Inhalt

VGH München, Beschluss v. 19.09.2023 – 14 ZB 23.51
Titel:

Anordnung zur Wiederherstellung eines Biotops

Normenkette:
BNatSchG § 30 Abs. 2, Abs. 7
Leitsatz:
Die Eintragung eines Biotops in ein Verzeichnis gemäß § 30 Abs. 7 BNatSchG als eine von sachkundigen Mitarbeitern einer Naturschutzbehörde erstellte deklaratorische Dokumentation ist ungeachtet ihres deklaratorischen Charakters ein erhebliches, wenn auch widerlegliches Indiz für das Vorhandensein eines Biotops i.S.v. § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG. (Rn. 3 – 5)
Schlagworte:
Anordnung zur Wiederherstellung eines Biotops nach Anlegung eines nicht genehmigten Reitplatzes, indizielle Wirkung einer vor der Anlegung des Reitplatzes erfolgten Biotopregistrierung., indizielle Wirkung einer vor der Anlegung des Reitplatzes erfolgten Biotopregistrierung, öffentliche Urkunde, sachkundige Mitarbeiter einer Naturschutzbehörde
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 06.12.2022 – RN 4 K 21.1314
Fundstellen:
UPR 2024, 39
BayVBl 2023, 855
NuR 2023, 788
DÖV 2024, 39
LSK 2023, 25723
ZUR 2023, 691
NVwZ-RR 2023, 1025
BeckRS 2023, 25723

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 6. Dezember 2022 – RN 4 K 21.1314 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i.S.v. § 124 Abs. 2 VwGO ausdrücklich oder sinngemäß geltend gemacht werden, sind sie nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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1. Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils vom 6. Dezember 2022 – RN 4 K 21.1314 – (juris) zuzulassen, mit dem die Anfechtungsklage abgewiesen wurde, die sich gegen eine naturschutzrechtliche (auf § 3 Abs. 2, § 30 Abs. 2 Nr. 2 BNatSchG gestützte) Wiederherstellungsanordnung richtet, die der Beklagte erlassen hatte, nachdem die Klägerin auf einer amtlich als Biotop registrierten Fläche einen geschotterten Reitplatz angelegt hatte, ohne dass dies genehmigt gewesen wäre.
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Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil der Eintragung eines Biotops in ein Verzeichnis der geschützten Teile von Natur und Landschaft als einer von sachkundigen Mitarbeitern einer Naturschutzbehörde erstellten Dokumentation der natürlichen Gegebenheiten eine erhebliche Indizwirkung für das Vorhandensein eines Biotops beigemessen (UA S. 7 unten, juris Rn. 36 a.E.) und im Hinblick auf die Ergebnisse des gerichtlichen Augenscheins unter Berücksichtigung der Ausführungen der Fachkraft für Naturschutz keinen Grund gesehen, von dieser indiziellen Vorgabe abzusehen (UA S. 8, juris Rn. 37 bis 39).
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Diese verwaltungsgerichtliche Annahme einer widerleglichen Indizwirkung der Biotopregistrierung entspricht – entgegen der Einschätzung der Klägerin, die den Rückgriff auf eine Biotopregistrierung als einer unverbindlich deklaratorischen Bestandsaufnahme ohne Regelungscharakter zur Begründung einer Biotopeigenschaft für verfehlt und nicht nachvollziehbar hält – ständiger Rechtsprechung (vgl. OVG Berlin-Bgb, B.v. 10.12.2021 – 11 S 31/21 – juris Rn. 26; OVG NW, B.v. 23.9.2002 – 20 B 768/02 – juris Rn. 7; U.v. 10.11.2022 – 10 A 1938/18 – BauR 2023, 922 Rn. 223 f. m.w.N.; NdsOVG, B.v. 22.12.2015 – 4 ME 270/15 – NVwZ-RR 2016, 333 Rn. 6; B.v. 23.6.2022 – 4 LA 284/20 – NuR 2022, 713 Rn. 5 m.w.N.).
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Dabei ist in der Rechtsprechung des Senats einerseits geklärt, dass der Biotopschutz bezogen auf den tatsächlichen Zustand in der Natur aus dem Gesetz selbst folgt und dass deshalb eine Biotopregistrierung gemäß § 30 Abs. 7 BNatSchG deklaratorische Natur hat, andererseits aber auch anerkannt, dass die Biotopregistrierung als öffentliche Urkunde einen Beweiswert eben hinsichtlich dieser Deklaration hat und dass insoweit für einen „Gegenbeweis“ der Unrichtigkeit dieser öffentlichen Urkunde § 418 Abs. 2 ZPO einschlägig ist (BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 C 12.308 – juris Rn. 13 m.w.N.).
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Dass das Verwaltungsgericht bei seiner Prüfung die Biotopregistrierung als Ausgangspunkt gewählt und sodann danach gefragt hat, ob es weitere, in die gleiche Richtung weisende Anhaltspunkte gibt bzw. ob die indiziellen Aussagen der Biotopregistrierung durch gegenläufige Anhaltspunkte widerlegt sind, war entgegen der klägerischen Einschätzung keineswegs „verfehlt“ und begründet als solches keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils.
7
Soweit die Antragsbegründung rügt, es sei mitnichten festgestellt, dass beim Eintrag des Biotops in das Verzeichnis tatsächlich sachkundige Mitarbeiter einer Naturschutzbehörde beteiligt gewesen seien, werden entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO keinerlei konkrete Anhaltspunkte für eine unzureichende Qualifikation der bei der Registrierung Mitarbeitenden genannt und sind mithin Anhaltspunkte für ein derartiges Argument gegen die besagte Indizwirkung nicht hinreichend dargelegt.
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Auch soweit die Antragsbegründung vertritt, tatsächlich liege kein Biotop vor, begründet dies keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils. Soweit sie ausführt, das Vorhandensein von Seggen und Binsenkraut führe nicht automatisch und zwingend zur Annahme eines Biotops, berücksichtigt sie die besagte Indizwirkung der Biotopregistrierung nicht, die gewichtig für eine solche Annahme spricht. Gleiches gilt für die klägerische Kritik an der verwaltungsgerichtlichen Annahme einer Nasswiese und den klägerischen Einwand, die Wiese sei „vollkommen trocken“ und dies auch in der Vergangenheit gewesen, was sie ihrerseits nicht mit konkreten Nachweisen belegt, wobei sie den vom Verwaltungsgericht beim Augenschein festgestellten Umstand, dass die Wiese in nördlicher Richtung feuchter wird, zwar nicht als Feststellung der Feuchtigkeit ausreichen lassen möchte, sich jedoch entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht hinreichend damit befasst, wie dieser Umstand im Hinblick auf die besagte Indizwirkung zu bewerten ist. Zudem berücksichtigt die Klägerin nicht, dass das Verwaltungsgericht von einer teilweisen Zerstörung des Biotops durch den von der Klägerin ohne Genehmigung angelegten Reitplatz ausgegangen ist (UA S. 8, juris Rn. 40).
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Soweit die Klägerin die verwaltungsgerichtlichen Feststellungen zum Seggen- und Binsenanteil und den verwaltungsgerichtlichen Rückschluss davon auf die Richtigkeit der Biotopregistrierung mangels hinreichender Genauigkeit und Bestimmtheit für nicht nachvollziehbar hält, wird sie weder der besagten Indizwirkung der Registrierung noch der verwaltungsgerichtlichen Argumentation gerecht. Das Verwaltungsgericht hat nicht behauptet, den erforderlichen Seggen- und Binsenanteil vor Ort festgestellt zu haben. Vielmehr hat es (ausgehend von der Indizwirkung der Biotopregistrierung) aus der Übereinstimmung zwischen der Nicht-Kartierung eben derjenigen Grundstücksecke, bei der der Augenschein keinen dichten Seggen- und Binsenbewuchs ergab, und aus dem dichten Bewuchs mit Seggen und Binsen in den an den Reitplatz angrenzenden Bereichen auf die Richtigkeit der Biotopregistrierung, wie sie vor der Anlegung des Reitplatzes erfolgt ist, geschlossen (UA S. 8, juris Rn. 37), diese insoweit also nicht als in der Realität widerlegt angesehen.
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Soweit gerügt wird, das Verwaltungsgericht habe eine Aussage der Naturschutzfachkraft beim Augenschein zum Vorliegen von Pfeifengras und Wiesenknopf ungeprüft und offenbar unreflektiert übernommen, wobei nicht hinreichend nachvollzogen werden könne, dass es sich tatsächlich um derartige Pflanzen gehandelt habe, ist schon nicht dargelegt, dass diese fachliche Aussage der Naturschutzfachkraft unrichtig sein könnte; im Übrigen ist nicht ersichtlich, gegen welche Passage des Urteils die Klägerin sich damit wendet.
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2. Die Berufung ist auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, weil das Verwaltungsgericht kein Sachverständigengutachten eingeholt hat.
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Zunächst liegt kein förmlicher Beweisantrag i.S.v. § 86 Abs. 2 VwGO vor und damit auch keine prozessordnungswidrige Ablehnung eines solchen. Seitens der Klägerin wurde mit Schriftsatz vom 30. November 2022 auf mündliche Verhandlung verzichtet, nachdem der Beklagte dies bereits im Augenscheinstermin am 21. September 2022 erklärt hatte (Protokoll S. 3). Beweisanregungen aus der Zeit vor diesem Verzicht – wie hier die in der Antragsbegründung erwähnten Beweisangebote der Klageschrift – unterliegen nicht den Vorgaben des § 86 Abs. 2 VwGO, insbesondere muss über sie nicht vor der Sachentscheidung entschieden werden (BVerwG, B.v. 10.10.2013 – 1 B 15.13 – juris Rn. 7 f.). Nach ihrem Verzicht auf mündliche Verhandlung hat die Klägerin schriftsätzliche Beweisanträge, auf die § 86 Abs. 2 VwGO entsprechend anwendbar sein könnte (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 a.a.O. Rn. 7 m.w.N.), nicht stellen lassen.
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Die Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens verstieß auch nicht gegen § 86 Abs. 1 VwGO. Entscheidend ist auch insoweit die besagte erhebliche Indizwirkung der Biotopregistrierung, die die Antragsbegründung ohne nähere Auseinandersetzung mit der ständigen Rechtsprechung leugnet (siehe 1.). Entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO legt die Antragsbegründung schon nicht dar, inwieweit trotz dieser erheblichen Indizwirkung und der beim Augenschein vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Ermittlungen noch weitere Ermittlungsschritte im Hinblick auf eine Entkräftung der Biotopregistrierung erforderlich gewesen sein sollten. Unabhängig davon ist aber auch nicht ersichtlich, inwieweit das Verwaltungsgericht angesichts der Indizwirkung einerseits und der beim Augenschein festgestellten Sachlage und insbesondere des besagten verwaltungsgerichtlichen Rückschlusses – aus der Übereinstimmung der nicht-kartierten Grundstücksecke mit dem tatsächlichen Nicht-Vorhandensein von Seggen und Binsen in eben dieser Ecke (siehe 1.) – gegen § 86 Abs. 1 VwGO verstoßen haben sollte, weil es kein Sachverständigengutachten eingeholt hat.
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3. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt die Klägerin, die dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO). Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens bestimmt sich nach §§ 47, 52 Abs. 2 GKG (mangels anderer Anhaltspunkte wie Vorinstanz). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO). Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO und hinsichtlich des Streitwertbeschlusses nach § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.