Titel:
Bundespolizistin, Verwendungsbreite, Anerkennung einer Verwendung, Wahrnehmung mit Wissen und Wollen des Dienstherrn, fehlende Dauer der Verwendung wegen Dienstunfähigkeitszeiten
Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
BLV § 46
Schlagworte:
Bundespolizistin, Verwendungsbreite, Anerkennung einer Verwendung, Wahrnehmung mit Wissen und Wollen des Dienstherrn, fehlende Dauer der Verwendung wegen Dienstunfähigkeitszeiten
Fundstelle:
BeckRS 2023, 25272
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Die 1971 geborene Klägerin steht als Polizeihauptkommissarin (Ernennung zum 27.04.2015) im Dienste der Beklagten. Anlässlich eines Stellenbesetzungsverfahrens im Jahre 2016 wurde ihr von der Beklagten mitgeteilt, sie erfülle nicht die notwendigen Anforderungen, da sie keine drei Verwendungen in unterschiedlichen Bereichen gemäß Ziffer 9.1.2.3 Personalentwicklungskonzept der Bundespolizei (PEK), davon mindestens eine auf einem Dienstposten der Bewertung nach BesGr. A 10-12 BBesO, erfülle.
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Mit Schreiben vom 08.06.2021 beantragte die Klägerin die „Verschriftung der Tätigkeit“ innerhalb der Stabsstelle Controlling/Coaching im Bundespolizeiausbildungs- und -förderzentrum O. im Rahmen des PEK.
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Mit Schreiben vom 01.11.2021 teilte die Bundespolizeiakademie der Klägerin mit, dass ihre Umsetzung zu Stabsstelle Controlling und Öffentlichkeitsarbeit nicht durchgeführt und dementsprechend nicht personalwirtschaftlich verfügt worden sei. Es könnten lediglich solche Tätigkeiten als Verwendungsbreite gem. Ziffer 9.1.2.3 und der dazugehörigen Anlage des PEK anerkannt werden, die durch die personalführende Stelle verfügt worden seien. Vor diesem Hintergrund werde der Antrag auf rückwirkende Beauftragung abgelehnt.
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Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, das Bundesverwaltungsgericht habe entschieden, für eine Erprobung reiche es aus, dass der Beamte mit Wissen und Wollen des Dienstherrn eine Stelle innehabe. Übertragen auf die vorliegende Konstellation bedeute dies, dass allein auf das tatsächliche Tätigwerden des Beamten abzustellen sei und eine förmliche Übertragung des Dienstpostens nicht notwendig sei.
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Die Bundespolizeiakademie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2022 als unbegründet zurück. Der Einsatz der Klägerin in der Stabsstelle sei nicht mit Wissen und Wollen des Dienstherrn erfolgt, weil der personalverwaltenden Stelle diese mögliche Verwendung gar nicht bekannt gewesen sei. Zudem habe die erforderliche Zustimmung der Gremien nicht vorgelegen. Die Beteiligung der Gremien sei zwingend erforderlich. Der Gesamtpersonalrat habe einer Beauftragung auch nicht rückwirkend zustimmen können, da im Vorfeld keine Ausschreibung erfolgt sei. Eine Umsetzung in die Stabsstelle Controlling sei daher nicht durchgeführt worden.
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Hiergegen hat die Klägerin am 20.01.2023 Klage erhoben. Die Verwendung der Klägerin in der Stabsstelle Controlling sei mit Wissen und Wollen des Dienststellenleiters des Bundespolizeiausbildungs- und -fortbildungszentrums (BPAFZ) erfolgt, der die Klägerin im Anschluss einer Verwendung im Sachbereich Personal in die Stabsstelle umgesetzt habe. Entsprechend sei die Klägerin ab dem 21.10.2019 auf Geheiß des Dienststellenleiters dort verwendet worden. Das Sachgebiet Personal der Bundespolizeiakademie sei hierüber in Kenntnis gesetzt worden. Die Klägerin habe auch bereits vom 20. bis 22.11.2019 an einer Zusammenziehung der Sachbearbeiter für Disziplinarangelegenheiten teilgenommen. Im Zuge dessen sei die Klägerin auch als neue Mitarbeiterin in diesem Tätigkeitsfeld den anderen Dienststellen vorgestellt worden. Auch habe die Klägerin permanent mit den entsprechenden Sachgebieten in der Bundespolizeiakademie kommuniziert. Der Dienststellenleiter haben auch über die Organisationsgewalt bis zu den Posten A 10-12 verfügt und habe durch den Einsatz der Klägerin für eine aufgabenadäquate Umsetzung innerhalb seines Zuständigkeits- und Verantwortungsbereichs gesorgt. Die Beklagte habe daher sehr wohl Kenntnis über die Verwendung der Klägerin gehabt. Soweit die personalverwaltende Stelle diese Kenntnis tatsächlich erst später erlangt haben sollte, sei dies als Organisationsverschulden der Klägerin nicht zuzurechnen. Auch habe der Einsatz der Klägerin keine beteiligungspflichtige Personalmaßnahme dargestellt, durch die auch Rechte Dritter nicht verletzt worden seien. Auch der Einsatz der Klägerin im Sachgebiet Personal sei ohne vorherige Ausschreibung erfolgt. Der örtliche Personalrat sei vom Dienststellenleiter informiert worden. Eine rückwirkende Beauftragung der Klägerin würde nur dazu führen, dass der von der Beklagten als notwendig erachtete Status formell verfestigt würde. Dadurch würden sich keine Auswirkungen auf Dritte ergeben. Die Wiedereingliederung der Klägerin im September 2021 habe ebenfalls in der Stabsstelle Controlling stattgefunden. Die Krankheitszeiten dürften zudem nicht in Abzug gebracht werden, weil dies bei anderen Mitkonkurrenten ebenfalls nicht erfolgt sei. Schließlich reiche auch die verbliebene Zeit in der Stabsstelle Controlling von ca. acht Monaten für die Anerkennung einer Verwendung aus.
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Die Klägerin beantragt,
Die Beklagte wird verpflichtet, die ab dem 19.10.2019 wahrgenommene Tätigkeit in der Stabsstelle Controlling/Coaching/Öffentlichkeitsarbeit als Verwendung im Sinne des Personalentwicklungskonzepts der Bundespolizei (PEK) anzuerkennen und den Bescheid vom 01.11.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.12.2022 aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.
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Die Bundespolizeiakademie beantragt für die Beklagte,
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Die Klägerin verfüge über zwei Verwendungen im Sinne des PEK. Vom 01.09.2007 bis 30.09.2010 sei sie als Lehrkraft am BPAFZ tätig gewesen. Vom 01.10.2010 bis 31.05.2016 sei eine 100% Freistellung als Personalrätin erfolgt, was nicht als Verwendung im Sinne des PEK anerkannt werde und vom 06.06.2016 bis 01.10.2019 sei die Klägerin als Sachbearbeiterin im Sachgebiet Personal eingesetzt gewesen, was eine zweite Verwendung darstelle. Seit dem 19.10.2019 führe die Klägerin eine „angebliche Tätigkeit als Sachbearbeiterin in der Stabsstelle Controlling“ an. Eine personalwirtschaftliche Umsetzung sei jedoch zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Eine Umsetzung durch den Dienststellenleiter könne nicht erfolgt sein, da dieser keine personalverwaltende Stelle sei und auch keine personelle Organisationsgewalt besitze. Auch fehle es an einer erforderlichen Ausschreibung der Funktion und der erforderlichen Zustimmung des Gesamtpersonalrates. Der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts liege ein anderer Sachverhalt zugrunde, da im dortigen Fall eine Ausschreibung sowie eine Auswahlentscheidung und Zustimmung des Personalrates erfolgt sei. Dies sei im vorliegenden Fall alles nicht erfolgt. Zudem sei die Klägerin seit dem 18.06.2020 dauerhaft erkrankt und habe sich erst seit dem 17.06.2022 wieder im Dienst befunden. Eine Verwendung sei damit jedenfalls nicht von ausreichender Länge gewesen, da die Klägerin seit dem 17.06.2022 auf einem anderen Dienstposten eingesetzt sei, auf den sie seit dem 01.12.2022 dauerhaft umgesetzt worden sei.
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Weitere Anträge auf rückwirkende Beauftragung und Feststellung nahm die Klägerin in der mündlichen Verhandlung zurück.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 22.08.2023, in der die Kammer Beweis erhoben hat, verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Gegenstand des Urteils ist allein der von der Klägerin im Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 24.05.2023 zunächst als Klageantrag zu 2 angekündigte Antrag, die Beklagte zu verpflichten, die ab dem 19.10.2019 wahrgenommene Tätigkeit in der Stabsstelle Controlling/Coaching/Öffentlichkeitsarbeit als Verwendung im Sinne des Personalentwicklungskonzepts für die Bundespolizei (PEK) anzuerkennen und den Bescheid vom 01.11.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2022 aufzuheben, soweit er dieser Verpflichtung entgegensteht.
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Die im genannten Schriftsatz angekündigten Anträge zu 1 (Verpflichtung zur rückwirkenden Beauftragung) sowie zu 3 (Feststellung, dass die Tätigkeit eine Verwendung darstellt) hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt, sondern zurückgenommen. Daher hat sich das Verfahren insoweit erledigt, ohne dass es eines ausdrücklichen Einstellungsbeschlusses bedarf.
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Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die von ihr tatsächlich wahrgenommene Tätigkeit in der Stabsstelle Controlling/Coaching/Öffentlichkeitsarbeit im Bundesaus- und -fortbildungszentrum O. als weitere Verwendung im Sinne des Personalentwicklungskonzepts für die Bundespolizei anerkannt wird. Der angefochtene ablehnende Bescheid vom 01.11.2021 sowie der diesen bestätigende Widerspruchsbescheid vom 21.12.2022 erweisen sich daher im Ergebnis als rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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Gemäß Ziffer 9.1.2.3 PEK werden alle Dienstposten mit einer Endbewertung nach A 13 im Sinne eines konstitutiven Anforderungsmerkmals nur vergeben, wenn zuvor nach Abschluss der laufbahnrechtlichen Probezeit mindestens drei Verwendungen von je mindestens zwei Jahren in unterschiedlichen Bereichen gemäß der Anlage zu Ziffer 9.1.2.3 durchlaufen wurden. Nach der Rechtsprechung genügt das Personalentwicklungskonzept der Bundespolizei grundsätzlich den Anforderungen des Art. 33 Abs. 2 GG (OVG NRW, B.v. 22.02.2023 – 1 B 612/22 – juris Rn 37; BayVGH, B.v. 10.08.2021 – 6 CE 21.1006 – juris Rn 13) und steht auch im Einklang mit § 46 Abs. 2 Nr. 7 BLV, wonach ein die „Fähigkeiten und Kenntnisse erweiternder regelmäßiger Wechsel der Verwendung“ zu fördern ist. Das PEK stellt ein im Organisationsermessen des Dienstherrn stehendes Mittel der Personalentwicklung und -planung dar (vgl. § 46 Abs. 1 Satz 1 BLV). Ein derartiges Konzept sorgt für ein transparentes Beförderungssystem, indem den Bediensteten im Voraus die Voraussetzungen und damit auch die eigenen Möglichkeiten aufgezeigt werden, unter denen berufliches Fortkommen gelingen kann. Der Begriff des Wechsels der Verwendung ist hinreichend bestimmt, weil die unterschiedlichen Verwendungsbereiche in Ziffer 9.1.2.3 des Personalentwicklungskonzeptes im Einzelnen aufgelistet sind. Das Konzept genügt den Anforderungen des Art. 33 GG und kann zur Grundlage einer späteren Beförderungsentscheidung gemacht werden, weil die im Personalentwicklungskonzept genannten Voraussetzungen grundsätzlich von jedem entsprechend qualifizierten Bediensteten erfüllt werden können, indem die für ein Fortkommen erforderlichen Stellen (Verwendungen) regelmäßig durch Ausschreibungen vergeben werden (vgl. BVerwG, B.v. 25.10.2011 – 2 VR 4.11 – juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 25.08.2017 – 6 CE 17.1550 – juris Rn. 14). Es besteht daher für jeden entsprechend qualifizierten Beamten des gehobenen Polizeivollzugsdienstes die Möglichkeit, die geforderte Verwendungsbreite zu erlangen (vgl. auch NdsOVG, B.v. 27.07.2017 – 5 ME 23.17 – juris Rn. 24).
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Der Begriff der „Verwendung“ ist weder im PEK noch gesetzlich definiert. Er beschreibt die konkrete Funktion, die ein Beamter wahrnimmt, bzw. die konkrete Stelle, auf der er eingesetzt wird. Die dem PEK zu entnehmende Anforderung dreier Vorverwendungen zielt auf einen Nachweis der Verwendungsbreite und damit prognostisch auf die Eignung für eine Vielzahl von Verwendungen ab, die im gehobenen Polizeivollzugsdienst mit dem angestrebten Statusamt typischerweise verbunden seien. Es soll sichergestellt werden, dass nur Beamtinnen und Beamte mit hinreichender Führungs- und Verwendungserfahrung diese verantwortungsvollen Funktionen wahrnehmen und möglichst schnell in die neuen Führungsaufgaben hineinwachsen, um so ihrem Auftrag zur Gewährleistung der inneren Sicherheit bestmöglich gerecht zu werden. Die beruflichen Verwendungen des Bewerbers sollten erkennen lassen, dass er breit gefächerte Interessen habe und sich zügig auf im Rahmen der dienstlichen Führungstätigkeit ergebende Veränderungen und neue Fragestellungen, insbesondere in zu führenden Einsatzlagen, einstellen könne.
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Die Klägerin hat unstreitig zwei Verwendungen vorzuweisen: Vom 01.09.2007 bis 30.09.2010 als Lehrkraft und vom 06.06.2016 bis 01.10.2019 als Sachbearbeiterin Personal.
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Die Anerkennung der Zeit vom 01.10.2010 bis 31.05.2016 als freigestellte Personalrätin als weitere Verwendung hat die Klägerin im Rahmen eines Konkurrentenstreitverfahrens verfolgt, die Klage aber wegen Chancenlosigkeit zurückgenommen (W 1 K 17.179). Die Kammer hatte damals die Auffassung vertreten, die Tätigkeit als Personalrätin sei durchaus als weitere Verwendung anzuerkennen. Hierüber ist im Rahmen des jetzigen Streitgegenstands allerdings nicht zu entscheiden.
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Ab dem 19.10.2019 bis 18.06.2020 hat die Klägerin zur vollen Überzeugung des Gerichts tatsächlich Dienst in der Stabsstelle Controlling geleistet und war dann vom 19.06.2020 bis 31.08.2021 erkrankt. Vom 01.09.2021 bis 22.09.2021 fand der Versuch der Wiedereingliederung wiederum in der Stabsstelle Controlling statt, dem sich eine erneute Erkrankung vom 23.09.2021 bis 17.06.2022 (Empfehlung des Polizeiärztlichen Dienstes für die Wiedereingliederung v. 17.06.2022: keine Tätigkeit im Organisationsbereich BPOLAFZ O.*) anschloss. Seitdem ist sie seit dem 07.06.2022 auf einem anderen Dienstposten im BPOLAFZ B. eingesetzt.
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Hiervon ausgehend handelte es sich bei dem ab dem 19.10.2019 begonnenen Einsatz der Klägerin in der Stabsstelle Controlling um eine Verwendung im Sinne von Ziffer 9.1.2.3 PEK. Die Klägerin war während dieses Einsatzes in einem anderen Bereich eingesetzt als zuvor und dort in anderer Funktion tätig.
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Der Einordnung des Einsatzes der Klägerin in der Stabsstelle Controlling als Verwendung im Sinne von Ziffer 9.1.2.3 PEK steht auch nicht entgegen, dass diesem keine förmliche Beauftragung, befristete Umsetzung oder sonstige Verfügung der personalverwaltenden Stelle zugrunde lag. Zwar trifft die Entscheidung über die konkrete Verwendung eines Beamten in der Regel die hierfür zuständige Stelle des jeweiligen Dienstherrn im Rahmen ihres Organisationsermessens. Das dürfte im vorliegenden Fall die Bundespolizeiakademie Lübeck sein. Da sich in der Personalakte gerade keine Verfügung dieser Dienststelle befindet, kann davon ausgegangen werden, dass die Dienststelle im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Klägerin in der Stabsstelle Controlling auch nicht aktiv tätig wurde. Allerdings steht aufgrund der Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Klägerin diese Tätigkeit mit „Wissen und Wollen“ des Dienstherrn ausgeführt hat. Der damalige unmittelbare Dienstvorgesetzte der Klägerin, PD W., hat glaubhaft dargelegt, für die Entscheidung, die Klägerin auf diesem Dienstposten einzusetzen, vom damaligen Präsidenten der Bundespolizeiakademie freie Hand bekommen zu haben, da der Amtsvorgänger der Klägerin auf diesem Dienstposten habe versetzt werden müssen. Der Einsatz der Klägerin auf diesem Dienstposten sei auch, so der Zeuge weiter, mündlich bzw. fernmündlich an die personalverwaltende Stelle in L. kommuniziert worden, allerdings unter Umständen aufgrund eines Personalengpasses in der örtlichen Personalverwaltung mit einiger Verzögerung. Die personalverwaltende Stelle in Lübeck habe sich aber im Frühjahr 2020 geweigert, die Beauftragung der Klägerin rückwirkend auszusprechen.
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Hierauf kann es indes nicht ankommen, da das Versäumnis, die Verwendung der Klägerin in der Stabsstelle Controlling zu „formalisieren“ und in der Personalakte zu dokumentieren, nicht dazu führen kann, dass jene Verwendung zulasten der Klägerin als „nicht existent“ anzusehen ist. Der Zeuge hat vielmehr glaubhaft ausgeführt, die Klägerin habe die Aufgaben tatsächlich und zu seiner Zufriedenheit ausgeführt. Er sei mit ihrer Arbeit sehr zufrieden gewesen. Es wäre hier auch die Pflicht des Dienstvorgesetzten gewesen, die von ihm veranlasste fortgesetzte „Umverteilung“ der Klägerin der personalverwaltenden Stelle nicht nur mitzuteilen, sondern auch darauf zu dringen, dass dies entsprechend in der Personalakte vermerkt wird. Falls er dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, ist dies nicht der Klägerin anzulasten, sondern muss sich die Beklagte zurechnen lassen (ebenso NdsOVG, B.v. 20.09.2022 – 5 ME 26/22 – juris Rn 30). Zudem müsste die personalverwaltende Stelle zumindest ausweislich der Beurteilung vom 16.01.2020 Kenntnis über den Einsatz der Klägerin in der Stabsstelle gehabt haben. Diese Beurteilung enthält unter dem Punkt „Förderungs- und Verwendungsempfehlungen“ den Hinweis auf den Einsatz der Klägerin in der Stabsstelle Controlling und ist vom Stellvertreter des Präsidenten, LtdPD P., als Zweitbeurteiler mitgezeichnet. Auch wenn in der mündlichen Verhandlung nicht endgültig geklärt werden konnte, wann dieser Vermerk auf die Beurteilung gekommen ist, bleibt indes festzuhalten, dass es nicht im Verantwortungsbereich der Klägerin gelegen hat, ihren Einsatz in der Stabsstelle Controlling formal ordnungsgemäß umzusetzen.
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Darüber hinaus ist die einer Verwendung zugrundeliegende Organisationsentscheidung für die Frage, ob eine Verwendung vorliegt, nicht entscheidend, da es sich bei der Verwendung eines Beamten um etwas Faktisches handelt (vgl. NdsOVG, B.v. 27.07.2017 – 5 ME 23/17 – juris Rn. 32 ff.), so dass auch Zeiträume einer lediglich faktischen Verwendung als Verwendung im Sinne des PEK anzuerkennen sind. Eine solche Auslegung deckt sich auch mit der Rechtsprechung des BVerwG zur Frage der Erprobung auf einem höher bewerteten Dienstposten gemäß § 11 BLV, die vom Sinn und Zweck mit der im PEK geforderten Verwendungsbreite vergleichbar ist, so dass auch die gleichen Grundsätze Anwendung finden. Das BVerwG hat in einer Entscheidung vom 07.08.2001 (2 VR 1/01) ausgeführt, die Erprobung nach § 11 BLV setze keine zweckbestimmte und förmliche Übertragung des Dienstpostens voraus, da sich dies weder aus dem Wortlaut noch aus Sinn und Zweck der Vorschrift ergebe. Danach sei es für die Erprobung im Sinne des § 11 BLV ausreichend, wenn der Beamte mit „Wissen und Wollen“ des Dienstherrn einen Dienstposten innehabe, der nach seiner Zuordnung zu einem Amt im statusrechtlichen Sinne höher bewertet sei als das Statusamt, das dem Beamten übertragen sei (BVerwG, aaO, juris Rn. 18). Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer vollumfänglich an und zieht daraus bezogen auf die hier zu entscheidende Streitsache den Schluss, dass die Klägerin ab dem 19.10.2019 auf einem Dienstposten eingesetzt war, der für sie eine dritte Verwendung im Sinne des PEK darstellte. Ohne dass es darauf ankommt, sei der Hinweis erlaubt, dass das BVerwG entgegen dem Beklagtenvortrag gerade nicht eine Mitbestimmung des Personalrates für die Anerkennung einer Erprobung für notwendig erachtet. Der diesbezügliche Vortrag der Beklagten ist daher verwunderlich.
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Da allein auf die faktische Wahrnehmung der Aufgaben abgestellt wird, steht der Einordnung als Verwendung auch nicht entgegen, dass der Dienstposten in der Stabsstelle Controlling offenbar zuvor nicht ausgeschrieben worden war. Hierzu hat die Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, eine solche Ausschreibung erfolge grundsätzlich immer, bei einer reinen Umsetzung würden die Stellen aber auch teilweise nicht ausgeschrieben und auch der Personalrat nicht beteiligt. Bei dem Einsatz der Klägerin in der Stabsstelle Controlling handelte es sich aber zur Überzeugung der Kammer um eine solche Umsetzung, für die eine Mitbestimmung des Personalrats gemäß § 78 BPersVG nicht vorgesehen ist. Die Anerkennung der Verwendung würde auch nicht zu einer (ungerechtfertigten) Ungleichbehandlung gegenüber anderen Bewerbern führen. Im Gegenteil würde es eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung der Klägerin darstellen, ihre stattgefundene dienstliche Verwendung in der Stabsstelle Controlling als nicht existent zu behandeln.
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Das Verpflichtungsbegehren der Klägerin kann indes keinen Erfolg haben, weil sie die Tätigkeit wegen der lang andauernden Dienstunfähigkeit nur knapp neun Monate tatsächlich ausgeübt hat. Gemäß Ziffer 9.1.2.3 soll eine Verwendung in der Regel mindestens zwei Jahre, eine Verwendung im Ausland mindestens ein Jahr umfassen. Hiervon ist bei dienstlicher Begründung eine Abweichung möglich. Die Vertreterin der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung hierzu ausgeführt, es habe eine Sondersituation gegeben angesichts einer großen Zahl von Auszubildenden, so dass man in den südlichen Bundespolizeiausbildungszentren Fachkräfte angeworben habe mit der Möglichkeit, bereits nach einem Jahr diese Verwendung zu erhalten. Noch kürzere Zeiträume seien in der Vergangenheit jedoch nicht anerkannt worden, soweit dies ihr bekannt sei. Eine hiervon abweichende Praxis hat auch die Klägerin weder substantiiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt, so dass sich die Kammer von einer solchen abweichenden Praxis auch keine Überzeugung bilden kann. Auch hinsichtlich der Behandlung von Krankheitsfehlzeiten vermag die Kammer aus dem Vortrag der Beteiligten keine allgemeine Praxis der Beklagten abzuleiten, dass diese Fehlzeiten stets und unabhängig von der Dauer auf die Verwendungszeit anzurechnen seien. Der Zeuge konnte hierzu keine Angaben machen. Soweit die Klägerin ausführt, Krankheitsfehlzeiten seien bei der Verwendungszeit stets einberechnet worden, blieb auch dieser Vortrag insbesondere im Hinblick auf lange Fehlzeiten unsubstantiiert und bot keinen Anlass für die Kammer zu weiteren Nachforschungen. Da, wie oben ausgeführt, maßgebend auf die faktische Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe abzustellen ist, kann nicht unberücksichtigt bleiben, in welchem Verhältnis Anwesenheits- und Fehlzeiten zueinander stehen. Da die Beklagte in anderem Zusammenhang eine Verwendungszeit von einem Jahr als ausreichend angesehen hat, erscheint es angemessen, eine tatsächlich abgeleistete Dienstzeit von einem Jahr auch als untere Grenze dessen anzusehen, was im Rahmen der Ziffer 9.1.2.3 PEK noch als ausreichende Dauer für die Anerkennung einer Verwendung ausreichend ist. Aufgrund der Faktizität dieser Frage kann in diesem Zusammenhang auch keine Rolle spielen, ob die Dienstunfähigkeit auf dienstliche Einflüsse zurückzuführen ist, so dass sich für die Kammer auch insoweit kein Anlass für weitere Ermittlungen aufdrängte. Schließlich können auch die Ausführungen in Ziffer 6.6 des PEK, wonach auch längerfristig erkrankte Mitarbeiter zu unterstützen seien, aufgrund ihrer Allgemeinheit und Zielrichtung entgegen der Ansicht der Klägerin nicht dazu führen, Dienstunfähigkeitszeiten auf die Verwendung anzurechnen.
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Soweit die Beklagte in einem früheren Verfahren der Klägerin die Auffassung vertreten hat, bei der Anerkennung als Verwendung handele es sich um eine Ermessensentscheidung, geht diese Auffassung fehl. Soweit sowohl hinsichtlich der Zahl als auch hinsichtlich der Dauer der Verwendung Ziffer 9.1.2.3 die Formulierung „in der Regel“ beinhaltet, handelt es sich nicht um die Einräumung eines Ermessensspielraumes; vielmehr ist eine Soll-Vorschrift dahingehend zu verstehen, dass die Rechtsfolge für den Regelfall eintritt. Eine Soll-Vorschrift erlaubt also Abweichungen nur in atypischen Fällen. Ob ein solcher atypischer Fall vorliegt, ist gerichtlich voll überprüfbar (vgl. dazu Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 24. Aufl. 2023, Rn. 33 zu § 40). Die Kammer sieht sich daher gehindert, den angefochtenen Bescheid sowie den Widerspruchsbescheid aufzuheben, obwohl diese mit unzutreffender Begründung zu dem zutreffenden Ergebnis gekommen sind, dass die Verwendung der Klägerin in der Stabsstelle Controlling wegen nicht ausreichender Dauer nicht als Verwendung anerkannt werden kann.
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Die Klage war daher abzuweisen.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.