Inhalt

OLG Bamberg, Urteil v. 24.01.2023 – 5 U 472/21
Titel:

Kostentragung nach übereinstimmender Erledigungserklärung

Normenkette:
ZPO § 91a, § 92 Abs. 1, § 93
Leitsatz:
Bei der Kostenentscheidung nach übereinstimmender (Teil-) Erledigungserklärung kommt es vornehmlich darauf an, wem die Kosten des Rechtsstreits auf Basis des bisherigen Sach- und Streitstandes ohne Erledigungserklärung aufzuerlegen wären. Daher ist der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits ebenso zu berücksichtigen (Anschluss an BGH BeckRS 2020, 28446) wie der Rechtsgedanke der fehlenden Klageveranlassung aus § 93 ZPO (Anschluss an BGH BeckRS 2016, 12773). (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erledigungserklärung, Kosten, Erfolgsaussichten, Klageveranlassung
Vorinstanz:
LG Schweinfurt, Endurteil vom 11.10.2021 – 23 O 1051/20
Fundstelle:
BeckRS 2023, 25463

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Schweinfurt vom 11.10.2021, Az. 23 O 1051/20, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 446,87 € vom 15.06.2018 bis zum 26.10.2022 und aus 1.610,67 € vom 09.06.2021 bis zum 26.10.2022 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits der ersten Instanz werden mit Ausnahme der durch die Beauftragung der Sachverständigen verursachten Kosten, welche die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen haben, gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.
1
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 ZPO abgesehen, da weder die Revision gegen das Urteil zulässig ist, noch dagegen gemäß § 544 Abs. 2 ZPO die Nichtzulassungsbeschwerde erhoben werden kann.
B.
2
Nachdem die Hauptsache hinsichtlich des geforderten Leistungsbetrages von 29.032,42 € übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, ist nur noch über die insoweit zur Hauptsache gewordenen Zinsforderungen der Klägerin und die Kostentragungspflicht der Parteien zu entscheiden.
3
2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen befanden sich die Beklagten hinsichtlich der geltend gemachten Forderung von 26.974,88 € nicht in Verzug, da sie die Berechtigung dieses geforderten Betrags bis zur Vorlage des Datensatzes nach § 301 SGB V und anschließend der Beatmungsprotokolle nicht prüfen konnten, Die Beklagte zu 2) hat der Klägerin mit Schreiben vom 30.05.2018 (Anlage BK4 = BK 7), vom 19.06.2018 (Anlage BK 5) und vom 07.08.2018 (Anlage BK 6) mitgeteilt, dass sie zur Prüfung der Berechtigung der Forderung noch die in den Schreiben angeführten Unterlagen (u.a. vollständiger Datensatz nach § 301 SGB V mit allen Diagnosen nach ICD sowie alle Prozeduren nach OPS) benötigt. Diese Unterlagen wurden den Beklagten erstmals mit Schriftsatz der Klägervertreter vom 18.05.2021 übermittelt. Anschließend ist der Beklagten zu 2) eine ausreichende Zeitspanne zur Prüfung einzureichen. Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 09.06.2021 teilten die Beklagten mit, dass sie für die Prüfung der Berechtigung der Einzelposition „7010W01C/Polytrauma mit Beatmung > 72 Stunden oder bestimmten Eingriffen oder IntK > 392/368/552, ohne Frührehabilitation, ohne Beatmung > 263 Stunden, ohne komplexe Vakuumbehandlung, ohne IntK > 588/552“ zusätzlich die Beatmungsprotokolle benötigen, da mit den vorgelegten Unterlagen dies nicht geprüft werden könne. Nach Vorlage der Beatmungsprotokolle als Anlagenkonvoiut K 11 mit Schriftsatz vom 07.09.2022 haben die Beklagten innerhalb der ihnen auch insoweit einzuräumenden Früfungsfrist die Position bezahlt.
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Hinsichtlich der anderen Positionen der Anlage K 10, die einen Betrag von 1.610,67 € umfassen, ist mit dem 09.06.2021 Fälligkeit und zugleich Schuldnerverzug eingetreten, da die Beklagten nach Übermittlung des mit Schriftsatz des Klägervertreters vom 18.05.2021 vorgelegten Datensatzes nach § 301 SGB V nach Ablauf der angemessenen Zeit zur Prüfung keine Beanstandungen mehr vorgebracht, die Zahlung aber trotzdem nicht erbracht haben. Der Senat nimmt als erforderliches Ende der Prüfzeit den 09.06.2021 an, da die Beklagten mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten von diesem Tag nur noch den Nachweis der tatsächlichen Anzahl der erbrachten Beatmungsstunden durch Vorlage der Beatmungsprotokolle gefordert haben. Zu den weiteren Positionen, die dem Datensatz entnommen werden können, wurden von den Beklagten keine zur Prüfung zusätzlich benötigte Unterlagen gefordert. Auch in dem weiteren Rechtsstreit geht es in den Schriftsätzen nur noch um die Berechtigung der Forderung der oben genannten Einzelposition über 26.974,88 €. Vom 09.06.2021 bis zur Erfüllung dieser Forderung am 23.10.2022 befanden sich die Beklagten in Verzug. Daneben ergibt sich der Zinsanspruch auch aus § 291 BGB.
5
Hinsichtlich des Betrags von 446,87 € besteht Verzug seit dem 15.06.2018 (Anl. K 1), da dieser Betrag der Höhe nach von den Beklagten nicht bestritten worden ist.
II.
6
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Prozesszinsen gem. § 291 BGB für den Betrag von 26.974,88 € zu, da Fälligkeit dieser Forderung nicht vor dem Tag der Leistung der Beklagten eingetreten ist. Nach Übergabe der Beatmungsprotokolle erfolgte die Bezahlung mit Geldeingang bei der Klägerin am 26.10.2022 noch innerhalb des der Beklagten zu 2) zur Verfügung gestandenen Prüfzeitraums.
D.
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Die einheitlich zu treffende Kostenentscheidung beruht auf § 91a Abs. 1, § 92 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.
8
1. Soweit eine übereinstimmende Teilerledigung (Zahlung von 29.032,42 €) der Hauptsache vorliegt, richtet sich die Kostenentscheidung nach § 91 a Abs. 1 ZPO.
9
a) Nach § 91 a Abs. 1 ZPO ist eine Billigkeitsentscheidung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand zu treffen. Hierbei ist unter Heranziehung der sich aus den §§ 91 bis 97, 100 ZPO ergebenden allgemeinen Grundgedanken des Kostenrechts – insbesondere, wenn auch nicht ausschließlich – auf den ohne die Erledigung zu erwartenden Verfahrensausgang abzustellen. Die Kostenentscheidung richtet sich dabei auf der Basis des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen. Insoweit kommt es vornehmlich darauf an, wem die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen gewesen wären, wenn die Hauptsache nicht einvernehmlich für erledigt erklärt worden wäre. Der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits ist daher zu berücksichtigen (vgl. BGH NJW-RR 20, 1440; BGH NJW 13, 2688; 07, 3429; OLG Saarbrücken ZInsO 2019, 261; Zöller, ZPO, 34. A., § 91 a Rdnr. 24, 25 m.w.N.). Auch der Rechtsgedanke der fehlenden Klageveranlassung durch den Beklagten aus § 93 ZPO ist dabei zu berücksichtigen (vgl. BGH MDR 16, 1172; BGH NJW-RR 06, 773; Zöller, a.a.O., § 91 a Rn. 24 m.w.N.).
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Hinsichtlich der Grundsätze des § 93 ZPO ist maßgeblich, ob die beklagte Partei der klagenden Partei Veranlassung zur Klage gegeben oder ob die klagende Partei mutwillig Klage erhoben hat. Veranlassung zur Klageerhebung gibt eine Partei, wenn ihr Verhalten vor dem Prozess aus der Sicht der klagenden Partei bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass für die Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen (vgl. BGH NJW 20, 1442; BGH NJW-RR 20, 314; OLG Hamm NJW-RR 2013, 767; Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 93, Rn. 3). Auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an (vgl. OLG Karlsruhe ZInsO 2017, 697). Dieser Schluss Ist etwa gerechtfertigt, wenn der Beklagte eine fällige Leistung trotz Aufforderung nicht erbringt (vgl. BGH NJW 20, 1442 m.w.N.). Die klagende Partei muss gegenüber den Beklagten vorprozessual nur deutlich zu machen, was sie will.
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b) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze werden die Kosten der ersten Instanz mit Ausnahme der durch die Beauftragung der Sachverständigen verursachten Kosten, welche die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen haben, gegeneinander aufgehoben.
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Die Beklagten haben Anlass zur Klageerhebung gegeben, soweit sie den Haftungsgrund teilweise besiritten haben. Die Beklagten haben die Rechtsauffassung vertreten, dass die Klägerin nur einen Anspruch auf Ersatz von 50 % des durch den Unfall verursachten Schadens hat. In diesem Punkt durfte und musste die Klägerin davon ausgehen, dass sie ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu ihrem Recht auf Ersatz des vollständigen entstandenen Schadens kommt. In diesem Umfang sind die Beklagten vollständig unterlegen. Insoweit entspricht es billigem Ermessen, dass sie von den Kosten der ersten Instanz die Hälfte tragen. Weiterhin kommt der Rechtsgedanke, der sich aus § 96 ZPO ergibt, zum Tragen, da die Beklagten durch ihr Bestreiten des von der Klägerin geschilderten Unfallhergangs die Beweisaufnahme in Form der Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens verursacht haben. Da sie insoweit vollständig unterlegen sind, entspricht es billigem Ermessen, die durch ihr Bestreiten verursachten Kosten der Beweisaufnahme Ihnen aufzuerlegen. Im Übrigen hat die Klägerin die Kosten der ersten Instanz zu tragen, da sie ohne das erledigende Ereignis unterlegen wäre, da eine Fälligkeit der Klageforderung in dem weit überwiegenden Teil erst im Laufe des Berufungsverfahrens herbeigeführt wurde.
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c) Die Klägerin hat unter Heranziehung der Grundsätze des § 93, § 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, da die Beklagten hinsichtlich des Betrags in Höhe von 26.974,88 € keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben haben, weil die Fälligkeit erst während des Berufungsrechtszugs eingetreten ist. Insoweit haben die Beklagten keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben und es liegt auch ein rechtzeitiges Anerkenntnis des Klageanspruchs durch sofortige Erfüllung (Bezahlung) innerhalb der ihnen zur Prüfung nach Vorlage der Belege zuzubilligenden Zeitspanne vor. Hinsichtlich des verbleibenden Restes gelten die Grundsätze des § 92 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Es entspricht daher billigem Ermessen, dass die Klägerin die gesamten Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen hat.
14
2. Hinsichtlich der zuletzt streitigen Hauptsache beruht die Kostenentscheidung ebenfalls auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
15
Das Urteil des Landgerichts ist daher entsprechend abzuändern. Die darüber hinausgehende Berufung ist zurückzuweisen.
E.
16
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO, § 711 ZPO.
17
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 ZPO nicht vorliegen.