Titel:
Heranziehung zu Verbesserungsbeitrag für Entwässerungseinrichtung
Normenkette:
BayGO Art. 21 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Festsetzung eines Verbesserungsbeitrags setzt im Zeitpunkt des Abschlusses der Verbesserungsmaßnahme eine wirksame Beitragssatzung und eine wirksame Stammsatzung voraus, denn der Anlagenbetreiber muss spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verbesserungsmaßnahme über wirksames Satzungsrecht zur Erhebung von Herstellungsbeiträgen verfügen, da sonst kein Verbesserungs-, sondern Herstellungsaufwand vorläge und dann keine Verbesserungs-, sondern lediglich Herstellungsbeiträge erhoben werden könnten. Darüber hinaus ist die Verbesserungsbeitragssatzung nur wirksam, wenn mit dem Zeitpunkt des Entstehens des Verbesserungsbeitrags auf Grundlage einer Verbesserungsbeitragssatzung eine neue Beitragssatzung mit neu kalkulierten (erhöhten) Beitragssätzen für die Neuanschließer vorhanden ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Wasserrecht meint der Begriff des „Versickerns“ die Zuführung von (meist vorgeklärtem) Abwasser in wasserdurchlässige kies- oder sandhaltige Bodenschichten; das Wasser soll von dort nach einer natürlichen Reinigung dem Grundwasser zufließen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Verbesserungsmaßnahmen sind Maßnahmen zur Hebung der Qualität und Leistungsfähigkeit, insbesondere zur Erhöhung der Wirkungskraft einer schon vorhandenen Einrichtung, wozu auch Erneuerungsmaßnahmen an bereits vorhandenen Anlagen gehören, die sich nach der Verkehrsauffassung positiv auf die Gesamtanlage auswirken. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Neubau einer Kläranlage (und der Rückbau der alten) ist grundsätzlich eine Verbesserung, wenn die alte Kläranlage unzulänglich geworden ist, wobei die neue Kläranlage über eine erhöhte Wirkungskraft verfügen bzw. eine bessere Reinigungsstufe haben muss. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verbesserungsbeitrag, Einrichtungseinheit, Verbesserungsmaßnahme, Neubau einer Kläranlage, Verbesserungsmaßnahmen, Beitragssatzung, Kläranlage, Neubau, Versickern, Herstellungsaufwand
Fundstelle:
BeckRS 2023, 25351
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu einem Verbesserungsbeitrag für die Entwässerungseinrichtung der Beklagten.
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Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks … Straße 10 (Fl.Nr. …, Gemarkung …) im Gemeindegebiet der Beklagten. Das Grundstück ist 956 m² groß und mit einem Zweifamilienhaus sowie einer Garage bebaut. Das Hauptgebäude verfügt über Keller-, Erd- und Obergeschoss (Außenmaße 10,8 m x 12,75 m); das Dachgeschoss ist nicht ausgebaut. Die südliche Außenmauer des Wohnhauses springt in ihrem östlichen Teil über alle Geschosse um 1,20 m zurück, wobei die östliche Außenmauer in allen Geschossen bis auf Höhe der (gedachten) Fortsetzung der südlichen Außenmauer vorgemauert ist. Im Bereich des Gebäuderücksprungs befindet sich in etwa auf Erdgeschossniveau eine Terrasse und im Obergeschoss ein Balkon.
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Die Beklagte betreibt zur Abwasserbeseitigung drei Entwässerungsanlagen als eine öffentliche Einrichtung (Einrichtungseinheit) für das gesamte Gemeindegebiet, vgl. § 1 Abs. 1 Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage (Entwässerungssatzung – EWS) vom 18. März 2016. Sie erhob auf der Grundlage ihrer Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 22. Dezember 2015 (BGS-EWS 2015) zur Deckung ihres Aufwands für die Herstellung der öffentlichen Entwässerungseinrichtung einen Beitrag. Gemäß ihrer (neuen) Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung vom 17. Dezember 2019 (BGS-EWS 2019) erhebt sie einen Beitrag aufgrund eines erhöhten Beitragssatzes, der den Aufwand für die im September 2019 abgeschlossene Verbesserungsmaßnahme berücksichtigt. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der 1. Änderungssatzung zur Beitragssatzung für die Verbesserung der Entwässerungseinrichtung (Verbesserungsbeitragssatzung – VES-EWS) vom 17. Dezember 2019 erhebt die Beklagte einen Beitrag zur Deckung ihres Aufwands für die Verbesserung der Entwässerungseinrichtung. Als Verbesserungsmaßnahmen sind in § 1 Abs. 1 Satz 2 VES-EWS genannt der Neubau der Kläranlage … sowie einer Belebungsanlage, der Rückbau der Kläranlage …, der Bau eines Abwasserpumpwerks sowie der Bau einer Druckleitung von der bisherigen Kläranlage … zur Kläranlage …, um die Ortsteile … und … an die neue Kläranlage anzuschließen. In § 1 Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 VES-EWS werden diese Maßnahmen detailliert umschrieben. Gemäß § 1 Abs. 2 VES-EWS ist die örtliche Belegenheit der Maßnahmen aus drei Bestandslageplänen, die der Satzung als Anlagen beigefügt und Bestandteil der Satzung sind, ersichtlich. Maßstab für die Berechnung des Verbesserungsbeitrags sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1 VES-EWS die Grundstücksfläche sowie die Geschossfläche der vorhandenen Gebäude. Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 VES-EWS ist die Geschossfläche nach den Außenmaßen der Gebäude in allen Geschossen zu ermitteln. Balkone, Loggien und Terrassen bleiben gemäß § 5 Abs. 2 Satz 7 VES-EWS außer Ansatz, wenn und soweit sie über die Gebäudefluchtlinie hinausragen.
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Mit Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2020, dem Kläger am 21. Oktober 2020 persönlich übergeben, wurde der Kläger für das Grundstück … Straße 10 zu einem Verbesserungsbeitrag in Höhe von 2.169,24 EUR herangezogen, wobei auf den Grundstücksflächenbeitrag 277,24 EUR und auf den Geschossflächenbeitrag 1.892 EUR entfielen. Gemäß dem dem Bescheid beigefügten Aufmaßblatt wurde der Berechnung eine Grundstücksfläche von 956 m² und eine Geschossfläche (nur) für das Hauptgebäude von jeweils 137,70 m² (12,75 m x 10,8 m) für Keller-, Erd- und Obergeschoss, insgesamt 413,10 m², zugrunde gelegt.
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Mit Schreiben vom 18. November 2020, bei der Beklagten am 19. November 2020 eingegangen, legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein. Nach Nichtabhilfe und Vorlage des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde wies das Landratsamt … mit Bescheid vom 30. April 2021, dem Kläger am 3. Mai 2021 zugestellt, den Widerspruch zurück. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
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Der Kläger hat mit Schreiben vom 2. Juni 2021, eingegangen bei dem Verwaltungsgericht München am gleichen Tag, Klage gegen die Beklagte sowie das Landratsamt … erhoben. Er beantragt zuletzt,
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den Bescheid vom 20. Oktober 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes … vom 30. April 2021 aufzuheben.
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Zur Begründung wird vorgetragen, es sei im Hinblick auf die Entwässerungseinrichtung der Ortschaft … kein Aufwand angefallen, der über einen Verbesserungsbeitrag gedeckt werden müsse. Im Gemeindegebiet der Beklagte gebe es mindestens zwei Entwässerungssysteme, die nicht verbunden seien. Die Entwässerungseinrichtung … / … sei von der Einrichtung … getrennt. Sofern zur Verbesserung der Entwässerungseinrichtung der Ortschaften … oder … Aufwand angefallen sein sollte, lehne der Kläger als „…“ jede Beteiligung an diesen Kosten ab. Eigentliche Ursache der Erhebung ihm gegenüber sei die Auseinandersetzung mit der Beklagten wegen des Eigentums am Grundstück Fl.Nr. …, Gemarkung … Er sei nicht Eigentümer dieses Grundstücks, sondern lediglich Vermächtnisnehmer. Im Übrigen sei der Grundstücksflächenbeitrag in Höhe von 277,24 EUR rechtswidrig. Durch diesen würden Beiträge für Grundstücksflächen, die nicht an das Kanalnetz angeschlossen seien und die kein Wasser in den Kanal einleiteten, insbesondere für den (Obst-)Garten, erhoben. Schließlich handle es sich bei dem Neubau der Kläranlage in … nicht um eine Verbesserungsmaßnahme, sondern um die neue Erstellung einer Anlage.
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Die Beklagte beantragt,
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Der angefochtene Verbesserungsbeitragsbescheid sei rechtmäßig. Der Einwand des Klägers, sein Grundstück sei nicht an die Entwässerungsanlage … angeschlossen, sondern werde über die Entwässerungsanlage … entwässert, sei rechtlich nicht relevant. Es sei zwar zutreffend, dass die Entwässerungsanlagen für die genannten Ortsteile technisch nicht miteinander verbunden seien. Rechtlich bildeten jedoch auch technisch getrennte Anlagen nach Art. 21 Abs. 2 Satz 2 Gemeindeordnung (GO) grundsätzlich eine einheitliche Einrichtung. Die Beklagte habe in § 1 Abs. 1 EWS ferner ausdrücklich bestimmt, dass die Entwässerungsanlagen als Einrichtungseinheit für das gesamte Gemeindegebiet betrieben würden. Der Verbesserungsbeitrag könne nach der Geschoss- und der Grundstücksfläche erhoben werden, wobei es unerheblich sei, in welchem Umfang die Entwässerungseinrichtung vom Grundstückseigentümer tatsächlich in Anspruch genommen werde.
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Das Gericht hat mit Beschluss vom 4. Januar 2022 den gleichzeitig mit der Klage gestellten Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt (M 10 S 21.3050 – juris).
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In der mündlichen Verhandlung vom 20. Juli 2023 hat die Beklagte den im angefochtenen Bescheid festgesetzten Verbesserungsbeitrag auf 2.129,39 EUR reduziert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten (auch im Verfahren M 10 S 21.3050), insbesondere die klägerseits übermittelten Lichtbilder des Wohnhauses, sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist nicht begründet.
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1. Bei sachgerechter Auslegung des Begehrens des nicht anwaltlich vertretenen Klägers nach §§ 88, 86 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist die Klage als lediglich gegen die Beklagte gerichtet zu verstehen, auch wenn der Kläger in seiner Klageschrift sowohl die Beklagte als auch das Landratsamt … als „gemeinsam Beklagte“ benennt. Denn aus den gestellten Anträgen sowie deren Begründung ist erkennbar, dass Verfahrensgegenstand der Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … vom 30. April 2021 sein soll. Insofern ist jedoch (allein) die Beklagte passivlegitimiert gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO.
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2. Die Klage ist nicht begründet, da der angefochtene Bescheid vom 20. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2021 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Verbesserungsbeitrags mit Bescheid vom 20. Oktober 2020 ist die (wirksame) „1. Änderung“ der Verbesserungsbeitragssatzung der Beklagten vom 17. Dezember 2019. Diese setzt wiederum im Zeitpunkt des Abschlusses der Verbesserungsmaßnahme eine wirksame Beitragssatzung und eine wirksame Stammsatzung voraus. Denn der Anlagenbetreiber muss spätestens zum Zeitpunkt des Abschlusses der Verbesserungsmaßnahme über wirksames Satzungsrecht zur Erhebung von Herstellungsbeiträgen verfügen, sonst läge kein Verbesserungs-, sondern Herstellungsaufwand vor. Dann könnten keine Verbesserungs-, sondern lediglich Herstellungsbeiträge erhoben werden (vgl. nur: BayVGH, B.v. 20.9.2017 – 20 ZB 17.942 – juris Rn. 5). Darüber hinaus ist die Verbesserungsbeitragssatzung nur wirksam, wenn mit dem Zeitpunkt des Entstehens des Verbesserungsbeitrags auf Grundlage einer Verbesserungsbeitragssatzung eine neue Beitragssatzung mit neu kalkulierten (erhöhten) Beitragssätzen für die Neuanschließer vorhanden ist (vgl. BayVGH, U.v. 27.2.2003 – 23 B 02.1032 – juris Rn. 21).
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Im vorliegenden Fall lag im Zeitpunkt des Abschlusses der Verbesserungsmaßnahme im September 2019 mit der Entwässerungssatzung vom 18. März 2016 und der Beitrags- und Gebührensatzung vom 22. Dezember 2015 wirksames Satzungsrecht zur Erhebung von Herstellungsbeiträgen vor. Ferner verfügte die Beklagte im Zeitpunkt des Entstehens des (endgültigen) Verbesserungsbeitrags, hier mit dem Inkrafttreten der „1. Änderung“ der Verbesserungsbeitragssatzung vom 17. Dezember 2019, über eine neue Beitrags- und Gebührensatzung vom 17. Dezember 2019, die in ihrem Beitragsteil wirksam ist.
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aa) Die Entwässerungssatzung vom 18. März 2016 ist wirksam.
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Insbesondere ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte nach § 1 Abs. 1 EWS drei Entwässerungsanlagen als eine öffentliche Einrichtung (Einrichtungseinheit) betreibt. Nach Art. 21 Abs. 2 Satz 1 GO können – wie hier – mehrere technisch selbständige Anlagen einer Gemeinde eine Einrichtung bilden. Die Beklagte hat dies auch explizit in ihrer Satzung geregelt (Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GO).
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Darüber hinaus begegnet die Regelung in § 4 Abs. 5 Satz 1 EWS keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EWS besteht unbeschadet des Absatzes 4 ein Anschluss- und Benutzungsrecht für Niederschlagswasser nicht, wenn durch die Gemeinde im Einvernehmen mit dem Wasserwirtschaftsamt festgestellt ist, dass die Versickerung auf dem Grundstück (Nr. 1), oder die Beseitigung des Niederschlagswassers durch Einleitung in ein oberirdisches Gewässer im Rahmen des wasserrechtlichen Gemeingebrauchs nach den Regeln der Technik ordnungsgemäß möglich ist (Nr. 2).
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Zwar könnte die Formulierung in § 4 Abs. 5 Satz 1 EWS, die neben der Versickerung explizit nur auf die „Beseitigung des Niederschlagswassers durch Einleitung in ein oberirisches Gewässer“ abstellt, dahingehend verstanden werden, dass dadurch der verfassungsrechtlich gebotene Ausschluss des Benutzungsrechts bei Niederschlagswasserversickerung (vgl. hierzu: BayVerfGH, Entscheidung v. 10.11.2008 – 4 – VII – 06 – juris) in unzulässiger Weise eingeschränkt wird. Dies wäre der Fall, wenn der Begriff „Versickerung“ so definiert würde, dass er sich auf einen aufgrund der Bodenverhältnisse möglichen natürlichen Vorgang ohne Einsatz technischer Bauwerke, also ohne Rigolen oder Sickerschächte, bezieht, und „die Beseitigung von Niederschlagswasser“ dagegen auf den Einsatz von technischen Bauwerken wie z.B. Sickerschächte oder Rigolen bezogen wäre (zu diesem Verständnis: Thimet, Kommunalabgabenrecht in Bayern, Teil IV, Art. 5, Abschnitt A, Frage 9, Stand: April 2011, Nrn. 4.5.1 und 4.5.2). Denn bei einem solchen Begriffsverständnis würde aufgrund der vorliegenden Formulierung des § 4 Abs. 5 Satz 1 EWS die Versickerung über Bauwerke (Sickerschächte oder Rigolen) in das Grundwasser nicht dem Ausschluss des Benutzungsrechts unterfallen.
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Aber die Kammer teilt dieses enge Begriffsverständnis des Tatbestandsmerkmals „Versickerung“ nicht. Nach wasserrechtlichem und allgemeinem Verständnis kann dieses Tatbestandsmerkmal auch bei einem Einsatz von technischen Bauwerken einschlägig sein. Einer (unzulässigen) Einschränkung des verfassungsrechtlich gebotenen Ausschlusses des Benutzungsrechts bei Niederschlagswasserversickerung kann damit durch eine entsprechende Auslegung dieses Merkmals begegnet werden. Im Wasserrecht meint der Begriff des „Versickerns“ die Zuführung von (meist vorgeklärtem) Abwasser in wasserdurchlässige kies- oder sandhaltige Bodenschichten. Das Wasser soll von dort nach einer natürlichen Reinigung dem Grundwasser zufließen (vgl. Ganske in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 100. EL Januar 2023, § 54 WHG Rn. 44; Schulz in Giesberts/Reinhardt, BeckOK Umweltrecht, 66. Ed. 1.4.2023, § 54 WHG Rn. 21). Auch nach allgemeinem Sprachgebrauch wird der Begriff „Versickern“ unterschiedslos auf Maßnahmen mit und ohne Einsatz von technischen Bauwerken angewandt (vgl. die Definition im Duden: „sickernd im Untergrund (besonders in der Erde) verschwinden“, https://www.duden.de/rechtschreibung/versickern abgerufen am 21.7.2023).
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bb) Die Beitrags- und Gebührensatzung vom 22. Dezember 2015 begegnet in ihrem Beitragsteil weder formellen noch materiell-rechtlichen Bedenken.
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cc) Das gilt ebenso für die Beitrags- und Gebührensatzung vom 17. Dezember 2019, die über neu kalkulierte, erhöhte Beitragssätze für die Neuanschließer (§ 6) verfügt.
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dd) Die „1. Änderung“ der Verbesserungsbeitragssatzung vom 17. Dezember 2019 ist formell und materiell wirksam.
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Auch wenn diese Satzung als „1. Änderung“ bezeichnet wird, handelt es sich nicht um eine Änderungssatzung, sondern um einen kompletten Neuerlass der Verbesserungsbeitragssatzung, so dass es vorliegend auf die Wirksamkeit der Verbesserungsbeitragssatzung vom 6. Juni 2016 nicht entscheidungserheblich ankommt. Denn die Beklagte hat mit der Satzung vom 17. Dezember 2019 die Verbesserungsbeitragssatzung vollständig neu erlassen, nicht nur einzelne Regelungen geändert. Zudem tritt durch diese Satzung die (angeblich zu ändernde) Verbesserungsbeitragssatzung vom 6. Juni 2016 außer Kraft (vgl. Auszug aus der Niederschrift über die öffentliche Sitzung des Gemeinderats der Beklagten vom 16.12.2019).
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Mit der Verbesserungsbeitragssatzung vom 17. Dezember 2019 werden in zulässiger Weise Beiträge für Verbesserungsmaßnahmen erhoben. Verbesserungsmaßnahmen sind Maßnahmen zur Hebung der Qualität und Leistungsfähigkeit, insbesondere zur Erhöhung der Wirkungskraft einer schon vorhandenen Einrichtung, wozu auch Erneuerungsmaßnahmen an bereits vorhandenen Anlagen gehören, die sich nach der Verkehrsauffassung positiv auf die Gesamtanlage auswirken (vgl. BayVGH, U.v. 27.2.2003 – 23 B 02.1032 – juris Rn. 22). Bei der Frage der Zweckmäßigkeit der Verbesserungsmaßnahme hat der Einrichtungsträger einen weiten Beurteilungsspielraum (BayVGH, U.v. 24.2.2005 – 23 N 04.1291 – juris Rn. 37). Der Neubau einer Kläranlage (und der Rückbau der alten) ist grundsätzlich eine Verbesserung, wenn die alte Kläranlage unzulänglich geworden ist (vgl. Nitsche, Baumann, Mühlfeld, Satzungen zur Abwasserbeseitigung, Stand: März 2023, Teil 3, Nr. 30.01 zu § 1 VBS, 2 c). Die neue Kläranlage muss über eine erhöhte Wirkungskraft verfügen bzw. eine bessere Reinigungsstufe haben (s. BayVGH, B.v. 14.1.2004 – 23 ZB 03.3115 – BeckRS 2004, 34119; Stadlöder/Wirths in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, 22. EL November 2021, Art. 5 KAG Rn. 67; Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Stand: Juni 2022, Teil IV, Frage 20, Nr. 2.2.3).
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Gemessen an diesen Maßstäben stellen vorliegend der Neubau der Kläranlage in … sowie der Rückbau der alten Kläranlagen in … und … Verbesserungsmaßnahmen dar. Ausgehend von den von der Beklagten vorgelegten Sitzungsunterlagen des Gemeinderats ergibt sich, dass die Kapazität der neuen Kläranlage höher ist, da die zwei Kläranlagen bisher auf 3.630 Einwohnerwerte ausgelegt waren, die neue Kläranlage jedoch auf 6.000 Einwohnerwerte. Die durchgeführten Abwasseruntersuchungen zeigen zudem, dass die alte Kläranlage nicht mehr ausreichend war. Darüber hinaus sind nach den Sitzungsunterlagen auch höhere Anforderungen an die Reinigungsleistung betreffend die Stickstoff- und Phosphatelimination umgesetzt worden.
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Die weiteren in § 1 Abs. 1 VES-EWS beschriebenen Maßnahmen stellen ebenso Verbesserungsmaßnahmen dar. Sie sind dort auch ausreichend detailliert und bestimmt beschrieben, zumal Bestandslagepläne zur Bestimmung der örtlichen Belegenheit der Maßnahmen nach § 1 Abs. 2 VES-EWS Bestandteil der Satzung sind. Auch wenn einige der in § 1 Abs. 1 VES-EWS aufgezählten Maßnahmen nicht unmittelbar dem Neubau der Kläranlage oder dem Rückbau der alten Kläranlagen dienen (z.B. Neubau des Betriebsgebäudes, Außenanlagen mit Umzäunung), sind diese dennoch als Verbesserungsmaßnahmen anzusehen. Sie sind wegen des Neubaus der Kläranlage und des Rückbaus der alten Anlagen erforderlich geworden und damit als deren unmittelbare „Folgemaßnahmen“ ebenso Verbesserungsmaßnahmen (s. zum Neubau eines Betriebsgebäudes: Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Stand: Juni 2022, Teil IV, Frage 20, Nr. 2.2.1).
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Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei den durchgeführten Maßnahmen nicht um eine (Neu) Herstellung der Einrichtung. Eine solche läge nur vor bei einer grundlegenden Umgestaltung der Einrichtung, so dass nach der Verkehrsauffassung eine neue Einrichtung entsteht (s. Nitsche, Baumann, Mühlfeld, Satzungen zur Abwasserbeseitigung, Stand: März 2023, Teil 3, Nr. 30.01 zu § 1 VBS, 1 c). Hier wurde zwar die Kläranlage in … vollständig neu gebaut. Aber dieser (isolierte) Neubau ist bei einer Gesamtbetrachtung der Entwässerungseinrichtung, die aus drei technisch getrennten Anlagen besteht, nicht als Neuerrichtung der Einrichtung zu verstehen. Denn sowohl das Kanalnetz als auch die Kläranlage im Ortsteil … sind nicht erneuert worden.
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Ebenso hat die Beklagte, anders als der Kläger meint, in nicht zu beanstandender Weise den beitragsfähigen Verbesserungsaufwand auf alle Grundstücke im gesamten Gemeindegebiet verteilt, auch wenn nicht alle Grundstücke, z.B. diejenigen im Ortsteil …, unmittelbar von der Verbesserung profitieren. Denn es ist in der Rechtsprechung inzwischen geklärt, dass bei mehreren technisch getrennten, aber rechtlich einheitlichen Anlagen jede Verbesserung eines Einrichtungsteils notwendig auch eine Verbesserung der Gesamteinrichtung bedeutet. Die Grundstückseigentümer bilden insoweit eine Solidargemeinschaft (vgl. hierzu grundlegend: BayVGH, U.v. 18.2.1998 – 23 B 97.2810 – juris).
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Die Kosten des Verbesserungsaufwands hat die Beklagte gleichmäßig auf die Neuanschließer (über den erhöhten Beitrag gemäß der BGS-EWS 2019) und auf die Altanschließer (über den Verbesserungsbeitrag) verteilt, da sie 50% des Aufwands über den Verbesserungsbeitrag umgelegt hat (§ 6 Abs. 1 VES-EWS). Der gewählte Beitragsmaßstab führt auch nicht zu einer Ungleichbehandlung der Alt- und der Neuanschließer, da der Beitragsmaßstab in der Beitrags- und Gebührensatzung vom 17. Dezember 2019 und in der Verbesserungsbeitragssatzung vom 17. Dezember 2019 identisch ist (jeweils § 5 Abs. 1).
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b) Der formell rechtmäßige Bescheid vom 20. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2021 ist – jedenfalls aufgrund der Reduzierung des Beitrags in der mündlichen Verhandlung – materiell rechtmäßig. Die Beklagte hat die Regelungen der Verbesserungsbeitragssatzung vom 17. Dezember 2019 zutreffend auf den konkreten Fall angewandt. Insoweit wird auf die Ausführungen im Beschluss der Kammer vom 4. Januar 2022 (M 10 S 21.3050 – juris Rn. 25 ff.) Bezug genommen. Insbesondere bleibt es nach Durchführung der mündlichen Verhandlung und unter Berücksichtigung der klägerseits vorgelegten Lichtbilder des Wohnhauses bei der Annahme im Eilbeschluss, dass sich auf Erdgeschossniveau des Wohnhauses eine Terrasse sowie im Obergeschoss ein Balkon befinden, die innerhalb der Gebäudefluchtlinie liegen und damit beitragsfähig sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, Satz 7 VES-EWS). Ob der Gebäuderücksprung im Kellergeschoss beitragsfähig ist, bedarf keiner Entscheidung mehr, da die Beklagte in der mündlichen Verhandlung diese Fläche aus der beitragspflichtigen Geschossfläche ausgenommen und den Verbesserungsbeitrag entsprechend (um 39,85 EUR) auf 2.129,39 EUR reduziert hat.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung fußt auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.