Inhalt

LG München I, Beschluss v. 08.03.2023 – 1 S 12063/22 WEG
Titel:

Wirkungsbereich des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft

Normenketten:
WEG § 10, § 12, § 20
BGB § 276, § 280 Abs. 1, § 665, § 675
Leitsätze:
1. Die in der Teilungserklärung vorgesehene Zustimmung des Verwalters zur baulichen Veränderung am Wohnungseigentum gehört nicht zum gesetzlich unabdingbaren Wirkungsbereich des Verwalters, da sie über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Übernimmt der Verwalter vertraglich die Pflicht, die in der Teilungserklärung vorgesehene Zustimmungsentscheidung zu treffen, so hat er hierbei gem. § 276 BGB die Sorgfalt zu wahren, die der übernommene Pflichtenkreis erfordert. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Verwalter, dem die Entscheidung über die Zustimmung obliegt, haftet dann, wenn er es unterlässt, bei zweifelhafter Rechtslage unverzüglich eine Weisung der Eigentümergemeinschaft einzuholen (Anschluss an OLG Düsseldorf BeckRS 2005, 6528; hier verneint). (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungseigentümergemeinschaft, Verwalter, Wirkungsbereich, Teilungserklärung, Zustimmung, zweifelhafte Rechtslage
Vorinstanzen:
LG München I, Hinweisbeschluss vom 09.12.2022 – 1 S 12063/22 WEG
AG München, Urteil vom 04.08.2022 – 1293 C 24370/20 WEG
Fundstellen:
LSK 2023, 25948
BeckRS 2023, 25948
ZWE 2023, 459

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 04.08.2022, Aktenzeichen 1293 C 24370/20 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.633,35 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Im Berufungsverfahren verfolgt der Kläger sein Begehren, von der früheren Hausverwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft, deren Mitglied er ist, Schadensersatz wegen verweigerter Zustimmung zu baulichen Veränderungen zu erlangen, weiter.
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Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts München vom 04.08.2022 Bezug genommen.
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Das Urteil wurde dem Kläger am 08.09.2022 zugestellt, gegen diese Entscheidung wendet er sich mit seiner am 10.10.2022 eingegangen Berufung, welche er mit Schriftsatz vom 07.12.2022 nach gewährter Fristverlängerung begründete.
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Im Berufungsverfahren beantragt
der Kläger das Urteil des Amtsgerichts München (dortiges Aktenzeichen: 1293 C 24370/20 WEG) vom 04.08.2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 24.633,35 zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
Zurückweisung der Berufung.
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Mit Beschluss der Kammer vom 09.12.2022 wurde darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Kläger nahm hierzu mit Schriftsatz vom 27.02.2023 Stellung.
II.
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Die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 04.08.2022, Aktenzeichen 1293 C 24370/20 WEG, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung der Kammer das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis der Kammer Bezug genommen. Frau Vorsitzende R. am Landgericht Dr. G., welche an jenem Beschluss nicht mitgewirkt hatte, tritt dessen Gründen vollumfänglich bei.
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Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
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1. Mit dem Hinweis war ausgeführt worden, dass als kausaler Schadensersatzanspruch wegen entgangener Mieterlöse in dem von der Klage gewählten Teilzeitraum nur der Zeitraum 01.09.2018 bis 17.09.2018 in Betracht kommt. Auch für diesen Zeitraum war aber die Zustimmungsverweigerung der Hausverwaltung aus den im Hinweisbeschluss genannten Gründen gerechtfertigt. Die in der Teilungserklärung vorgesehene Zustimmung des Verwalters zur baulichen Veränderung am Wohnungseigentum gehört wie bereits ausgeführt nicht zum gesetzlich unabdingbaren Wirkungsbereich des Verwalters, da sie über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht. Übernimmt der Verwalter, wovon hier auszugehen sein mag, vertraglich die Pflicht, die in der Teilungserklärung vorgesehene Zustimmungsentscheidung zu treffen, so hat er hierbei die Sorgfalt zu wahren, die der übernommene Pflichtenkreis erfordert, § 276 BGB. Der gewerbliche Verwalter darf von einer eigenen Entscheidung über den Antrag dann absehen, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die Voraussetzungen der beantragten Zustimmung nach dem Gemeinschaftsrecht gegeben sind. Liegt ein solcher Fall vor, ist er befugt, die Gemeinschaft um eine Weisung (vgl. § 665 BGB) anzugehen. Er hat sie dann umfassend über die aufgetretenen tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen aufzuklären und ihr, jedenfalls auf Verlangen, einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen zu machen. Die Eigentümerversammlung muss aufgrund der Aufklärung durch den Verwalter in der Lage sein, das Risiko, das sie mit der Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme oder mit deren Versagung eingeht, zutreffend abzuschätzen. Dabei kann es den Verwaltern nicht von vornherein angelastet werden, wenn sie sich über das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Versagung der Zustimmung im Rechtsirrtum befanden (BGH, Beschluss vom 21.12.1995 – V ZB 4/94; NJW 1996, 1216). Der Verwalter, dem die Entscheidung über die Zustimmung obliegt, haftet dann, wenn er es unterlässt, bei zweifelhafter Rechtslage unverzüglich eine Weisung der Eigentümergemeinschaft einzuholen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10. 5. 2005 – 3 Wx 321/04; NJW-RR 2005, 1254).
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2. Dies ist der Beklagten aber nicht vorzuwerfen. Sie hat nach der Aufforderung zur Zustimmung vom 20.06.2017 den Antrag auf die Tagesordnung der folgenden Eigentümerversammlung gesetzt, in welcher sich die Eigentümer aber nicht zu einer Zustimmung entschließen konnten. Ebenso war es mit der Aufforderung vom 26.04.2018, hinsichtlich welcher in der Eigentümerversammlung vom 17.09.2018 beraten wurde und wo der Kläger seine Anträge zurücknahm.
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3. Es bestand auch Anlass, eine Weisung der Gemeinschaft einzuholen, nachdem die Notwendigkeit der baulichen Veränderungen, wie sie vom Kläger beantragt worden waren, jedenfalls nicht auf der Hand lag. In seinem Schreiben vom 26.04.2018, mit welchem er eine Bestätigung der Genehmigung bis 03.05.2018 begehrte, verlangte der Kläger die Genehmigung des Austauschs eines Fensters durch eine Tür und die Neuerrichtung einer Treppe auf der Gemeinschaftsfläche. Zusätzlich sollte ein weiteres Fenster bis zum Fußboden nach unten ausgeschnitten werden, auch hier eine Tür eingesetzt, Erdreich vor der Öffnung abgetragen werden und an dieser Stelle eine Terrasse gepflanzt werden. Weiter sollte ein vor dem Fenster befindlicher Baum versetzt werden. Auch wenn man zugrunde legt, dass das in § 5 Abs. 3 der Teilungserklärung enthaltene Kriterium der Notwendigkeit der baulichen Veränderung nicht mit zwingender Notwendigkeit zu verwechseln ist, wird doch, worauf hingewiesen worden war, ein gewisser Grad an betrieblichen Bedarf für die Maßnahme erforderlich sein. Dies ist insbesondere bei der Anlage einer Terrasse und der Versetzung eines Baumes nicht unmittelbar erkennbar. Gleichzeitig werden erhebliche Belange der Gemeinschaft beeinträchtigt, Gemeinschaftseigentum wird in einigem Umfang umgestaltet. Die bloße Behauptung in dem Schreiben, bei sämtlichen Maßnahmen handelt es sich um solche, welche für den Brandschutz notwendig sind, kann auch dann nicht richtig sein, wenn ein zweiter Rettungsweg tatsächlich erforderlich gewesen wäre. Auch unter Kenntnis des Vortrags der Gegenerklärung, dass bei der Vermietung von 3 Tätowierplätzen aufgrund von Walk-in-Days, Vernissagen oder Festivitäten eine Personenzahl von mehr als 30 erreicht werden kann, konnte es für den Verwalter nicht erkennbar sein, dass für die Schaffung zweiter weiterer Ausgänge und einer Terrasse an gerade dieser Stelle eine Notwendigkeit im Sinne der Teilungserklärung besteht. Dies umso weniger, als der Kläger eine Frist von gerade 3 Werktagen zur Zustimmung setzte. Nach den genannten Maßstäben der Rechtsprechung ist dem Verwalter, indem er das Begehren zum Gegenstand der nächsten Eigentümerversammlung machte, um hierüber eine Abstimmung herbeizuführen, kein Verschuldensvorwurf zu machen.
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4. Damit, dass der Verwalter aber die Anträge des Klägers zum Gegenstand der Abstimmung in der Versammlung machte, endete seine Verantwortung aus den von der Klage vorgetragenen Pflichtverletzungen. Geltend gemacht wird mit der Klage eine Pflichtverletzung wegen verweigerter Zustimmungen zu begehrten baulichen Maßnahmen. Wenn die Gegenerklärung nunmehr das Verhalten der Verwaltung in den Versammlungen bemängelt, betrifft dies nicht mehr denselben Streitgegenstand. Ohnehin erscheint es naheliegend, dass es Aufgabe des Klägers gewesen wäre, in Ausübung seiner Mitwirkungsrechte in der Eigentümerversammlung seine Antragsbegehren darzulegen. Verantwortlich für das Abstimmungsverhalten ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, zu Angriffen hiergegen stehen auch eigene Rechtsbehelfe zur Verfügung.
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5. Auf die Frage, ob die Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs der Höhe nach schlüssig dargelegt wurden, woran aus den im Hinweis genannten Gründen Bedenken bestehen, kommt es damit nicht mehr an. Es ist nur darauf hingewiesen, dass ein aus Sicht des Klägers recht naheliegender Sachverhalt dennoch bewiesen werden muss. Auch wird er darlegen und beweisen müssen, dass die Vermietung gerade wegen der aufgrund der verweigerten Zustimmung nicht erfolgten baulichen Veränderungen nicht erfolgen konnte. Dass dem Kläger freigestellt ist, welche Art der Einrichtung und Ausstattung er seinen Mietern anbieten möchte, ist unbestreitbar; einen Schaden in der von der Klage begehrten Höhe hat er aber nur, wenn die Räumlichkeiten ohne die Änderungen unvermietbar gewesen wären.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.