Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 21.09.2023 – AN 17 X 23.739
Titel:

Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens im Verwaltungsprozess

Normenketten:
VwGO § 98
ZPO § 485 Abs. 2
BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 2
Leitsätze:
Ein rechtliches Interesse des Antragstellers an einem selbstständigen Beweisverfahren liegt nicht vor, wenn die streitigen Fragen von der Behörde im weiteren Behördenverfahren im Rahmen des Amtsermittlung zu klären sind; gleiches gilt, wenn die Behörde den Antragsteller verpflichten kann (Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO), die Aufklärung des Sachverhalts zu übernehmen. (Rn. 16)
Bei der Frage des rechtlichen Interesses nach § 98 VwGO iVm § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO ist auch zu berücksichtigen, dass die Besonderheiten des Verwaltungsprozesses ggf. eine andere Beurteilung gebieten. Der Verwaltungsprozess unterscheidet sich durch den Amtsermittlungsgrundsatz vom Zivilprozess, was bei der entsprechenden Anwendung zivilprozessualer Reglungen nicht unberücksichtigt bleiben kann. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Selbstständiges Beweisverfahren, rechtliches Interesse, Amtsermittlung, Aufklärung, Verpflichtung des Antragstellers, Besonderheiten des Verwaltungsprozesses
Fundstelle:
BeckRS 2023, 25771

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 1.666,67 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens zu der Frage, ob das sich auf ihrem Grundstück befindliche Teilstück der historischen Stadtmauer einsturzgefährdet ist.
2
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … Auf diesem Grundstück befinden sich im Wesentlichen ein nördlich gelegenes Fachwerkhaus und ein direkt daran südlich angrenzendes neueres Flachdachhaus. Beide Gebäude grenzen an das auf der westlichen Grundstücksgrenze befindliche Teilstück der historischen Stadtmauer der Stadt … an. Das Teilstück der Stadtmauer befindet sich vollständig auf dem Grundstück der Antragstellerin und ist ca. 18 m lang, ca. 7,50 m hoch und besteht aus Sandstein. Die beiden Gebäude der Antragstellerin liegen auf dem oberen Ende der Stadtmauer auf und überragen diese.
3
Auf der gegenüberliegenden Seite des Stadtmauerteils befinden sich zum einen das nördlich gelegene Grundstück FlNr. … und das direkt südlich daran angrenzende kleinere Grundstück FlNr. …, jeweils im Eigentum der Stadt … Auf beiden Grundstücken befinden sich Mauerwerksreste aus Ziegeln von inzwischen abgerissenen Gebäuden der … Während im Bereich des Fachwerkhauses ein Abstand von ca. 25 cm zwischen der Stadtmauer und den ehemaligen Gebäuden der Firma eingehalten wurde, wurde weiter südlich die Stadtmauer auf einer Länge von ca. 3 m durch eine Ziegelsteinmauer ausgetauscht und in das damals vorgelagerte Gebäude der … eingebunden.
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Die Stadt … gab am 18. Juni 2013 beim Ingenieurbüro … ein Tragwerksgutachten hinsichtlich des Teilstücks der historischen Stadtmauer der Antragstellerin in Auftrag. Das im Januar 2014 fertiggestellte Gutachten stellte für die Stadtmauer u.a. das folgende Schadenbild fest: Die größten Schäden am Mauerwerk würden einen ca. 6 m breiten Streifen unter der nördlichen Hälfte des Flachdachhauses umfassen. Hier seien ältere Mauerwerksschäden eines Teileinsturzes der historischen Stadtmauer vorhanden, welche notdürftig mit Steinsandquadern verschlossen worden seien. Daneben sei noch das ca. 1 m breite schlecht vermörtelte Bruchsteinmauerwerk vorhanden. Weiter südlich sei die Stadtmauer auf einer Breite von ca. 3 m mit Ziegelmauerwerk ausgetauscht und in die vorgelagerten Fabrikgebäude eingebunden worden. Der Bereich sei inhomogen gemauert und nach Abbruch der vorgelagerten Gebäude ca. 15 Jahre der Witterung ausgesetzt gewesen. Es bestehe die Gefahr, dass sich einzelne Steine lösen und aus der Mauer fallen können. Im Bereich des Fachwerkhauses sei das gegen die Wand geregnete Wasser an der Stadtmauer zwischen dem Hohlraum zur Ziegelmauer entlang gelaufen und habe sich am Fuß gestaut. Hier sei mit Auswaschung der Verfugungen bzw. Frostschäden am Mauerwerk zu rechnen. Das auf die Stadtmauer aufgesetzte Fachwerkgebäude habe außerdem die Mauer auf einer Höhe vom ca. 6 m um 0,24 m nach außen verschoben. Es bestehe ein horizontaler Schub auf die Stadtmauer. Es bestehe ein labiler Gleichgewichtszustand, der rechnerisch nicht nachgewiesen werden könne. In der zusammenfassenden statischen Beurteilung kam das Gutachten zu dem Schluss, dass die Stadtmauer an zwei Stellen extreme Schwachpunkte in der Konstruktion habe und in Teilbereichen die Gefahr von Teileinstürzen bestehe.
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Ein weiteres Gutachten „Tragwerksgutachten – Teil II“ der … vom 18. November 2022 kam zu dem Ergebnis, dass sich der Zustand der Mauer weiter verschlechtert habe. Bereits das Gutachten vom Januar 2014 habe eindeutig festgestellt, dass die Mauer mit den beiden auf ihr lastenden Gebäuden nicht mehr standsicher sei. Da sich der Zustand weiter verschlechtert habe, sei dringender Handlungsbedarf zur Abwehr eines Einsturzes erforderlich.
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Bei einem Ortstermin am 22. Dezember 2022 stellte das Landratsamt fest, dass sich die Stadtmauer zwar in einem stark angegriffenen Zustand befinde, ein Hinweis auf ein bevorstehendes statisches Versagen läge allerdings nicht vor. Aus Sicht des Landratsamts, festgehalten in einem Aktenvermerk vom 11. Januar 2023, stelle die bisherige Untersuchung der … lediglich eine Voruntersuchung zum Zustand der Mauer dar, belastbare Angaben hinsichtlich der Tragfähigkeit der Stadtmauer würden aber fehlen. Es sei erforderlich, eine tiefergehende statische Untersuchung in Auftrag zu geben, um herauszufinden, wie tragfähig die Stadtmauer und der Untergrund tatsächlich noch seien.
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Mit Schreiben vom 6. Februar 2023, nachdem ein erstes inhaltsgleiches Schreiben vom 11. Januar 2023 nicht zugestellt werden konnte, teilte das Landratsamt der Antragstellerin mit, es sei beabsichtigt, sie durch kostenpflichtigen Bescheid unter Zwangsgeldandrohung zur Auftragsvergabe für eine tiefer gehende statische Untersuchung der Mauer und des sie tragenden Untergrundes zu verpflichten, um eine Gefährdung des Denkmals durch Einsturz und somit auch eine erhebliche Gefährdung von Leib und Leben abzuwenden. Bei dem Sanierungsgutachten solle durch ein Statikbüro auch ein entsprechender detaillierter Maßnahmenkatalog erstellt werden, wie das Denkmal unter Berücksichtigung der gewonnenen Erkenntnisse zielgerichtet und nachhaltig gesichert und saniert werden kann. Die Beauftragung der Durchführung der bezeichneten Maßnahmen sei durch die Antragstellerin als Eigentümerin zu veranlassen. Das Gutachten sei bis Jahresende vorzulegen. Vor Erlass einer Anordnung wurde der Antragstellerin Möglichkeit zur Stellungnahme bis 31. Januar 2023 gegeben.
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Mit Schriftsatz vom 13. April 2023 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten Antrag auf Anordnung eines selbstständigen Beweisverfahrens beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach stellen und beantragt,
I. Es ist ein Sachverständigengutachten darüber einzuholen, ob das im Eigentum der Antragstellerin stehende Teilstück der historischen Stadtmauer … auf dem Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung … mit der Länge von ca. 18 m im Bereich der … mit den beiden auf ihr lastenden Gebäuden der Antragstellerin … in … die statisch-bautechnischen Regeln der Standsicherheit erfüllt oder ob dieses Stadtmauerteilstück nicht mehr standsicher ist.
II. Der Sachverständige soll, falls eine fehlende oder ungenügende Standsicherheit lt. vorstehender Ziffer I. festgestellt wird, weiter zu folgenden Fragen Stellung nehmen:
1. Welche Ursache hat die fehlende Standsicherheit?
Insbesondere:
Ist eine etwaige fehlende Standsicherheit der Stadtmauer ganz oder überwiegend
- durch Auswaschungen der Verfugungen bzw. durch Frostschäden an dem vor die Stadtmauer gesetzten oder in die Stadtmauer eingebundenen Ziegelmauerwerk oder
- durch den Fugenhohlraum zwischen der Ziegelmauer und der Stadtmauer im Bereich des Fachwerkhauses und die dortigen Wasser- und Frosteinwirkungen oder
- durch den Pflanzenbewuchs im Fugenhohlraum zwischen der Ziegelmauer und der Stadtmauer im Bereich des Fachwerkhauses oder durch den Pflanzenbewuchs unmittelbar vor der Stadtmauer verursacht oder mitverursacht bzw. im Falle der Mitverursachung zu welchem prozentualen Anteil?
2. Auf welche Art und Weise und mit welchem Kostenaufwand kann eine fehlende Standsicherheit wieder hergestellt werden?
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Die Antragstellerin bestreitet die Einsturzgefährdung der Mauer. Selbst wenn die Mauer einsturzgefährdet sei, so seien jedenfalls die Auswaschungen der Verfugungen bzw. Frostschäden am Mauerwerk im Fugenhohlraum zwischen der in ihrem Eigentum stehenden Stadtmauer und dem im Eigentum der Stadt … stehenden und aus einem Abriss stammenden Ziegelmauerwerk, das vormals an die Stadtmauer angemauert wurde, ursächlich, zumindest jedoch weit überwiegend mitursächlich. Das Gelände auf der anderen Seite der Stadtmauer sei unterhalb der Unterkante der Stadtmauer abgegraben und bis heute in dem Zustand der ursprünglichen aus Ziegelmauerwerk hergestellten Gebäuderückwände belassen worden, die im Bereich des hinter der Mauer liegenden Anbaues der Antragstellerin teilweise auch weit über der Unterkante der Stadtmauer in diese „eingebunden“ und im Bereich des Fachwerkhauses der Antragstellerin bis heute in einem Abstand bzw. mit einem hinterlassenen Hohlraum von 25 cm zur Stadtmauer hin belassen worden sei. Dies habe zur Folge, dass das hinterlassene und im Eigentum bzw. Verantwortungsbereich der Stadt … stehende Ziegelmauerwerk seit Abriss der …-Gebäude in den Jahren 1987/1988 der Witterung und dem Pflanzenwuchs ausgesetzt gewesen sei. Etwaige Schäden an der im Bereich des Fachwerkhauses dahinter und im Bereich des Anbaus angeschlossenen Stadtmauer und eine etwaige Instabilität dieser Stadtmauer seien daher auf den von der Stadt … hinterlassenen Abrisszustand der vormaligen …-Gebäude zurückzuführen. Die Antragstellerin habe alles in ihrem Verantwortungsbereich liegende getan, um die Standsicherheit der Mauer zu erhalten. Die in den Beweisverfahren angestrebte Klärung der vom Antragsgegner behaupteten und von der Antragstellerin bestrittenen Einsturzgefahr bzw. der von der Antragstellerin bestrittenen, nicht mehr vorhandenen Standsicherheit der Stadtmauer diene der Vermeidung eines Rechtsstreits, weshalb ein rechtliches Interesse für das eingeleitete selbstständige Beweisverfahren im Sinne der §§ 98 VwGO, 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO bestehe.
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Der Antragsgegner stimmt mit Schriftsatz vom 22. Mai 2023 dem Antrag zu und verweist auf die Ausführungen der Antragstellerin.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Behördenakte und die Gerichtsakte verwiesen.
II.
12
Der Antrag ist unzulässig.
13
1. Gemäß § 98 VwGO i.V.m. § 485 ZPO kann im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt werden. Nach § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann eine Partei, sofern ein Rechtsstreit, wie hier, noch nicht anhängig ist, die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass u.a. der Zustand einer Person, die Ursache eines Personenschadens oder der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist nach § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.
14
Das nötige rechtliche Interesse am Beweissicherungsverfahren ist weit zu fassen. Es kann nur in eindeutigen Fällen verneint werden, in denen ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich oder evident ist, dass der behauptete Anspruch keinesfalls bestehen kann. Das Gericht darf grundsätzlich nicht prüfen, ob die beantragte Beweisaufnahme für den behaupteten Anspruch erheblich und das Vorbringen schlüssig ist, es sei denn, die beantragte Feststellung ist offenkundig und nach jeder Betrachtungsweise für den späteren Rechtsstreit unerheblich oder dient lediglich der Ausforschung, insbesondere nur der Erkundung der Erfolgsaussichten einer späteren Klage. Bei der Frage des rechtlichen Interesses ist auch zu berücksichtigen, dass die Besonderheiten des Verwaltungsprozesses ggf. eine andere Beurteilung gebieten (BayVGH, B.v. 1.4.2014 – 13 S 14.558 – BeckRS 2014, 50505). Der Verwaltungsprozess unterscheidet sich durch den Amtsermittlungsgrundsatz vom Zivilprozess, was bei der entsprechenden Anwendung zivilprozessualer Reglungen nicht unberücksichtigt bleiben kann (BayVGH, a.a.O.; OVG Schleswig, B.v. 22.1.1998 – 2 M 36/97 – juris).
15
Dies zugrunde gelegt fehlt der Antragstellerin vorliegend das in § 485 Abs. 2 S. 1 ZPO vorausgesetzte rechtliche Interesse an der gerichtlich veranlassten Begutachtung.
16
a) Der Antragstellerin fehlt das rechtliche Interesse hinsichtlich der Fragen unter Ziffern I. und II. Nr. 2 des Antrags. Hier muss als Besonderheit des Verwaltungsrechts beachtet werden, dass die betroffenen Fragen des beantragten selbstständigen Beweisverfahrens im Rahmen des weiteren Behördenverfahrens aufzuklären sind. So fehlt es nach der Rechtsprechung in der Regel dann an einem berechtigten Interesse, wenn die betroffenen Fragen noch von der Behörde im Rahmen ihrer behördlichen Amtsermittlungspflicht (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) zu klären sind und das rechtliche Interesse an der Durchführung des Beweisverfahrens dadurch verdrängt wird (OVG Schleswig a.a.O.; HessVGH, B.v. 12.4.2018 – 2 B 227/18 – juris). Gleiches muss auch gelten, wenn die betroffenen Fragen im weiteren Behördenverfahrens nicht unmittelbar von der Behörde aufgeklärt werden müssen, sondern die Behörde aufgrund gesetzlicher Regelungen den Antragsteller verpflichten kann, die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (jedenfalls teilweise) zu übernehmen, denn die Pflicht zur Aufklärung des weiteren Sachverhalts wird in diesem Falle nur verlagert. Vorliegend ist letztgenannte Konstellation einschlägig. Der Antragsgegner hat angekündigt, die Antragstellerin verpflichten zu wollen, ein Gutachten zur Standsicherheit und Sicherung des Stadtmauerabschnitts in Auftrag zu geben. Die Rechtsgrundlage hierfür wäre Art. 54 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BayBO. Eine Anordnung nach dieser Norm kommt bei begründeten Zweifeln in Betracht, ob die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten sind. Bei Vorliegen einer konkreten Gefahr kann die Behörde den Pflichtigen heranziehen, Ausmaß, Umfang, Dringlichkeit ihrer Abwehr und der dazu erforderlichen Maßnahmen feststellen zu lassen (Busse/Kraus, Art. 54 BayBO Rn 48). Wenn z. B. ein konkreter Verdacht oder zumindest der Anschein einer konkreten Gefährdung besteht, kann die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen eine Anordnung zur Durchführung bestimmter fachlicher Untersuchungen oder Prüfungen gegen den sog. Zustands- oder Handlungsstörer erlassen. Zur insoweit erforderlichen konkreten Gefahr gehört nach der Rechtsprechung auch die sog. Anscheinsgefahr und der sog. Gefahrverdacht (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.2019 – 15 C 18.2324 – juris). Wenn also die Behörde aufgrund objektiver Umstände den Verdacht hat, die Stadtmauer sei einsturzgefährdet, so kann sie den verantwortlichen Zustandsstörer auffordern, diesen Verdacht zu bestätigen oder zu widerlegen. Gegen eine solche Aufforderung in Form eines Verwaltungsakts wäre selbstverständlich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Das in diesem Fall zuständige Verwaltungsgericht hätte dann u.a. zu klären, ob tatsächlich objektive Umstände vorliegen, die zumindest einen Gefahrenverdacht begründen.
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Eine Verlagerung der Sachverhaltsaufklärung auf das Verwaltungsgericht liefe in dieser Konstellation dem gesetzlich vorgesehenen Verfahrensablauf grundsätzlich zuwider. Würde das Gericht dem Antrag stattgegeben, würde der bei Erlass der angekündigten Anordnung eigentlich die Antragstellerin treffende Rechtspflicht stattdessen durch das Verwaltungsgericht nachgekommen. Das selbstständige Beweissicherungsverfahren steht damit im Widerspruch zu der besonderen Intention der einschlägigen verwaltungsrechtlichen Normen.
18
Zusammenfassend besteht ein rechtliches Interesse der Antragstellerin vorliegend deshalb nicht, weil die betroffenen Fragen noch im Rahmen des behördlichen Verfahrens zu klären sind und die Annahme eines rechtlichen Interesses dem Sinn und Zweck der verwaltungsrechtlichen Vorschriften entgegenstehen würde.
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b) Die unter Ziffer II Nr. 1 des Antrags gestellten Fragen sind auf die Frage unter Ziffer I aufbauende Folgefragen, für die ebenfalls kein Interesse der Antragstellerin besteht.
20
c) Darüber hinaus besteht auch deshalb kein rechtliches Interesse der Antragstellerin, weil die Behauptung der Antragstellerin, das Stadtmauerteilstück sei entgegen der Einschätzung des Antragsgegners auf Grundlage eines von einem Sachverständigen durchgeführten Erstgutachtens nicht einsturzgefährdet, völlig unsubstantiiert ist. Zwar führt die Antragstellerin aus, warum im Falle einer Einsturzgefährdung die Ursache hierfür im Verantwortungsbereich der … bzw. der Stadt … zu sehen ist, hinsichtlich der Frage aus Ziffer I. des Antrags wird von der Antragstellerin hingegen schlicht behauptet, eine Einsturzgefährdung würde nicht bestehen, ohne darzulegen, in welchen Punkten die beiden Gutachten der … aus ihrer Sicht falsch lägen bzw. woraus sich die Standsicherheit der Stadtmauer konkret ergeben solle. Die Antragstellerin begehrt hier also einen Ausforschungsbeweis, der selbst erst Anhaltspunkte für einen konkreten Tatsachenvortrag, warum der Stadtmauerabschnitt nicht einsturzgefährdet bzw. standsicher sei, liefern soll, was dem rechtlichen Interesse an dem Beweissicherungsverfahren entgegen steht.
21
2. Die Antragstellerin trägt nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens.
22
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG. Der sich nach dem Hauptsacheverfahren richtende Streitwert, hier 5.000 EUR, ist in einem Beweissicherungsverfahren regelmäßig zu dritteln (BayVGH, B.v. 23.8.2011 – 2 CS 11.1218 – juris), vorliegend auf 1666,67 EUR.