Inhalt

OLG München, Beschluss v. 03.08.2023 – 11 W 845/23 e, 11 W 846/23 e
Titel:

Von der Kostengrundentscheidung abweichende Kostenverteilung unter Streitgenossen im Kostenfestsetzungsbeschluss

Normenkette:
ZPO § 100, § 104
Leitsatz:
Im Kostenfestsetzungsverfahren ist eine von der Kostengrundentscheidung im Urteil abweichende Verteilung der Kosten von Streitgenossen nicht zulässig. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenfestsetzungsbeschluss, sofortige Beschwerde, Streitgenossen, Kostengrundentscheidung, Kopfteile, Gesamtschuldner, Quote
Vorinstanzen:
LG München I, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15.06.2023 – 29 O 14655/15
LG München I, Endurteil vom 24.04.2023 – 29 O 14655/15
Fundstelle:
BeckRS 2023, 25366

Tenor

I. Die Beschwerden des Klägers zu 2) gegen die beiden Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 15.06.2023 zugunsten des Beklagten zu 1) sowie zugunsten der Nebenintervenientin werden verworfen.
II. Die Beschwerden des Klägers zu 1) und der Klägerin zu 3) gegen die genannten Kostenfestsetzungsbeschlüsse werden zurückgewiesen.
III. Die sofortige Beschwerde der Nebenintervenientin gegen den zu ihren Gunsten ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15.06.2023 wird ebenfalls zurückgewiesen.
IV. Die Kläger und die Nebenintervenientin tragen die Kosten der auf ihren jeweiligen Rechtsmitteln beruhenden Beschwerdeverfahren wie folgt:
1. Die Kosten der Beschwerdeverfahren der drei Kläger gegen die beiden genannten Kostenfestsetzungsbeschlüsse tragen der Kläger zu 1) zu 2/3, der Kläger zu 2) und die Klägerin zu 3) zu jeweils 1/3.
2. Die Nebenintervenientin trägt die Kosten des von ihr angestrengten Beschwerdeverfahrens gegen den zu ihren Gunsten erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss.
V. Die Beschwerdewerte werden wie folgt festgesetzt:
1. Die sofortigen Beschwerden der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss zugunsten des Beklagten zu 1): Der Wert der Beschwerde des Klägers zu 1) beträgt € 569,02, der Wert der Beschwerde des Klägers zu 2) bis zu € 500,00 und der Wert der Beschwerde der Klägerin zu 3) € 143,78.
2. Der Wert der Beschwerden der Kläger gegen den Festsetzungsbeschluss zugunsten der Nebenintervenientin beträgt hinsichtlich der Beschwerde des Klägers zu 1) € 626,99, bezüglich der Beschwerde des Klägers zu 2) bis zu € 500,00 und der Wert der Beschwerde der Klägerin zu 3) € 158,43.
3. Der Wert der Beschwerde der Nebenintervenientin beträgt € 1.115,62.

Gründe

I.
1
Mit Endurteil vom 24.04.2023 hat das Landgericht die Klagen abgewiesen und in Ziffer 2. des Tenors ausgesprochen, dass von den Gerichtskosten die Kläger 75 %, der Beklagte zu 2) 25 % zu tragen hat; ferner tragen die Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) und der Nebenintervenientin. Aus der Begründung zu dieser Kostenentscheidung (Seite 13 des Urteils, unter B 1.) ergibt sich, dass es bezüglich der außergerichtlichen Kosten eine vergleichsweise Einigung zwischen den Klägern und dem Beklagten zu 2) gab, auf die § 98 Satz 2 ZPO anwendbar ist (gegenseitige Kostenaufhebung).
2
Auf die Kostenfestsetzungsgesuche der Nebenintervenientin vom 05.05.2023 sowie des Beklagten zu 1) vom 08.05.2023 setzte die Rechtspflegerin mit den beiden beschwerdegegenständlichen Beschlüssen die Kosten antragsgemäß fest: Dabei erfolgte die Verteilung der von den Klägern zu erstattenden Beträge in beiden Fällen dahingehend, dass jeder Kläger 1/3 der festgesetzten Summe zu erstatten hat, d.h. die Kläger schulden dem Beklagten zu 1) jeweils € 1.012,49 und der Nebenintervenientin jeweils € 1.115,63 (mit den gesetzlich vorgesehenen Zinsen).
3
Gegen beide Kostenfestsetzungsbeschlüsse legten zunächst die Kläger sofortige Beschwerde ein: Die festzusetzenden Kosten dürften nicht „linear-arithmetisch“ auf die drei Kläger aufgeteilt werden, vielmehr sei eine „quotale“ Aufteilung richtig. Das maßgebliche rechtliche Interesse der Kläger ergebe sich dabei aus dem Verhältnis ihrer streitwertrelevanten Schadenspositionen: Die Festsetzungsbeschlüsse seien daher zu quoteln (Kläger zu 1): 14,6 %, Kläger zu 2): 56,8 % und Klägerin zu 3): 28,6 %).
4
Auch die Nebenintervenientin legte sofortige Beschwerde gegen den zu ihren Gunsten erlassenen Festsetzungsbeschluss ein. Gemäß Punkt 2. des Endurteils vom 24.04.2023 seien die Kläger als Gesamtschuldner verurteilt worden; die Aufteilung mit jeweils 1/3 widerspreche dem Kostentenor. Die Nebenintervenientin sei hierdurch insoweit beschwert, als sie bei Zahlungsausfall eines Klägers die restlichen Kosten nicht von den anderen Klägern fordern könne; auf die Begründungen im Einzelnen wird Bezug genommen.
5
Die Rechtspflegerin half den Beschwerden mit Beschluss vom 18.07.2023 nicht ab: Mangels anderweitiger ausdrücklicher Regelung in dem Endurteil sei vorliegend von einer kopfteiligen Kostentragung der Erstattungsschuldner auszugehen. Eine gesamtschuldnerische Haftung scheide ebenso aus wie die von den Klägern geltend gemachte quotale Aufteilung. Für eine Abweichung von § 100 Abs. 1 ZPO enthalte das Urteil keine Grundlage.
II.
6
Sämtliche sofortigen Beschwerden bleiben in der Sache ohne Erfolg; die Rechtsauffassung der Rechtspflegerin ist zutreffend.
7
1. Die beiden sofortigen Beschwerden des Klägers zu 2) sind bereits unzulässig: Es fehlt an einer Beschwer, da nach der Berechnung in dem Beschwerdeschriftsatz der Kläger zu 2) 56,8 % zu erstatten hätte; demgegenüber sind die zugunsten des Beklagten zu 1) und der Nebenintervenientin festgesetzten Summen geringer. Anlass für eine Auslegung des Beschwerdeschriftsatzes vom 22.06.2023 dahin, die sofortige Beschwerde werde nur für die Kläger zu 1) und 3) erhoben, besteht nicht. Es ist unschädlich, wenn der Prozessbevollmächtigte der Kläger die Beschwerde selbst („ich“) einlegt, weil insoweit klar ist, dass er für seine Mandanten handelt, da nur diese Parteien des Kostenfestsetzungsverfahrens sind. Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerde für den Kläger zu 2) nicht erhoben werden soll, fehlen indes.
8
2. Die sofortigen Beschwerden der Kläger zu 1) und zu 3) gegen die beiden Festsetzungsbeschlüsse sind gemäß §§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO zulässig, bleiben in der Sache jedoch ohne Erfolg. Dasselbe gilt für das Rechtsmittel der Nebenintervenientin.
9
a) Nach der Kostengrundentscheidung in Ziffer 2. des Endurteils vom 24.04.2023 tragen die Kläger die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) und der Nebenintervenientin. Nähere Vorgaben enthalten weder der Tenor noch die Begründung hierzu. Damit ist weder Raum für die Annahme einer quotalen Haftung noch haften die Kläger als Gesamtschuldner.
10
b) Die auf Seite 1 der Beschwerdebegründung der Kläger vom 22.06.2023 zitierten Entscheidungen haben mit vorliegendem Sachverhalt nichts zu tun, weil es dort jeweils um Fragen im Zusammenhang mit einer Streitgenossenschaft auf Seiten der Erstattungsberechtigten ging. Hier liegt der Fall umgekehrt.
11
c) § 100 Abs. 1 ZPO, den die Rechtspflegerin richtigerweise anwendet, sieht vom Grundsatz her die Erstattung nach Kopfteilen vor. Eine quotale Haftung der Kläger nach ihren verschiedenen Anteilen am Streitgegenstand hätte das Landgericht, gegebenenfalls auf Anregung der Parteien, ohne weiteres anordnen können und die Rechtspflegerin wäre dann an diese Kostengrundentscheidung gebunden gewesen. Eine solche Abweichung von § 100 Abs. 1 ZPO findet sich in dem Urteil indes nicht. Dementsprechend hat das Gericht auch § 100 Abs. 2 ZPO weder direkt noch sinngemäß zitiert.
12
d) Dasselbe gilt für die von der Nebenintervenientin angestrebte Verurteilung als Gesamtschuldner, §§ 421, 426 BGB: Weder aus dem Tenor noch aus der Begründung des landgerichtlichen Urteils ergibt sich eine gesamtschuldnerische Haftung; § 100 Abs. 4 ZPO ist hier nicht anwendbar (siehe zur grundsätzlichen Haftung von Streitgenossen für Verfahrenskosten nach Kopfteilen – und nicht als Gesamtschuldnern – etwa OLG Frankfurt, Beschl. v. 05.11.2015 – 6 W 88/15; OLG Brandenburg, Beschl. v. 06.10.2008 – 6 W 99/08; …, RVG, 25. Aufl., VV Nr. 1008, Rn. 362; …, 6. Aufl., § 100, Rn. 6 f., 12…, ZPO, 44. Aufl., § 100 Rn. 11).
13
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
14
a) Die Werte der Beschwerden der Kläger ergeben sich als Differenz zwischen den jeweils festgesetzten Anteilen und der von der Beschwerdebegründung angestrebten Kostenquoten. Soweit beim Kläger zu 2) eine Beschwer fehlt, bedeutet dies nicht, dass der Beschwerdewert Null wäre, vielmehr hat der Senat sein diesbezügliches Ermessen dahin ausgeübt, den Beschwerdewert auf bis zu 500,00 € festzusetzen.
15
b) Der Wert der Beschwerde der Nebenintervenientin wurde mit 1/3 des ihr zuerkannten Erstattungsbetrages bemessen: Anhaltspunkte für eine konkrete Zahlungsunfähigkeit eines der Kläger sind weder vorgetragen noch ersichtlich; die dargelegte Gefahr eines Zahlungsausfalles ist rein abstrakt.
16
Vorsichtshalber wird klargestellt, dass die Beschwerdewerte nicht für die Gerichtskosten gelten, weil diese gesetzlich pauschaliert sind (kV-GKG Nr. 1812).