Titel:
rechtmäßige Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer
Normenketten:
GG Art. 105 Abs. 2a S. 1
BayKAG Art. 3 Abs. 1
kommunale ZwStS § 4 Abs. 1, Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Bemessung der Zweitwohnungsteuer bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen anhand einer Schätzung der Jahresnettokaltmiete in ortsüblicher Höhe ist zulässig; es liegt im Ermessen der rechtsetzenden Gemeinde, auf welche Weise sie bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen den jährlichen Mietaufwand ermittelt. Da für diese Wohnungen tatsächlich keine Mietausgaben anfallen und damit ein konkreter Anhaltspunkt für den jährlichen Mietaufwand nicht besteht, stellt die Schätzung der Nettokaltmiete in ortsüblicher Höhe eine geradezu zwingende Ermittlungsmethode dar. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist ein legitimes Ziel einer Zweitwohnungssteuererhebung, Zweitwohnsitze zurückzudrängen, um den angespannten Wohnungsmarkt im Gemeindegebiet zu regulieren. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Zweitwohnungssteuersatz bis zu einschließlich 20% des jährlichen Mietaufwands hat keine erdrosselnde Wirkung. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweitwohnungsteuer, Steuerhöhe 20%, Zulässige Lenkungszwecke, Schätzung der Jahresnettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe, Mietpreisdokumentation des Hellip, Instituts, Hauptwohnung im Ausland, Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer, kommunale Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer (Zweitwohnungssteuersatzung – ZwStS), Steuersatz, Lenkungszweck, angespannter Wohnungsmarkt
Fundstelle:
BeckRS 2023, 25353
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer für die Jahre 2020 und 2021 durch die Beklagte.
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Die Beklagte erhebt eine Zweitwohnungsteuer nach ihrer Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer (Zweitwohnungsteuersatzung – ZwStS) vom 29. November 2019, die rückwirkend zum 1. Januar 2012 in Kraft getreten ist. Die Vorgängersatzung war nichtig, da sich die Steuer nach der indexierten Jahresrohmiete bemaß (vgl. hierzu: BVerfG, B.v. 18.7.2019 – 1 BvR 807/12, 1 BvR 2917/13 – juris). Nach der Zweitwohnungsteuersatzung vom 29. November 2019 wird die Steuer nunmehr nach dem jährlichen Mietaufwand berechnet (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ZwStS). Der jährliche Mietaufwand ist die Nettokaltmiete, die der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht für ein Jahr zu entrichten hätte (Jahresnettokaltmiete), § 4 Abs. 1 Satz 2 ZwStS. Für Wohnungen, die im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen oder die dem Steuerpflichtigen unentgeltlich oder zu einem Entgelt unterhalb der ortsüblichen Miete überlassen sind, ist die Nettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe anzusetzen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 ZwStS). Sie wird von der Beklagten in Anlehnung an die Nettokaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (§ 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS). Gemäß § 5 Abs. 1 ZwStS beträgt die Steuer jährlich 20% der Bemessungsgrundlage.
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Der Kläger ist seit 2014/2015 Eigentümer einer 150 m² großen Wohnung im Gemeindegebiet der Beklagten ( …straße 1a). Er ist mit Hauptwohnsitz in Brüssel gemeldet.
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Mit Bescheid der Beklagten vom 14. September 2021 wurde der Kläger zu einer Zweitwohnungsteuer in Höhe von jeweils 3.522,72 EUR für die Jahre 2020 und 2021 herangezogen. Der Steuerberechnung wurden ein jährlicher Steuersatz von 20% sowie eine Jahresnettokaltmiete von 17.613,60 EUR zugrunde gelegt (Basismiete 8,84 EUR/m², unter Berücksichtigung von Zu- und Abschlägen 9,79 EUR/m²). Die Ermittlung der Jahresnettokaltmiete basiert auf der Dokumentation des … Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnforschung GmbH „Mietpreisniveau im Landkreis … 2020; Dokumentation der Erhebungs- und Auswertungsmethodik“ von 2020 (im Folgenden kurz: …-Dokumentation).
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Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 18. Oktober 2021, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage gegen diesen Bescheid erhoben. Er beantragt,
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Der Bescheid der Beklagten vom 14. September 2021 wird aufgehoben.
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Zur Begründung wird vorgetragen, der angegriffene Bescheid sei rechtswidrig, da die Zweitwohnungsteuersatzung unwirksam sei. Zum einen fehle es in der Satzung an einer Ausnahmeregelung für diejenigen Personen, die ihre Zweitwohnung aus beruflichen Gründen hielten und von ihrem Ehegatten, dessen (eheliche) Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befinde, nicht dauernd getrennt lebten. Dies verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Zum anderen verstoße der Steuermaßstab in § 4 ZwStS in Verbindung mit dem Steuersatz von 20% in § 5 Abs. 1 ZwStS gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die in der Satzung festgelegte Bemessung der Steuer berücksichtige rechtsfehlerhaft nicht die Unterschiede, die zwischen einer angemieteten Zweitwohnung und einer im Eigentum befindlichen Zweitwohnung bestünden. Während für den Mieter einer Zweitwohnung der hierfür anfallende finanzielle Aufwand auf die zu zahlende Nettomiete und die Nebenkosten beschränkt sei, fielen bei dem Eigentümer einer Zweitwohnung neben der Nettokaltmiete und den Nebenkosten u.a. Grundsteuer und Instandhaltungskosten an. Der finanzielle Aufwand des Mieters einer Zweitwohnung sei geringer als der finanzielle Aufwand des Wohnungseigentümers. Im konkreten Fall müsse der Kläger neben der Zweitwohnungsteuer noch Grundsteuer in Höhe von 509 EUR jährlich an die Beklagte zahlen. Wenn man die Grundsteuer als steuererhöhenden Anteil an den Gesamtsteuerkosten berücksichtige, so ergebe sich ein zu zahlender Steueranteil von 22,89%. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Mietern und Eigentümern bestehe nicht. Im Übrigen widerspreche die konkrete Ermittlung der der Steuerfestsetzung zugrunde gelegten Nettokaltmiete den gesetzlichen Vorgaben. Grundlage der Ermittlung sei die …-Dokumentation. Diese beruhe auf einer Auswertung von 49.900 im gesamten Landkreis versandten Fragebögen. Der die Beklagte betreffende Anteil der Fragebögen habe jedoch lediglich einen Anteil von 2,97% betragen. Da lediglich 3.606 Fragebögen auswertbar gewesen seien, könnten bezüglich der Beklagten gerade einmal 107 Fragebögen vorliegen. Bei den untersuchten Wohnungsgrößen von 30 bis 170 m² liege daher für jede Wohnungsgröße (pro Quadratmeter) nicht einmal ein auswertbarer Fragebogen vor. Mathematisch gesehen gebe es ferner nicht einen einzigen Fragebogen bezüglich eines Vergleichsobjekts mit 150 m² im Gemeindegebiet der Beklagten. Art und Ausstattung der Vergleichswohnungen seien nicht berücksichtigt worden. Da für den gesamten Landkreis die durchschnittlichen Mietpreise ermittelt worden seien, werde gerade nicht die konkrete Situation im Gebiet der Beklagten berücksichtigt. Der Schätzungsspielraum der Gemeinde sei daher überschritten. Es dürfe zur Ermittlung der vergleichbaren Nettokaltmiete ausschließlich auf das Gemeindegebiet der Beklagten abgestellt werden. Da die Steuerhöhe fehlerhaft ermittelt worden sei, sei der Bescheid aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 27. Dezember 2021:
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Die Klage wird abgewiesen.
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Die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten sei nicht nichtig. Eine Ausnahmeregelung für bestimmte Personengruppen sei nicht erforderlich. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass § 2 ZwStS verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden könne, dass unabhängig von der melderechtlichen Einstufung die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer auf die beruflich gehaltene und vorwiegend genutzte Zweitwohnung eines nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten unzulässig sei. Auch der Einwand der Klagepartei bezüglich des Steuermaßstabs verfange nicht. Die Instandhaltungskosten bildeten nur den Aufwand für die Beibehaltung der Zweitwohnung, nicht hingegen den Aufwand für deren Erlangung. Auch der Mieter habe weitere Kosten für die Unterhaltung, wenn auch nur in geringerem Umfang (Unterhaltungskosten, die der Vermieter nicht trage). Die Zweitwohnungsteuersatzung steuere nur den Aufwand der Erlangung der Wohnung, so dass es sachgerecht sei, diesen Maßstab auch auf den Eigentümer zu übertragen. Auch die Grundsteuer gebe keinen Anlass zu einer abweichenden Regelung, da sie regelmäßig über die Nebenkosten anteilig auf den Mieter abgewälzt werde. Indem beim Steuermaßstab der Jahresnettokaltmiete die Betriebskosten außer Betracht blieben, erhöhe die Grundsteuer die Zweitwohnungsteuer weder beim Eigentümer noch beim Mieter. Der Maßstab des § 4 Abs. 3 ZwStS sei in der Rechtsprechung nicht beanstandet worden. Die Beklagte habe im Übrigen ihren Schätzungsspielraum durch die Heranziehung der …-Dokumentation nicht überschritten. Die Beklagte sei nicht verpflichtet, den Mietaufwand in der ortsüblichen Höhe für die jeweilige Wohnung durch ein Sachverständigengutachten exakt zu ermitteln. Die Datenbasis des Gutachtens sei auch nicht zu gering. Das Gutachten ermittle nach seiner Systematik eine Jahresnettokaltmiete für den gesamten Landkreis und arbeite sodann mit ermittelten Zu- und Abschlägen für die Mietniveauzonen 1 bis 3. So ergebe sich für das Gemeindegebiet der Beklagten ein Abschlag von 2%. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass die Daten bezogen auf diese drei Mietniveauzonen nicht ausreichend gewesen seien. Nach der Systematik der Auswertung komme es daher auch nicht darauf an, ob für jede Gemeinde für jede Wohnungsgröße hinreichend viele Einzeldaten zur Verfügung gestanden hätten.
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Die Beklagte hat mit Schreiben vom 23. Juni 2023 den Auszug aus der Niederschrift über die öffentliche Sitzung ihres Gemeinderats vom 26. November 2019 übermittelt. Daraus ergebe sich, dass die Beklagte mit dem rückwirkenden Neuerlass der Zweitwohnungsteuersatzung mit dem erhöhten Steuersatz von 20% neben fiskalischen Zwecken auch den Lenkungszweck der Regulierung des angespannten Wohnungsmarkts verfolgt habe. Der Gemeinderat der Beklagten habe sich eingehend mit der damals bestehenden und der künftig prognostizierten Knappheit von bezahlbarem Wohnraum und der starken Nachfrage nach Zweitwohnungen auseinandergesetzt.
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Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2023 hat die Klagepartei ihren Vortrag ergänzt. Der Kläger habe in Deutschland nur die Wohnung im Gemeindegebiet der Beklagten, die er zur Unterstützung seiner Mutter benötige. Sein Hauptwohnsitz liege aus beruflichen Gründen im Ausland. Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 20. Juni 2018 (9 LB 124/17) sei zur Auslegung der Begriffe Haupt- und Zweitwohnung bei einer vergleichbaren Satzungsbestimmung wie der der Beklagten auf die melderechtlichen Begriffsbestimmungen gemäß §§ 21, 22 Bundesmeldegesetz (BMG) abgestellt worden. Daher sei die Wohnung im Gemeindegebiet der Beklagten nicht als Zweitwohnung anzusehen, da der Kläger im Inland nur diese, nicht aber mehrere Wohnungen habe.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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1. Die Klage ist zulässig, insbesondere innerhalb der einmonatigen Klagefrist nach § 74 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erhoben worden. Nach Aktenlage ist der angegriffene Bescheid vom 14. September 2021 als einfacher Brief zur Post gegeben worden. Zwar befindet sich in der Behördenakte kein Vermerk über die Aufgabe zur Post. Aber die Klage vom 18. Oktober 2021 ist jedenfalls deswegen ohne Weiteres fristgerecht eingereicht worden, da bei einer Übermittlung im Ausland – wie hier bei dem in Belgien ansässigen Kläger – der Bescheid erst einen Monat nach Aufgabe zur Post als zugestellt gilt, vgl. § 122 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b, Art. 10 Nr. 1 Kommunalabgabengesetz (KAG).
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 14. September 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Rechtsgrundlage für die Erhebung der Zweitwohnungsteuer durch den angefochtenen Bescheid ist die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten vom 29. November 2019. Diese Satzung ist wirksam.
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aa) Die Ermächtigungsgrundlage für den Erlass dieser Zweitwohnungsteuersatzung findet sich in Art. 3 Abs. 1 KAG i.V.m. Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG. Nach diesen Vorschriften können Gemeinden örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben, solange und soweit diese nicht bundesrechtlich geregelten Steuern gleichartig sind. Die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer als örtliche Aufwandsteuer ist im Freistaat Bayern damit grundsätzlich zulässig (vgl. ausführlich hierzu: BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 4 N 04.2798 – juris).
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bb) Die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten vom 29. November 2019 ist formell wirksam. Fehler im Satzungserlassverfahren sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Erste Bürgermeister fertigte die am 26. November 2019 durch den Gemeinderat mehrheitlich beschlossene Satzung am 29. November 2019 gemäß Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Gemeindeordnung (GO) aus. Die amtliche Bekanntmachung im Sinne von Art. 26 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 GO i.V.m. § 1 Abs. 2, § 2 Satz 2 Bekanntmachungsverordnung erfolgte durch Niederlegung im Rathaus sowie durch Bekanntgabe dieser Niederlegung durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde im Zeitraum vom 29. November 2019 bis 25. Februar 2020.
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Ob das in § 11 Abs. 1 ZwStS angeordnete rückwirkende Inkrafttreten der Satzung zum 1. Januar 2012 zulässig ist, kann für den vorliegenden Fall dahinstehen. Zwar spricht viel dafür, dass diese echte Rückwirkung für die noch nicht abgeschlossenen Steuerfälle der Jahre von 2012 bis 2019 zulässig ist, da die zuvor geltende Satzung der Beklagten wegen der Besteuerung nach der indexierten Jahresrohmiete nichtig war (vgl. BVerfG, B.v. 18.7.2019 – 1 BvR 807/12, 1 BvR 2917/13 – juris). In einem solchen Fall steht der Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen der echten Rückwirkung grundsätzlich nicht entgegen (vgl. BayVGH, U.v. 23.2.2010 – 4 N 09.1960 – juris Rn. 20).
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Aber diese Frage ist jedenfalls nicht entscheidungserheblich, weil für die hier (nur) besteuerten Jahre 2020 und 2021 keine Rückwirkung inmitten steht. Selbst wenn die echte Rückwirkung im konkreten Fall unzulässig wäre, würde dies lediglich zur Nichtigkeit der Rückwirkungsanordnung in § 11 Abs. 1 ZwStS führen. Dies hätte zur Folge, dass die gesetzliche Regelung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Satzungen in Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GO eingreifen würde. Danach wäre die Satzung eine Woche nach ihrer Bekanntmachung, also am 6. Dezember 2019, in Kraft getreten. Da die Zweitwohnungsteuer eine Jahressteuer ist, die (grundsätzlich) zum 1. Januar eines jeden Jahres entsteht (§ 6 Abs. 1 Satz 1, § 6 Abs. 2 Satz 1 ZwStS), würde durch das Inkrafttreten am 6. Dezember 2019 für die vorliegend besteuerten Jahre 2020 und 2021 weder in einen laufenden und noch in einen abgeschlossenen Sachverhalt eingegriffen, sondern in einen zukünftigen.
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cc) Die Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten vom 29. November 2019 ist materiell wirksam. Die inhaltlichen Regelungen verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht; insbesondere ist weder der Steuermaßstab in § 4 Abs. 3 ZwStS noch der Steuersatz in § 5 Abs. 1 ZwStS rechtlich zu beanstanden.
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(1) Der Steuermaßstab des § 4 ZwStS begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Das Gericht teilt nicht die Rechtsauffassung der Klagepartei, nach der der Steuermaßstab gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße, weil der Zweitwohnungseigentümer im Vergleich zu einem Zweitwohnungsmieter einen höheren finanziellen Aufwand habe, der nicht angemessen berücksichtigt werde.
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Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ZwStS wird die Steuer nach dem jährlichen Mietaufwand berechnet. Der jährliche Mietaufwand ist die Nettokaltmiete, die der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht für ein Jahr zu entrichten hätte (Jahresnettokaltmiete), § 4 Abs. 1 Satz 2 ZwStS. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 ZwStS ist für Wohnungen, die im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen oder die dem Steuerpflichtigen unentgeltlich oder zu einem Entgelt unterhalb der ortsüblichen Miete überlassen sind, die Nettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe anzusetzen. Sie wird gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS von der Beklagten in Anlehnung an die Nettokaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.
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Der auf die Jahresnettokaltmiete abstellende Mietaufwand als Maßstab für die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in § 4 Abs. 1 ZwStS ist eine von der Rechtsprechung anerkannte Bemessungsgrundlage (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 29.1.2003 – 9 C 3/02 – NVwZ 2003, 753 (754); vgl. auch: BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 4 N 04.2798 – juris Rn. 70; U.v. 4.4.2006 – 4 N 05.2249 – juris Rn. 48). Hierbei besteht ein sachlicher Bezug zum Aufwand des Steuerpflichtigen, den er für seine Zweitwohnung für die persönliche Lebensführung tätigt.
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Die Bemessung der Zweitwohnungsteuer bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen anhand einer Schätzung der Jahresnettokaltmiete in ortsüblicher Höhe gemäß § 4 Abs. 3 ZwStS ist ebenso nach ständiger Rechtsprechung zulässig (s. jüngst hierzu: BayVGH, B.v. 4.3.2021 – 4 ZB 20.246 – juris Rn. 13 ff.; vgl. auch: BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 4 N 04.2798 – juris Rn. 71; U.v. 4.4.2006 – 4 N 05.2249 – juris Rn. 49; BVerwG, U.v. 14.12.2017 – 9 C 11/16 – juris). Es liegt im Ermessen der rechtsetzenden Gemeinde, auf welche Weise sie bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen den jährlichen Mietaufwand ermittelt. Da für diese Wohnungen tatsächlich keine Mietausgaben anfallen und damit ein konkreter Anhaltspunkt für den jährlichen Mietaufwand nicht besteht, stellt die Schätzung der Nettokaltmiete in ortsüblicher Höhe eine geradezu zwingende Ermittlungsmethode dar.
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Der gegen diese Bemessungsgrundlage vorgetragene Einwand, die bei einem Zweitwohnungseigentümer anfallenden weiteren Kosten, insbesondere Instandhaltungskosten und Grundsteuer, würden nicht berücksichtigt, was eine Ungleichbehandlung bewirke, greift nicht durch.
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Der klägerseits ins Feld geführte höhere finanzielle Aufwand eines Zweitwohnungseigentümers bezieht sich auf Kosten, die für die Bemessung der Zweitwohnungsteuer nicht maßgeblich sind. Bei der Zweitwohnungsteuer wird der Aufwand für das Innehaben einer Zweitwohnung besteuert. Dies sind die Kosten, die dafür aufgewandt werden, dass die Wohnung gehalten werden kann, d.h. bei einem Zweitwohnungsmieter die vereinbarte Miete, bei einem Zweitwohnungseigentümer die ortsübliche Miete, auf deren Einnahme verzichtet wird. Nicht nur der Eigentümer, auch der Mieter hat daneben weitere Aufwendungen für die Wohnung, z.B. Instandhaltungsaufwendungen. Diese sind jedoch sowohl beim Zweitwohnungsmieter als auch beim Zweitwohnungseigentümer für die Bemessung der Zweitwohnungsteuer nicht relevant.
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Auch im Hinblick auf die zu zahlende Grundsteuer entsteht keine Ungleichbehandlung zwischen Zweitwohnungseigentümer und Zweitwohnungsmieter. Nicht nur der Eigentümer, auch der Mieter ist verpflichtet, die Grundsteuer zu zahlen, da diese vom Vermieter (jedenfalls anteilig) über die Mietnebenkosten auf den Mieter umgewälzt werden darf. Sowohl bei § 4 Abs. 1 ZwStS (angemietete Zweitwohnung) als auch bei § 4 Abs. 3 ZwStS (Zweitwohnung im Eigentum) bleiben jedoch die Nebenkosten außer Betracht, da auf die Jahresnettokaltmiete abgestellt wird. Eine Berücksichtigung der zu zahlenden Grundsteuer bei der Bemessung der Zweitwohnungsteuer nur beim Eigentümer – wie vom Kläger gewollt – würde gerade einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG bewirken.
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(2) Die Höhe des Steuersatzes von 20% in § 5 Abs. 1 ZwStS ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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(aa) Mit der Erhöhung des Steuersatzes auf 20% verfolgt die Beklagte in zulässiger Weise insbesondere den Lenkungszweck, Zweitwohnungen zu begrenzen.
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Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass mit einer Steuer grundsätzlich Lenkungsziele jenseits des Zwecks der Einnahmeerzielung verfolgt werden dürfen. Nur wenn die steuerliche Lenkung nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregel nahekommt, die Finanzierungsfunktion der Steuer also durch eine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter verdrängt wird, bietet die Besteuerungskompetenz keine ausreichende Rechtsgrundlage mehr (grundlegend hierzu: BVerfG, U.v. 7.5.1998 – 2 BvR 1991-95 u. 2004-95 – NJW 1998, 2341 zur kommunalen Verpackungssteuer; s. auch: BVerfG, B.v. 15.1.2014 – 1 BvR 1656/09 – juris Rn. 49, 81 ff.).
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Die mit einer Zweitwohnungsteuer verfolgten Lenkungszwecke, Wohnungsinhaber zur Ummeldung von Zweitin Hauptwohnsitze zu veranlassen und Wohnraum für Dritte freizumachen, ändern nach der Rechtsprechung nichts an ihrem Charakter als Steuer, weil die beabsichtigte Lenkung jedenfalls nicht die Wirkung einer verbindlichen Verhaltensregel entfaltet. Eine etwaige Ausweichreaktion hängt vielmehr maßgeblich vom Willen der Steuerpflichtigen ab (BVerfG, B.v. 15.1.2014, a.a.O., Rn. 50, 85; vgl. zu diesem zulässigen Lenkungszweck auch: BVerwG, B.v. 27.10.2003 – 9 B 102/03 – BeckRS 2003, 25337; BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 4 N 04.2798 – juris Rn. 58; U.v. 4.4.2006 – 4 N 05.2249 – juris Rn. 39). Auch die Eindämmung von sogenannten Rollladensiedlungen, die zur Verödung des Ortes beitragen können, ist ein legitimes kommunales Anliegen (BayVGH, U.v. 4.4.2006, a.a.O.).
34
Der Lenkungszweck muss allerdings nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. nur: BVerfG, B.v. 15.1.2014, a.a.O., Rn. 83 m.w.N.) von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen sein. Dabei genügt es, wenn diese anhand der üblichen Auslegungsmethoden festgestellt werden kann; Lenkungszwecke können sich etwa aus den Gesetzesmaterialien ergeben.
35
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben ist der im konkreten Fall von der Beklagten verfolgte Zweck, Zweitwohnsitze zurückzudrängen, um den angespannten Wohnungsmarkt im Gemeindegebiet zu regulieren, ein legitimes Ziel einer Zweitwohnungsteuererhebung. Dieser Lenkungszweck ist auch von einer erkennbaren Entscheidung der Satzungsgeberin getragen. Ausweislich der Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderats vom 26. November 2019 hat sich die Beklagte mit der aus ihrer Sicht bestehenden Notwendigkeit einer derartigen Lenkung auseinandergesetzt.
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(bb) Die Höhe des Steuersatzes von 20% ist nicht unangemessen; sie hat keine erdrosselnde Wirkung.
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Hinsichtlich der Höhe des Steuersatzes hat der Satzungsgeber einen relativ großen Spielraum. Dieser Spielraum wird allerdings dann überschritten, wenn die Steuer erdrosselnde Wirkung hat. Die „Erdrosselungsgrenze“ stellt die äußerste Schranke der Besteuerung dar. Auch insoweit bietet die Besteuerungskompetenz keine ausreichende Rechtsgrundlage mehr, wenn die – grundsätzlich zulässige – steuerliche Lenkung nach Gewicht und Auswirkung einer verbindlichen Verhaltensregel nahekommt, die Finanzierungsfunktion der Steuer also durch eine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter verdrängt wird. Dies ist der Fall, wenn der steuerpflichtige Vorgang (wirtschaftlich) unmöglich gemacht wird (stRspr, vgl. nur: BVerwG, U.v. 15.10.2014 – 9 C 8.13 – juris Rn. 23 m.w.N.).
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Wann eine „erdrosselnde“ Wirkung vorliegt, ist anhand der Umstände des Einzelfalles, insbesondere hinsichtlich der Verhältnisse in der konkreten Gemeinde zu beurteilen. Abzustellen ist nicht auf den individuellen, sondern auf den durchschnittlichen Steuerpflichtigen im Gemeindegebiet (BVerwG, U.v. 15.10.2014, a.a.O., Rn. 24). Hierbei kann der Umstand eine Rolle spielen, dass in einer Gemeinde bereits eine beachtliche Zahl von Zweitwohnungsinhabern zur Zweitwohnungsteuer veranlagt wird und sich diese Zahl in den letzten Jahren noch erhöht hat (vgl. BVerwG, U.v. 15.5.2014 – 9 B 57.13 – NVwZ-RR 1014, 657 (658) m.w.N.).
39
Insoweit ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Zweitwohnungsteuersätze in einem Bereich bis zu einschließlich 20% des jährlichen Mietaufwands keine erdrosselnde Wirkung haben und damit keinen rechtlichen Bedenken unterliegen (BayVGH, U.v. 14.4.2011 – 4 B 10.2557 – BeckRS 2011, 53040 Rn. 22; B.v. 28.10.2009 – 4 ZB 08.1893 – juris Rn. 9; B.v. 30.4.2009 – 4 ZB 08.2317 – juris Rn. 12; VG München, U.v. 24.11.2022 – M 10 K 20.6523 – juris Rn. 44 ff.; U.v. 24.11.2022 – M 10 K 20.6827 – juris Rn. 33 ff.; U.v. 13.10.2020 – M 10 K 19.94 – juris Rn. 37 ff.; U.v. 13.10.2020 – M 10 K 19.153 – juris Rn. 37 ff.; U.v. 14.1.2010 – M 10 K 09.1827 – juris Rn. 28; NdsOVG, U.v. 20.6.2018 – 9 LB 124/17 – BeckRS 2018, 16931 Rn. 90; VGH Baden-Württemberg, B.v. 28.7.2020 – VGH 2 S 1474/20 – BeckRS 2020, 19106 Rn. 25; OVG Schleswig-Holstein, U.v. 8.3.2018 – 2 LB 97/17 – juris Rn. 75; VG Greifswald, U.v. 8.3.2022 – 2 A 2050/21 HGW – juris Rn. 27 ff.; in diese Richtung auch, aber letztlich offen gelassen: NdsOVG, B.v. 22.11.2010 – 9 ME 76/10 – NordÖR 2011, 80 (81); weiter gehend: VGH Baden-Württemberg, U.v. 24.6.2013 – 2 S 2116/12 – juris Rn. 44 ff. für Steuersätze in Höhe von 20%, 27,5% und 35%, s. Rn. 11-13). Eine erdrosselnde Wirkung wird im konkreten Fall auch nicht geltend gemacht.
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(3) Auch soweit der Kläger anführt, die Satzung verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG, weil es an einer Ausnahmeregelung für Erwerbszweitwohnungen von Verheirateten fehle, führt dies nicht zur Nichtigkeit der Satzung. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Zweitwohnungsteuersatzung nicht deshalb unwirksam ist, weil sie in §§ 2, 3 keine Ausnahme von der Steuerpflicht für bestimmte Personen oder Personengruppen normiert (vgl. zu inhaltsgleichen Regelungen wie bei der Beklagten: BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 4 N 04.2798 – juris Rn. 64; VG München, U.v. 13.10.2020 – M 10 K 19.94 – juris Rn. 26). Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG kann im Wege der verfassungskonformen Auslegung des § 2 ZwStS verhindert werden, indem Erwerbszweitwohnungen von Verheirateten, die nicht dauernd von ihrer Familie getrennt leben, nicht besteuert werden (grundlegend hierzu: BVerfG, B.v. 11.10.2005 – 1 BvR 1232/00 u.a. – NJW 2005, 3556 (3557)).
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b) Die Beklagte hat die Zweitwohnungsteuersatzung vom 29. November 2019 auf den konkreten Fall auch zutreffend angewandt.
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aa) Der Kläger hatte in den hier besteuerten Jahren 2020 und 2021 im Gemeindegebiet der Beklagten eine Zweitwohnung im Sinne des § 2 Satz 1 ZwStS inne, da er Eigentümer der Wohnung ist, diese zur persönlichen Lebensführung, nämlich der Unterstützung seiner Mutter, innehat und seinen Hauptwohnsitz in Belgien hat.
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Dem steht nicht entgegen, dass sich die Hauptwohnung des Klägers im Ausland befindet.
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In § 2 Satz 1 ZwStS wird der Begriff der Hauptwohnung nicht definiert, insbesondere wird nicht auf die melderechtliche Definition der Hauptwohnung gemäß § 21 Abs. 1, Abs. 2 BMG, nach der bei mehreren Wohnungen im Inland die vorwiegend benutzte Wohnung des Einwohners die Hauptwohnung ist, Bezug genommen.
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Im Fall der fehlenden satzungsmäßigen Definition wird vertreten, dass der Begriff der Hauptwohnung wie im Melderecht auszulegen sei, sofern nicht aus der Entstehung der Satzung Abweichendes folge (vgl. NdsOVG, U.v. 20.6.2018 – 9 LB 124/17 – juris Rn. 64 ff.; VGH BW, U.v. 5.11.1992 – 2 S 194/90 – juris 25 ff.; (selbst) kritisch zu letzterer Entscheidung jedoch: VGH BW, U.v. 19.2.1998 – 2 S 27/96 – juris Rn. 17). Demnach sei nach § 21 Abs. 1, Abs. 2 BMG auch im Zweitwohnungsteuerrecht nur eine im Inland liegende Wohnung Hauptwohnung. Wenn man diese Auffassung zugrunde legen würde, wäre im konkreten Fall die Wohnung des Klägers in Belgien nicht als Hauptwohnung anzusehen, so dass die Wohnung im Gemeindegebiet der Beklagten auch nicht als steuerbare Zweitwohnung angesehen werden könnte.
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Zwar liegt es nahe, zur Abgrenzung der satzungsrechtlichen Begriffe Zweitwohnung und Hauptwohnung auf das melderechtliche Abgrenzungskriterium der vorwiegenden Benutzung (§ 21 Abs. 2 BMG) zurückzugreifen. Eine vollumfängliche Gleichsetzung der Begriffsbestimmungen wäre jedoch systemfremd (vgl. BayVGH, B.v. 17.1.2007 – 4 CS 06.2126 – juris Rn. 8 f. zu einer insoweit wortgleichen Satzungsbestimmung; vorgehend: VG München, B.v. 5.7.2006 – M 10 S 06.1768 – juris Rn. 20; s. auch: VG München, U.v. 24.5.2007 – M 10 K 06.1767 – juris Rn. 39 ff.). Denn bereits der Wortlaut des § 2 Satz 1 ZwStS ist insoweit nicht einschränkend formuliert. Er erfasst im Gegensatz zum Melderecht auch Hauptwohnungen im Ausland. Dies entspricht auch dem Charakter der Zweitwohnungsteuer als örtlicher Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG. Die Zweitwohnungsteuer knüpft an den Konsum für den persönlichen Lebensbedarf an, der im Innehaben einer weiteren Wohnung (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung typischerweise zum Ausdruck kommt. Steuergegenstand ist mithin alleine die Zweitwohnung und der für sie betriebene Aufwand. Ob sich die Hauptwohnung im In- oder Ausland befindet, ist dafür unerheblich (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 17.1.2007, a.a.O., Rn. 9).
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bb) Der Kläger ist als Eigentümer der Wohnung steuerpflichtig im Sinne von § 3 Abs. 1 ZwStS.
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cc) Die Berechnung der Steuer gemäß § 4 Abs. 3 und § 5 Abs. 1 ZwStS begegnet keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
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Die Schätzung der ortsüblichen Jahresnettokaltmiete der klägerischen Zweitwohnung nach § 4 Abs. 3 ZwStS ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere hat die Beklagte nach Auffassung des Gerichts durch die Heranziehung eines Quadratmeterpreises von 9,79 EUR als Berechnungsgrundlage für die Jahresnettokaltmiete ihren Schätzungsspielraum nach § 4 Abs. 3 ZwStS nicht überschritten. Diesen Quadratmeterpreis hat die Beklagte anhand der …-Dokumentation ermittelt.
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Nach der Rechtsprechung ist mit der Einräumung einer Schätzungsermächtigung wie in § 4 Abs. 3 ZwStS notwendigerweise ein gewisser Schätzungsspielraum und damit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Behörde verbunden. Die Schätzung ist etwa dann fehlerhaft, wenn sie auf falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht, wesentliche Tatsachen außer Acht lässt oder unrichtige Maßstäbe zugrunde legt. Sofern kein Mietspiegel existiert, der als Schätzungsgrundlage in Betracht käme, können – ohne Bindung an die mietrechtliche Vorschrift des § 558 Abs. 2 BGB – auch sonstige Informationen über das Mietzinsniveau im Gemeindegebiet herangezogen werden, um den auf dem örtlichen Mietmarkt erzielbaren Mietzins zu bestimmen. Die steuererhebende Gemeinde ist nicht verpflichtet, den Mietaufwand in der ortsüblichen Höhe für die jeweilige Wohnung durch ein Sachverständigengutachten exakt zu ermitteln. Davon abgesehen hat der Abgabenpflichtige keinen Anspruch auf ein bestimmtes, aus seiner Sicht optimales Verfahren zur Feststellung des Mietwerts der Wohnung, sondern nur darauf, dass diese Bemessungsgrundlage für die Zweitwohnungsteuer in sachgerechter Weise ermittelt wird (vgl. hierzu zusammenfassend: BayVGH, B.v. 4.3.2021 – 4 ZB 20.246 – juris Rn. 15 ff. m.w.N.)
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Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben hat die Beklagte ihrer Berechnung in rechtlich nicht zu beanstandender Weise die …-Dokumentation zur Bestimmung der ortsüblichen Jahresnettokaltmiete zugrunde gelegt. Die Beklagte darf zur Ermittlung der ortsüblichen Jahresnettokaltmiete auf sonstige Informationen über das Mietzinsniveau im Gemeindegebiet, wie die …-Dokumentation, zurückgreifen. Die …-Dokumentation stellt hierzu auch eine sachgerechte Erkenntnisquelle dar. Für diese Dokumentation hat die …, ein sachkundiges Institut, das seit 50 Jahren auf Immobilienmarktanalysen spezialisiert ist (vgl.: www. …de abgerufen am 28.7.2023), zum Zweck der Mietwertermittlung für die Zweitwohnungsteuer Fragebögen an 49.900 Haushalte im Landkreis versandt. Der Inhalt der Fragebögen war u.a. mit dem ebenso sachkundigen Gutachterausschuss des Landkreises abgestimmt und berücksichtigte Lage, Art und Ausstattung der Wohnungen. Die auswertbaren 3.606 Fragebögen stellen eine ausreichende Datengrundlage dar, wobei bei der Auswertung nur auf dem freien Wohnungsmarkt unter normalen Konditionen angemietete Wohnungen Berücksichtigung fanden. Die Berechnung der durchschnittlichen Nettokaltmiete erfolgte mittels einer Regressionsanalyse nach dem „Regensburger Modell“, einem anerkannten wissenschaftlichen Verfahren. Für jede Wohnungsgröße zwischen 30 und 170 m² wurde eine durchschnittliche Miete ermittelt (sog. Basismiete). Dabei ist nicht zu beanstanden, dass die Untersuchung auf Wohnungen zwischen 30 und 170 m² beschränkt worden ist, da für kleinere und größere Wohnungen zu wenig Fallzahlen vorhanden waren. Darüber hinaus wurden in nachvollziehbarer Weise Zu- und Abschläge anhand Baujahr, Beschaffenheit, Lage und Ausstattung der Wohnung festgelegt, die bei der Basismiete prozentual erhöhend oder mindernd zu berücksichtigen sind. Ferner ist es nicht rechtsfehlerhaft, dass daneben ein regionaler Zu- oder Abschlag angewandt wird, der auf der Einordnung aller Landkreisgemeinden in drei verschiedene Mietniveauzonen beruht. Denn dies trägt gerade der regional unterschiedlichen Nachfrage an Wohnungen und der unterschiedlichen Attraktivität von Orten bzw. Regionen Rechnung. Es ist hierbei rechtlich unbedenklich, dass bei der Einteilung des Landkreises in drei verschiedene Mietniveauzonen Gemeinden zusammengefasst wurden, da es sich lediglich um eine Schätzung handelt.
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Auch die Einwände des Klägers gegen diese Dokumentation sind nicht geeignet, ihre Tauglichkeit in Frage zu stellen. Selbst wenn – wie vom Kläger rein rechnerisch angenommen – aus dem Gemeindegebiet der Beklagten nur 107 auswertbare Fragebögen in Rücklauf geraten wären, würde dies eine ausreichende Datengrundlage darstellen (vgl. VG München, U.v. 24.11.2022 – M 10 K 20.6523 – juris Rn. 62: 90 Vermietungen ausreichend). Es muss auch nicht für jede Wohnungsgröße (quadratmetergenau) ein Datensatz vorliegen, da dies die Anforderungen an eine Schätzung überspannen würde. Im Übrigen wird das individuelle Mietniveau in den verschiedenen Gemeinden über die Bildung von unterschiedlichen Mietpreiszonen ausreichend berücksichtigt. Da es sich um eine Schätzung handelt, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass bei der Ermittlung der ortsüblichen Jahresnettokaltmiete anhand der …-Dokumentation nicht nur Daten der Beklagten, sondern auch Daten der anderen, in der gleichen Mietpreiszone wie die Beklagte liegenden Gemeinden Berücksichtigung finden.
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Auf die anhand der …-Dokumentation ermittelte Basismiete für Wohnungen mit einer Größe von 140 bis 170 m² in Höhe von 8,84 EUR hat die Beklagte in zutreffender Weise die einschlägigen Zu- und/oder Abschläge vorgenommen und ohne Fehler zulasten des Klägers einen Quadratmeterpreis von 9,79 EUR zugrunde gelegt. Auf dieser Basis ist die Berechnung der Jahresnettokaltmiete in zutreffender Weise erfolgt.
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Im Übrigen ist weder substantiiert vorgetragen noch für das Gericht erkennbar, dass der bescheidsmäßig zugrunde gelegte Quadratmeterpreis von 9,79 EUR überhöht und damit (im Ergebnis) rechtsfehlerhaft angesetzt wäre. Denn dieser Preis hält sich im Rahmen der Spanne der durchschnittlichen Mietpreise, die sich Online-Mietportalen entnehmen lassen (vgl. https://mietspiegeltabelle.de/mietspiegel-gemeinde- …-kreis- … 2020 9 EUR, 2021 10,44 EUR; https://www.miete-aktuell.de/historie/2020/mietspiegel/ … für Wohnungen mit mehr als 120 m² im Jahr 2020 9,09 EUR; Quellen abgerufen am 28.7.2023).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.