils auf 2.101,00 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 07.09.2023.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um die wirksame Verlängerung eines zum 31.03.2022 auslaufenden Jagdpachtvertrags.
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Die Klägerin ist die Jagdgenossenschaft des Gemeinschaftsjagdreviers „A.“. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 h) ihrer als Anlage K 1 vorgelegten Satzung (im Folgenden nur: Satzung) entscheidet die Versammlung der Jagdgenossen über Änderungen oder Verlängerungen laufender Jagdpachtverträge, wohingegen der Jagdvorsteher gemäß § 11 Abs. 2 der Satzung für die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung der Jagdgenossenschaft zuständig ist. Hierbei ist seine Vertretungsmacht auf die Durchführung der gesetzmäßig und ordnungsgemäß gefassten Beschlüsse der Versammlung der Jagdgenossen und des Jagdvorstandes beschränkt.
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Von 2019 bis zum 23.04.2022 wurde die Klägerin nicht durch einen satzungsmäßig gewählten Jagdvorsteher, sondern gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 BJagdG durch den Bürgermeister der Gemeinde A. vertreten. Dieser schloss unter dem 19.04.2021 mit dem Beklagten mit Wirkung zum 01.04.2022 für die Zeit von neun Jahren einen Jagdpachtvertrag über das Gemeinschaftsjagdrevier „A.“, ohne dass die Jagdgenossen über den Abschluss dieses Vertrags eine Entscheidung getroffen hatten. Der Jagdpachtvertrag war dem Landratsamt R. angezeigt worden, welches keine Bedenken anzeigte. Dem Beklagten wurde jedoch auf Grund von Bedenken gegen die Wirksamkeit des Pachtverhältnisses die Eintragung des Jagdreviers in einen beantragten Jagdschein verweigert. Mit Schreiben vom 01.05.2022 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass die Versammlung der Jagdgenossen am 23.04.2022 beschlossen habe, den Jagdpachtvertrag vom 19.04.2021 nicht zu genehmigen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 22.07.2022 (Anlage K 4) hat die Klägerin den Beklagten auffordern lassen, jegliche jagdliche Betätigung im streitgegenständlichen Revier einzustellen und zu bestätigen, dass der Pachtvertrag unwirksam sei, was vom Beklagtenvertreter mit E-Mail vom 26.07.2022 (Anlage K 5) zurückgewiesen wurde.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich geltend gemacht, der Pachtvertrag sei ohne Vertretungsmacht abschlossen worden, weil der erforderliche Beschluss der Versammlung der Jagdgenossen nicht vorgelegen habe und auch eine Genehmigung des Vertrages nicht erfolgt sei. Zudem genüge der Pachtvertrag nicht der gebotenen Schriftform, weil die Reviergrenzen im Vertrag nicht benannt worden seien und ein Lageplan dem Vertrag nicht beigefügt worden sei.
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Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
1.) Es wird festgestellt, dass die am 19.04.2021 abgeschlossene Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten unwirksam ist und seit dem 01.04.2022 kein Jagdpachtvertrag zwischen der Klägerin und dem Kläger (gemeint: Beklagten) besteht.
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2.) Für den Fall des Obsiegens mit Klageantrag 1.):
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Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zum 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen, sich im Jagdrevier „A.“ jagdlich zu betätigen.
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Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Der Pachtvertrag sei wirksam vom im Außenverhältnis alleinvertretungsberechtigten Jagdvorstand bzw. Jagd-Notvorstand unterzeichnet sowie durch die untere Jagdbehörde „genehmigt“ worden. Etwaige Beschränkungen des Vorstandes seien dem Beklagten mangels Kenntnis der Satzung der Klägerin nicht bekannt gewesen. Außerdem vertrete der Notvorstand die Jagdgenossenschaft allein, ohne Beteiligung weiterer Vorstandsmitglieder. Im Vertrag sei auch das Jagdrevier klar bestimmt. Das dem Beklagten verbliebene Vertragsexemplar enthalte eine Revierkarte (Anlage B 1).
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Das Landgericht hat der Klage mit Endurteil vom 08.05.2023 stattgegeben. Wegen der Unwirksamkeit des Pachtvertrages habe der Beklagte jagdliche Betätigungen im streitgegenständlichen Revier zu unterlassen. Der Vertrag sei ohne die erforderliche Vertretungsmacht seitens des Notvorstehers abgeschlossen worden, da der nach der Satzung der Klägerin für die Verlängerung bestehender Jagdpachten vorgesehene Beschluss der Versammlung der Jagdgenossen nicht vorgelegen habe und der Jagdvorsteher deshalb nicht zur Vertretung der Klägerin berechtigt gewesen sei. Der deshalb zunächst nur schwebend unwirksame Vertrag sei auf Grund der verweigerten Genehmigung unwirksam geworden. Die satzungsgemäße Beschränkung der Vertretungsmacht des Jagdvorstehers sei wirksam und gelte auch gegenüber dem Notvorsteher.
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Im Übrigen wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
11
Gegen das den Beklagtenvertretern am 09.05.2023 zugestellte Urteil vom 08.05.2023 wendet sich die am 08.06.2023 bei dem Oberlandesgericht Bamberg eingegangene Berufung des Beklagten vom 07.06.2023, die der durch seine Prozessbevollmächtigten mit dem am 21.06.2023 bei dem Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet hat und mit der er sein Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter verfolgt.
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Eine Beschränkung der gesetzlichen Vertretungsmacht des Notjagdvorstandes im Außenverhältnis sei ihrem Wortlaut nach nicht vorgesehen. Die vom Landgericht vertretene Auffassung zur Einschränkung der Vertretungsmacht durch die Satzung sei im Hinblick auf Fragen des Verkehrsschutzes verkürzt. Die Satzung genüge nicht den im Interesse der Rechtssicherheit an sie zu stellenden besonders strengen Anforderungen für eine wirksame Beschränkung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis. Die Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 2 der Satzung gelte für den Jagdvorsteher, nicht jedoch für den Jagdvorstand und deshalb auch nicht für den an dessen Stelle tretenden Notjagdvorstand. Einer analogen Anwendung der Regelung stehe die notwendige Eindeutigkeit der Beschränkung entgegen.
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Unabhängig davon sei das Verhalten des Notjagdvorstandes auch von einer beschränkten Vertretungsmacht gedeckt gewesen. Angesichts der im April 2021 herrschenden COVID-19-Pandemie sei die Durchführung einer Jagdgenossenschaftsversammlung aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen, während im Hinblick auf die Entscheidung über die Verlängerung der Jagdpacht des Beklagten auch für die Klägerin eine gewisse Planungssicherheit von besonderer Bedeutung gewesen sei. Die getroffene Entscheidung habe daher keinen Aufschub geduldet und vom Jagdvorstand und an dessen Stelle vom Jagdnotvorstand als Dringlichkeitsentscheidung getroffenen werden dürfen (§ 9 Abs. 8 Satz 1 der Satzung). Deren spätere Aufhebung durch die Jagdgenossenschaftsversammlung vom 23.04.2022 sei unwirksam, weil zu diesem Zeitpunkt bei dem Beklagten bereits das Recht zur Jagdausübung entstanden gewesen sei. Zuletzt meint der Beklagte, die Beschränkung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis könne im Interesse des Verkehrsschutzes nicht auf satzungswidriges Verhalten im Innenverhältnis erstreckt werden.
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Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das Ersturteil. Die Vertretungsmacht des Jagdvorstehers sei durch die Satzung der Klägerin wirksam beschränkt worden und die Voraussetzungen für eine Eilzuständigkeit des Jagdvorstandes hätten nicht vorgelegen. Insbesondere habe keine Dringlichkeit dahingehend bestanden, den bis 31.03.2022 gültigen Pachtvertrag des Beklagten bereits etwa ein Jahr im Voraus zu verlängern.
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Ergänzend wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 21.06.2023 nebst weiteren Schriftsätzen der Beklagtenvertreter vom 24.07.2023 und vom 27.07.2023 sowie die Berufungserwiderung vom 20.07.2023 nebst weiterem Schriftsatz der Klägervertreter vom 26.07.2023 verwiesen.
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Der Senat beabsichtigt, die Berufung einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand aussichtslos und offensichtlich unbegründet ist, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), noch rechtfertigen die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 513 Abs. 1, 529 ff. ZPO). Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor.
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Der Senat nimmt daher zunächst auf die zutreffenden Feststellungen im Ersturteil Bezug, die durch das Berufungsvorbringen auch nicht entkräftet werden. Das Ersturteil erweist sich nach der Überprüfung durch den Senat als richtig. Die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung hat auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens keinerlei entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfehler ergeben. Vielmehr hat das Landgericht der Klage zu Recht stattgegeben.
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Zum Berufungsvorbringen sind folgende Ergänzungen veranlasst:
19
1.) Die Beschränkung der Vertretungsmacht des Jagdvorstehers in § 11 Abs. 2 Satz 2 der Satzung ist auch im Außenverhältnis wirksam.
20
a) Die grundsätzliche Möglichkeit einer solchen Beschränkung ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGH, V ZR 196/61, Urteil vom 26.02.1964, Rn. 34 – juris; BayObLG, 1 Z 30/61, Urteil vom 10.08.1962, NJW 1962, 2253 ff.; LG Stendal, 21 O 271/01, Urteil vom 16.01.2002, Rn 25 – juris). Etwas anderes folgt auch nicht aus den Vorschriften zum Vereinsrecht (etwa § 26 Abs. 1 Satz 3 BGB), welche auf die Jagdgenossenschaft als öffentlich-rechtliche Körperschaft (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 BayJG) keine Anwendung finden (vgl. BayObLG, 1 Z 30/61, Urteil vom 10.08.1962, NJW 1962, 2253, 2254).
21
b) Entgegen der Auffassung der Berufung erfüllt die Satzung der Klägerin hinsichtlich der Beschränkung der Vertretungsmacht des Jagdvorstehers in § 11 Abs. 2 Satz 2 auch die an sie zu stellenden Anforderungen.
22
Voraussetzung für eine wirksame Beschränkung der Vertretungsmacht gegenüber Dritten ist jedenfalls, dass die Satzung so klar gefasst ist, dass jeder Dritte eine etwaige Beschränkung ohne Weiteres erkennen kann (vgl. BGH, V ZR 196/61, Urteil vom 26.02.1964, Rn. 35 – juris; LG Stendal, 21 O 271/01, Urteil vom 16.01.2002, Rn 26 – juris).
23
Die in Rede stehende Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 2 der Satzung weist die notwendige Klarheit auf und erfüllt damit die vorgenannten Voraussetzungen. Die Satzung der Klägerin setzt in der betroffenen Regelung die Vorgaben aus Art. 11 Abs. 2 BayJG, § 5 Abs. 1 AVBayJG um und enthält auch insoweit unverändert den Inhalt der Mustersatzung gemäß Anlage 1 zu § 5 Abs. 1 AVBayJG. An der notwendigen Klarheit des Satzungsmusters hinsichtlich der Beschränkung der Vertretungsmacht besteht für den Senat kein Zweifel (so auch: Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, Stand: Juni 2023, § 11 SMJG Nr. 2 a. E.). Unmittelbar im Anschluss an die Regelung der Vertretungsbefugnis des Jagdvorstehers in § 11 Abs. 2 Satz 1 des Satzungsmusters wird im nachfolgenden Satz 2 die Beschränkung dieser Vertretungsmacht auf die Durchführung der gesetzmäßig und ordnungsgemäß gefassten Beschlüsse der Versammlung der Jagdgenossen geregelt. Schon aus dem Wortlaut dieser Regelungen ergibt sich auch für Dritte eindeutig die daraus folgende Beschränkung der Vertretungsmacht.
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Diese Beschränkung der Vertretungsmacht des Jagdvorstehers erlangt damit eine Außenwirkung dergestalt, dass auch gutgläubige Dritte, die auf eine unbeschränkte Vertretungsmacht vertrauen, grundsätzlich nicht geschützt werden (vgl. BayObLG, 1 Z 30/61, Urteil vom 10.08.1962, NJW 1962, 2253, 2254 f.; Leonhardt/Pießkalla, a. a. O., § 11 SMJG Nr. 2 – jeweils m. w. N.). Für die Wirksamkeit dieser Außenwirkung kommt es auf die weiter vorliegenden Umstände, dass die Satzung der Klägerin gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 3 BayJG ortsüblich bekannt zu machen war und dass die Prozessparteien bereits vor dem 19.04.2021 ein Jagdpachtvertrag verband, mithin der Beklagte ausreichend Gelegenheit zur Kenntnisnahme von den Bestimmungen der Satzung hatte, nicht mehr an.
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2.) Die in § 11 Abs. 2 Satz 2 der Satzung wirksam geregelte Beschränkung der Vertretungsmacht des Jagdvorstehers schränkt auch die Befugnisse des gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 BJagdG an Stelle des Jagdvorstandes handelnden Gemeindevorstandes (sog. Notjagdvorstand) ein.
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Anknüpfend an die in § 9 Abs. 2 Satz 1 BJagdG geregelte Vertretungsbefugnis des Jagdvorstandes normiert § 9 Abs. 2 Satz 3 BJagdG die Befugnisse des Gemeindevorstandes, der bei Fehlen eines gewählten Jagdvorstandes als Notjagdvorstand tätig wird. Weitergehende Befugnisse als dem Jagdvorstand nach der Satzung zugestanden werden, kann der Notjagdvorstand nach dieser Vorschrift aber nicht in Anspruch nehmen (Leonhardt/Pießkalla, a. a. O., § 9 BJagdG Nr. 8). Dies entspricht dem Grundsatz, dass einem an sich unzuständigen Organ, dem eine außerplanmäßige Vertretungsbefugnis eingeräumt wird, nicht mehr Befugnisse zustehen können, als dem ursprünglich zuständigen Organ, an dessen Stelle es tritt. Abweichend von § 9 BJagdG, der nur eine Rahmenvorschrift ist (vgl. BayObLG, 1 Z 30/61, Urteil vom 10.08.1962, NJW 1962, 2253, 2254), wird die Vertretung der Jagdgenossenschaft nach außen gemäß Art. 11 Abs. 2 BayJG, § 5 Abs. 1 AVBayJG, § 11 Abs. 2 Satz 1 der Anlage 1 zu § 5 Abs. 1 AVBayJG in Bayern dem Jagdvorsteher zugewiesen. Soweit er in seiner Vertretungsmacht im Außenverhältnis wirksam beschränkt ist, gilt dies folglich auch für den an seine Stelle tretenden Gemeindevorstand als Notjagdvorstand (ebenso Leonhardt/Pießkalla, a. a. O., § 9 BJagdG Nr. 8 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
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3.) Damit war der Notjagdvorstand der Klägerin auch im vorliegenden Fall nicht zur Verlängerung des mit dem Beklagten bereits bestehenden Pachtvertrages berechtigt, der nach der Regelung in § 6 Abs. 2 Satz 1 h) der Satzung der Versammlung der Jagdgenossen vorbehalten war.
28
Ob der Pachtvertrag vom 19.04.2021 wegen Überschreitens der wirksam beschränkten Vertretungsmacht des Notjagdvorstandes nichtig oder (zunächst) schwebend unwirksam (§ 177 Abs. 1 BGB) war, braucht hier nicht entschieden zu werden. Die Versammlung der Jagdgenossenschaft hat am 23.04.2022 beschlossen, den Jagdpachtvertrag vom 19.04.2021 nicht zu genehmigen. Durch die Verweigerung der Genehmigung ist der Vertrag mit dem Beklagten, falls dieser zunächst schwebend unwirksam war, endgültig unwirksam geworden (vgl. Grüneberg/Ellenberger, BGB, 82. Auflage 2023, § 177 Rn. 5, § 182 Rn. 4 m. w. N.). Diese Unwirksamkeit steht einer Nichtigkeit gleich (vgl. Grüneberg/Ellenberger, a. a. O., Überbl v § 104 Rn. 31).
29
4.) Der Vertrag vom 19.04.2021 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Dringlichkeitsentscheidung wirksam, weil die hierfür notwendigen Voraussetzungen nicht vorlagen. Es fehlt bereits am Vorliegen einer unaufschiebbaren Angelegenheit im Sinne des § 9 Abs. 8 Satz 2 der Satzung.
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a) Unaufschiebbarkeit liegt vor, wenn die Angelegenheit nicht ohne Nachteil für die Jagdgenossenschaft aufgeschoben werden kann, bis die Versammlung der Jagdgenossen zur Beschlussfassung zusammentritt. Für die Dringlichkeit kommt es nicht auf die subjektive Meinung des Jagdvorstehers an, sondern auf die objektive Sachlage (vgl. Leonhardt/Pießkalla, a. a. O., § 9 SMJG Nr. 5).
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b) Gemessen an diesem Maßstab war der Abschluss des Pachtvertrages vom 19.04.2021 nicht unaufschiebbar.
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Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass zwischen den Prozessparteien bereits ein Jagdpachtvertrag bestand, der erst zum 31.03.2022 auslief und damit zum Zeitpunkt des hier im Streit stehenden Vertragsabschlusses noch nahezu ein Jahr Gültigkeit hatte. Vor diesem Hintergrund verhelfen die vom Beklagten vorgebrachten Argumente, der Pächter müsse ein an die Revierverhältnisse angepasstes Jagdkonzept erarbeiten und das Revier mit geeigneten Ansitzeinrichtungen „bestuhlen“ der Berufung ebenso wenig zum Erfolg wie die Verpflichtung zur Einreichung eines auf drei Jahre angelegten Abschussplanes für Rehwild.
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Unabhängig davon war gemäß § 4 Abs. 2 12. BayIfSMV trotz der im April 2021 vorherrschenden pandemischen Lage die Einberufung der Versammlung der Jagdgenossen zulässig. In jedem Fall war, nachdem der bestehende Pachtvertrag nicht bereits zum 31.03.2021, sondern erst ein Jahr später auslief, ein Zuwarten im Hinblick auf die sich – gerichtsbekannt – äußerst kurzfristig ändernden Umstände der Pandemie insoweit möglich und geboten, als bereits im Frühjahr 2021 auch nach Expertenmeinungen mit einer Entspannung der Situation im Verlauf des Jahres 2021 zu rechnen war. Vor diesem Hintergrund war der Notjagdvorstand in der konkreten Situation gehalten, bei sich konkret abzeichnender oder tatsächlich eintretender Entspannung der pandemischen Lage einen gesetzmäßigen und ordnungsgemäß gefassten Beschluss der Versammlung der Jagdgenossen über die Verlängerung des Jagdpachtvertrages mit dem Beklagten herbeizuführen.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Schreibens des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 27.01.2021, welches sich auch nach seinem im erstinstanzlichen Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 11.04.2023 (Bl. 49 f. d. A.) zitierten Inhalt auf Angelegenheiten bezieht, „deren Erledigung keinen Aufschub duldet“. Die Verlängerung eines noch ein weiteres Jagdjahr gültigen Jagdpachtvertrages ist hiervon jedenfalls nicht erfasst.
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5.) Zuletzt folgt auch kein vom angefochtenen Urteil abweichendes Ergebnis aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 02.02.1965 im Verfahren V ZR 259/62. Im Gegensatz zum dort entschiedenen Sachverhalt handelte hier der Notjagdvorstand bei der Verlängerung des Jagdpachtvertrages des Beklagten aufgrund der wirksamen Beschränkung der Vertretungsmacht in § 11 Abs. 2 Satz 2 der Satzung als Vertreter ohne Vertretungsmacht.
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Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles. Alle Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind bereits höchstrichterlich geklärt. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.
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Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
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Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels an. Auf die bei einer Berufungsrücknahme erfolgende Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. GKG KV Nr. 1220, 1222) wird hingewiesen.
39
Die Bestimmung des Streitwertes hat in Abweichung zu den Ausführungen des Landgerichts gemäß §§ 41 Abs. 1, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG zu erfolgen. Nach der für den hier festzusetzenden Gerichtsgebührenstreitwert maßgeblichen Regelung in § 41 Abs. 1 GKG, die auch auf Streitigkeiten über den Bestand eines Jagdpachtvertrages Anwendung findet (vgl. (Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG – FamGKG – JVEG, 5. Auflage 2021, § 41 GKG Rn. 4) ist vorliegend für die Werberechnung das einjährige Entgelt mit 2.101,00 € maßgebend. Die vom Landgericht herangezogene Regelung des § 8 ZPO betrifft demgegenüber den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert (vgl. (Binz/Dörndorfer/Zimmermann, a. a. O., § 41 GKG Rn. 1 m. w. N.). Der Senat beabsichtigt daher auch, von der Möglichkeit zur Änderung des vom Landgericht für die 1. Instanz festgesetzten Streitwertes von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 3 GKG Gebrauch zu machen.