Titel:
Kein Vollstreckungsschutz bei Unfähigkeit zur Wohnungssuche oder Vorbereitung der Räumung
Normenkette:
ZPO § 765a
Leitsatz:
Auch wenn sich die Räumungsschuldnerin nicht an einer Wohnungssuche beteiligen oder eine Zwangsräumung vorbereiten kann, rechtfertigt dies eine Verlängerung einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht, zumal hierin keine Härte nach § 765a Abs. 1 ZPO zu sehen ist. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mietwohnung, Zwangsräumung, Vollstreckungsschutz, Härte, Wohnungssuche, Wohnungsmarkt, Räumungsvorbereitung
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 07.06.2023 – 1535 M 40647/23
Rechtsmittelinstanz:
BVerfG Karlsruhe, Beschluss vom 14.12.2023 – 2 BvR 1233/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 25214
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Schuldner gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 07.06.2023, Az. 1535 M 40647/23, wird zurückgewiesen.
2. Die Schuldner tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.465,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Schuldner wenden sich mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 14.06.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 07.06.2023, mit welchem ihr Antrag vom 31.05.2023, gerichtet auf die Gewährung von Räumungsschutz nach § 765 a Abs. 1, Abs. 4 ZPO in vollem Umfang zurückgewiesen worden ist.
2
Die Schuldner sind mit Endurteil des Amtsgerichts München vom 15.06.2022, Az. 461 C 6326/21, rechtskräftig zur Räumung und Herausgabe der verfahrensgegenständlichen Wohnung im Anwesen … verurteilt worden.
3
Mit Schriftsatz vom 06.05.2023 hat die Schuldnerpartei Antrag auf Vollstreckungsschutz gemäß § 765 a ZPO gestellt.
4
Die Zwangsvollstreckung ist mit Beschluss des Amtsgerichts München vom 17.05.2023 bis 31.08.2023 vollumfänglich einstweilen eingestellt worden.
5
Mit Schriftsatz vom 31.05.2023 haben die Schuldner beantragt, den vorgenannten Beschluss dahingehend abzuändern, dass die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung für die Dauer von sechs Monaten, mithin weiteren drei Monaten, angeordnet werde.
6
Mit Beschluss vom 07.06.2023 hat das Amtsgericht München den vorgenannten Antrag der Schuldner zurückgewiesen.
7
Hiergegen wendet sich die Schuldnerpartei im Wege der sofortigen Beschwerde vom 14.06.2023, ergänzend begründet mit Schriftsatz vom 17.07.2023.
8
Das Amtsgericht München hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Aktenvorlage bei dem Beschwerdegericht verfügt. Auf den diesbezüglichen Beschluss vom 04.07.2023 wird Bezug genommen.
9
Die sofortige Beschwerde der Schuldner gegen die Entscheidung des Amtsgerichts München vom 07.06.2023 ist zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
10
Die Entscheidung des Amtsgerichts, die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht weiter zu verlängern, ist nicht zu beanstanden.
11
Denn eine Änderung des erstgerichtlichen Beschlusses vom 07.06.2023 ist nicht veranlasst. Eine Änderung der Sachlage, die dies nach § 765 a Abs. 4 ZPO rechtfertigen würde, ist vorliegend nicht ersichtlich.
12
Insoweit ist zunächst auf die zutreffenden Erwägungen des Erstgerichts in dem angefochtenen Beschluss sowie auf die ebenfalls im Wesentlichen überzeugenden Gründe der Nichtabhilfeentscheidung Bezug zu nehmen.
13
Ergänzend ist lediglich auszuführen wie folgt:
14
Ohne Erfolg beruft sich die Schuldnerpartei insoweit auf den Gesundheitszustand der Schuldnerin zu 1).
15
Dabei verkennt das Beschwerdegericht mitnichten, dass die Schuldnerin zu 1) augenscheinlich insbesondere psychisch nicht unerheblich belastet ist. Nicht verkannt wird ferner die Problematik einer Ersatzwohnraumsuche im Bereich des Mietmarkts in und um M..
16
Weder der Bericht des Klinikums r. d. I., Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 14.06.2023 noch der Befundbericht des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie … vom 13.07.2023 veranlassen zu einer Abänderung der angefochtenen amtsgerichtlichen Entscheidung aufgrund geänderter Sachlage.
17
Der erstgenannte Bericht verhält sich weder zu den psychischen noch zu den physischen Folgen einer Zwangsräumung.
18
Der zweitgenannte Befundbericht geht auf die etwaigen Folgen einer Räumung ebenfalls nicht ein.
19
Soweit die Beschwerde vorbringt, die Schuldnerin zu 1) könne sich an einer Wohnungssuche nicht beteiligen oder eine Zwangsräumung vorbereiten, rechtfertigt dies die Verlängerung der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung ebenfalls nicht, zumal hierin keine Härte nach § 765 a Abs. 1 ZPO zu sehen ist. Im vorliegenden Fall ist dabei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin zu 1) nicht allein dafür verantwortlich ist, eine Wohnungssuche zu betreiben. Vielmehr obliegt dies gleichermaßen den beiden weiteren Schuldnern, die dabei ggf. auch gehalten sind, die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Ein intensives Bemühen der Schuldner zu 2) und zu 3) ist hier bereits weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
20
Im Übrigen scheint die Beschwerde in diesem Kontext die Voraussetzungen der Gewährung/Verlängerung einer Räumungsfrist nach § 721 Abs. 1, Abs. 3 ZPO einerseits und die Voraussetzungen der Gewährung von Vollstreckungsschutz nach § 765 a Abs. 1, Abs. 4 ZPO zu verkennen. Denn selbst wenn es den Schuldnern nicht mehr gelingen sollte, Ersatzwohnraum zu finden, würde dies voraussichtlich nicht zur Annahme einer Härte nach § 765 a ZPO führen. Der Verweis auf die – gerichtsbekannt – angespannte Lage am M. Wohnungsmarkt und die Problematik einer Ersatzwohnraumsuche (gerade auch) im August geht daher fehl. Sie ist auch deshalb unbehelflich, weil ein neuer Räumungstermin noch gar nicht bestimmt ist.
21
Nach alledem ist der sofortigen Beschwerde kein Erfolg beschieden.
22
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf der Summe der Nutzungsentschädigungen für den Zeitraum dreier Monate.
23
Bei Vollstreckungsschutzanträgen ist der Streitwert unter Berücksichtigung des Schuldnerinteresses nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Rspr. stellt insoweit grundsätzlich auf die Höhe der Nutzungsentschädigung bezüglich des Zeitraums ab, für den Vollstreckungsschutz begehrt wird (OLG Koblenz, Beschl.v. 25.1.2005 – 5 W 55/05, WuM 2005, 202 = NZM 2005, 360).
24
Dies ist hier der Zeitraum von (weiteren) drei Monaten (1.155,00 € × 3 Monate = 3.465,00 €).
25
Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen. Weder hat die Sache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, § 574 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 ZPO.