Inhalt

AG Schwabach, Beschluss v. 06.03.2023 – VI 2397/21
Titel:

Unwirksamkeit der testamentarischen Einsetzung des Berufsbetreuers zum Alleinerben

Normenketten:
BGB § 138
BtOG § 30
HeimG § 14 Abs. 5
Leitsätze:
1. Ein Testament ist formungültig, wenn ein weitgehend vorformuliertes Schriftstück durch den Erblasser teilweise handschriftlich ergänzt und unterschrieben wird (anders nachfolgend OLG Nürnberg BeckRS 2023, 25863). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Allein die Tatsache, dass der Erblasser seinen Berufsbetreuer als Erben einsetzt, führt nicht allein oder zwangsläufig zur Sittenwidrigkeit. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Sittenwidrigkeit eines Testamentes kann sich aus der Ausnutzung der demenziellen Situation des Betreuten ergeben, der keinen einzigen Angehörigen oder Bekannten mehr hat und dem ihm eigentlich fremden Berufsbetreuer, der ihm ein vorgefertigtes Blankoformular zur eigenen Erbeinsetzung unterschiebt (hier bejaht vom Nachlassgericht, verneint nachfolgend von OLG Nürnberg BeckRS 2023, 25863). (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Testament, Formunwirksamkeit, vorformulierter maschinenschriftlicher (Lücken-)Text, Berufsbetreuer, Alleinerbe, eigenhändig, Sittenwidrigkeit, Erbschein, Erbeinsetzung, Blankoformular
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 19.07.2023 – 15 Wx 988/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 25864

Tenor

1. Der Erbscheinsantrag vom 29.06.2022 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1
Der ... 2022 verstorbene Erblasser war ledig und hatte keine Abkömmlinge. Mit erbrechtlicher Verfügung vom 11.05.2021 bestellte der Erblasser seinen Berufsbetreuer … zum Alleinerben. Der Betreuer beantragte mit notariellem Antrag vom 29.06.2022 einen Alleinerbschein.
2
Auf das Testament auf Bl. 33 der Akte und den Antrag auf Bl. 45 ff. der Akte wird Bezug genommen.
3
Der notariell beurkundete Antrag auf Erteilung eines Erbscheins vom 29.06.2022 ist zulässig, aber unbegründet.
4
Das Testament ist bereits formungültig. Der Berufsbetreuer … übergab dem Erblasser ein weitgehend vorformuliertes Schriftstück für die eigene Erbeinsetzung, das der Erblasser teilweise handschriftlich ergänzt und unterschrieben hat. Grundsätzlich ist ein Testament eigenhändig zu errichten, d. h. eigenhändig zu schreiben und zu unterschreiben. Dies ist bereits deswegen erforderlich, da bei einem vollständig eigenhändig geschriebenen und unterschriebenen Testament aufgrund der Formulierung die Testierfähigkeit und aufgrund des Schriftbildes auch die Eigenhändigkeit der Verfassung des Testamentes überprüft werden kann. Vorliegend hat der Berufsbetreuer dem Erblasser ein teilweise mit Computer erstelltes Blankoformular überschrieben mit „Mein letzter Wille“ übergeben, in dem bereits der Berufsbetreuer mit Person und der Erblasser mit seiner Anschrift vorerfasst war sowie die beiden maßgeblichen Konten des Erblassers. Aufgrund des gesundheitlichen Zustandes des Erblassers geht das Gericht davon aus, dass der Erblasser beim restlichen Ausfüllen des Formulars von seinem Berufsbetreuer auch entsprechende Hilfestellung erfahren hat. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Erblasser für den Berufsbetreuer mit seinem Computer die eigene Adresse vorerfasst hat und die Adresse seines Berufsbetreuers überhaupt ohne weiteres kannte. Für das Blankoformular des Betreuers spricht auf der Vergleich mit den weiteren vom Betreuer an das Gericht gerichtete Schreiben (Papier, Textlayout, Schriftbild, etc.). Der Erblasser verfügte auch weder über einen entsprechenden Computer mit Drucker, um so ein vorformuliertes Formular zu erstellen, noch über die entsprechenden EDVtechnischen Kenntnisse, so dass sicher davon auszugehen ist, dass der Blanko-Entwurf nicht vom Erblasser initiiert, verfasst und ausgedruckt wurde, sondern von dessen ... Berufsbetreuer .
5
Es bestand auch sicherlich keine Notwendigkeit, ein solches Blankoformular für den Erblasser vorab zu stellen mit der fadenscheinigen Begründung, dass dieser nicht mehr so lang schreiben könne, da er die maßgeblichen Konten nicht hätte einzeln aufführen müssen und sich auch den vom Berufsbetreuer vorformulierten Satz, dass der Erblasser nicht mehr so lange schreiben könne, sparen hätte können.
6
Bei dem vorliegenden Fall, dass der Berufsbetreuer das wesentliche Gerüst für die eigene Erbeinsetzung seinem Schützling unterschiebt, kann jedenfalls nicht mehr von einem eigenhändig geschriebenen Testament ausgegangen werden, da der Erblasser für diesen Fall bei beginnender Demenz sich nur an dem Lückentext orientieren musste, der ihm von seinem Betreuer vorgegeben war.
7
Das Testament ist zudem sittenwidrig, § 138 BGB.
8
Das Gericht stützt sich dabei nicht auf die Entscheidung des OLG Celle vom 07.01.2021, 6 U 22/20. Allein die Tatsache, dass der Erblasser seinen Berufsbetreuer als Erben einsetzt, führt nicht allein oder zwangsläufig zur Sittenwidrigkeit. Die Sittenwidrigkeit liegt vielmehr in der Ausnutzung der demenziellen Situation des Betreuten, der keinen einzigen Angehörigen oder Bekannten mehr hat und dem ihm eigentlich fremden Berufsbetreuer, der ihm ein vorgefertigtes Blankoformular zur eigenen Erbeinsetzung untergeschoben hat. Das Gericht folgt auch nicht der zu scharfen Kritik nach Krätzel/Falkner/Döbereiner, Nachlassrecht 12. Auflage 2022, § 7 Nr. 11 a.
9
Es muss durchaus einen Unterschied machen, ob der Betreute ohne Angehörige am Ende seines Lebens von sich aus auf die Idee kommt, seinen Berufsbetreuer ohne dessen Hilfestellung zum Alleinerben einzusetzen oder ob der Berufsbetreuer in Ausnutzung seiner Funktion den Erblasser durch Erbschleicherei und durch Übergabe von vorformulierten Lückentexten zur Erbeinsetzung veranlasst. Vorliegend muss davon ausgegangen werden, dass der Wunsch der Erbeinsetzung nicht vom Erblasser, sondern vom Betreuer ausging und dieser in Ausnützung seiner ihm übertragenen Stellung dem Erblasser das entsprechende Blankoformular unterschob und dem Erblasser bei der eigenen Erbeinsetzung Hilfestellung leistete. § 14 Abs. 5 HeimG und der neu geschaffene § 30 BtOG zeigen, dass aufgrund der gerichtlichen Berufung und des damit geschaffenen Vertrauens- und Näheverhältnisses des Betreuten zu seinem Betreuer diese Situation leicht zum Nachteil des Betreuten ausgenutzt werden kann und zieht damit gewisse Grenzen. Die Sittenwidrigkeit liegt damit zusammengefasst sicher nicht in der Erbeinsetzung des Berufsbetreuers, wenn diese originär dem Wunsch des Erblassers entspringt und von diesem ohne Kenntnis des Betreuers umgesetzt wird, sondern in der Beeinflussung des Erblassers aufgrund des Vertrauens- und Näheverhältnisses unter Unterschieben einer entsprechenden Blankoerklärung, in dem der unter beginnender Demenz leidende Betroffene quasi zur „richtigen“ Erbeinsetzung wie auf einer Schiene hingeführt würde.
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Das Gericht geht damit von einer Sittenwidrigkeit wegen der Ausnutzung der Vertrauensstellung und der unverkennbar massiven Beeinflussung des Betreuten durch den Berufsbetreuer aus.
11
Der Erbscheinsantrag war damit zurückzuweisen.
12
Von einer genauen Untersuchung der Testierfähigkeit des Erblassers zum Zeitpunkt der Testamtserrichtung über die Einvernahme der behandelnden Ärzte des Erblassers im Heim wird wegen der Formunwirksamkeit und der Sittenwidrigkeit des Testaments daher abgesehen.