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VG München, Urteil v. 14.06.2023 – M 26b K 20.5283
Titel:

Bezeichnung „Freetox“ ist verbotene spezifische gesundheitsbezogene Angabe 

Normenketten:
KontrollVO Art. 4, Art. 138
HCVO Art. 3, Art. 10
GVVG Art. 1 Abs. 2 Nr. 3, Art. 14 Abs. 1
GesVSV Art. 9
Leitsätze:
1. Bei dem Begriff „Freetox“ handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe, da der Begriff „Freetox“ für Kräutertees und Nahrungsergänzungsmittel wegen seiner offensichtlichen Anlehnung an den für derartige Produkte gebräuchlichen Begriff „Detox“ dem Durchschnittsverbraucher eine „entgiftende“ Wirkung suggeriert. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit der Pflicht zum Tätigwerden dürfte es nicht zu vereinbaren sein, wenn die Untersagungsverfügung befristet wird, da hierdurch erneute Verstöße dieser Art entgegen der Vorgabe des Art. 138 Abs. 1 Satz 1 lit. b) KontrollVO nicht dauerhaft und damit nicht effektiv verhindert, sondern lediglich temporär unterbunden beziehungsweise verzögert werden. (Rn. 65) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Health Claims, Angabe „Freetox“ auf Lebensmittel als Umschreibung einer entgiftenden Wirkung des Produkts, Verbotene spezifische gesundheitsbezogene Angabe (bejaht), Lebensmittelrecht, Untersagungsverfügung, „Freetox“, Lebensmittelüberwachung, gesundheitsbezogen, Kunstbegriff, Detox, entgiftende Wirkung, spezifisch
Fundstelle:
BeckRS 2023, 25369

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen eine lebensmittelrechtliche Untersagungsverfügung.
2
Die Klägerin vertreibt unter anderem Tonika, Elixiere, Tropfen, Tabletten, Kapseln und Tees, teilweise unter der Marke „Freetox®“, die am … Februar 2016 als deutsche Marke eingetragen wurde. Sie hat ihren Sitz und Produktionsstandort in B. in Bayern.
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Anlässlich einer Probenahme am … August 2018 kam das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in seinem Gutachten vom … November 2018 zu dem Ergebnis, dass das Produkt „Freetox® Tee G.-K. … … … …, basisch“ angesichts der Verwendung der Bezeichnung „Freetox“, mit der beim Verbraucher der Eindruck einer die Ausscheidungsfunktionen unterstützende „entgiftende“ Wirkung erweckt werde, eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der Verordnung (EG) 1924/2006 (nachfolgend HCVO) darstelle, die nicht zugelassen sei. Gleiches gelte für die Verwendung des Begriffs „basisch“, mit der auf eine der Übersäuerung des Körpers entgegenwirkende Wirkung hingewiesen werde.
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In seinem Gutachten vom … November 2018, das zu einer Probe vom … August 2018 des Produktes „Freetox® Tee L.-B. … … … …, basisch“ erstellt wurde, kam das LGL zu derselben Einschätzung hinsichtlich der Begriffe „Freetox“ und „basisch“. Weiterhin wurde unter anderem die Bewerbung dieses Produktes in der in einer Apotheke erhaltenen Broschüre „Befreit mit Detox“ der Natur & Gesundheit Markenwerbung und Verlag GmbH & Co. KG (Behördenakte Teil 1, Blätter 78 ff., auf die Bezug genommen wird), in der etwa die Brennnessel als sog. „Detoxer“ bezeichnet wurde (Broschüre S. 10 f. und 13), wegen Verbrauchertäuschung als unzulässig eingestuft.
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Im Gutachten des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes S. (nachfolgend CVUA) vom … Juli 2019 zum Produkt „Freetox® G.-B. … … … * für den Energiestoffwechsel“ kam auch das CVUA zu der Einschätzung, dass „Freetox“ dem Verbraucher unzulässiger Weise eine „von Giften befreiende Wirkung“ suggeriere.
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Nachdem die Parteien sich zuvor, beginnend mit einem Beanstandungsschreiben der Beklagten vom 5. Dezember 2018, bereits schriftlich zur (Un-)Zulässigkeit der Verwendung des Begriffs „Freetox“ ausgetauscht hatten, hörte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom … August 2019 zur geplanten Untersagung der Weitergabe der Produkte „Freetox® G.-K.“, „Freetox® Tee L.-B.“ sowie „Freetox® G.-B. …“ unter der Verwendung der Markenbezeichnung „Freetox®“ an. Begründet wurde die geplante Untersagung damit, dass „Freetox“ unter Anlehnung an den Begriff „Detox“ eine entgiftende Wirkung suggeriere und daher eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO darstelle.
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Mit Gutachten vom … Oktober 2019 des Landeslabors S. gelangte dieses zu der Einschätzung, dass die Verwendung des Begriffs „Freetox“ im Produkt „Freetox® G.-B. … zum Verdünnen“ eine gesundheitsbezogene Angabe darstelle, und dass das Produkt möglicherweise angesichts der Deklaration als eingetragene Marke noch bis zum 19. Januar 2022 weiterhin in den Verkehr gebracht werden dürfe.
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Mit Gutachten … Oktober 2019 bewertete das LGL im Hinblick auf das Produkt „Freetox® Tee G.-B. … … … …, basisch“ die Begriffe „Freetox“ und „basisch“ erneut als unzulässig.
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Mit Schreiben vom … Oktober 2019 nahm die Klägerin Stellung zum Schreiben des Beklagten vom 28. August 2019 und führte aus, dass es sich bei „Freetox“ um keine gesundheitsbezogene Angabe handle.
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Unter Einbeziehung auch der neueren Gutachten wurde die Klägerin vom Beklagten mit Schreiben vom … August 2020 zu einer Untersagungsanordnung betreffend das Inverkehrbringen der Freetox®-Tee-Produkte G.-K., L.-B. und G.-B. sowie der Produkte „Freetox® E. G.-B.“ und „Freetox® G.-B. …“ unter Verwendung der Markenbezeichnung „Freetox®“ angehört, da die Bezeichnung „Freetox®“ unverändert als gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der HCVO angesehen werde. Der Klagepartei wurde bis 31. August 2020 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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Mit Schreiben vom 31. August 2020 bekräftigte die Klägerin ihre Auffassung, dass die Bezeichnung „Freetox“ keine gesundheitsbezogene Angabe darstelle.
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Mit Bescheid vom 15. September 2020 (Gz. …*) wurde der Klägerin untersagt, die Produkte „Freetox®-Tee G.-K.“, „Freetox®-Tee L.-B.“, „Freetox®-Tee G.-B.“, „Freetox® E. G.-B.e“ sowie „Freetox® G.-B. – …“ in Verkehr zu bringen (Nummer 1), wobei die Untersagung mit Ablauf des 30. November 2020 in Kraft trat und bis zum 30. November 2023 befristet ist (Nummer 2). Weiterhin wurde für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Nummer 1 des Bescheids während des in Nummer 2 des Bescheids bestimmten Zeitraums angeordnet, dass einmalig pro in Verkehr gebrachter Verpackung ein Zwangsgeld in Höhe von 50 Euro zur Zahlung fällig wird (Nummer 3). Als von der Klägerin zu tragende Kosten wurde eine Gebühr in Höhe von 800,- Euro festgesetzt und es wurden Auslagen, Portokosten und Gutachterkosten in Höhe von 1.147,11 Euro geltend gemacht (Nummer 4).
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass unter Heranziehung von Art. 138 Abs. 1 und 2 VO (EU) 2017/625 das Inverkehrbringen der bezeichneten Produkte untersagt werde, da es sich bei der Bezeichnung „Freetox®“ um eine nach Art. 1 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 HCVO unzulässige gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO handle. Der Gesundheitsbezug resultiere aus der Zusammensetzung der Bezeichnung „Freetox“ aus „free“ und „tox“, was vom Verbraucher im gleichen Sinne verstanden werde wie der Begriff „Detox“, an den der Begriff offensichtlich angelehnt worden sei und der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe darstelle. Angesichts der in den bezeichneten Produkten enthaltenen Inhaltsstoffe, die typischerweise für entschlackende und entgiftende Produkte eingesetzt würden, werde „Freetox“ von den Verbrauchern im Sinne von „frei von Giftstoffen“ verstanden und somit dahingehend, dass man sich mit den bezeichneten Produkten von Giftstoffen befreien (sich entschlacken) könne. Auch wenn es sich bei „Freetox®“ um ein als Marke eingetragenes Kunstwort handle, wohne diesem dennoch eine gesundheitsbezogene Angabe inne. Für eine gesundheitsbezogene Angabe spreche auch, dass in der Broschüre „Kerngesund – Ratgeber Naturmedizin Sonderausgabe Detox“ der Natur & Gesundheit Markenwerbung und Verlag GmbH & Co. KG, deren Geschäftsführer zugleich Prokurist der Klägerin sei, Produkte der Marke „Freetox®“ beworben worden seien, wobei Bestandteile der betroffenen Produkte in der Broschüre als „Detoxer“ und somit als entgiftend bezeichnet worden seien, so dass der Begriff „Freetox“ vom Verbraucher mit Detox in Verbindung gebracht werde. Da es sich bei der Bezeichnung „Freetox“ demzufolge um eine unzulässige, weil nicht zugelassene gesundheitsbezogene Angabe handle, werde das der Behörde zustehende Auswahlermessen dahingehend ausgeübt, dass das Inverkehrbringen der bezeichneten Produkte unter dem Markennamen „Freetox®“ untersagt werde, da es sich dabei um eine verhältnismäßige Maßnahme handle. Um der Klägerin die Verwertung der bereits gedruckten Packmittel zu ermöglichen und um die wirtschaftliche Eingriffsintensität insgesamt abzumildern, sei die Untersagungsverfügung mit zeitlicher Verzögerung angeordnet worden und auf drei Jahre befristet worden, wodurch mittels dieser Nebenbestimmung ein Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Klägerin und dem zu gewährleistenden hohen Verbraucherschutz erfolge. Die nach Art. 29 ff. Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (BayVwZVG) verfügte Zwangsgeldandrohung sei geeignet und erforderlich, um die Untersagungsverfügung durchzusetzen. Angesichts des erheblichen wirtschaftlichen Interesses des Klägers, die Untersagungsanordnung nicht zu befolgen, und dem effektiven Verbraucherschutz sei ein Zwangsgeld pro in Verkehr gebrachter Produktverpackung in Höhe von 50,- Euro geboten. Die erhobene Gebühr bemesse sich nach dem Verwaltungsaufwand, die Auslagen an den angefallenen Sachverständigenkosten und Portokosten.
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Mit Schreiben vom 20. Oktober 2020 erhob die Klägerin Klage vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München. Sie beantragt,
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den Bescheid aufzuheben.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, die handelnde Behörde sei bereits nicht zuständig. Ferner liege auch kein Rechtsverstoß vor, da der Begriff „Freetox“ keine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne der HCVO darstelle, da sich weder aus dem Begriff selbst noch aus der Verbrauchererwartung noch aus der Gestaltung der Produkte ein Bezug auf einen positiven Effekt auf die Gesundheit für den Verbraucher ergebe. Vielmehr handle es sich um einen völlig bedeutungsoffenen Kunstbegriff. Der Begriff „Freetox“ stelle bereits keine Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO dar, da der Verbraucher mit diesem Kunstwort bereits keine besondere Eigenschaft des Produktes verbinde, und erst recht keine gesundheitsbezogene Angabe. Eine gesundheitsbezogene Angabe liege nur vor, wenn sich eine Angabe auf die Gesundheit beziehe, was anhand der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 HCVO zu beurteilen sei; ein Zusammenhang mit den dort genannten Kategorien existiere jedoch nicht. Zudem finde sich der Begriff „Freetox“ nicht in der Gemeinschaftsliste VO (EU) 432/2012, so dass sich auch hieraus nichts anderes ergebe. Maßgeblich sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vielmehr, ob die Angabe selbst einen Gesundheitsbezug aufweise oder ob die Angabe für sich genommen in Bezug auf die Gesundheit neutral sei, selbst wenn manche Verbraucher diesem Begriff aufgrund ihrer vorangegangenen Erfahrung einen Gesundheitsbezug beimessen würden. Mit dem Begriff „Freetox“ verbinde der Verbraucher jedoch keine Erwartung. Ob das Produkt als Gesundheitsprodukt bekannt sei und deshalb eine gewisse Erwartungshaltung bestehe, sei hingegen nicht maßgeblich. Es komme gerade nicht darauf an, ob der Verbraucher ein Wort auf eine bestimmte Art und Weise auffasse, wenn sich aus dem Wort selbst kein entsprechender Bezug auf die Gesundheit ergebe. Aber auch dann, wenn man auf das Verständnis des Durchschnittsverbrauchers des Begriffs „Freetox“ abstelle, ergebe sich nichts anderes. Der Begriff „Freetox“ habe in keiner Sprache eine Bedeutung, so dass der Verbraucher auch keine Erfahrungen mit dem Begriff habe und folglich auch keine Erwartungen hinsichtlich der Wirkung des Produktes auf die Gesundheit, handle es sich doch allein um einen Markennamen. Dem Begriff „Freetox“ komme auch aus sich heraus keine Bedeutung zu. Sofern der Verbraucher den Begriff „free“ mit „frei“ übersetze, sei unklar, worauf sich die Freiheit beziehe. Parallelen zum Begriff „detox“ bestünden nicht, da die Silbe „de“ eine Herabsetzung umschreibe, während „free“ allenfalls einen Zustand beschreibe, nämlich die Qualität der verwendeten Zutaten des jeweiligen Produkts. Dass die Marke „Freetox®“ nur für einen Teil der Produkte der Klägerin verwendet würde, lasse ebenfalls kein anderes Verständnis dieses Begriffs zu, da es Sache der Klägerin sei, welche Produkte sie unter dieser Marke vertreibe. Im Übrigen suggeriere der Begriff „Freetox“ auch nicht einmal mittelbar eine gesundheitsbezogene Wirkung. Auch die Produktverpackung würden keine Angaben enthalten, die einen Gesundheitsbezug des Begriffs „Freetox“ herstellen würden. Nichts anders ergebe sich aus den enthaltenen Zutaten. Soweit der Beklagte ausführe, dass in den Produkten Zutaten enthalten seien, die als entschlackende bzw. entgiftende Zutaten bekannt seien, resultiere hieraus ebenfalls kein Gesundheitsbezug des Begriffs „Freetox“. Zum einen seien viele der verwendeten Zutaten für mehrere Wirkungen bekannt; zum anderen weise die Klägerin auf anderen Produkten mit diesen Zutaten gerade auf die nicht-entschlackende Wirkung dieser Zutaten hin. Aber auch die Beimessung nur einer (entschlackenden bzw. entgiftenden) Wirkung einer Zutat erlaube keinen Rückschluss auf den Gesundheitsbezug des Begriffs „Freetox“. Die dem Bescheid beigefügte Broschüre „Kerngesund – Ratgeber Naturmedizin Sonderausgabe Detox“ sei den betroffenen Produkten nicht beigefügt worden, so dass kein konkreter Bezug zu den Produkten bestehe und daher die Erwartungen des durchschnittlichen Verbrauchers nicht prägen könne. Weiterhin bestünde keine Vergleichbarkeit mit dem Begriff „Detox“, da der Begriff „Freetox“ kein Äquivalent für den Begriff „Detox“ sei. Während es sich bei dem Begriff „Detox“ um ein gängiges Wort handle, handle es sich bei „Freetox“ um einen unbekannten Kunstbegriff, den der Verbraucher gerade nicht im Sinne von „Detox“ verstehen würde. Neben dem unterschiedlichen Schriftbild handle es sich bei „Detox“ zudem um eine Abkürzung des Wortes „Detoxification“, das sich mit „Entgiften“ übersetzen lasse, während Freetox keine Bedeutung habe. Dass keine Verwechselbarkeit von „Freetox“ mit „Detox“ bestehe, ergebe sich auch daraus, dass „Freetox“ als Marke eingetragen worden sei, obwohl der Begriff „Detox“ bereits mehrfach als Marke eingetragen worden sei; denn bei einer Verwechselbarkeit der Begriffe hätte „Freetox“ nicht als Marke eingetragen werden können. Ebenso hätte „Freetox“ als Marke nicht eingetragen werden dürfen, wenn sie tatsächlich eine gesundheitsbezogene Angabe darstelle.
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Mit Schriftsatz vom 12. November 2020 beantragte der Beklagte,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die den Bescheid erlassende Behörde für den Erlass des Bescheides zuständig gewesen sei und der Bescheid auch materiell rechtmäßig sei, da es sich bei „Freetox“ um eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe handle. Bei dem Begriff „Freetox“ handle es sich nicht nur um eine Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO, da der Bedeutungsgehalt „frei von Giftstoffen“ für den verständigen Durchschnittsverbraucher auf der Hand liege, sondern auch um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO, da dieser Begriff einen Bezug zu den von Art. 13 Abs. 1 lit. a) HCVO erwähnten Körperfunktionen habe, da die mit dem Produkt suggerierte entgiftende Wirkung die Ausscheidungsfunktion betreffe. Zwar besitze der Begriff „Freetox“ weder im deutschen noch im englischen Sprachgebrauch für sich genommen eine unmittelbare Bedeutung. Die Begriffsbestandteile „free“ und „tox“ dürften nicht jeweils für sich allein interpretiert werden; vielmehr müsse auf den Gesamtsinngehalt dieser Wortschöpfung abgestellt werden. Der Gesundheitsbezug ergebe sich für den Verbraucher durch Assoziation aus den Wortbestandteilen „free“ und „tox“, aus denen sich der Begriff zusammensetze, sowie aus dem sich für den Verbraucher aufdrängenden Vergleich mit dem Begriff „Detox“, unter dem andere Tees und Nahrungsergänzungsmitteln mit denselben Inhaltsstoffen, wie sie der Kläger in den vom Bescheid betroffenen Produkten verwende, beworben werden würden, was die Erfahrungen und Vorkenntnisse der Verbraucher präge. Der Begriff „Freetox“ sei gerade nicht neutral zu verstehen, insbesondere nicht im Zusammenhang mit den Inhaltsstoffen der betroffenen Produkte, die typischerweise für entschlackende, entgiftende Produkte eingesetzt würden. Erforderlich sei nicht, dass der Verbraucher den Begriffen „Detox“ und „Freetox“ automatisch denselben Bedeutungsgehalt beimesse, sondern dass der Verbraucher anlässlich des Namens „Freetox“ eine giftbefreiende, mithin entschlackende Wirkung erwarte, wie er dies auch bei Produkten mit der Bezeichnung „Detox“ tue. Allein die Verwandtschaft der Wortendungen rufe beim verständigen Durchschnittsverbraucher durch das vorgeprägte Wissen eine gesundheitsbezogene zusammenhängende Vorstellung hervor. Der Verbraucher erkenne einen Zusammenhang zwischen den Inhaltsstoffen der betroffenen Produkte und dem Produktnamen anhand eines Gesamteindrucks zwischen der potentiell entschlackenden Wirkung der Inhaltsstoffe und der Aufschrift „Freetox“. Dass der Verbraucher den Begriff „Freetox“ allenfalls im Sinne von „frei von Giften“ verstehen würde, sei nicht nachvollziehbar, da es sich um eine selbstverständliche Produkteigenschaft handle. Durch die Platzierung von „Freetox“-Produkten in der dem Bescheid beigefügten Detox-Broschüre bewirke, dass der Verbraucher die in der Broschüre angeführten entgiftende Wirkung der dort genannten Pflanzen auf die „Freetox“-Produkte der Klägerin mit ebensolchen Produktbestandteilen übertrage, die von der Klägerin auch so gewollt sei, und auf diese Weise einen Zusammenhang zwischen „Freetox“ und „Detox“ herstelle. In der Broschüre werde so ein unmittelbarer Bezug zwischen den dort angeführten Detox-Pflanzen und den Bestandteilen der betroffenen Produkte zur Entgiftung hergestellt. Ob „Freetox“ als Marke eingetragen worden sei, sei ohne Belang, da ausweislich des Art. 1 Abs. 3 HCVO auch Markennamen der lebensmittelrechtlichen Prüfung nach der HCVO unterliegen würden. Da in der Gemeinschaftsliste VO (EU) 2012/432 die Verdauungs- und Darmfunktionen als Ausscheidungsfunktionen erwähnt seien, verfange entgegen der klägerischen Ansicht auch das dortige Fehlen des Begriffs „Freetox“ nicht, zumal die fehlende Beifügung zugelassener Angaben fehle.
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Auf Nachfrage des Gerichts teilte die Klägerin mit Schreiben vom … Mai 2023 mit, dass sie in den Jahren 2016 bis 2022 jeweils mindestens 50 Tonnen an getrockneten Kräutern verarbeitet habe.
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Auf weitere Nachfrage des Gerichts legte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Mai 2023 weitere Akten vor und teilte mit, dass tatsächlich Gutachterkosten in Höhe von 1.250,50 Euro angefallen seien.
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Die Streitsache wurde am 14. Juni 2023 mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die von der Behörde vorgelegten Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage ist abzuweisen. Die Anfechtungsklage ist zulässig, insbesondere fristgerecht, § 74 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), erhoben worden, aber unbegründet, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1.1. Der angegriffene Bescheid erweist sich zunächst hinsichtlich der Untersagungsverfügung (Nummer 1 des Bescheids) als rechtmäßig.
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Da es sich bei der Untersagungsverfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen, weil es der Klägerin ersichtlich um die Aufhebung des Verwaltungsaktes im gegenwärtigen Zeitpunkt und für die weitere Zukunft geht (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 8.6.2022 – 14 LB 2/22 – juris Rn. 53).
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1.1.1. Rechtsgrundlage für das Verbot des Inverkehrbringens ist Art. 138 VO (EU) 2017/625 (KontrollVO) i.V. m. Art. 3 Abs. 1, 10 Abs. 1 EG (VO) 1924/2006 (HCVO).
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1.1.2. Formelle Bedenken hinsichtlich der Untersagungsverfügung bestehen nicht. Insbesondere erweist sich die Bayerische Kontrollbehörde für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (Kontrollbehörde) als für den Erlass der angegriffenen Regelung zuständig, Art. 4 KontrollVO i.V. m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 3, 5, 14 Abs. 1 des Gesetzes über den gesundheitlichen Verbraucherschutz und das Veterinärwesen (GVVG) i.V. m. Art. 9 der Verordnung über den gesundheitlichen Verbraucherschutz (Gesundheitlicher Verbraucherschutz-Verordnung – GesVSV).
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Nach diesen Vorschriften erfüllen die von den Mitgliedstaaten zu benennenden Behörden, Art. 4 Abs. 1 KontrollVO, die Aufgaben der Lebensmittelüberwachung, Art. 1 Abs. 2 Nr. 4, Art. 14 Abs. 1 GVVG i.V. m. Art. 3 Nr. 1 VO (EG) 178/2002 (BasisVO). Zu diesen Behörden zählt auch die Kontrollbehörde, die nach Maßgabe gesonderter Vorschriften die Kontroll- und Vollzugsaufgabe der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung, insbesondere hinsichtlich solcher Betriebe, deren Überwachung spezialisierte Fähigkeiten voraussetzt, erfüllt, Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GVVG. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. e) und i) GesVSV ist die Kontrollbehörde anstelle der Kreisverwaltungsbehörde für die Kontroll- und Vollzugsaufgaben der Veterinär- und Lebensmittelüberwachung unter anderem in Betrieben zuständig, die Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln oder Abpacker von Tee oder teeähnlichen Erzeugnissen sind, sofern für ein von dem Betrieb hergestelltes oder verarbeitetes Lebensmittel in Tabelle 2 der Anlage ein Referenzwert genannt und dieser erreicht wird. Gemäß der Anlage ist für die Beurteilung des Erreichens des Referenzwertes der jährliche Durchschnittswert aus den Produktionsmengen der letzten drei Kalenderjahre maßgeblich, Nr. 2 der Anlage, wobei gemäß der Tabelle 2 bei getrockneten Kräutern der Referenzwert bei 50 Tonnen liegt.
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Die Klägerin hat auf Nachfrage des Gerichts mitgeteilt, in den Jahren 2016 bis 2022 jeweils mindestens 50 Tonnen getrocknete Kräuter verarbeitet zu haben, so dass die Kontrollbehörde für die Klägerin und den Erlass der streitgegenständlichen Regelung zuständig war.
31
Bedenken gegen die Regelung des Art. 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 lit. e) und i) GesVSV i.V. m. der Anlage bestehen nicht. Hintergrund für die Zuständigkeitsübertragung auf die Kontrollbehörde ist insbesondere die zunehmende Globalisierung, die Komplexität der Rechtsgebiete und die Bedeutung der Aufgabe für die Gesundheit und Verbraucher auch im Bereich der Lebensmittelüberwachung, die die Verwaltung vor besondere Herausforderung stellt (LT-Drs. 17/16103, S. 1). Die Kontrollbehörde übernimmt daher die Kontroll- und Vollzugsaufgaben im Bereich der Lebensmittelüberwachung hinsichtlich solcher Betriebe, deren Überwachung spezialisierte Fähigkeiten voraussetzen, vgl. Art. 5 Sätze 1 und 3 GVVG. Von dieser Ermächtigungsgrundlage sind auch solche Zuständigkeiten umfasst, bei denen insbesondere zu erwarten ist, dass die Kontrollbehörde sie auf Grund ihrer Ausstattung oder spezieller personeller Qualifikation besonders sachkundig erfüllen kann (LT-Drs. 17/16103, S. 13). Die Annahme des Verordnungsgebers, dass sich speziellere Fragestellungen, die eine besondere Befähigung voraussetzen, bei produktionsstarken Betrieben in höherem Maße stellen als bei Kleinbetrieben, ist nachvollziehbar und nicht zu beanstanden.
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1.1.3. Die Untersagungsverfügung erweist sich auch als materiell rechtmäßig.
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Gemäß Art. 138 Abs. 1 lit. b) KontrollVO ergreifen die zuständigen Behörden bei Feststellung eines Verstoßes die geeigneten Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass erneute Verstöße dieser Art verhindert werden, wozu nach Art. 138 Abs. 2 lit. d) KontrollVO auch das Verhindern des Inverkehrbringens von Waren in Form von Lebensmitteln, Art. 1 Abs. 2 lit. a) KotrollVO, zählt.
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Die Voraussetzungen für die Untersagung des Vertriebs der im Bescheid bezeichneten Produkte liegen vor. Der Vertrieb der vom Bescheid erfassten Produkte unter der Marke „Freetox®“ stellt einen Verstoß dar, da es sich bei der Bezeichnung „Freetox“ um eine verbotene gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 i.V. m. Art. 10 Abs. 1 HCVO handelt. Zudem erweist sich die Untersagungsverfügung auch im Übrigen als rechtmäßig.
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1.1.3.1. Die Voraussetzungen der Art. 3 Abs. 1 i.V. m. Art. 10 Abs. 1 HCVO, die eine Verwendung der Bezeichnung „Freetox“ erlauben würden, liegen nicht vor, so dass es sich bei „Freetox“ um eine verbotene spezifische gesundheitsbezogene Angabe handelt.
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Nach Art. 3 Abs. 1 HCVO dürfen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben bei der Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, die in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht werden bzw. bei der Werbung hierfür nur verwendet werden, wenn sie der vorliegenden Verordnung entsprechen. Gemäß Art. 10 Abs. 1 HCVO sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen der Art. 3 ff. HCVO (Kapitel II) und den speziellen Anforderungen der Art. 8 ff. HCVO (Kapitel III) entsprechen, gemäß der HCVO zugelassen sind und in der Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 f. HCVO aufgenommen sind.
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1.1.3.1.1. Der Anwendungsbereich der HCVO ist eröffnet, da es sich bei den von der Untersagungsverfügung betroffenen Produkten um Lebensmittel handelt, die an den Verbraucher abgegeben werden sollen.
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Nach Art. 1 Abs. 2 HCVO gilt die HCVO für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben, die in kommerziellen Mitteilungen bei der Kennzeichnung und Aufmachung oder bei der Werbung für Lebensmittel gemacht werden, die als solche an den Endverbraucher abgegeben werden.
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Bei den vom Bescheid erfassten Produkten handelt es sich unstreitig um Lebensmittel gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. a) HCVO i.V.m. Art. 2 VO (EG) 178/2002, wobei auch Nahrungsergänzungsmittel zu den Lebensmitteln zählen, Art. 2 Abs. 1 lit. b) HCVO i.V.m. Art. 2 der RL 2002/46/EG; diese sollen an den Verbraucher abgegeben werden.
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1.1.3.1.2. Bei der Bezeichnung „Freetox“ handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe.
41
1.1.3.1.2.1. Was unter dem Begriff „gesundheitsbezogene Angabe“ zu verstehen ist, ergibt sich aus den Art. 2 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 HCVO.
42
Gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO steht der Begriff „Angabe“ für jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Gemeinschaftsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist, einschließlich Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt.
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Zu den Angaben zählen folglich alle in der Etikettierung oder Bewerbung von Lebensmitteln in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebrachten – nicht obligatorischen – Aussagen oder Darstellungen, die bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen können, ein bestimmtes Lebensmittel besitze besondere Eigenschaften (BGH, U. v. 10.12.2015 – I ZR 222/13 – LMuR 2016, 119, 120)
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Eine Angabe ist dabei gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO „gesundheitsbezogen“, wenn mit ihr erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht.
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Der Begriff des Zusammenhangs mit der Gesundheit ist weit zu verstehen und erfasst jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels nahelegt sowie jeden Zusammenhang, der impliziert, dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen; dabei sind sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen (vgl. EuGH, U. v. 6.9.2012 – C-544/10 – juris Rn. 35, 38; BGH, U. v. 7.4.2016 – I ZR 81/15 – juris Rn. 19; OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 8.10.2018 – 3 L 358/17 – juris Rn. 51 m.w.N.). Maßgeblich für die Beurteilung, ob eine Aussage in diesem Sinne Gesundheitsbezug aufweist, ist nach dem Erwägungsgrund 16 der HCVO die Sicht des normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers und richtet sich nach den in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 HCVO aufgeführten Fallgruppen (vgl. BGH, U. v. 7.4.2016 – I ZR 81/15 – juris Rn. 19). Zu berücksichtigen sind die Gesamtaufmachung des betreffenden Lebensmittels sowie Vorkenntnisse und Erwartungen des Verbrauchers (BGH, U. v. 10.12.2015 – I ZR 222/13 – LMuR 2016, 119, 124). Dabei ist nicht eine zergliedernde Wertung vorzunehmen, sondern auf die Gesamtwirkung der Bezeichnung abzustellen (vgl. BGH, B. v. 29.3.2017 – I ZR 71/16 – LMuR 2017, 199, 200). In diese Wahrnehmung der Angabe fließt gerade auch das Wissen des Verbrauchers ein, so dass Assoziationen, die der Verbraucher mit der Angabe verbindet, zu berücksichtigen sind. Handelt es sich um einen Kunstbegriff, der nach seinem Bedeutungsgehalt sprachlich gerade nicht vordefiniert ist und sich daher ein bestimmtes Verständnis gerade nicht aufdrängt beziehungsweise. ein solches gerade nicht vorprägt ist, ist das Verbraucherverständnis stärker interpretierend geprägt. Die Verbrauchersicht ist von Gerichten und Behörden aufgrund eigener Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH zu beurteilen, ohne dass es einer statistischen Grundlage bedarf (Erwägungsgrund 16 der HCVO).
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1.1.3.1.2.2. Orientiert an diesen Maßstäben handelt es sich bei dem Begriff „Freetox“ um eine gesundheitsbezogene Angabe, da der Begriff „Freetox“ für Kräutertees und Nahrungsergänzungsmittel wegen seiner offensichtlichen Anlehnung an den für derartige Produkte gebräuchlichen Begriff „Detox“ dem Durchschnittsverbraucher eine „entgiftende“ Wirkung suggeriert.
47
Bei dem Begriff „Freetox“ handelt es sich um einen Kunstbegriff, der für sich genommen sprachlich nicht vorbelegt ist und den der Verbraucher mangels eindeutiger sprachlicher Vorprägung daher interpretativ versteht. Angesichts der offensichtlichen Anlehnung des Begriffs „Freetox“ an den Begriff „Detox“, deren zweite Silbe identisch ist und die auch ein ähnliches Klangbild aufweisen, drängt sich für den Verbraucher eine inhaltliche Nähe dieser beiden Begriffe auf. Denn die Klägerin verwendet die Bezeichnung „Freetox“ für pflanzliche Tees und Nahrungsergänzungsmittel auf pflanzlicher Basis und somit für Produkte, die üblicherweise zu „Detox“-Zwecken genutzt bzw. als „Detoxprodukte“ betrachtet werden (zu Tees vgl. auch BGH, B. v. 6.12.2017 – I ZR 167/16 – juris Rn. 3; B. v. 29.3.2017 – I ZR 71/16 – LMuR 2017, 199).
48
Nach ständiger Rechtsprechung, der dieses Gericht folgt, versteht der Verbraucher den Begriff „Detox“ im Sinne von „Entgiftung“ oder „entgiftend“, wobei die Silbe „de“ eine herabsetzende respektive vermindernde Eigenschaft umschreibt und „tox“ als Abkürzung für „Toxin“ oder den englischen Begriff „toxification“, zu Deutsch „Vergiftung“, steht (statt vieler BGH, B. v. 6.12.2017 – I ZR 167/16 – LMuR 2018, 64).
49
Angesichts dieser dem Verbraucher bekannten Bedeutung von „Detox“ erscheint es dem Gericht fernliegend, dass nach Auffassung der Klägerin der durchschnittliche Verbraucher den Begriffsbestandteil „free“ in „Freetox“ vom englischen Adjektiv „free“ mit der deutschen Bedeutung „frei von (etwas)“ ableitet und somit die Bezeichnung „Freetox“ im Sinne von „frei von Gift“ versteht. Dass ein Lebensmittel kein Gift enthält, ist aus Verbrauchersicht eine Selbstverständlichkeit, die keiner besonderen Erwähnung bedarf. Erwähnenswert aus Verbrauchersicht ist hingegen eine entgiftende Wirkung, wie sie dem bekannten Begriff „Detox“ zugrunde liegt. Dies gilt umso mehr, als für die Beschreibung, dass ein Produkt frei von Gift ist, die Bezeichnung „Toxfree“ näher läge als die Bezeichnung „Freetox“. Es ist daher davon auszugehen, dass die maßgebliche Mehrheit der Verbraucher von der Ähnlichkeit der Begriffe „Detox“ und „Freetox“ ausgehend den Begriffsbestandteil „free“ vom englischen Verb „to free someone/something (from someone/something)“ – zu Deutsch „etwas/jemanden von etwas/jemanden befreien“ – ableitet, so dass der Begriff „Freetox“ im Zusammenhang mit den vom Bescheid erfassten Produkten dahingehend von den Verbrauchern verstanden wird, dass das jeweilige Produkt den Konsumenten von Gift respektive von einer Vergiftung befreit.
50
Ob die konkreten Inhaltsstoffe des jeweiligen Produktes dabei nach wissenschaftlicher Auffassung eine „entgiftende“ Wirkung zukommt oder nicht, ist – entgegen der Ansicht der Parteien – im konkreten Fall nicht maßgeblich. Die Klägerin verwendet die Bezeichnung „Freetox“ für pflanzliche Tees und Nahrungsergänzungsmittel auf pflanzlicher Basis und somit für Produkte, die üblicherweise zu „Detox“-Zwecken genutzt bzw. als „Detoxprodukte“ betrachtet werden (zu Tees vgl. auch BGH, B. v. 6.12.2017 – I ZR 167/16 – juris Rn. 3; B. v. 29.3.2017 – I ZR 71/16 – LMuR 2017, 199). Infolgedessen misst der Verbraucher der Angabe „Freetox“ auch aufgrund ihrer Verwendung im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Produkten, die der Kategorie Tee und Nahrungsergänzungsmittel zuzuordnen sind, parallel zur Angabe „Detox“ eine entgiftende Wirkung bei. Da die Bezeichnung „Freetox“ in Zusammenhang mit Tees und Nahrungsergänzungsmitteln mit „Detox“ und damit mit einer entgiftenden Wirkung assoziiert wird, sind im konkreten Fall Erfahrungen des Verbrauchers mit dem jeweiligen konkreten Produkt respektive Wissen über die Wirkung des jeweiligen konkreten Produktes oder seiner genauen Inhaltsstoffe gerade nicht erforderlich, damit der Verbraucher der Angabe „Freetox“ eine entgiftende Bedeutung beimisst.
51
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist bei der Bestimmung, wie der Verbraucher den Begriff „Freetox“ versteht, nicht isoliert auf die Bezeichnung „Freetox“ abzustellen, sondern auf die die Gesamtaufmachung des betreffenden Lebensmittels sowie auf Vorkenntnisse und Erwartungen des Verbrauchers (vgl. etwa BGH, U. v. 10.12.2015 – I ZR 222/13 – LMuR 2016, 119, 124), da der Verbraucher diese Aspekte unweigerlich seinem Verständnis zugrunde legt. Dies bestätigt auch der den Anwendungsbereich der HCVO umschreibende Art. 1 Abs. 2 HCVO, der explizit die Aufmachung von Lebensmitteln erwähnt. Eine Berücksichtigung der Packungsangaben respektive der Aufmachung des jeweiligen Produktes bei der Bestimmung, wie der Verbraucher die Angabe „Freetox“ versteht, ist daher geboten (vgl. BGH, U. v. 9.10.2014 – I ZR 162/13 – juris Rn. 22 f., 27, 36). Aus der von der Klägerin angeführten „Original Bach-Blüten“-Entscheidung (BGH, U. v. 24.7.2014 – I ZR 221/12 – GRUR 2014, 1013, 1017) ergibt sich insofern nichts Gegenteiliges.
52
Infolgedessen versteht der Verbraucher zur Überzeugung des Gerichts „Freetox“ in Kombination mit den streitgegenständlichen Produkten letztlich als Synonym für den Begriff „Detox“ und ebenso wie diesen im Sinne von „entgiftend“ beziehungsweise „(zur) Entgiftung“.
53
Ob dem Beklagten darin zugestimmt werden kann, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Broschüre „Befreit mit Detox“ der Natur & Gesundheit Markenwerbung und Verlag GmbH & Co. KG noch von maßgeblicher Relevanz für das Verbraucherverständnis sein kann, bedarf somit keiner Erörterung mehr. Da die Broschüre im Internet nicht mehr auffindbar ist und seitens des Beklagten die Broschüre nur im Zusammenhang mit einer einzigen in einer Apotheke gezogenen Probe vorgelegt wurde, dürfte davon auszugehen sein, dass diese Broschüre sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die verschiedenen Vertriebswege der Klägerin nur punktuell verbreitet wurde. Es spricht daher einiges dafür, dass die Broschüre – jedenfalls im vorliegenden Fall – das Verbraucherverständnis nicht maßgeblich geprägt hat.
54
Durch die Bezeichnung „Freetox“ bringt die Klägerin somit zum Ausdruck, dass die betroffenen Produkte eine besondere, weil entgiftende Eigenschaft haben, so dass es sich um eine Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 HCVO handelt.
55
Bei der im Sinne von „entgiftend“ zu verstehenden Angabe „Freetox“ handelt es sich zudem um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO. Da mit der Angabe „Freetox“ ein Zusammenhang zwischen dem Produkt und der Entgiftungsfunktion des menschlichen Körpers hergestellt wird (OLG Düsseldorf, U. v.15.3.2016 – 20 U 75/15 – beck-online Rn. 30), wird ein Bezug zu der von Art. 13 Abs. 1 lit. a) HCVO erfassten Fallgruppe der Körperfunktionen hergestellt. Ein Bezug zu einer bestimmten Körperfunktion ist hingegen nicht erforderlich, da eine Entgiftung spiegelbildlich zu einer Vergiftung den gesamten Organismus betrifft (BGH, B. v. 6.12.2017 – I ZR 167/16 – LMuR 2018, 64, 65).
56
Ohne Einfluss auf die Unzulässigkeit der Bezeichnung „Freetox“ bleibt entgegen der Ansicht der Klägerin der Umstand, dass es sich hierbei um eine eingetragene Marke handelt, da auch Handelsmarken und Markennamen ausdrücklich in den Anwendungsbereich der HCVO fallen, Art. 1 Abs. 3 HCVO sowie Erwägungsgrund 13 (vgl. auch BGH, U. v. 10.12.2015 – I ZR 222/13 – LMUR 2016, 119, 124), und somit unabhängig vom markenrechtlichen Prüfungsumfang an den Voraussetzungen der HCVO gemessen werden müssen. Da die Marke „Freetox®“ nach eigenen Ausführungen der Klägerin erst 2016 eingetragen wurde, fällt „Freetox®“ auch nicht in den Anwendungsbereich der (inzwischen nicht mehr einschlägigen) Übergangsregelung nach Art. 27 Abs. 2 HCVO, wonach für bereits vor dem 1. Januar 2005 bestehende Handelsmarken oder Markennamen, die nicht den Vorgaben der HCVO entsprechen, bis zum 19. Januar 2022 weiter in den Verkehr gebracht werden durften.
57
1.1.3.1.3. Da die Angabe „Freetox“ weder zugelassen wurde noch in die Liste der zugelassenen Angaben nach Art. 13 f. HCVO, vgl. VO (EU) 432/2012, aufgenommen wurde, stellt sie eine nach Art. 10 Abs. 1 HCVO verbotene spezifische gesundheitsbezogene Angabe dar und keine allgemeine, nichtspezifische Angabe im Sinne des Art. 10 Abs. 3 HCVO.
58
Für die Abgrenzung zwischen spezifischen und nicht spezifischen gesundheitsbezogenen Angaben kommt es darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung (vgl. Art. 6 Abs. 1 HCVO) in einem Zulassungsverfahren nach Art. 13 Abs. 3 HCVO (für Angaben nach Art. 13 Abs. 1 HCVO) oder nach Art. 15 bis 17 HCVO (für Angaben nach Art. 14 Abs. 1 HCVO) überprüft werden kann (BGH, B. v. 25.6.2020 – I ZR 162/16 – GRUR 2020, 1007, 1009; B. v. 29.3.2017 -I ZR 71/16 – LMUR 2017, 199, 201). Maßstab für die Bewertung sind dabei die Kategorien des Zulassungsverfahrens gemäß Art. 13 und 14 HCVO (Streinz/Kraus Lebensmittelrecht-Handbuch, II. Grundlagen des Lebensmittelrechts Rn. 141u), so dass eine spezifische gesundheitsbezogene Angabe insbesondere – wie auch hier – dann vorliegt, wenn die gesundheitsbezogene Angabe die Bedeutung eines Nährstoffs oder einer anderen Substanz für die Körperfunktionen, vgl. Art. 13 Abs. 1 lit. a) HCVO, beschreibt.
59
Die als „entgiftend“ oder „zur Entgiftung“ zu verstehende Angabe „Freetox“ enthält eine Aussage über spezielle physiologische Wirkungen, die als solche messbar und damit hinreichend spezifisch und wissenschaftlich nachweisbar ist. Dem steht nicht entgegen, dass Essen und Trinken generell stets ernährungsphysiologische Vorgänge auslösen und dass schon das Trinken größerer Mengen Wasser oder Kräutertee an sich entschlackend oder entwässernd wirkt. Dieser Umstand ändert nichts daran, dass dem streitgegenständlichen Produkt mit der Bezeichnung „Freetox“ aus der Sicht der angesprochenen Konsumenten eine ganz spezielle Wirkung auf den menschlichen Organismus zugeschrieben wird (so BGH, B. v. 29.3.2017 – I ZR 71/16 – LMUR 2017, 199, 201 zur Angabe „Detox“).
60
Somit stellt die Verwendung der Bezeichnung „Freetox“ auf den im Bescheid benannten Produkten einen Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften dar, der die Behörden zum Handeln verpflichtet, vgl. Art. 138 Abs. 1 lit. b) KontrollVO.
61
1.1.3.2. Die Untersagungsverfügung erweist sich auch im Übrigen als rechtmäßig.
62
Wird ein Verstoß festgestellt, haben die Behörden geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass Verstöße beendet und erneute Verstöße gleicher Art verhindert werden, Art. 138 Abs. 1 lit. b KontrollVO. Zu den geeigneten Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften zählt dabei ausdrücklich auch das Verbot des Inverkehrbringens von Waren, Art. 138 Abs. 2 lit. d) KontrollVO. Den Behörden steht somit zwar kein Handlungsermessen, wohl aber ein Auswahlermessen hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen zu.
63
Ermessensfehler bei der Auswahl der getroffenen Maßnahme sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, da sich die getroffene Untersagungsverfügung insbesondere als verhältnismäßig erweist. Eine mildere, ebenso wirksame Maßnahme ist nicht ersichtlich. Zudem erweist sich die Maßnahme auch als angemessen, da der Beklagte nicht das Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Produkte schlechthin, sondern nur unter der Bezeichnung „Freetox“ untersagt hat und die Untersagung zur Abschwächung der wirtschaftlichen Folgen für die Klägerin erst rund sechs Wochen nach Erlass des Bescheids in Kraft trat (vgl. Nr. 2 des Bescheids).
64
1.2. Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich die Klägerin gegen die Befristung der Untersagungsverfügung (Nr. 2 des Bescheids).
65
Das Gericht hat rechtliche Bedenken hinsichtlich der zeitlichen Befristung der Untersagungsverfügung. Gemäß Art. 138 Abs. 1 Satz 1 lit. b) KontrollVO hat die zuständige Behörde alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass erneute Verstöße dieser Art verhindert werden, wozu nach Art. 138 Abs. 2 lit. d) KontrollVO auch das Verbot des Inverkehrbringens von Waren zählt, die den lebensmittelrechtlichen Anforderungen nicht entsprechen. Die Behörde ist zum Tätigwerden verpflichtet, ohne dass ihr ein Entschließungsermessen zusteht. Mit der Pflicht zum Tätigwerden dürfte es nicht zu vereinbaren sein, wenn der Beklagte die Untersagungsverfügung befristet, da hierdurch erneute Verstöße dieser Art entgegen der Vorgabe des Art. 138 Abs. 1 Satz 1 lit. b) KontrollVO nicht dauerhaft und damit nicht effektiv (vgl. auch Art. 4 Abs. 3 Vertrag über die Europäische Union – EUV) verhindert, sondern lediglich temporär unterbunden beziehungsweise verzögert werden.
66
Da sich die Befristung aber zugunsten der Klägerin auswirkt, indem sie die nachteiligen Folgen zeitlich beschränkt, verletzt die Befristung die Klägerin nicht in ihren Rechten. Eine gerichtliche Aufhebung kommt daher gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht in Betracht.
67
1.3. Auch das in Höhe von 50,- Euro pro in Verkehr gebrachter Verpackung angedrohte Zwangsgeld (Nr. 3 des Bescheids) erweist sich als rechtmäßig.
68
Die Zwangsgeldandrohung beruht auf Art. 18 ff., 29 ff., 36 BayVwZVG und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere erweist sich die Höhe des Zwangsgeldes nicht als unangemessen, Art. 29 Abs. 3, 31 Abs. 2 BayVwZVG, und die Androhung des Zwangsgeldes pro in Verkehr gebrachter Verpackung als hinreichend bestimmt, Art. 36 Abs. 5 BayVwZVG (entsprechende „je“-Angaben nicht beanstandend OVG Lüneburg, U. v. 20.4.2016 – 11 LB 29/15: „je verbotswidrig gehaltenem Rind“; OVG Lüneburg, U.v. 25.3.2014 – 13 LC 110/13: „je hergestelltem Produkt“; VG Berlin, B. v. 21.2.2022 – VG 14 L 611/21 – beck-online Rn. 37: „je Produkt“)
69
1.4. Schließlich ist auch die Kostenentscheidung (Nr. 4 des Bescheids) nicht zu beanstanden.
70
Die Kostenentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in den Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1, 6 und 10 Kostengesetz (KG) i.V. m. dem Kostenverzeichnis.
71
Die Höhe der festgesetzten Gebühr bestimmt sich nach Nr. 7.IX.11/5.7 des Kostenverzeichnisses in der Fassung vom 1. November 2019 (GVBl. 2019 S. 640 ff.), da es sich um eine Maßnahme nach Art. 138 VO (EU) 2017/625 handelt, und nicht wie im Bescheid angegeben nach Nr. 7.IX.11/1.3 des Kostenverzeichnisses, die bei Maßnahmen im Erzeugerbetrieb einschlägig war.
72
Da die Rahmengebühr bei Nr. 7.IX.11/5.7 des Kostenverzeichnisses höher ist (25 bis 10.000 Euro) als bei Nr. 7.IX.11/1.3 des Kostenverzeichnisses (25 bis 5.000 Euro) und der Verwaltungsaufwand für die Bestimmung der Gebührenhöhe maßgeblich ist, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 KG, der unabhängig von der herangezogenen Tarifnummer ausfällt, bestehen trotz Angabe einer fehlerhaften Tarifnummer keine Zweifel hinsichtlich der Höhe der festgesetzten Gebühr. Denn die Frage, ob ein angefochtener Bescheid materiell rechtmäßig oder rechtswidrig ist, richtet sich nach dem Recht, das geeignet ist, die getroffene Regelung zu rechtfertigen; erweist sie sich aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass sie durch den Austausch der Begründung in ihrem Wesen geändert würde, ist der Verwaltungsakt nicht rechtswidrig (BVerwG, U. v. 31.3.2010 – 8 C 12/09 – NVwZ-RR 2010, 636).
73
Ebenso bestehen keine Bedenken hinsichtlich der geltend gemachten Auslagen, liegen doch die Gutachterkosten ausweislich des Schreibens des Beklagten vom 30. Mai 2023 bei 1.250,50 Euro und damit über dem geltend gemachten Betrag in Höhe von 1.143,- Euro.
74
2. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
75
3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.