Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 22.02.2023 – 102 AR 73/22
Titel:

Zuständigkeitsbestimmung in einem Zivilverfahren wegen Ansprüchen nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz

Normenketten:
ZPO § 12, § 13, § 17, § 32, § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 37, § 50, § 60, § 261 Abs. 3
EGZPO § 9
GeschGehG § 2 Nr. 1, § 4, § 6, § 7, § 15
UWG § 3, § 3a, § 8, § 9, § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 14 Abs. 2 S. 1, § 15 Abs. 2, § 17 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 823 Abs. 2, § 826, § 1004
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 4a
GVG § 17a
Leitsätze:
1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs ist regelmäßig vor der örtlichen Zuständigkeit und vor der Durchführung eines Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens zu prüfen. (Rn. 22)
2. Das am 26. April 2019 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) ist auf alle Verhaltensweisen ab seinem Inkrafttreten anwendbar ebenso wie auf Verletzungshandlungen, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begonnen haben, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet waren. (Rn. 32)
3. Ein faktischer Zwang, möglichst frühzeitig Klage zu erheben, um etwaigen Gesetzesänderungen zuvorzukommen und einen (noch) vorhandenen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand auszunutzen, lässt sich aus § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht ableiten. (Rn. 34)
Schlagworte:
Zuständigkeitsbestimmung, Streitgenossen, gemeinsamer Gerichtsstand, Rechtsweg, Geschäftgeheimnisverletzung, Gesetzesänderung
Vorinstanz:
LG Kempten, Beschluss vom 10.06.2022 – 1 HK O 914/19
Fundstellen:
WRP 2023, 496
LSK 2023, 2586
BeckRS 2023, 2586

Tenor

Als (örtlich) zuständiges Gericht für die Anträge Ziffer IV und Ziffer V im Schriftsatz der hiesigen Antragstellerin und dortigen Klägerin vom 8. Juni 2022, LG Kempten (Allgäu), Az. 1 HK O 914/19, wird das Landgericht Kempten (Allgäu) bestimmt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin macht gegen die Antragsgegner im Verfahren vor dem Landgericht Kempten (Allgäu), Az. 1 HK O 914/19, Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz, Herausgabe, Unterlassung der Nutzung sowie Vernichtung von Fotos bzw. Unterlagen wegen Verletzung von Geschäftsgeheimnissen geltend.
2
Die Antragsgegner zu 2) und 3) sind ebenso wie F.-K. W. und O. G. (im Verfahren vor dem Landgericht ursprünglich Beklagte zu 4] und zu 5]) ehemalige Mitarbeiter der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin zu 1) wurde 2015 vom Antragsgegner zu 2) nach dessen Ausscheiden bei der Antragstellerin gegründet. Der Antragsgegner zu 3) ist seit Mitte 2017 für die Antragsgegnerin zu 1) tätig, O. G. und F.-K. W. seit April 2018. Die Antragstellerin und die Antragsgegner zu 2) und zu 3) haben ihren (Wohn-) Sitz im Landgerichtsbezirk K. (Allgäu). Der Sitz der Antragsgegnerin zu 1) befindet im Bezirk des Landgerichts R..
3
Nach Vortrag der Antragstellerin verschafften sich die Beklagten zu 4) und zu 5) nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei ihr und vor dem endgültigen Ausscheiden im Frühjahr 2018 unbefugt Geschäftsgeheimnisse der Antragstellerin. Auf Veranlassung des Antragsgegners zu 3) hätten sie verbotswidrig Maschinen bzw. Maschinenteile und Maschinenpläne, die auf Eigenentwicklungen der Antragstellerin beruhten und ihr im Verhältnis zu Konkurrenten einen Wettbewerbsvorteil sicherten, fotografiert bzw. maßstabsgetreu abgezeichnet. Die Fotos bzw. Unterlagen hätten sie den Antragsgegnern zu 2) und zu 3) zur weiteren Verwendung zugeleitet. Die Antragsgegnerin zu 1) benutze diese Informationen für den Nachbau von Maschinen(teilen).
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Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 25. März 2019 eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beim Bayerischen Obersten Landesgericht (Az. 1 AR 41/19). Zur Begründung führte sie aus, sie wolle Klage gegen die – hiesigen – Antragsgegner zu 1) bis 3) sowie gegen O. G. und F.-K. W. wegen des Verrats von Betriebsgeheimnissen erheben. Sie stütze ihre Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Schadensersatz, Unterlassung, Herausgabe, Vernichtung und Beseitigung im Übrigen auf §§ 3, 3a, 8, 9 i.V. m. § 17 UWG, sowie auf alle wettbewerbsrechtlichen, deliktischen und dinglichen sowie sämtliche noch in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen obigen Sachverhalt vor. Das Bayerische Oberste Landesgericht lehnte mit Beschluss vom 15. Mai 2019 eine Zuständigkeitsbestimmung ab. Ein die Gerichtsstandsbestimmung ausschließender gemeinsamer Gerichtsstand gegen sämtliche Antragsgegner sei jedenfalls nach § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG bei dem Gericht eröffnet, in dessen Bezirk der Lauterkeitsverstoß begangen worden sei. Das danach für die Klage örtlich zuständige Gericht habe die Ansprüche unter allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen.
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Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 31. Mai 2019, eingegangen am 5. Juni 2019, die unter dem Aktenzeichen 1 HK O 914/19 geführte Klage zum Landgericht Kempten (Allgäu) gegen die Antragsgegner zu 1) bis 3) sowie gegen F.-K. W. als Beklagten zu 4) und O. G. als Beklagten zu 5) erhoben. Die Antragstellerin hat in der Klageschrift beantragt:
I. Die Beklagten haben der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, von welchen Maschinenteilen sie Fotos und / oder Aufzeichnungen angefertigt haben oder anfertigen haben lassen und an wen sie diese Informationen weitergeleitet haben.
II. Die Beklagten zu 1) bis 3) haben der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, bei wem sie welche Maschinen(teile) unter Verwendung der unlauter beschafften Informationen beauftragt haben, wo sich diese Maschinen(teile) derzeit befinden und welche Gewinne sie daraus erwirtschaftet haben…
III. Die Beklagten haben der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, welche Kunden sie unter Verwendung der unlauter beschafften Informationen bereits angesprochen haben und welche Kunden der Beklagten zu 1) aufgrund der gezielten Ansprache Aufträge erteilt haben…
IV. Die Beklagten haben erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.
V. Die Beklagten haben an die Klägerin Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe … zu zahlen.
VI. Die Beklagten haben an die Klägerin sämtliche unlauter erlangten Informationen und Kopien hiervon herauszugeben und deren Verwendung zu unterlassen.
VII. Die Beklagten haben sämtliche elektronisch gespeicherten Kopien sämtlicher unlauter erlangter Informationen sowie angefertigte Maschinen(teile) auf eigene Kosten zu vernichten und bis zur Vernichtung nicht mehr zu benutzen.
VIII. Die Beklagten haben der Klägerin sämtliche Dritte zu benennen, an die sie die unlauter beschafften Informationen weitergegeben haben.
6
Das Landgericht Kempten (Allgäu) sei nach § 14 Abs. 1 Satz 2 UWG örtlich zuständig, da der Verletzungserfolg am Sitz der Klägerin im Landgerichtsbezirk Kempten (Allgäu) eingetreten sei. Die geltend gemachten Ansprüche ergäben sich aus §§ 8, 9 i.V. m. §§ 3, 3a, 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG, sowie aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 17 UWG, § 826 BGB und § 1004 BGB i.V. m. § 17 UWG. In späteren Schriftsätzen hat die Klägerin ausgeführt, die Ansprüche auf Auskunft, Schadensersatz, Herausgabe, Vernichtung, Unterlassung von Nutzung beruhten auf §§ 6 ff. GeschGehG. Nach Inkrafttreten des GeschGehG am 26. April 2019 seien die Tatbestandsvoraussetzungen der Ansprüche hiernach zu beurteilen.
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Die Beklagte zu 1) hat die örtliche Unzuständigkeit gerügt. Ihr Sitz befinde sich im Bezirk des Landgerichts R.. Dort sei auch der Ort der ihr vorgeworfenen Tathandlung im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG. Die Beklagten zu 3), 4) und 5) haben die Rüge erhoben, es sei der Rechtsweg nicht zu den ordentlichen sondern zu den Arbeitsgerichten eröffnet.
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Das Landgericht Kempten (Allgäu) hat mit Beschluss vom 21. November 2019 den Rechtsstreit bezüglich der Beklagten zu 4) und zu 5) an das Arbeitsgericht Kempten (Allgäu) verwiesen. In den Gründen des Beschlusses hat das Landgericht ferner ausgeführt, hinsichtlich des Beklagten zu 3) liege keine Zusammenhangstreitigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG vor. Für ein Handeln eines Arbeitnehmers nach Ablauf des Arbeitsvertrags werde hierdurch keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet. Ein Verstoß des Beklagten zu 3) während seiner arbeitsvertraglichen Bindung sei nicht dargetan.
9
Mit Verfügung vom 27. April 2022 hat das Landgericht die Parteien darauf hingewiesen, dass die Formulierung der Klageanträge – auch in einer geänderten Fassung vom 21. Oktober 2021 – irritierend bzw. noch immer zu unbestimmt sei. In Bezug auf die örtliche Zuständigkeit hat das Landgericht ausgeführt, die Ansprüche auf Auskunft und Schadensersatz richteten sich nach den Regelungen des UWG a. F. Für die Ansprüche auf Herausgabe, Vernichtung und Unterlassung sei hingegen das am 26. April 2019 in Kraft getretene GeschGehG maßgeblich. Bezüglich der Ansprüche nach UWG a. F. bestehe eine Zuständigkeit des Landgerichts Kempten (Allgäu), wie bereits vom Bayerischen Obersten Landesgericht im Beschluss vom 15. Mai 2019 ausgeführt.
10
Soweit Ansprüche nach dem GeschGehG geltend gemacht würden, bestehe nach § 15 Abs. 2 GeschGehG eine ausschließliche Zuständigkeit beim allgemeinen Gerichtsstand des jeweiligen Beklagten, für die Beklagte zu 1) daher beim Landgericht R., für die Beklagten zu 2) und 3) beim Landgericht Kempten (Allgäu).
11
Die Klägerin hat zuletzt mit Schriftsatz vom 8. Juni 2022 beantragt,
I. Die Beklagten werden verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen,
1.
welche Fotos, Abbildungen, Aufzeichnungen von und welche sonstigen Informationen und Daten über welche konkreten Maschinen und Maschinenbauteile, befindlich in der Produktionsstätte der Klägerin … sie von Herrn K. W. … und / oder Herrn O. G. … erhalten haben, welche die Herren W. und / oder G. in der Produktionsstätte der Klägerin … im Zeitraum zwischen Juli 2017 bis 22. März 2018 zuvor angefertigt bzw. erhoben hatten.
2.
welche Fotos, Abbildungen, Aufzeichnungen und welche sonstigen Informationen und Daten von Plänen solcher Maschinen und Maschinenbauteile, befindlich in der Produktionsstätte der Klägerin … sie von Herrn K. W. … und / oder Herrn O. G. … erhalten haben, welche die Herren W. und / oder G. in der Produktionsstätte der Klägerin … im Zeitraum zwischen Juli 2017 bis 22. März 2018 zuvor angefertigt bzw. erhoben hatten.
3.
über welche so erlangten Fotos, Abbildungen, Aufzeichnungen, sonstigen Informationen und Daten welcher konkreten Maschinen und Maschinenbauteile bzw. von Plänen solcher Maschinen und Maschinenbauteile … sie weiterhin verfügen.
4.
bei wem sie welche Maschinen und Maschinenbauteile unter Verwendung von Informationen gemäß Ziff. 1 – 3 dieser Klage beauftragt haben, wo sich diese Maschinen und Maschinenbauteile derzeit befinden und welchen Umsatz sie bisher mit diesen Maschinen und Maschinenbauteilen … gemacht haben und welche Gewinne sie daraus erwirtschaftet haben…
5.
welche Kunden sie unter Verwendung der Informationen gemäß Ziff. 1 – 3 dieser Klage angesprochen haben und welche Kunden der Beklagten zu 1) aufgrund der gezielten Ansprache Aufträge erteilt haben…
II. Die Beklagten haben erforderlichenfalls die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben an Eides Statt zu versichern.
III. Die Beklagten haben an die Klägerin Schadensersatz in einer nach Erteilung der Auskunft gemäß Ziff. I noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen … zu zahlen.
IV. Die Beklagten haben sämtliche gemäß Ziff. I dieser Klage erlangten Fotos, Abbildungen, Aufzeichnungen und weiteren Informationen und Kopien hiervon an die Klägerin herauszugeben und die Verwendung zu unterlassen.
V. Die Beklagten haben sämtliche elektronisch gespeicherten Kopien sämtlicher gemäß Ziff. I dieser Klage erlangten Fotos, Abbildungen, Aufzeichnungen und weiteren Informationen auf eigene Kosten zu vernichten und bis zur Vernichtung nicht mehr zu nutzen.
VI. Die Beklagten haben der Klägerin sämtliche Dritte zu benennen, an die sie gemäß Ziff. I dieser Klage erlangte Fotos, Abbildungen, Aufzeichnungen und weitere Informationen und Daten weitergegeben haben.
12
Zur örtlichen Zuständigkeit hat die Klägerin im Schriftsatz vom 8. Juni 2022 ausgeführt, soweit das Landgericht im Hinweis vom 27. April 2022 der Ansicht sei, infolge der Klageänderung sei die örtliche Zuständigkeit entfallen, greife die Sperrwirkung des § 261 Abs. 3 ZPO. Zudem habe das Bayerische Oberste Landesgericht im Beschluss vom 15. Mai 2019 die Zuständigkeit des Landgerichts Kempten (Allgäu) bejaht. Sollte das Gericht weiter der Ansicht sein, es fehle an der örtlichen Zuständigkeit für die Beklagte zu 1), bitte die Klägerin um erneute Vorlage nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO.
13
Das Landgericht hat mit Verfügung vom 10. Juni 2022 die Akte an das Bayerische Oberste Landesgericht geleitet, „zur Vorlage des Antrags der Klagepartei mit Schriftsatz vom 08.06.2022 (Bl. 260 / 261 d. A.) für die Klageanträge gemäß Ziffern IV. und V. vorgenannten Schriftsatzes … in Bezug auf die Beklagte zu 1) das zuständige Gericht zu bestimmen“. Entgegen den Ausführungen der Klägerin beinhalte der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15. Mai 2019 (Az. 1 AR 41/19) keine Gerichtsstandsbestimmung. Das Landgericht sei auch nicht der Ansicht, erst mit der Klageänderung vom 21. Oktober 2021 sei die Zuständigkeit entfallen. Entsprechende Anträge seien bereits in der Klageschrift (damals unter Ziffer VI und Ziffer VII) enthalten gewesen.
14
Den Parteien ist im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Die Antragsgegnerin und Beklagte zu 2) hat mitgeteilt, keine Stellungnahme abzugeben. Die Antragsgegnerin und Beklagte zu 1) hat ausgeführt, unter Verweis auf den Hinweisbeschluss des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 27. April 2022 sei keine Stellungnahme veranlasst. Weitere Äußerungen sind nicht eingegangen.
II.
15
Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Landgericht Kempten (Allgäu) als (örtlich) zuständiges Gericht für die Anträge Ziffer IV und Ziffer V im Schriftsatz der hiesigen Antragstellerin und dortigen Klägerin vom 8. Juni 2022, LG Kempten (Allgäu), Az. 1 HK O 914/19.
16
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist zur Entscheidung über den Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 9 EGZPO berufen. Der allgemeine Gerichtsstand der Beklagten zu 1) und derjenige der Beklagten zu 2) und 3) liegen in unterschiedlichen Oberlandesgerichtsbezirken (S. und M.). Das zuerst mit der Sache befasste Gericht, bei dem die Klage bereits anhängig ist, befindet sich in B..
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2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsam zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor.
18
a) Der hierfür gemäß § 37 Abs. 1 ZPO erforderliche Antrag (“Gesuch“) ist gestellt worden, bezieht sich allerdings nur auf die Klageanträge Ziffer IV und Ziffer V des Schriftsatzes der hiesigen Antragstellerin und dortigen Klägerin vom 8. Juni 2022 im Verfahren LG Kempten (Allgäu), Az. 1 HK O 914/19. Diese Eingrenzung ergibt sich aus der Bezugnahme im Schriftsatz vom 8. Juni 2022 auf den gerichtlichen Hinweis vom 27. April 2022. Das Landgericht Kempten (Allgäu) hatte mit Verfügung vom 27. April 2022 die Parteien darauf hingewiesen, dass eine örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Kempten (Allgäu) – nur – für die Klageanträge Ziffer 8 und Ziffer 9 der Klageänderung vom 21. Oktober 2021 und nur in Bezug auf die Beklagte zu 1) fehle. Die Klageanträge Ziffer 8 und Ziffer 9 in der Fassung des Schriftsatzes vom 21. Oktober 2021 sind identisch mit den Klageanträgen Ziffer IV und Ziffer V im Schriftsatz vom 8. Juni 2022.
19
In der an das Landgericht Kempten (Allgäu) gerichteten Bitte der Klägerin um erneute Vorlage gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zur Herbeiführung einer Zuständigkeitsbestimmung ist eine konkludente Antragstellung zu sehen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 1. Dezember 2004, 1Z AR 158/04, juris Rn. 6).
20
b) Der Gerichtsstandsbestimmung steht nicht entgegen, dass das Klageverfahren gegen sämtliche Beklagte und auch in Bezug auf die Klageanträge Ziffer IV und Ziffer V bereits rechtshängig ist (zur Rechtshängigkeit auch der unbestimmten Anträge der dritten Stufe im Rahmen der Stufenklage BGH, Beschluss vom 18. Januar 1995, XII ARZ 36/94, NJW-RR 1995, 513 [juris Rn. 4]; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 43. Aufl. 2022, § 254 Rn. 4). Über den Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinaus kann eine Bestimmung auch noch erfolgen, wenn die Antragsgegner bereits vor einem Gericht verklagt wurden und einzelne von ihnen die Unzuständigkeit des Gerichts geltend gemacht haben (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 27. November 2011, X ARZ 321/18, juris Rn. 10; Beschluss vom 23. Februar 2011, X ARZ 388/10, NJW-RR 2011, [929] Rn. 6 f; BayObLG, Beschluss vom 23. Januar 2023, 101 AR 64/22, juris Rn. 31; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. November 2021, 15 SA 1/21, GRUR-RS 2021, 38391 Rn. 35).
21
Der Verfahrensstand steht einer Zuständigkeitsbestimmung vorliegend nicht entgegen. Die Zweckmäßigkeitserwägungen, welche die Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO auch nach Eintritt der Rechtshängigkeit rechtfertigen, finden ihre Grenze dort, wo ein Rechtsstreit bereits so weit fortgeschritten ist, dass das bestimmende Gericht sich vernünftigerweise – namentlich aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit – nur noch für das bereits mit der Sache befasste Gericht entscheiden und deshalb von einer echten Bestimmung des zuständigen Gerichts an sich keine Rede mehr sein kann. Diese Zäsur wird etwa als erreicht angesehen, wenn gegen einen oder mehrere Beklagte bereits sachlich entschieden worden ist oder eine Beweisaufnahme zur Hauptsache stattgefunden hat (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020, X ARZ 156/20, juris Rn. 16; Beschluss vom 27. November 2018, X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238 Rn. 14 m. w. N.; BayObLG, Beschluss vom 15. Mai 2019, 1 AR 36/19, juris Rn. 14) oder unmittelbar bevorsteht (OLG Bremen, Beschluss vom 9. August 2010, 3 AR 8/10, juris Rn. 5; OLG Schleswig, Beschluss vom 19. Juli 2007, 2 W 107/07, juris Rn. 11; Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 36 Rn. 26; Toussaint in BeckOK, ZPO, 47. Ed. 1. Dezember 2022, § 36 Rn. 21). Vorliegend ist die Klage zwar beim Landgericht Kempten (Allgäu) schon im Juni 2019 eingereicht worden und seit Juli 2019 rechtshängig. Dabei hat die Klageschrift vom 31. Mai 2019 auch bereits die maßgeblichen Klageanträge (als Ziffer VI und Ziffer VII) im Kern enthalten. Eine sachliche Entscheidung gegen die Beklagten über diese Klageanträge oder eine Beweisaufnahme hat vor dem Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung aber noch nicht stattgefunden. Dass das Landgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme bereits anberaumt hatte (mit Verfügung vom 27. April 2022 und Umladung vom 24. Mai 2022), steht der Zuständigkeitsbestimmung ebenfalls nicht entgegen. Zum einen hat das Landgericht eine Terminsaufhebung für den Fall der längeren Dauer des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens ohnehin vorgesehen, wie sich aus der Verfügung vom 10. Juni 2022 „Wiedervorlage m.E., spätestens 3 Wo. (Terminsaufhebung?)“ ergibt. Zum anderen bedürfte es einer etwaigen Beweisaufnahme in jedem Fall für die – von der Zuständigkeitsbestimmung nicht umfassten – Klageanträge der ersten Stufe (Klageanträge Ziffer I).
22
c) Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner zu 3) ursprünglich Arbeitnehmer der Klägerin war und die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten im Klageverfahren vor dem Landgericht Kempten (Allgäu) gerügt hat. Sofern die Zulässigkeit des Rechtswegs gerügt wird, ist in aller Regel der Rechtsweg vor der örtlichen Zuständigkeit und vor der Durchführung eines Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens zu prüfen (BAG, Beschluss vom 17. März 1997, 5 AS 3/97, juris Rn. 17 ff.; Beschluss vom 17. Juli 1995, 5 AS 30/95, juris Rn. 10 ff.). Denn die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts kann sich immer nur auf einen bestimmten Rechtsweg beziehen. Würde zunächst das örtlich zuständige Landgericht bestimmt und sodann durch dieses der Rechtsstreit in die Arbeitsgerichtsbarkeit verwiesen, bedürfte es danach gegebenenfalls der Bestimmung des örtlich zuständigen Arbeitsgerichts. Dies erscheint weder sinnvoll noch vereinbar mit dem Zweck des § 17a GVG, dass über den zulässigen Rechtsweg möglichst früh entschieden wird (BAG, Beschluss vom 17. März 1997, 5 AS 3/97, juris Rn. 17 ff.; Beschluss vom 17. Juli 1995, 5 AS 30/95, juris Rn. 10 ff.).
23
Vorliegend hat indessen das Landgericht Kempten (Allgäu) mit Beschluss vom 21. November 2019 vorab den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für das Verfahren gegen den Beklagten zu 3) für zulässig erklärt. Hieran ist der Senat nach § 17a Abs. 1 GVG gebunden. Der Beschluss des Landgerichts befasst sich zwar im Tenor nur mit der Unzulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs und der Verweisung betreffend die Ansprüche gegen die Beklagten zu 4) und zu 5). Allerdings führt das Landgericht in den Entscheidungsgründen des Beschlusses ausdrücklich aus, hinsichtlich des Beklagten zu 3) liege anders als für die Beklagten zu 4) und zu 5) keine Zusammenhangstreitigkeit nach § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG vor. Für ein Handeln eines Arbeitnehmers nach Ablauf des Arbeitsvertrags werde keine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte begründet. Ein Verstoß des Beklagten zu 3) während der arbeitsrechtlichen Bindung sei nicht dargetan. Damit hat das Landgericht nach § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab über die Rüge des Beklagten zu 3) entschieden und hinreichend klar den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten bezüglich des Beklagten zu 3) für zulässig erklärt. Ein Rechtsmittel gegen den Beschluss hat keine der Parteien eingelegt.
24
d) Die Antragsgegner werden nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen (Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 28) und insoweit schlüssigen Vorbringen der Antragstellerin als Streitgenossen i. S. v. §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen.
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§ 60 ZPO beruht weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen und ist deshalb grundsätzlich weit auszulegen (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011, X ARZ 101/11, MDR 2011, 807 [juris Rn. 18]). Es genügt, dass die (behaupteten) Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 12) .
26
Das ist hier der Fall. Die Antragstellerin stützt ihre behaupteten Ansprüche auf die Zuwiderhandlung gegen lauterkeitsrechtliche Pflichten durch die Antragsgegner, auf das unerlaubte Verschaffen von Geschäftsgeheimnissen der Antragstellerin durch unzulässiges Fotografieren bzw. Abzeichnen von ihr entwickelter Maschinen(teile), sowie das unerlaubte Nutzen durch den Nachbau der Maschinen(teile) anhand der so erlangten Informationen. Mithin handelt es sich um einen im Wesentlichen einheitlichen Lebenssachverhalt in Bezug auf sämtliche Antragsgegner. Des Weiteren begehrt die Antragstellerin von allen Antragsgegnern die Herausgabe bzw. Unterlassung der Verwendung der unlauter erlangten Fotos, Abbildungen und Aufzeichnungen sowie weiteren Informationen sowie die Vernichtung und das Unterlassen der Nutzung der elektronisch gespeicherten Kopien dieser Fotos, Abbildungen, Aufzeichnungen und Pläne. Dabei stützt die Antragstellerin ihre Ansprüche gegen alle Antragsgegner auf §§ 3, 3a, 8, 17 Abs. 1 und 2 Nr. 2 UWG a. F., § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 17 UWG a. F., § 826 BGB, § 1004 BGB i.V. m. § 17 UWG a. F. und §§ 6, 7 i.V. m. § 2 Nr. 1 und § 4 GeschGehG. Die erhobenen Ansprüche sind somit ihrem Inhalt nach im Verhältnis zu allen Antragsgegnern im Wesentlichen gleichartig. Die Unterschiede in der tatsächlichen Beteiligung der Antragsgegner an dem behaupteten Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen durch Mitteilen, Sich-Verschaffen, Anstiften von F.-K. W. und O. G. sowie die eigen- bzw. fremdnützige Nutzung sind insoweit ohne Bedeutung. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob die behaupteten Ansprüche (etwa auf Herausgabe und Vernichtung) gegen alle Antragsgegner inhaltlich in jeder Hinsicht deckungsgleich sind (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020, X ARZ 156/20, NJW-RR 2020, 1070 Rn. 13; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. November 2021, 15 SA 1/21, GRUR-RS 2021 Rn. 40).
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Im Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist schließlich nicht zu prüfen, ob die beabsichtigte oder bereits erhobene Klage darüber hinaus schlüssig oder – gegebenenfalls in Teilen – unschlüssig ist (BayObLG, Beschluss vom 10. Juni 2020, 1 AR 39/20, BeckRS 2020, 12330 Rn. 27; OLG Bremen, Beschluss vom 1. November 2011, 3 AR 16/11, juris Rn. 3; Toussaint in BeckOK ZPO, § 36 Rn. 13).
28
e) Der Zuständigkeitsbestimmung steht auch der Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 15. Mai 2019 (1 AR 41/19) nicht entgegen. Zwar hat die hiesige Antragstellerin vor Erhebung der Klage zum Landgericht Kempten (Allgäu) einen Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung durch das Bayerische Oberste Landesgericht gestellt, der sich auf denselben Lebenssachverhalt und die identischen Beklagten bezog wie die dann später eingereichte Klage. Die dort angekündigten Anträge sind ersichtlich – auch – auf dieselben Rechtsschutzziele ausgerichtet gewesen wie die im vorliegenden Verfahren inmitten stehenden Anträge Ziffer IV und Ziffer V (Herausgabe der unlauter erlangten Fotos und Aufzeichnungen, Unterlassung der Verwendung, Vernichtung der elektronisch gespeicherten Kopien der Fotos und Aufzeichnungen sowie Unterlassen von deren Nutzung). Allerdings hat das Bayerische Oberste Landesgericht im Beschluss vom 15. Mai 2019 gerade keine Zuständigkeitsbestimmung getroffen, sondern eine solche abgelehnt. Aus § 14 Abs. 2 Satz 1 UWG lasse sich ein gemeinsamer Gerichtsstand des Begehungsorts für sämtliche Antragsgegner ableiten. Das danach für die Klage örtlich zuständige Gericht habe die Ansprüche dann unter allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen zu prüfen. Die Ablehnung einer Zuständigkeitsbestimmung, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen, hindert aber einen späteren erneuten Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung – nach Eintritt der Voraussetzungen – offensichtlich nicht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 19. September 2022, 102 AR 5/22, juris Rn. 47 ff.).
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f) Ein gemeinsamer Gerichtsstand für die Klageanträge Ziffer IV und Ziffer V gegen sämtliche Antragsgegner ist nicht feststellbar, da der ausschließliche Gerichtsstand nach § 15 Abs. 2 GeschGehG für die Antragsgegnerin zu 1) einerseits und die Antragsgegner zu 2) und 3) andererseits bei unterschiedlichen Gerichten besteht.
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aa) Nach § 15 Abs. 2 GeschGehG ist für Klagen vor den ordentlichen Gerichten, mit denen Ansprüche nach dem Gesetz zum Schutz vom Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) geltend gemacht werden, das Gericht ausschließlich örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.
31
Das GeschGehG ist am 26. April 2019 in Kraft getreten. Eine Übergangsvorschrift besteht nicht. Bei Einreichung der streitgegenständlichen Klage im Juni 2019 war dieses Gesetz bereits in Kraft. § 15 GeschGehG gilt für alle Streitigkeiten aus dem GeschGehG, unabhängig davon, welcher Anspruch geltend gemacht wird (Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 41. Aufl. 2023, GeschGehG § 15 Rn. 9), daher auch für Unterlassungs-, Beseitigungs- und Vernichtungsansprüche gemäß §§ 6, 7 GeschGehG. Die Antragstellerin stützt ihre Ansprüche nach Ziffer IV und Ziffer V der Klage in der Fassung des Schriftsatzes vom 8. Juni 2022 gegen die Antragsgegner auch auf die §§ 6 ff. des GeschGehG. Sie trägt vor, bei den – angeblich – abfotografierten Maschinen(teilen) handele es sich um Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 2 Nr. 1 GeschGehG. Sie habe diese Maschinen(teile) selbst entwickelt, diese seien jedenfalls in der konkreten Zusammenstellung und Konfiguration so nicht allgemein bekannt, verschafften ihr einen Wettbewerbsvorsprung gerade bei der Erstellung von Kleinserien und seien unter anderem durch ein allgemeines Fotografierverbot in den Betriebsräumen besonders geschützt worden. Das unbefugte Abfotografieren bzw. Abzeichnen, die Weiterleitung an die hiesigen Antragsgegner und der unbefugte teilweise Nachbau seien auch als unbefugte Verschaffung und Nutzung im Sinne des § 4 GeschGehG zu qualifizieren.
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Der Anwendbarkeit des GeschGehG steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt des angeblich unerlaubten Abfotografierens bzw. Abzeichnens zwischen Juli 2017 und April 2018 durch O. G. und F.-K. W. das GeschGehG noch nicht in Kraft war. Aus dem Fehlen jeglicher Übergangsregelungen ist der Wille des Gesetzgebers ableitbar, dem GeschGehG jedenfalls in zivilrechtlicher Hinsicht ab sofort Geltung zu verschaffen. Das GeschGehG ist daher auf alle Verhaltensweisen ab seinem Inkrafttreten anwendbar ebenso wie auf Verletzungshandlungen, die bereits vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begonnen haben, aber zu diesem Zeitpunkt noch nicht beendet waren (Bühling in Hoeren/Münker, GeschGehG, 2021, Anhang Übergangsregelungen Rn. 14 f.; Hauck in Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht, 3. Aufl. 2022, GeschGehG Vor § 1 Rn. 23; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. November 2021, 15 SA 1/21, GRUR-RS 2021, 38391 Rn. 52) . Mithin erstreckt sich die Anwendbarkeit insbesondere auch auf ein unerlaubtes Weitergeben nach Inkrafttreten des Gesetzes oder das (Weiter-) Nutzen von unerlaubt erlangten Geschäftsgeheimnissen und die daraus folgenden Ansprüche, wie sie die Klägerin mit den fraglichen Anträgen Ziffer IV und Ziffer V geltend macht. Es wird sogar die Ansicht vertreten, die prozessuale Zuständigkeitsregelung des § 15 GeschGehG gelte selbst für Altfälle, deren Entscheidung sich noch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. § 17 UWG, §§ 3, 3a, 17, 18 UWG a. F. richtet (so OLG Düsseldorf, a. a. O., Rn. 52; Alexander in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, GeschGehG § 15 Rn. 9; unklar Bühling in Hoeren/Münker, GeschGehG, Anhang Übergangsregelungen Rn. 17 „selbst wenn der Erstverstoß noch an den §§ 17 ff. UWG a. F. zu messen sein sollte“).
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bb) Nach § 15 Abs. 2 GeschGehG, §§ 12, 17 ZPO besteht somit für die Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu 1) ein ausschließlicher Gerichtsstand beim Landgericht Ravensburg, für die Antragsgegner zu 2) und 3) nach § 15 Abs. 2 GeschGehG, §§ 12, 13 ZPO hingegen beim Landgericht Kempten (Allgäu). Anderes ergibt sich für die Antragsgegner zu 2) und 3) nicht aus § 15 Abs. 3 GeschGehG, § 45a Nr. 1 GZVJu (Bayern). Danach wird für Geschäftsgeheimnisstreitstreitsachen im Sinne des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen die Zuständigkeit für den Oberlandesgerichtsbezirk München dem Landgericht München I übertragen. Allerdings wurde diese Zuständigkeitskonzentration erst mit Wirkung vom 1. Oktober 2021 in Kraft gesetzt. Die Klageschrift, die die fraglichen Anträge Ziffer IV und Ziffer V – als Anträge Ziffer VI und Ziffer VII – schon im Wesentlichen enthalten hat, ist im Juni 2019 beim Landgericht Kempten (Allgäu) eingereicht und im Juli 2019 zugestellt worden. Gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO wird die Zuständigkeit des Prozessgerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt, wozu auch gesetzliche Änderungen der Zuständigkeit gehören (BGH, Beschluss vom 15. März 1978, IV ARZ 17/78, NJW 1978, 1163 [juris Rn. 3]; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 261 Rn. 14). Ein etwaiger Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO kommt bei Geschäftsgeheimnisstreitsachen aufgrund der Ausschließlichkeitsregelung in § 15 Abs. 2 GeschGehG nicht in Betracht (OLG Düsseldorf, a. a. O. Rn. 45 m. w. N.).
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cc) Ob bis zur Änderung der Rechtslage am 26. April 2019 noch ein gemeinsamer Gerichtsstand für eine Klage gegen alle Antragsgegner – nach § 14 Abs. 2 UWG a. F. – bestanden hätte, ist nicht maßgeblich. Die grundsätzliche Unzulässigkeit einer Gerichtsstandsbestimmung bei Vorliegen eines gemeinsamen besonderen Gerichtsstands geht auf die Überlegung zurück, dass eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nicht notwendig ist, wenn der Kläger von vornherein ein für alle Streitgenossen zuständiges Gericht anrufen kann (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020, X ARZ 156/20, juris Rn. 29). Diese Möglichkeit bestand aber vorliegend bei Einreichung der Klageschrift im Juni 2019 nicht mehr. Ein faktischer Zwang, möglichst frühzeitig Klage einzureichen, um etwaigen Gesetzesänderungen zuvorzukommen und einen (noch) vorhandenen gemeinsamen besonderen Gerichtsstand auszunutzen, lässt sich aus § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht ableiten.
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3. Der Senat bestimmt das Landgericht Kempten (Allgäu) als das für die Antragsgegner zuständige Gericht.
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Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie. Auszuwählen ist grundsätzlich eines der Gerichte, an dem die Antragsgegner ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand haben. Ausnahmsweise kann jedoch auch ein Gericht bestimmt werden, bei dem keiner der verklagten Streitgenossen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (BayObLG, Beschluss vom 29. März 2021, 101 AR 16/21, juris Rn. 46 m. w. N.), so beispielsweise, wenn ein Gericht für einen oder mehrere Streitgenossen ausschließlich zuständig ist (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2008, X ARZ 98/08, NJW-RR 2008, 1514 [juris Rn. 20]; BayObLG, Beschluss vom 29. März 2021, 101 AR 16/21, juris Rn. 46).
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Bei dem Landgericht Kempten (Allgäu) besteht ein (ausschließlicher) Gerichtsstand nach § 15 Abs. 2 GeschGehG für die Antragsgegner zu 2) und 3). Ferner befindet sich im Bezirk des Landgerichts Kempten (Allgäu) der Betrieb der Klägerin und damit der Ort, an dem das Geschäftsgeheimnis der Klägerin belegen ist und die ersten behaupteten Verletzungshandlungen durch O. G. und F.-K. W. stattgefunden haben sollen. Zudem ist das Landgericht Kempten (Allgäu) schon seit geraumer Zeit mit dem Verfahren und mit den weiteren, ebenfalls gegen die Antragsgegner gerichteten Klageanträgen befasst, die nicht Gegenstand des Zuständigkeitsbestimmungsverfahrens sind, sich aber auf denselben Sachverhalt beziehen. Dass der Antragsgegnerin zu 1), für die ein ebenfalls ausschließlicher Gerichtsstand beim Landgericht Ravensburg bestünde, die Prozessführung beim Landgericht Kempten (Allgäu) nicht zumutbar wäre, ist nicht ersichtlich. Insbesondere wird die Antragsgegnerin zu 1) ohnehin durch ihren im Bezirk des Landgerichts Kempten (Allgäu) wohnhaften Geschäftsführer, den Antragsgegner zu 2), vertreten.