Inhalt

ArbG München, Beschluss v. 18.04.2023 – 40 BVGa 8/23
Titel:

Einstweiliges Verfügungsverfahren - Keine mitbestimmungspflichtige Regelung des "Ob" des mobilen Arbeitens in einer Betriebsvereinbarung

Normenketten:
ArbGG § 85 Abs. 2 S. 2
ZPO § 935, § 940
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 14
Leitsätze:
1. Es besteht kein Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten. Die Entscheidung „ob“ mobiles Arbeiten ermöglicht wird, liegt allein beim Arbeitgeber. Dem Betriebsrat steht für diese Entscheidung kein Mitbestimmungsrecht zu. (Rn. 72) (Rn. 85) (Rn. 91) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Betriebsrat steht allein bei der „Ausgestaltung“ des mobilen Arbeitens gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. (Rn. 115) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist der geltend gemachte Verfügungsanspruch zumindest zweifelhaft, jedenfalls nicht zweifelsfrei anzunehmen oder gar als nicht gegeben anzunehmen und kommt deswegen im Hauptsacheverfahren eine diesen Anspruch ablehnende Entscheidung in Betracht, so ist im Rahmen der Interessenabwägung für den geltend gemachten Anspruch in der Regel ein Verfügungsgrund abzulehnen. (Rn. 127) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei der Prüfung, ob ein Verfügungsgrund für die vom Betriebsrat beantragte einstweilige Verfügung vorliegt, ist auch zu berücksichtigen, dass die Arbeitgeberin wiederholt an den Betriebsrat mit Gesprächsangeboten herangetreten ist, dieser Verhandlungen aber abgelehnt und den verfolgten Anspruch auch noch nicht im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens gerichtlich anhängig gemacht hat. (Rn. 137 – 138) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliges Verfügungsverfahren, Unterlassungsanspruch, Betriebsvereinbarung, Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Home-Office, Mobiles Arbeiten, Ausgestaltung“ des mobilen Arbeitens
Rechtsmittelinstanz:
LArbG München, Beschluss vom 10.08.2023 – 8 TaBVGa 6/23
Fundstelle:
BeckRS 2023, 25054

Tenor

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über Fragen der Mitbestimmung im Bereich „Mobiles Arbeiten“.
2
Die Beteiligte zu 2. ist ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in A-Stadt und gehört zum globalen Versicherungskonzern der C. mit der Zentrale in A-Stadt.
3
Der Geschäftsbereich der Antragsgegnerin „A. R.“ bzw. „A. Re“ bietet Rückversicherungslösungen und -dienstleistungen für a.-interne OEs und Rückversicherungsschutz für externe Versicherungsgesellschaften an und ist ein Rückversicherer der C. Am Sitz in A-Stadt gibt es im Geschäftsbereich „A. Re“ derzeit rund 300 Beschäftigte.
4
Der Beteiligte zu 1. ist der bei der Beteiligten zu 2. gebildete Betriebsrat der A SE R. am Standort A-Stadt. Er wird vertreten durch die Betriebsratsvorsitzende F.
5
Zwischen den Beteiligten wurde im Juli 2016 die „Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung in der A. SE R.“ abgeschlossen (Anlage AG2). Diese beinhaltet unter Punkt 4. mit der Überschrift „Mobiles Arbeiten“ folgende Regelungen:
„Ein Mitarbeiter kann in Abstimmung mit seinem Vorgesetzten außerhalb der Räume der A. SE R. arbeiten(Mobiles Arbeiten), wenn die Aufgaben und Funktionen des Mitarbeiters für Mobiles Arbeiten grundsätzlich geeignet sind, d.h. durch Mobiles Arbeiten keine Beeinträchtigung der Arbeitsleistung des Mitarbeiters oder der Betriebsabläufe verursacht wird. Der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit sollte jedoch am regelmäßigen Arbeitsplatz geleistet werden.
Auch bei Mobilem Arbeiten hat der Mitarbeiter die allgemeinen Regelungen zur Arbeitssicherheit sowie zur Datensicherheit, vor allem auch zu Papierdokumenten, zu beachten. Insoweit bleiben durch diese Betriebsvereinbarung auch alle zur Datensicherheit einschlägigen Regelungen und Betriebsvereinbarungen unberührt. Die A. SE R. stellt für Mobiles Arbeiten lediglich einen sog. Remote Access Token (oder eine vergleichbare Lösung) auf ihre Kosten zur Verfügung, der den webbasierten Zugriff auf das IT-System bzw. den Desktop des Mitarbeiters bei der A. SE R. erlaubt. Eine Kosten- oder Aufwandserstattung für Mobiles Arbeiten (etwa für Telefongebühren, Gebühren für Internetverbindungen etc.) erfolgt nicht.
Aus sachlichen Gründen, wie insbesondere bei Beeinträchtigung der Arbeitsleistung des Mitarbeiters, Beeinträchtigung der Betriebsabläufe oder Verursachung sonstiger betrieblicher Störungen oder auch aus verhaltens- oder personenbezogenen Gründen kann die A. SE R. einem Mitarbeiter im Einzelfall vorübergehend oder dauerhaft das Recht zum Mobilen Arbeiten entziehen. Der Betriebsrat ist hierüber vorab unter Angäbe der Gründe zu informieren.
Die Teilnahme an dem Mobilen Arbeiten ist für jeden Mitarbeiter jederzeit frei widerrufbar.
Soweit das Mobile Arbeiten in der Privatwohnung des Mitarbeiters stattfindet, hat der Mitarbeiter der A. SE R. bzw. ihren Vertretern, und ggf. den Vertretern zuständiger Behörden sowie dem Betriebsrat auf entsprechende Ankündigung mit angemessener Frist hin Zutritt zu dem Arbeitsplatz in der Wohnung zu gewähren, soweit ein sachlicher Grund für den Zutritt besteht.“
6
Im Zusammenhang mit der seit 2019 ausgebrochenen Corona-Pandemie galt in Bayern Bereits ab dem 27.03.2020 die Bayerische Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen.“
7
In dieser Verordnung wurden erste Verhaltensregeln – wie zum Beispiel der 1,5 m Abstand zwischen Personen – geregelt. Damit die Mitarbeiter bestmöglich geschützt werden bzw. sich schützen konnten, ergriff die Beteiligte zu 2. Gesundheitsschutzmaßnahmen.
8
Zu diesem Zweck räumte die Beteiligte zu 2. den Mitarbeitern zunächst die Möglichkeit ein, dass diese neben der Arbeit vor Ort im Büro am G. nach Abstimmung mit der Führungskraft auch mobil arbeiten können.
9
Als sich die Pandemie und die gesetzlichen Maßnahmen verschärften, empfahl die Beteiligte zu 2. ihren Mitarbeitern, von zu Hause zu arbeiten.
10
Es erfolgten zudem eine regelmäßige Kommunikationen hinsichtlich der gesetzlich angeordneten Schutzmaßnahmen.
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Bereits am 11.03.2020 veröffentlichte die Beteiligte zu 2. einen Covid-Newsletter mit Informationen zu Corona-Schutzmaßnahmen. Diese Informationen wurden in Abstimmung mit der C. veröffentlicht. Unter anderem informierte die Beteiligte zu 2. die Mitarbeiter darüber, dass eine Corona-Hilfe-Hotline eingerichtet wurde, Mitarbeiter, die aus einem Risikogebiet von Reisen zurückkehrten, eine Isolation von 14 Tagen einhalten sollen, bevor sie ins Büro kommen, vulnerable Mitarbeiter in Abstimmung mit der Führungskraft besondere Schutzmaßnahmen beachten sollen und Mitarbeiter in Abstimmung mit der Führungskraft die Möglichkeit prüfen können, als Vorsichtsmaßnahme auch von zu Hause aus zu arbeiten.
12
Die entsprechende Covid-Information lautete auszugsweise (Überschrift und Absatz 5, Anlage AG1):
„Covid-19 – Latest Information and Measures at A. SE
Btog-Eintrag wurde erstellt von H. am 11.03.2020
(…)
Remote Work encouraged
Please explore together with your respective manager the possibility of working from home, which is one of the precautionary measures we will be making use of even more going forward. Please note that, in alignment with the respective manager and until further notice, working students and interns are also allowed to work from home or another remote location.
(…)“
13
Beide Beteiligte geben übereinstimmend an, dass bezüglich einer Inanspruchnahme der Home-Office-Tätigkeit völlige Freiwilligkeit bestand.
14
Mit der Anlage Ast1 legt der Beteiligte zu 1. die geltende Regelung ab 21.03.2022 in deutscher Version vor. Dort ist unter Nr. 1 folgende Regelung enthalten:
15
Nach Ende der Corona-Pandemie und Auslaufen der zwischenzeitlich aufgrund der Ukraine-Krise notwendigen Energiesparmaßnamen, wurde am 28.03.2023 per Mitarbeiter-Videokonferenz mitgeteilt, dass die o.g. bisherige Regelung zum 31.03.2023 auslaufen werde und noch am selben Abend hierzu eine Intranet-Mitteilung (Anlage Ast3) mit folgendem Inhalt veröffentlicht:
16
Ergänzend wurden die Inhalte der Videokonferenz auch in einer Power-Point-Präsentation dargestellt und darin ein Katalog mit Beispielen vorgestellt, der die Gelegenheiten oder Aktivitäten beinhaltet, die eine Anwesenheit im Büro erfordern könnten (ebenfalls im Intranet als Anlage Ast 4 und 5, die identisch sind und auf die Bezug genommen wird, veröffentlicht).
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Bereits ab Februar 2022, jedoch insbesondere ab Ende Mai 2022, gab es auch verschiede „Versuche“ seitens beider Beteiligter miteinander ins Gespräch zu kommen über das Thema „return to office/mobiles Arbeiten“ (im Rahmen des Testfeldes „hybrides Arbeiten/new work model“). So fand am 27.05.2022 eine Präsentation der von Arbeitgeberseite angedachten Eckpunkte statt.
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In einer Mail vom 27.06.2022 (Anlage AG7) wandte sich sodann die Beteiligte zu 2. an den Betriebsrat und wies u.a. auf folgendes hin:
„Die A. plant die Freiwilligkeit, d.h. das Arbeiten im Büro auf freiwilliger Basis, in Anlehnung an die B. zum 30. Juni zu beenden. Da uns allen mehr Flexibilität als vor der Pandemie wichtig ist und wir dies als Arbeitgeber fördern und ausbauen möchten, werden wir uns auf eine Anpassung unserer jetzigen Betriebsvereinbarung zum flexiblen Arbeiten verständigen müssen. Bis dahin gilt die Betriebsvereinbarung vom 25. Juli 2016 unverändert fort.“
(…)
Die Mitarbeiterinnen wie wir alle haben während der letzten 2 Jahre gelernt, wie mobiles Arbeiten geht. Was wir aber weder davor noch während der Pandemie wirklich ausprobiert haben, ist die Zukunft der Zusammenarbeit, nämlich das hybride Arbeiten. Und dieses unterscheidet sich vom reinen virtuellen Arbeiten. Es gibt Aufgaben, die wir besser im Büro machen, und Aufgaben, die wir einfacher von zu Hause erledigen können. Doch wie dieses hybride aussehen kann, können wir uns vielleicht vorstellen, aber praktiziert haben wir es bisher nur teilweise. Es gibt bereits einige Abteilungen, die Teamtage eingeführt haben. Darauf möchten wir aufbauen und einen Teamtag pro Woche für alle anbieten. Eine Einführung ab dem 1. Juli bedeutet nicht, dass ab dann bereits alle ihre Teamtage festgelegt haben. Es bedeutet vielmehr, dass die Teams in den Dialog gehen und planen. Die Führungskräfte wer-en wir entsprechend vorbereiten bzw. sind ohnehin die meisten Führungskräfte schon in Startlöchern durch die Einführung der WOW Moments.
Das Testen dieser Teamtage ist erforderlich, denn ohne Testen können wir nichts verändern und verbessern. Wie getestet wird, legen gemeinsam die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite anhand von Kriterien fest (erste Ideen sind das Aufbereiten von Fragen wie z.B. „Das hybride Arbeiten fördert Einarbeitung und Integration. Das hybride Arbeiten bereitet Spass im Team. Die digitalen Tools im Unternehmen helfen mir im hybriden Umfeld effektiv zu arbeiten“, etc.). Das sollten wir in den Juli-Wochen angehen und gleich Termine dafür vereinbaren. Bis dahin haben alle Teams ihre Teamtage für sich definiert. Wir möchten so wenig wie möglich vorgeben, außer natürlich die Testkriterien und wie getestet wird (pro Woche, pro Monat, im Team, pro CxO Bereich). Der Testdurchlauf ist bis zum Ende des Jahres geplant und gibt uns Zeit, das Neue Arbeiten in der A. zu gestalten. (…)“
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Doch in Weiteren kam es jedoh nicht zu einer näheren Abstimmung der Betriebsparteien, die sich hierfür gegenseitig die Schuld zuweisen (im Einzelnen wird hierzu verwiesen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen).
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Daher wurden – zunächst – weder Teamtage eingeführt noch eine Testphase für ein „hybrides Arbeiten/new work model“ bis Ende 2022 durchgeführt.
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Nachdem auch eine letztes Gespräch am 28.02.2023 zwischen den Betriebsparteien keine Fortschritte brachte, schrieb die Beteiligte zu 2. am 20.03.2023 folgende Mitteilung per E-Mail an den Beteiligten zu 1. (Anlage AG13):
„Liebe Frau F,
liebe Betriebsräte,
wie Sie wissen, hatte unser Functional Board den Zeitraum der sogenannten „Freiwilligkeit“ bis 31. März 2023 letztmalig verlängert. Hintergrund ist, dass sämtliche gesetzliche Corona-Regelungen ausgelaufen sind. Wie in unserem Termin am 28.02.2023 besprochen, wird die A. SE R. die Freiwilligkeit zum 01.04.2023 aufheben, da wir uns nun nicht mehr im Krisenmodus befinden und auch keine weiteren Maßnahmen erwarten, die eine Verlängerung der Freiwilligkeit rechtfertigen. Hiermit möchten wir Sie gerne über das weitere Vorgehen über den 31. März 2023 hinaus konsultieren.
In unserem gemeinsamen Termin zur Betriebsvereinbarung Mobiles Arbeiten/Regelung Überstunden am 28. Februar 2023 haben wir besprochen, dass wir 3 Möglichkeiten sehen, wie wir nach dem 31. März 2023 weitermachen.
Wir verhandeln eine neue Betriebsvereinbarung, allerdings haben wir festgehalten, dass dies zu kurzfristig ist.
Wir entwerfen einen Zusatz zur aktuellen Betriebsvereinbarung zur zukünftigen Regelung des Mobile Working.
Die Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung gilt, sodass wir auf die entsprechenden Regelungen zurückgreifen, diese aber flexibler anwenden. Dies betrifft insbesondere den Grundsatz, dass die Arbeit überwiegend im Büro zu erfolgen hätte. Diesen Grundsatz würden wir zu Gunsten der Mitarbeiter restriktiver anwenden. Wir orientieren uns bei der Ausgestaltung u.a. am Beispiel der Reinsurance …, die ebenfalls ihre bestehende Betriebsvereinbarung anwendet und die entsprechenden Regelungsspielräume der bestehenden Betriebsvereinbarung flexibel nutzt. Wie geht es ab dem 01. April 2023 weiter?
Wir werden daher auf Basis der bestehenden Betriebsvereinbarung, beginnend ab dem 01. April 2023, den Eckpunkten, die aktuell in der B. SE praktiziert werden, folgen.
Die Eckpunkte sind dabei wie folgt:
„Ziffer 4 der Betriebsvereinbarung enthält Grundsätze für individuelle Gestaltungsrahmen für mobiles Arbeiten – diese werden konkretisiert
4 Präsenztage pro Monat auf Basis eines Präsenzkatalogs (sehen Sie dazu bitte den Anhang) Präsenz bei Vorliegen betrieblicher Gründe wie einer Prüfung vor Ort durch eine Aufsichtsbehörde oder eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Wie in der Betriebsvereinbarung in Ziffer 4. geregelt, kann in Abstimmung mit dem Vorgesetzten auch mobil gearbeitet werden. Die Betriebsvereinbarung regelt den Grundsatz, dass der überwiegende Teil der Arbeitszeit am Arbeitsplatz in der A. SE Re zu leisten ist. Damit bestehen individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, die durch die Führungskräfte in Abstimmung mit den Mitarbeitern genutzt werden. Daher legen die Teams die Präsenztage in Abstimmung mit den Führungskräften gemeinsam unter Berücksichtigung der betrieblichen und persönlichen Interessen fest; ein Tracking erfolgt nicht.“
Im Anhang finden Sie den geplanten Text für einen Connect Post für alle Mitarbeiter der A. SE R. in A-Stadt sowie weitere Erläuterungen, die gemeinsam mit dem Connect Post Anfang kommender Woche veröffentlicht werden.
Aus unserer Sicht besteht eine Regelungsgrundlage durch die Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung. Sofern Sie Anmerkungen hierzu haben sollten, erhalten Sie die Möglichkeit, innerhalb von einer Woche eine Stellungnahme abzugeben.“
22
Am 27.03.2023 reagierte der Beteiligte zu 1. mit einer E-Mail und lehnte jede weitere inhaltliche Abstimmung hinsichtlich der Überarbeitung der Betriebsvereinbarung sowie der Teamtage ab. Dies geschah u.a. mit exakt dem gleichen Wortlaut wie bereits in der E-Mail vom 29.06.2022 hinsichtlich der Hinzuziehung eines Sachverständigen.
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Wörtlich heißt es in der E-Mail vom 27.03.2023 (Anlage AG 14 und E-Mail vom 29.06.2022, Anlage AG 9) wie folgt:
„Liebe Frau I.,
Der Betriebsrat hat vorsorglich beschlossen, die Versetzungsmaßnahmen im Ramen von Return to office als Einzel- bzw. Maßnahme je betroffenen Mitarbeiter abzulehnen.
Da der aktuelle Sachverhalt return to office/NWM sehr komplex ist und unser Wissen übersteigt, der Arbeitgeber eine komplett gegenläufige rechtliche Auffassung hat (keine Mitbestimmung gem. § 87 BetrVG, w/Corona), benötigen wir einen Sachverstand zur Erstellung eines Gutachtens und etwaiger rechtlicher Umsetzung unserer Rechte.
Als rechtlichen Vertreter in dieser komplexen Thematik bestellen wir RA J.“
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Mit E-Mail vom 30.03.2023 (Anlage AG 15) antwortete die Beteiligte zu 2. hierauf nochmals ausführlich führte Folgendes aus:
„Liebe Betriebsräte,
wir begrüßen es, wenn wir gemeinsam weitere Schritte zum Thema „Return to Office/Mobiles Arbeiten“ betriebsintern besprechen. Gerne können wir erörtern, ob Anpassungsbedarf für die aktuelle Betriebsvereinbarung besteht und beziehen uns auf unser Gespräch am 28.2.2023. Aus Ihren Ausführungen erkennen wir jedoch noch keine konkreten Vorschläge. Bitte teilen Sie uns diese noch mit. Um zeitnah die Gespräche aufzunehmen, stehen wir Ihnen gerne diese Woche noch zur Verfügung, alternativ ab dem 17.4.
Unser Gesprächsangebot ändert nichts daran, dass das Ende der Freiwilligkeit und die damit verbundene grundsätzliche Arbeitspflicht vom Campus nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Es handelt sich hier nicht um eine Versetzung. Ihre diesbezüglichen Beschlüsse weisen wir zurück, da wir hierzu keine Anträge stellten. Sie lösen auch nicht die Verpflichtung aus, Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Wir folgen bei der Beendigung der Freiwilligkeit und der Umsetzung des „Return to Office“ der Gruppe und schließen uns dem Piloten an. Es handelt sich um die Beendigung der letztverbliebenen Coronamaßnahmen.
Wir sind über Ihre Anfrage für einen Sachverstand sehr verwundert. Denn bereits mit E-Mail vom 29.6.2022 fragten Sie wortwörtlich Sachverstand zu dieser Thematik an und schrieben:
(…). Wir genehmigten Ihre Anfrage aus dem Juni 2022 und gaben 5-10 Stunden frei. Damit stand Ihnen spätestens seit Juli 2022 ausreichender Sachverstand zur Verfügung, sodass die Freigabe eines weiteren Sachverstandes ausscheidet.
Da wir trotz mehrfacherer Gesprächsangebote seit Februar 2022, der Freigabe von Sachverstand im Juli 2022 sowie stetigen Erinnerungen und Nachfragen zu diesem Thema, keine inhaltliche Rückmeldung vom Gremium erhielten, gehen wir davon aus, dass Einverständnis mit dem Vorgehen besteht. Eine andere Auffassung würde sich aus unserer Sicht als widersprüchlich darstellen und den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verletzen.
Bezüglich Ihrer Anfrage zu einer Veranstaltung bitten wir um mehr Informationen (Beschreibung des Inhaltes und Ziels). Aktuell haben wir keine Vorstellung von dem, was Sie damit beabsichtigen und können daher keine Stellung nehmen.“
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Die zunächst seitens der Beteiligten zu 2. bestrittene ordnungsgemäße Beschlussfassung des Beteiligten zu 1. vom 28.03.2023 im Hinblick auf die Einleitung des vorliegenden Verfahrens, wurde nach entsprechendem Vortrag unter Vorlage aller Unterlagen durch den Beteiligten zu 2. nicht weiter in Zweifel gezogen.“
26
Der beteiligte Betriebsrat ist der Ansicht, dass die Beteiligte zu 2. zunächst im März 2020 gegenüber den Mitarbeitern der Beteiligten zu 2. Home-Office „angeordnet“ habe, jedoch eine mitbestimmte Betriebsvereinbarung hierzu nicht existiere.
27
Gleichzeitigt wird eingeräumt, dass jeder Mitarbeitende selbst entscheiden konnte, ob und auch wann er Home-Office machen wollte und wann nicht und weitere Regelungen insofern nicht bestanden.
28
Das nunmehrigen „Auslaufen“ dieser Regelung stelle eine einseitige und willkürliche „return to office“-Anordnung dar, die jedoch seitens des Betriebsrats mitbestimmungspflichtig nach § 87 I Nr. 1., 2., 6.,7. und 14 BetrVG sei.
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Die Beteiligte zu 2. möchte hingegen zum 01.04.2023 eine nicht mitbestimmte Änderungen in der Ausgestaltung der Regelung zum Home Office vornehmen. Dies habe sie am 28.03.2023 einseitig gegenüber der Belegschaft kommuniziert.
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Dabei seien die Inhalte der Videokonferenz auch in einer Power-Point-Präsentation dargestellt und im Intranet hinterlegt worden sowie mit einem Katalog an Beispielen versehen, der die Gelegenheiten oder Aktivitäten beinhaltet, die eine Anwesenheit im Büro erfordern könnten. Damit habe die Beteiligte zu 2. inhaltliche Regelungen zum mobilen Arbeiten aufgestellt, die das „wie“ betreffen würden und damit mitbestimmungspflichtig seien.
31
Der Beteiligte zu 1. ist weiter der Auffassung, dass ein Verfügungsanspruch gemäß § 87 I Nr. 14 BetrVG bestehe, denn der Betriebsrat bestimme u.a. in Bezug auf den zeitlichen Umfang der mobilen Arbeit, über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf mobile Arbeit, über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und über konkrete Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte der Beteiligten zu 2. mit.
32
Der Beteiligte zu 1. vertritt auch die Ansicht, dass bereits im März 2020 durch die „Freiwilligen-Regelung“ ohne Mitbestimmung eine neue Regelung an die Stelle der Betriebsvereinbarung getreten sei und diese abgelöst habe, dies zunächst ohne „Befristung“.
33
Von dem Angebot, im Home-Office zu arbeiten hätten viele Mitarbeiter Gebrauch gemacht. Auch in der Mitteilung vom März 2022 sei sodann angekündigt worden, dass die „Freiwilligen-Regelung“ weiter gelte (bis maximal 50 % der Mitarbeiter eines Bereichs zeitgleich in Anwesenheit im Betrieb), obwohl dies zeitlich über die staatlichen Corona-Maßnahmen hinausgegangen sei. Eine zeitliche Befristung sei wiederum nicht vorgesehen gewesen.
34
Nun aber werde diese derzeit bestehende Regelung von der Beteiligten zu 2. wieder einseitige geändert. Die neue Anwesenheitsregelung verstoße jedenfalls gegen die bestehende Freiwilligkeitsregelung und damit ebenso gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein Anspruch auf mobiles Arbeiten zu keinem Zeitpunkt bestanden haben soll.
35
Selbst wenn die Betriebsvereinbarung von 2016 noch gelten sollte, wären die getroffenen neuen Regelungen jedenfalls nicht von dieser gedeckt. So sei dort zum Beispiel keine Abstimmung im Team, sondern die Abstimmung mit dem Vorgesetzten vorgesehen. Auch werde nicht vorgetragen, wieso die Regelungen nun wieder ohne Beteiligung des Betriebsrats „in Kraft gesetzt“ werden sollen. Ein Nebeneinander der Regelungen sei ausgeschlossen.
36
Auch ein Verfügungsgrund liege vor, da die Gefahr bestehe, dass die Verwirklichung des Rechts des Betriebsrats ohne alsbaldige Regelung vereitelt oder erschwert werde. Führt ein Arbeitgeber eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme ohne Beachtung des Betriebsrates durch, sei die Abwehr dieses Zustandes grundsätzlich eilbedürftig, weil sonst Mitbestimmungsrechte nicht zum Tragen kommen (ArbG Frankfurt vom 03.08.1982, BetrR 1983, 418-431) und die Beteiligungsrechte des Beteiligten zu 1. entwertet würden, wenn die Rechtkraft eines Hauptsacheverfahrens abgewartet werden müsste.
37
Der Unterlassungsanspruch könne vorliegend nur im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden, da andernfalls ein endgültiger Rechtsverlust drohe.
38
Bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren bliebe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch endgültig unerfüllt. Eine rechtskräftige arbeitsgerichtliche Entscheidung in der Hauptsache sei unter Berücksichtigung der Situation am Arbeitsgericht, wie auch am Landesarbeitsgericht München und gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Bundesarbeitsgerichts auch bei zügiger Terminierung nicht vor Ablauf von Monaten, gegebenenfalls von Jahren, zu erwarten. Ein Abwarten dieses Verfahrensverlaufs sei dem Beteiligten zu 1. und den Mitarbeitern nicht zumutbar.
39
Gegen drohende Verletzungen seiner Mitbestimmungsrechte könne sich der Betriebsrat mit der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs wehren (vgl. BAG, Beschluss vom 03.05.1994, 1 ABR 24/93, AP-Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972).
40
Vorliegend führe die Arbeitgeberin die Änderung der Festlegung des zeitlichen Umfang mobiler Arbeit ohne Zustimmung des Betriebsrats und ohne Vereinbarung durch.
41
Im gleichen Unternehmen A. am Standort A-Straße, A-Stadt sehe die Arbeitgeberin hingegen wohl derzeit eine zwingende Mitbestimmung beim Themenkomplex „Home Office“/„Mobilem Arbeiten“, da kürzlich hierzu eine Betriebsvereinbarung mit einem anderen dort ansässigen Betrieb („B. SE Holding“) abgeschlossen wurde.
42
Die Sicherung möglicher Unterlassungsanordnungen durch Androhung eines Ordnungsgeldes erscheine notwendig und beruhe auf § 85 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 890 ZPO, wobei ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 500,00 für jeden Fall und jeden Tag der Zuwiderhandlung als angemessen und ausreichend erscheine (LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 5.8.2005, 5 TaBV 5/05).
43
Entgegen dem Vortrag der Beteiligten zu 2. habe der Beteiligte zu 1. auch nicht die Zusammenarbeit hinsichtlich einer Neuregelung zum Thema flexibles Arbeiten verweigert. Man sei nur zu keiner Lösung gekommen und eine Einigungsstelle sei trotz Vorschlags des Beteiligten zu 1. nicht eingesetzt worden.
44
Der Betriebsrat habe eine neue Betriebsvereinbarung verhandeln wollen, während die Arbeitgeberin nur lose Gespräche angeboten habe. Zudem sei sachverständige juristische Begleitung bei den Gesprächen/Verhandlungen nicht genehmigt worden.
45
Im Laufe des Jahres 2022 seien zahlreiche Gespräche und Diskussionen zum Thema mobiles Arbeiten in unterschiedlichen Konstellationen geführt worden (hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beteiligten zu 1. vom 17.04.2023 – nebst Anlagen – Bezug genommen). Dabei habe sich inhaltlich auch abgezeichnet, dass der Betriebsrat sich vorstelle, dass die Mitarbeiter ein Angebot erhalten sollten, dauerhaft im Home-Office zu arbeiten, während die Arbeitgeberin darin eine Schwächung der Teamstruktur sehe und daher 4 Arbeitstag pro Monat als sinnvoll erachte und die Rückmeldungen hierzu auch postiv wären (Gesprächsvermerk vom 20./22.10.2022). Es sei angedacht worden, eine Mitarbeiterbefragung durchzuführen.
46
Das alles zeige die Bemühungen des Betriebsrats zu einer einvernehmlichen Lösung kommen zu wollen.
47
Nach alledem sei erkennbar, dass hier Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Gefahr seien, denen nur durch einstweilige Regelungen entgegnet werden könne.
48
Nach teilweiser Rücknahme von zwei Anträgen im Termin zur Anhörung am 18.04.2023 beantragt der Beteiligte zu 1. daher zuletzt:
1. Der Beteiligten zu 2. wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben die Anordnung einer verpflichtenden Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden vom 4 Tagen im Monat und einer Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden aus betrieblichen Gründen in der Betriebsstätte in der A-Straße, A-Stadt sowie der Abhängigkeit der Flexibilität von Mobilen Arbeiten je nach persönlichem und/oder geschäftlichem Bedarf zurückzunehmen, solange hierzu keine Betriebsvereinbarung mit dem Antragsteller abgeschlossen oder ein Einigungsstellenspruch ergangen ist.
2. Der Beteiligten zu 2. wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben es zu unterlassen eine verpflichtenden Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden vom 4 Tagen im Monat und einer Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden aus betrieblichen Gründen in der Betriebsstätte in der A-Straße, A-Stadt sowie der Abhängigkeit der Flexibilität von Mobilen Arbeiten je nach persönlichem und/oder geschäftlichem Bedarf anzuordnen, solange hierzu keine Betriebsvereinbarung mit dem Antragsteller abgeschlossen oder ein Einigungsstellenspruch ergangen ist.
3. Verstößt die Beteiligte zu 2. gegen ihre Verpflichtungen aus Ziffer I. dieses Beschlusses, wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld, dessen Höhe, in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Beteiligten zu 2. angedroht.
49
Die Beteiligte zu 2. beantragt
Zurückweisung der Anträge.
50
Die Beteiligte zu 2. vertritt zusammenfassend zunächst die Meinung dass, dass es die behauptete „Home-Office-Anordnung“, gar nicht gegeben habe und die Mitarbeiter nicht angewiesen worden seien, von zu Hause zu arbeiten.
51
Die Beteiligte zu 2. habe auch den Arbeitsort nicht geändert. Der Arbeitsort sei schon immer die Betriebsstätte der Beteiligten zu 2. am G. Die Beteiligte zu 2. habe es den Mitarbeitern aus Gesundheitsschutzgründen und in Umsetzung der behördlichen und gesetzlichen Coronamaßnahmen, also zweckbefristet wegen der Pandemie, und zeitlich befristet freigestellt, ob sie ihre Arbeitsleistung vor Ort oder mobil erbringen wollten. Sowohl der Zweck als auch die zeitliche Befristung seien nunmehr entfallen.
52
Weiterhin gelte die „Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung in der A. SE R.“, in der u.a. geregelt sei, dass der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit am regelmäßigen Arbeitsort der A. SE R. am G zu leisten und mobiles Arbeiten vorab mit dem Vorgesetzen abzustimmen sei.
53
Da es diese wirksame Betriebsvereinbarung zum Thema mobiles Arbeiten gebe, würden sämtliche Anträge des Beteiligten zu 1. ins Leere gehen, da er behauptet, es gebe keine Betriebsvereinbarung und keine Rechtsgrundlage.
54
Einen Rechtsanspruch auf Home-Office gebe es bei der Beteiligten zu 2. gerade nicht.
55
Auch sei zu bedenken, dass die Beteiligte zu 2. bereits Anfang des Jahres 2022 versucht habe, das Thema „Mobiles Arbeiten bzw. Hybrides Arbeiten“ mit dem Beteiligten zu 1. zu beraten, allerdings ohne Ergebnis. Der Beteiligte zu 1. strebe eine uneingeschränkte Weiterführung der freien Wahl durch die Mitarbeiter, ob sie dauerhaft im Home-Office verbleiben an oder eben gar keine Lösung.
56
So sei auch eine vereinbarte Terminserie in der Zeit vom 09.06.2022-29.12.2022, die vorsah, dass es eine wöchentliche Abstimmung zum Thema „NWM, Hybrides Arbeiten“ geben sollte, regelmäßig vom Beteiligten zu 1. abgesagt worden.
57
Die Beteiligte zu 2. habe dennoch immer wieder versucht, an den Beteiligten zu 1. heranzutreten, damit dieses Thema (neues Arbeiten, Return to Office usw.) gemeinsam besprochen werden hätte können. Ein Austausch oder eine Lösung sei aufgrund der Verweigerungshaltung des Beteiligten zu 1. jedoch nicht möglich gewesen.
58
Als die Planungen – wie in der gesamten C – auch bei der Beteiligten zu 2. konkreter wurden, insbesondere mit der Vorlage einer Regelungsabrede über ein sog. Testfeld zum mobilen Arbeiten, habe der Beteiligte zu 1. weder auf E-Mailanfragen noch auf Vorschläge reagiert und sei u.a. nicht zu geplanten Abstimmungsterminen erschienen. Ein Verfügungsgrund scheide daher aus und das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht gegeben, denn ein Betriebsrat, der sich Gesprächen und Lösungen verschließe, sei nicht schutzbedürftig.
59
Vielmehr verletze er selbst mit seiner Verweigerungshaltung massiv den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1. i.V.m. § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG), wenn er jetzt auch noch im Rahmen einer einstweiligen Verfügung mit dem Argument, der Arbeitgeber habe „einseitig“ und „willkürlich“ Maßnahmen umgesetzt, obwohl der Betriebsrat nicht mit dem Arbeitgeber zusammenarbeitete, einen Rechtsstreit begründe (BAG, Beschluss vom 12. März 2019 – 1 ABR 42/17, Rn. 45; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. März 2012 – 11 TaBV 12/12, Rn. 46, juris).
60
Es könne jedenfalls keine Rede davon sein, dass die Beteiligte zu 2. „einseitig“ oder gar „willkürlich“ eine Maßnahme ergriffen und umsetzt habe.
61
Die Beteiligte zu 2. wende die bestehende Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung in der A. weiterhin an und eröffne, weil der Beteiligte zu 1. nicht an einer flexiblen Lösung für die Mitarbeiter mitwirke, lediglich den Führungskräften Spielraum im Rahmen genau dieser Betriebsvereinbarung, individuelle (Team)Regelungen zu treffen.
62
Da weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund vorliege, seien die Anträge jedenfalls unbegründet.
63
Zum Sachverhalt im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift.

Gründe

I.
64
Das Arbeitsgericht München ist das vom Rechtsweg her wie auch örtlich zuständige Gericht.
65
Auch im Übrigen bestehen hinsichtlich der zuletzt noch aufrechterhaltenen Antragstellung keine Bedenken.
66
Zwar ist das Gericht unter Berücksichtigung der Gesamtumstände wie auch der von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Überzeugung, dass der Beteiligte zu 1. eine gewisse „Verzögerungs- bzw. Verweigerungshaltung“ an den Tag gelegt hat, durch die er durchaus gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoßen haben dürfte, jedoch ist die Verletzung aus Sicht der Kammer nicht als derart massiv zu werten, dass hier im Ergebnis das Rechtsschutzbedürfnis offensichtlich ausscheidet.
67
Denn „wegen der Besonderheiten des durch die Wahrnehmung strukturell gegensätzlicher Interessen gekennzeichneten Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat kommt eine solche unzulässige Rechtsausübung nur in besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht.“ (Beschluss BAG, vom 12. März 2019 – 1 ABR 42/17, Rn. 45; Anforderungen an eine unzulässige Rechtsausübung im Rahmen von § 242: BGB BGH 27. Februar 2018 – VI ZR 109/17 – Rn. 20).
II.
68
Die zulässigen Anträge sind jedoch unbegründet.
69
Die begehrte einstweilige Verfügung kann nicht gem. §§ 85 Abs. 2 S. 2 AbGG, 935, 940 ZPO erlassen werden, da weder der notwendige Verfügungsanspruch, noch der notwandige Verfügungsgrund vorliegen und daher die Anträge zurückzuweisen sind.
70
Die gemäß § 928 ZPO glaubhaft gemachten Gesamtumstände lasser es bei Abwägung der beiderseitigen Belange gem. §§ 935, 940 ZPO nicht nötig erscheinen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile eine sofortige Regelung zu treffen.
71
1. Es besteht kein Verfügungsanspruch, da der antragstellende Betriebsrat/Beteiligter zu 1. hinsichtlich des ab 01.04.2023 durch die Beteiligte zu 2. vorgesehenen „return to office/hybrides mobiles Arbeitens“ nicht in seinen Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 Nrn. 1., 2., 6.,7. und 14 BetrVG betroffen ist.
72
a. Es besteht kein Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten. Die Entscheidung „ob“ mobiles Arbeiten ermöglicht wird, liegt alleine beim Arbeitgeber.
73
aa. Folgende rechtlichen Grundsätze finden sich in Rechtsprechtung und Literatur:
74
Nach Müller in „Erweiterung der Mitbestimmung und des Unfallversicherungsschutzes bei mobiler Arbeit bzw. im Homeoffice (Teil 2)“, ArbRAktuell 2021, 437, ergibt sich – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Gesetzesmaterialien zu § 87 Abs. 14 BetrVG – folgendes:
„Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 28.5.2021 das „Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt“ (Betriebsrätemodernisierungsgesetz) gebilligt. Das Gesetz enthält nicht nur Regelungen, mit denen die Wahl bzw. Errichtung von Betriebsräten sowie die (digitale) Betriebsratsarbeit erleichtert und der Arbeitswelt 4.0 angepasst werden soll. Zur Förderung mobiler Arbeitund der Gewährleistung einheitlicher und verbindlicher Rahmenbedingungen für Arbeitnehmer wurden die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte in sozialen Angelegenheiten um einen Mitbestimmungstatbestand bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit – darunter der Tätigkeit im Homeoffice -erweitert. (…)
75
Der Gesetzeswortlaut verdeutlicht, dass sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates auf die „Ausführung“, nicht aber – wie in § 871 Nr. 6 BetrVG bestimmt – (auch) auf die „Einführung“ mobiler Arbeit erstreckt. Dieser Befund wird durch die Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 19/28899, S. 23) gestützt, in der u.a. ausgeführt wird:
„Es wird ein eigenes Mitbestimmungsrecht lediglich bezogen auf die Ausgestaltung („wie“)von mobiler Arbeit geschaffen. Die Einführung der mobilen Arbeit („ob“) verbleibt damit in der Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers. (…)Das Mitbestimmungsrecht betrifft die inhaltliche Ausgestaltung der mobilen Arbeit.“
76
Der Betriebsrathat zwar ein Initiativrecht; er kann aber nicht die Einführung mobiler Arbeit erzwingen(vgl. auch Bayreuther, NZA 2021, 839, 840). Ebenso wenig hat er nach § 871 Nr. 14 BetrVG mitzubestimmen, wenn sich der Arbeitgeber dazu entschließt, die bereits eingeführte Arbeitsform wieder aufzugeben.Denn in diesen Fällen steht nicht das mitbestimmungspflichtige „Wie“, sondern das mitbestimmungsfreie „Ob“ der mobilen Arbeit im Raum. Auch die Entscheidung des Arbeitgebers, mobile Arbeit nurin einzelnen Bereichen des Betriebes einzuführen bzw. in einzelnen Bereichen(die z.B. besonderen Datenschutzanforderungen unterliegen) aufzugeben,berührt (in Bezug auf die betroffenen Bereiche) das mitbestimmungsfreie „Ob“ und nicht das mitbestimmungspflichtige „Wie“,also die inhaltliche Ausgestaltung der mobilen Arbeit. Bei anderer Sichtweise würde dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht im unternehmerisch-wirtschaftlichen Bereich eingeräumt, das de lege lata nicht vorgesehen ist. Denn zum unternehmerisch-wirtschaftlichen Bereich gehört die arbeitgeberseitige Entscheidungüber die Anforderungen des Marktes an das Unternehmen und dessen arbeitstechnische Organisation (vgl. Richardi, BetrVG, 16. Aufl. 2018, § 87, Rn. 43 f. m.w.N.), also auch die Entscheidung, ob und wenn ja, in welchen Bereichen mobile Arbeit eingeführt oder nicht weiter praktiziert wird(Müller, Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 2. Aufl. 2020, Rn. 551; vgl. auch Däubler, Digitalisierung und Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2020, § 15 Rn. 12 mit dem Hinweis, dass dem Betriebsrat grds. „ein Mitbestimmungsrecht über den Ort der Arbeitsleistung fehlt“). (...)
77
Das in § 871 Nr. 14 BetrVG verankerte Mitbestimmungsrecht bzgl. der Ausgestaltung (das „Wie“) von mobiler Arbeit erstreckt sich auf Regelungen zur inhaltlichen Ausgestaltungder mobilen Arbeit. Dazu gehören ausweislich der Gesetzesbegründung(vgl. BT-Drs. 19/28899, S. 23) z.B. Regelungen
über den zeitlichen Umfang mobiler Arbeit, wobei die Festlegung des Anteils mobiler Arbeit am Gesamtdeputat des Arbeitnehmers das mitbestimmungsfreie „Ob“ mobiler Arbeit berührt;mitbestimmungspflichtig ist dagegen die Lage der Zeltblöcke(mobil/ortsgebunden), also deren Verteilung auf bestimmte Wochentage, Wochen, Monate etc. (dazu bereits Bayreuther, a.a.O., 840),
über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf mobile Arbeit,
über den/die Ort/e, von welchem/welchen aus mobil gearbeitet werden kann und darf,
zu konkreten Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte des Arbeitgebers bzw. den auswärtigen Orten,
zu Erreichbarkeitszeiten,
zum Umgang mit Arbeitsmitteln bei der mobilen Arbeit,
über einzuhaltende Sicherheitsaspekte.
78
Bei Scheitern einer Einigung über die Ausgestaltung mobiler Arbeit i.S.v. § 87 I Nr. 14 BetrVG können die Betriebsparteien die Einigungsstelleanrufen. Erfolgt keine Verständigung auf eine/n Vorsitzende/n bzw. die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle, kann ein Beschlussverfahren eingeleitet werden (vgl. § 76 II 2, 3 BetrVG i.V.m. § 1001 ArbGG). Eine Zurückweisung wegen offensichtlicher Unzuständigkeit i.S.v. § 0012 ArbGG kommt regelmäßig nicht in Betracht (vgl. LAG Mecklenburg-Vorpommern. ArbRAktuell 2020, 207 sowie LAG Berlin-Brandenburg, BeckRS 2021, 5152 zum Regelungsgegenstand „alternierende Telearbeit“).
79
Der neu geschaffene Mitbestimmungstatbestand ergänzt die im Zusammenhang mit der Ausgestaltung mobiler Arbeit bestehenden Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates (dazu u.a. Däubler, Arbeitsrecht in Zeiten der Corona-Krise, § 3 Rn. 45 ff.; ders., Digitalisierung und Arbeitsrecht, 7. Aufl. 2020, § 15 Rn. 12; Schaub/Vogelsang, ArbR-Handb., 18. Aufl. 2019, § 164 Rn. 41 ff.; Müller; Homeoffice in der arbeitsrechtlichen Praxis, 2. Aufl. 2020, Rn. 571 ff., 605 ff.). Eine Einschränkung der bereits bestehenden Mitbestimmungsrechte ist nicht bezweckt. Vielmehr wird in der Gesetzesbegründung zu § 87 I Nr. 14 BetrVG (vgl. BT-Drs. 19/28899, S. 23) auf Folgendes hingewiesen:
„Das Mitbestimmungsrecht bildet einen Auffangtatbestand für alle Regelungen, mit denen mobile Arbeit ausgestaltet werden kann. Bereits bestehende Mitbestimmungsrechte gelten unverändert.“
80
In Art. 6 des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes wurde vorgesehen, dass das Gesetz – und damit auch § 87 I Nr. 14 BetrVG – am Tag nach der Verkündung in Kraft tritt. Die Ausgabe im BGBl. erfolgte am 17.6.2021 (BGBl. 2021 Teil I, S. 1762 ff.), mithin ist die Neuregelung seit dem 18.6.2021 in Kraft.Soweit mit Inkrafttreten ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit begründet wird, führt dies nicht dazu, dass vorher vom Arbeitgeber einseitig aufgestellte Regelungen zur mobilen Arbeit unmittelbar außer Kraft treten(zur Begründung von Mitbestimmungsrechten infolge erstmaliger Wahl eines Betriebsrates LAG Berlin, DB 1984, 2098; LAG Hamm, BeckRS 2017, 126122; GK-BetrVG/Wiese, Bd. II, 11. Aufl. 2018, § 87 Rn. 87). Vielmehr bleiben die bereits bestehenden Regelungen solange in Kraft, bis sie durch eine Betriebsvereinbarung oder durch den Spruch der Einigungsstelle nach § 87 II BetrVG ersetzt werden (vgl. LAG Berlin, a.a.O.).Dabei obliegt es dem Betriebsrat, die Initiative zu einer Regelung nach § 87 I Nr. 14 BetrVG zu ergreifen (vgl. BAGE 37, 120: „In jedem Fall müsste nämlich dann der Betriebsrat von sich aus tätig werden und eine andere Regelung verlangen.“).
81
In der Kommentierung und Rechtsprechung wurden zum „mobilen Arbeiten“ weiter folgende rechtliche Grundsätze entwickelt (Auszüge der Kommentierungen bei Richardi BetrVG/Richardi/Maschmann, 17. Aufl. 2022, BetrVG § 87 Rn. 201 a-201 g sowie ErfK/Kania, 23. Aufl. 2023, BetrVG § 87 Rn. 136-138 und Fitting/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier/Schelz, 31. Aufl. 2022, BetrVG § 87 Rn. 589-593):
„Mobile Arbeit umfasst Tätigkeit von zu Hause aus („Home Office“) und von einem frei vom AN gewählten Ort aus („Remote Work“). Beides tangiert den Anwendungsbereich diverser Mitbestimmungsrechte unterschiedlicher Intensität (z.B. § 87 Nr. 6, 7, 90, 91, 99). Das durch das BRModG eingeführte Mitbestimmungsrecht nach Nr. 14 soll nach der Gesetzesbegründung als Auffangtatbestand hier Lücken schließen und damit typische Rahmenregelungen für mobile Arbeit der (erzwingbaren) Mitbestimmung unterwerfen (BT-Drs. 19/28899, S. 23). Es gilt aber von vornherein nicht für die Einräumung mobiler Arbeit im Einzelfall aufgrund besonderer persönl. Umstände. Erfasst werden auch von Nr. 14 nur kollektive Tatbestände (Richardi/Maschmann Rn. 989 f).
Nicht mitbestimmt ist die Entscheidung über das „Ob“ der Einführung mobiler Arbeit, sondern nur deren „Ausgestaltung“.Konsequenter Weise hat der BR also kein Initiativrecht auf Einführung mobilen Arbeitens. Wo genau die Grenze des mitbestimmungsfreien „Ob“ verläuft, ist unklar. In Anlehnung an die vergleichbare Abgrenzung bei den Mitbestimmungsrechten gem. Nr. 8 und Nr. 10 ist wie folgt zu differenzieren: Mitbestimmungsfrei ist neben der grundsätzlichen Entscheidung zur Einführung mobiler Arbeit auch die Entscheidung über deren zeitl. Umfang, ob also z.B. ein, zwei oder drei Tage pro Wccheremote gearbeitet werden darf (Oberthür MDR 2021, 969; Bayreuther NZA 2021, 437; wohl auch Fitting Rn. 591).
Ebenso kann der Arbeitgeber mitbestimmungsfreientscheiden, für welche AN-Gruppen und Abteilungen mobile Arbeit ermöglicht werden soll,weil diese Organisationsentscheidung zum Kernbereich der Uniernehmerfreiheit gehört(Oberthür MDR 2021, 969; Möllenkamp DB 2021, 1198; Fitting Rn. 590). Mitbestimmungsfrei ist schließlich auch die Entscheidung zur Beendigung mobiler Arbeit(GK-BetrVG/Gutzeit Rn. 1128; Richardi/Maschmann Rn. 989 f).Ähnlich wie bei der nur auf die Durchführung von Gruppenarbeit bezogenen Mitbestimmung nach Nr. 13 ist die unternehmerische Grundentscheidung über die Nutzung der mobilen Arbeitsform ebenso mitbestimmungsfrei wie ihre Beendigung (Müller ArbRAktuell 2021, 437). (…)
Mitbestimmt ist allerdings das „Wie“, das weit verstanden wird. So wirft die Abgrenzung der mitbestimmungsfreien Einführung mobiler Arbeit von ihrer mitbestimmten Ausgestaltung durchaus Probleme auf. Dazu gehört auch die Entscheidung über den Ort,von dem aus die mobile Arbeit erbracht werden darf oder muss, also konkret die Entscheidung zwischen Remote Work und Home Office. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, die klar den Ort der mobilen Tätigkeit der Mitbestimmung unterwirft (BT-Drucks. 19/28899, S. 23). Sicherheitsbedenken oder anderen Gründen für oder gegen ein bestimmtes Modell ist dann ggf. durch die Est Rechnung zu tragen (GK-BetrVG/Gutzeit Rn. 1130; Richardi/Maschmann Rn. 989 g; aA Fitting Rn: 591).
Zum mitbestimmten „Wie“ gehört zwar nicht der zeitliche Umfang mobiler Arbeit einschl. verpflichtender Anwesenheitszeiten im Betrieb,jedenfalls nicht was das„Gesamtdeputat“mobiler Arbeitszeitanteile (vorgegebene „Zeitbudgets“) angeht, da dies der mitbestimmungsfreien Arbeitgeber-Entscheidung über das „Ob“ mobiler Arbeit unterliegt;hingegen ist die Verteilungauf best. Wochentage/Wochen und insofern auch deren Dauer (z.B. halbtags/ganztags) etc. mitbestimmt (in diese Richtung Oberthür MDR 2021, 969 Rn. 15; Bayreuther NZA 2021, 839; Müller ArbRAktuell 2021, 437). Weiter gehören dazu Regelungen zur Erreichbarkeit, des Umgangs mit Equipment, der IT-Sicherheit etc..
Das Mitbestimmungsrecht gilt nach dem 2. HS zudem nur, wenn mobile Arbeit „mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird“. Mit dieser Formulierung will der Gesetzgeber Tätigkeiten vom Anwendungsbereich des MBR ausschließen, die von ihrer Eigenart her ortsgebunden erbracht werden müssen. Dies sind einmal Aufgaben, die vor Ort im Betrieb erbracht werden müssen (Empfang, Facility Management, Labor, Produktion), und zum anderen solche Aufgaben, die gerade nicht auf dem Betriebsgelände erbracht werden können, also z.B. Tätigkeiten als Fahrer, Boten, Vertriebsmitarbeiter, Monteure etc. (vgl. Bayreuther NZA 2021, 839). Im Umkehrschluss verengt sich der Anwendungsbereich damit auf typische PC-gebundene dBüroarbeitsplätze.“
„Homeoffice,als Form des mobilen Arbeitens, ermöglicht es Beschäftigten, nach vorheriger Abstimmung mit dem Arbeitgeber zeitweilig im Privatbereich, zum Beispiel unter Nutzung tragbarer IT-Systeme (z.B. Notebooks) oder Datenträger, für den Arbeitgeber tätig zu sein. Da der Begriff des Betriebs funktional und nicht räumlich zu verstehen ist werden auch Arbeitnehmer bei mobiler Arbeit und im Homeoffice an betrieblichenArbeitsplätzen tätig (→ § 1 Rn. 112 a ff.). DerenAusgestaltung unterliegt der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, jedenfalls soweit der Arbeitgeber das Ordnungsverhalten verbindlich regelt und nicht die spezielleren Tatbestände der Nr. 2, 6 oder 7einschlägig sind (vgl. LAG MV 25.2.2020 – 5 TaBV 1/20, NZA-RR 2020, 257; HessLAG 18.6.2020 – 5 TaBVGa 74/20, NZA 2021, 291; Boemke/Ankersen BB 2000, 2254 (2259); Müller Homeoffice Rn. 584, 587; Rieble/Picker ZfA 2013, 383 (425 f.); Wiese RdA 2009 344 (347)).
Die Arbeit im Homeoffice kann der Arbeitgeber nicht einseitig kraft seines Weisungsrechts anordnen. Dieses erlaubt zwar nach § 106 S. 1 GewO auch die Bestimmung des Ortes der Arbeitsleistung, allerdings nur im Rahmen des im Arbeitsvertrag Versprochenen. Als Arbeitsort ist dort regelmäßig der Betrieb des Arbeitgebers bestimmt und nicht die Wohnung des Arbeitnehmers. (…) Gegen den Willen des Arbeitnehmers kann er die Arbeit im Homeoffice nicht anordnen (LAG Bln-Bbg 14.11.2018 – 17 Sa 562/18, NZA-RR 2019, 287; Benkert NJW-Special 2019, 306; Däubler Digitalisierung § 15 Rn. 5; DGH/Hoffmann-Remy Kap. 3 Rn. 19; Kramer IT-ArbR/Hoppe B 623).
Umgekehrt kann der Arbeitnehmer auch keine Arbeit im Homeoffice verlangen. Da ein entsprechender gesetzlicher Anspruch nicht existiert, kann sich dieser allenfalls aus dem Arbeitsvertrag oder einem Kollektivertrag ergeben(ArbG Augsburg 7.5.2020 – 3 Ga 9/20, NZA-RR 2020, 417) möglicherweise auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (ArbG Siegburg 16.12.2020 – 4 Ga 18/20, BeckRS 2020, 36972 Rn. 25); aus der vom Arbeitgeber zu beachtenden Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) folgt dieser regelmäßig nicht, auch nicht, wenn der Arbeitnehmer zu Hause minderjährige Kinder zu versorgen hat (LAG RP 18.12.2014 – 5 Sa 378/14, BeckRS 2015, 66249; offen aber für eine leidensgerechte Beschäftigung in Telearbeit eines Schwerbehinderten LAG Köln 24.5.2016 – 12 Sa 677/13, öAT 2016, 171).
Allerdings kann die Frage in Krisensituationenanders zu beurteilen sein. Hier kann der Arbeitgeber gehalten sein, den Arbeitnehmer zum Schutze seiner Gesundheit zu Hause arbeiten zu lassen (Däubler Corona ArbR § 3 Rn. 43; Krieger/Rudnik/Povedano Peramato NZA 2020, 473 (478); Sagan/Brockfeld NJW 2020, 1112 (1115)).
Wie der Arbeitgeberseinen Verpflichtungen aus § 618 BGB nachkommt und über etwaige hausärztliche Empfehlungen befindet, hat er nach billigem Ermessenzu entscheiden (ArbG Augsburg 7.5.2020 – 3 Ga 9/20, NZA-RR 2020, 417). Das Arbeitsschutzrecht enthält keine entsprechenden Verpflichtungen. In Ziff. 4.2.4 Abs. 1 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel („ASR“, GMBl 2020 S. 484 geändert am 22.2.2021, GMBl 2021 S. 227, dazu → Rn. 563 a) wird lediglich erwähnt, dass das Homeoffice als Form der mobilen Arbeit eine Möglichkeit biete, die Zahl der gleichzeitig im Betrieb anwesenden Beschäftigten zu reduzierenund die Einhaltung von Abstandsregeln zu unterstützen.Dies gelte insbesondere, wenn Büroräume ansonsten von mehreren Beschäftigten bei Nichteinhaltung der Abstandsregel genutzt werden müssten. Die o.g. „ASR“ enthält aber weder einen Anspruchauf die Arbeit im Homeoffice noch eine Verpflichtung. Anderes war in § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-Arbeitsschutzvercrdnung(v. 21.1.2021, BAnz AT 22.1.2021 V1) bestimmt. Danach hatte der Arbeitgeber den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstanden. Die Regelung ist aber am 30.6.2021 ausgelaufen.
Ob sich der Arbeitsort durch Betriebsvereinbarungeinseitig in die Wohnung des Arbeitnehmers verlagern lässt, ist ungeklärt. (…) Allerdings sind die Betriebsparteien über § 75 Abs. 2 an die Grundrechte gebunden. Eine einseitige Verlagerung des Arbeitsortes in die Wohnung wäre ein Eingriff in Art. 13 Abs. 1 GG.Dieser ist im Normalfall nicht zu rechtfertigen (Däubler Corona ArbR § 3 Rn. 33). Ob das in Krisenzeiten anders zu beurteilen ist, ist offen (grundsätzlich bejahend Krieger/Rudnik/Povedano Peramato NZA 2020, 473 (477); aA HBW/Wulff Arbeitsrechtliche Beratungspraxis in Krisenzeiten § 8 Rn. 20). Jedenfalls gelten für betriebliche Regelungen keine wesentlich anderen Erwägungen als bei der einseitigen Anordnung des Homeoffices kraft des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts.
Zulässig wäre dies allenfalls vorübergehend und auch nur zur Abwendung einer unmittelbar drohenden, erheblichen Gefahr für die körperliche Unversehrtheit von Beschäftigen und Dritten (Art. 2 Abs. 2 GG). Umgekehrt kann der Betriebsrat den Arbeitgeber weder in normalen noch in Krisenzeiten zu einer Tätigkeit im Homeoffice zwingen, da darüber der Arbeitgeber mitbestimmungsfrei entscheiden darf.
Allerdings ist der Betriebsrat bei Fragen der Durchführung der Arbeit im Homeoffice zu beteiligen. Zum mitbestimmungspflichtigen Crdnungsverhaltengehören Regelungen, die dem Arbeitgeber oder Dritten (z.B. Betriebsrat, Fachkraft für Arbeitssicherheit, Datenschutzbeauftragte usw.) den Zutritt zum Homeoffice erlauben(Boemke/Ankersen BB 2000, 2254 (2259); Müller Homeoffice Rn. 587; Rieble/Picker ZfA 2013, 383 (426 f.); Schiefer/Worzalla DB 2019, 1904; Wiese RdA 2009, 344 (348)). (…) Dabei ist stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Außerdem darf das Zutrittsrecht nicht zur Unzeit (insbesondere während der Nachtzeit bzw. außerhalb der Arbeitszeit des Arbeitnehmers) ausgeübt werden und es bedarf grundsätzlich einer vorherigen Terminabsprache. Die Vereinbarung eines jederzeitigen Zutrittsrechtes wäre unwirksam (Müller Homeoffice Rn. 376; HBW/Wulff, Arbeitsrechtliche Beratungspraxis in Krisenzeiten, § 8 Pandemie und Homeoffice Rn. 43)."
82
Grundsätzlich ist es Sache des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer die Betriebsmittel, die für die Erbringung der Arbeitsleistung notwendig sind, zur Verfügung zu stellen (vgl. BAG 16.10.2007 – 9 AZR 170/07, NZA 2008, 1012 Rn. 23). Dasselbe gilt im Homeoffice. Auch dort muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen funktionsfähigen Arbeitsplatz einrichten, wenn die Verlagerung der betrieblichen Tätigkeit dorthin überwiegend im Interesse des Arbeitgebers liegt (BAG 12.4.2011 – 9 AZR 14/10, NZA 2012, 97).
83
Nutzt der Arbeitnehmer im Homeoffice private Arbeitsmittel(eigener PC oder Laptop, eigenes Smartphone, eigene Büroausstattung) mit Wissen und Wollen des Arbeitgebers zu dienstlichen Zwecken und liegt die Verlagerung der betrieblichen Tätigkeit ins Homeoffice überwiegend im Interesse des Arbeitgebers, so hat dieser entsprechend § 670 BGB die dadurch verursachen Kosten zu tragen (BAG 12.4.2011 – 9 AZR 14/10, NZA 2012, 97). Bei Beschädigung oder Verlust hat er Ersatz zu leisten (vgl. BAG 14.12.1995 – 8 AZR 875/94, NZA 1996, 417; Müller Homeoffice Rn. 184 ff.). Will der Arbeitgeber regeln, wie die privaten Arbeitsmittel dienstlich zu nutzen sind, hat der Betriebsrat nach Nr. 1 mitzustimmen, weil das Ordnungsverhaltenbetroffen ist (ebenso Göpfert/Wilke NZA 2012, 765 (767))."
84
bb. Unter Anwendung der genannten rechtlichen Grundsätze sowie unter freier Würdigung des gesamten Sachvertrags der Beteiligten und aller von ihnen zur Glaubhaftmachung vorgelegten Unterlagen sowie auch des weiteren Votrags im Rahmen der Erörterungen im Anhörungstermin am 18.4.2023, kommt die Kammer zu folgenderr Ergebnis:
85
Die Beteiligte zu 2. durfte im Monat März 2023 für die Zeit ab 1.4.2023 die nun erfolgte Neuregelung des Bereichs „mobiles Arbeiten“ ohne Mitwirkung des Betriebsrats durchführen. Mitbestimmungsrechte wurden hierdurch nicht verletzt.
86
(i) Ausgehend von dem Grundsatz, dass ein gesetzlicher Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten nicht besteht und der Tatsache, dass die Betriebsparteien unter dem 25. Juli 2016 eine Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelungen abgeschlossen haben in deren Ziff. 4 auch das Thema „mobiles Arbeiten“ geregelt ist, kann folgendes festgehalten werden:
87
Es liegt eine zwischen den Betriebsparteien zulässigerweise getroffene kollektive Regelung vor, in der jedoch kein „uneingeschränkter Anspruch“ auf mobiles Arbeiten enthalten ist. Die Regelung in Ziff. 4 sieht vielmehr in Form einer Kann-Bestimmung vor, dass es möglich ist in Abstimmung mit dem eigenen Vorgesetzten mobil zu arbeiten. Weiter ist in der Regelung enthalten, dass sich dies „nur“ dann ermöglichen lässt, wenn die Aufgaben und Funktionen des Mitarbeiters fürs mobile Arbeiten grundsätzlich geeignet sind, d.h. durch mobiles Arbeiten keine Beeinträchtigung der Arbeitsleistung des Mitarbeiters oder der Betriebsabläufe verursacht wird. Darüber hinaus wird als grundlegenden „Zeitumfang“ vorgegeben, dass der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit am regelmäßigen Arbeitsplatz geleistet werden sollte.
88
In Abs. 3 der Ziff. 4 der Betriebsvereinbarung ist zum mobilen Arbeiten sodann auch vorgesehen, dass der Arbeitgeber einem Mitarbeiter im Einzelfall vorübergehend oder dauerhaft das Recht zum mobilen Arbeiten auch entziehen kann, dies aus sachlichen Gründen, wie insbesondere bei Beeinträchtigung der Arbeitsleistung des Mitarbeiters, Beeinträchtigung der Betriebsabläufe oder Verursachung sonstiger betrieblicher Störungen oder auch aus Verhaltens- oder personenbezogenen Gründen. Hierzu ist der Betriebsrat vorab zu informieren.
89
Diese Regelung, die hier mit dem Betriebsrat vereinbart wurde, zeigt ganz eindeutig, dass die Frage nach dem „Ob“ der Gestattung des mobilen Arbeitens auch mit Einführung der BV im Wesentlichen weiterhin in den Händen des Arbeitgebers liegen soll. Zum einen, da die Gestattung des mobilen Arbeitens nicht als Verpflichtung, sondern als Kann-Vorschrift ausgestaltet ist. Darüber hinaus auch, da das „Ob“ überhaupt nur ausschließlich in Absprache mit dem Vorgesetzten und auch nur dann möglich ist, sofern nicht betriebliche Belange unterschiedlichster Art gegeben sind.
90
Als Gegenstück zur Gestattung „mobiler Arbeit“, kann sodann der Arbeitgeber (nicht eingeschränktauf den Vorgesetzten) das Recht auf mobiles Arbeiten auch wieder entziehen, wenn hierfür entsprechende sehr weit gefasste „betriebliche“ Voraussetzungen vorliegen.
91
All diese Vorgaben, unter denen überhaupt erst die Gestattung oder die Entziehung der „mobilen Arbeit“ erfolgen kann, betreffen ausschließlich das „Ob“. Das bedeutet nach Anwendung der verschiedenen Kriterien und Überlegungen des Vorgesetzten / Arbeitgebers, auch zu betrieblichen Interessen, steht am Ende die Entscheidung im Einzelfall, „ob“ einem Mitarbeiter „mobiles Arbeiten“ erlaubt werden kann. Diesbezüglich hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht.
92
Nur nachdem die Entscheidung über das „Ob“ gefallen ist, können überhaupt Regelungen zur Ausgestaltung relevant werden. Hierzu enthält die Betriebsvereinbarung ebenfalls bereits Vorgaben dergestalt, dass Regelungen hinsichtlich des IT-Systems wie auch hinsichtlich des Zutritts zum Arbeitsplatz in der Wohnung geschaffen wurden.
93
(ii) Aufgrund der sodann ab 2019 aufgrund der Corona-Pandemie notwendig werdenden Einschränkungen auch im Bereich der Arbeitsplätze, hat die Beteiligte zu 2. bereits Anfang des Jahres 2020 (Anlage AG 1, Covid 19 – Latest Information and Measures, dort Abs. 5) die Mitarbeiter dazu aufgefordert, zusammen mit dem Vorgesetzten die Möglichkeit von „remote work“, also Home-Office („working from home“), zu prüfen, als eine der Maßnahmen die bei einem weiteren Verlauf der Pandemie noch mehr genutzt werden sollten. Die „Vorgabe“ enthält jedoch keine Verpflichtung zur Arbeit im Home-Office, sondern ist als Empfehlung an die Mitarbeiter ausgestaltet. Diese werden hierzu „ermuntert“ bzw. „ermutigt“ („Remote Work encouraged“).
94
Anlage AG1 liegt zwar nur im englischen Original vor, es wird jedoch – in Anbetracht der generellen Eilbedürftigkeit bei Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – auf eine (amtliche) Übersetzung verzichtet, da alle Kammermitglieder über ausreichende Kenntnisse der englischen Sprache verfügen.
95
Durch das Ermöglichen von Home-Office auf freiwilliger Basis in der obigen Form und während der Corona-Pandemie mit den zu dieser Zeit geltenden Einschränkungen / Empfehlungen (die als allgemein bekannt vorausgesetzt werden), ist es durch den Arbeitgeber weder zu einer Kündigung („konkludent“?) der bestehenden Betriebsvereinbarung, noch zu deren „eigenmächtiger Ablösung“ gekommen.
96
Vielmehr wurde hier der nach der BV ohnehin mögliche Spielraum über das „Ob“ der Gestattung von mobilem Arbeiten lediglich erweitert. Stets verblieb es bei der Absprache mit dem Vorgesetzten, lediglich die betrieblichen Interessen und Rahmenbedingungen waren in Zeiten der Corona-Maßnahmen (mit staatliche Vorgaben für Arbeitgeber) anders zu werten.
97
Ein eigenständiger Anspruch auf mobiles Arbeiten bestand jedoch zu keinem Zeitpunkt, weder vorübergehend, noch dauerhaft und auch nicht losgelöst von der weiterhin bestehenden Betriebsvereinbarung.
98
(iii) Hieran ändern auch die vom Beteiligten zu 1. als Anlage Ast1 in der deutsche Version vorgelegten und ab dem 21.03.2022 geltenden Regelungen nichts. Diese gehen einher mit dem Wegfall eines Großteils, aber nicht aller Corona-Maßnahmen. Hier wird festgehalten, dass „auch nach Wegfall der gesetzlichen Home-Office-Pflicht auf der Grundlage des Freiwilligkeitsprinzips und unter Einhaltung der bekannten Corona-Vorsorgemaßnahmen (Abstand, Masken etc.), weiterhin bis zu 50 % der Mitarbeiter eines Bereichs zeitgleich in der Betriebsstätte im Büro arbeiten können, wenn Sie das möchten. Jeder Kollege/in entscheidet dabei weiterhin frei, ob er im Büro arbeitet, geschäftlich erforderlich in Präsenz an einem Meeting teilnimmt oder eine Dienstreise durchführt. Bitte denken Sie dabei auch an die Abstimmung mit Ihrer Führungskraft“.
99
Auch diese Regelung stell keine „Außerkraftsetzung“ der bisherigen BV dar, sondern ist – nach harten Pandemiezeiten – die Fortsetzung der vorherigen Maßnahmen (einschließlich Home-Office) und beschreibt den zu diesem Zeitpunkt notwendigen werdenden Weg hin zu einer erneuten Normalisierung des Berufsalltags.
100
Dass hier – entgegen der Ansicht des Betriebsrats – auch keine „eigenständige“ neue Regelung im Sinne eines Anspruchs geschaffen werden sollte, steht zur Überzeugung des Gerichts auch deshalb fest, da quasi zeitgleich, ab Februar/März 2022 unstreitig seitens der Betriebsparteien versucht wurde, miteinander Gespräche zum Thema „Return to Office“ (Rückkehr ins Büro/in die Betriebsstätte) aufzunehmen.
101
Unabhängig davon, wer sodann und in welcher Form letztlich dazu beigetragen hat, dass sich diese Gespräche über ein ganzes Jahr hingezogen haben, ohne zu greifbaren Ergebnissen zu kommen, bleibt die Tatsache, dass die Arbeitgeberin stets zu erkennen gegeben hat, dass sie wieder eine zumindest teilweise Rückkehr zum Arbeiten in der Betriebsstätte / im Büro erreichen wollte, sie aber auch zur genaueren Ausgestaltung unter Beachtung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats mit diesem eine Neuregelung oder Überarbeitung der BV anstrebte.
102
Die Arbeitgeberin hat auch zu keinem Zeitpunkt, auch nicht im Rahmen der mündlichen Anhörung vor der Kammer, zum Ausdruck gebracht, dass ihr daran gelegen sei, eine „gänzliche“ bzw. „überwiegende“ Rückkehr ins Büro anzustreben. Vielmehr hätte sich auch aus ihrer Sicht das Home-Office bewährt, weshalb daran auch künftig in erheblichem Umfange festgehalten werden solle.
103
So hat die Beteiligte zu 2. zum Beispiel in einer Mail vom 27.06.2022 (Anlage AG7) beim Betriebsrat darauf hingewiesen, dass „Die A. plant die Freiwilligkeit, d.h. das Arbeiten im Büro auf freiwilliger Basis, in Anlehnung an die A. zum 30. Juni zu beenden. Da uns allen mehr Flexibilität als vor der Pandemie wichtig ist und wir dies als Arbeitgeber fördern und ausbauen möchten, werden wir uns auf eine Anpassung unserer jetzigen Betriebsvereinbarung zum flexiblen Arbeiten verständigen müssen. Bis dahin gilt die Betriebsvereinbarung vom 25. Juli 2016 unverändert fort.“
104
Daran lässt sich eindeutig erkennen, dass die Arbeitgeberin weder „willkürlich“ noch „einseitig“ oder „überraschend“ die „return to office“- Regelungen im März 2023 einführt hat, sondern ein Prozess zu teilweisen Rückkehr ins Büro auf der Basis der bestehenden und sodann noch in Zusammenarbeit mit dem Bertriebsrat abzuändernden Betriebsvereinbarung angestrebt wird.
105
Doch selbst wenn man das Schreiben vom März 2022 als „eigenständige“ neue Regelung zur Gestattung von mobilem Arbeiten sehen wollte, würde das nichts daran ändern, dass die Arbeitgeberin dennoch weiterhin im Rahmen ihres Weisungsrechts hinsichtlich des „Ob“ der Gestattung, jederzeit das mobile Arbeiten auch wieder einseitig beenden könnte.
106
(iiii) An dieser Gesamtschau der Dinge, ändert auch die nun zuletzt im März 2023 gegenüber den Mitarbeitern kommunizierte Neuregelung, gegen die nun im Rahmen des vorliegenden Verfahrens seitens des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin vorgegangen wird.
107
Die als Anlage Ast3 vorgelegte Intranet-Mitteilung vom 28.03.2023, die auch im Rahmen einer Videokonferenz mit den Mitarbeitern am selben Tag so kommuniziert wurde, liegt zwar nur im englischen Original vor, es wird jedoch – wie oben bereits ausgeführt – auf eine (amtliche) Übersetzung verzichtet, da alle Kammermitglieder über ausreichende Kenntnisse der englischen Sprache verfügen.
108
Aus dieser Mitteilung an die Mitarbeiter ergibt sich eindeutig, dass die Maßnahmen über die freiwillige Inanspruchnahme von Home-Office mit dem 31. März 2023 auslaufen sollten, da zum einen der Covid-19 Krisenmodus und zum anderen auch erforderliche gewordene Energiesparmaßnahmen zwischenzeitlich beendet wurden. Es wird klargestellt, dass die geltende Betriebsvereinbarung von einer Arbeit überwiegend in der Betriebsstätte ausgehe, dass jedoch hier eine größere Flexibilität möglich sei, solange dies in Absprache mit dem Vorgesetzten und den Teams passiere. Daher sei gewünscht, die richtige Balance zu finden.
109
Vor diesem Hintergrund solle ab 1. April 2023 die Regelung gelten, dass 4 Tage pro Monat, ergänzt durch einen Katalog von Aktivitäten, wann Mitarbeiter von einer Anwesenheit im Büro profitieren, sowie dass darüber hinaus betriebliche Gründe Beachtung finden sollen, wie z.B. auch eine vor Ort in der Betriebsstätte durchgeführte Besprechung, ein Kundenmeeting etc. Es wird zudem noch ergänzt, dass vollständiges mobiles Arbeiten nur in Ausnahmefällen möglich sein soll. Gleichzeitig wird davon ausgegangen, dass zusammen mit dem Vorgesetzten eine für beide Seiten passende Lösung unter Berücksichtigung der betrieblichen und der individuellen Bedürfnisse gefunden werden könne.
110
Dem Betriebsrat kann hier in seiner Argumentation durchaus zugestanden werden, dass die Arbeitgeberin beabsichtigt neben 4 Tagen im Monat, die in Absprache mit den Teams / dem Vorgesetzten erbracht werden sollen, darüber hinaus auch dann eine Büropräsenz erforderlich sein soll, wenn bestimmte betriebliche Erfordernisse (z.B. ein Kundenmeeting, ein Besprechung in der Betriebsstätte etc.) eine Anwesenheit erforderlich machen. An allen anderen Tagen könne vollständige Flexibilität in Absprache mit dem Vorgesetzten weiterhin stattfinden.
111
Zur Überzeugung des Gerichts betreffen, anders als dies der Betriebsrat erachtet, auch diese neuen Regelungen – jedenfalls im wesentlichen Kern – wiederum ausschließlich das „Gesamtdeputat“ mobiler Arbeitszeitanteile (vorgegebene „Zeitbudgets“) und somit das mitbestimmungsfreie „ob“. Nicht betroffen ist hingegen die mitbestimmungspflichtige Frage der Verteilung auf best. Wochentage/Wochen und insofern auch deren Dauer (z.B. halbtags/ganztags) etc.
112
Letztere erfolgt sodann – nicht kollektiv für alle Mitarbeiter – sondern im Einzelfall und nach Absprache mit dem Team, damit gerade „nach den Betriebsabläufen“ und wird „mit dem Vorgesetzten abgestimmt“, wobei sich nicht ergibt, dass künftig mehr als „der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit am regelmäßigen Arbeitsplatz erbracht werden muss“. Damit wäre jedenfalls Art und Umfang bei weitem von der geltenden Betriebsvereinbarung gedeckt, selbst wenn man hier einem Teil der Vorgaben „inhaltlich-ausgestalterischen“ Charakter zusprechen wollte.
113
Soweit die Arbeitgeberin hier Beispiele für mögliche Konstellationen gibt, bei denen eine Anwesenheit des Mitarbeiters vor Ort in der Betriebsstätte sinnvoll erscheint, oder auch Beispiele für mögliche „betriebliche Erfordernisse“ (also letztlich die in der BV genannten „Betriebsabläufe“) näher beschreibt, bleibt es letztlich dennoch immer eine Frage der Abstimmung zwischen dem Mitarbeiter und seinem Vorgesetzten, in welchem Umfange hier Home-Office gewährt werden kann. Das schließt auch nicht aus, dass es der Fall sein kann, dass einmal an mehreren Tagen eine Anwesenheit im Büro notwendig wird.
114
Sollte hier jedoch im Einzelfall eine Einigung zwischen dem Mitarbeiter und dem Vorgesetzten (nach vorheriger Absprache im Team) tatsächlich nicht zustande kommen, sieht die geltende Betriebsvereinbarung in Ziff. 5 den Mechanismus der Einberufung einer Schlichtungskommission vor.
115
Nach alledem sieht das Gericht das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der „Ausgestaltung“ des mobilen Arbeitens gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG – jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt – weder bedroht noch gefährdet.
116
Die Arbeitgeberin gibt selbst weder feste Tage noch bestimmte Zeiten für die Anwesenheit im Büro vor, noch bezieht sie sich auf bestimmte Gruppen von Mitarbeitern.
117
Es ist jedenfalls nicht Aufgabe des Gerichts, das Weisungsrecht des Arbeitgebers über das „ob“ des mobilen Arbeitens vollständig einzuschränken, wie der Betriebsrat es offensichtlich nach seiner eigenen Zielsetzung wünscht (auf die als Anlage AST 12 vom Betriebsrat selbst vorgelegte E-Mail vom 24.10.2022 wird insoweit Bezug genommen): „Der Betriebsrat wünsche, dass alle Mitarbeiter das Angebot erhalten sollten, dauerhaft im Home-Office zu arbeiten. Einen verpflichtenden Anwesenheitstag solle es für diejenigen Mitarbeiter, die das Angebot annehmen, nicht geben“.
118
Es besteht keine Veranlassung seitens des Gerichts die Rücknahme einer vermeintlichen Anordnung bzw. die Unterlassung einer solchen einstweilig zu verfügen, wonach nichtleitenden Mitarbeitenden der Arbeitgeberin eine verpflichtende Anwesenheit von 4 Tagen pro Monat in der Betriebsstätte abverlangt bzw. eine Anwesenheit aus betrieblichen Gründen gefordert wird oder die Flexibilität mobiles Arbeitens von persönlichem und/oder geschäftlichem Bedarf abhängig gemacht wird.
119
Ein Anspruch, das „ob“ der Anordnung oder der Beendigung des mobilen Arbeitens einzuschränken hat der Betriebsrat nicht, da sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG auf „Ausgestaltung“ mobilen Arbeitens jedenfalls nicht betroffen ist.
120
b. Die weiteren genannten Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2, 6 und Nr. 7 BetrVG wurden seitens des Beteiligten zu 1. zwar aufgeführt, jedoch wird hierzu im Einzelnen nicht vorgetragen. Deren Verletzung ist auch nicht erkennbar.
121
Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist nicht einschlägig, da nicht ersichtlich ist, wieso hier Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb betroffen sein sollten.
122
Das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bleibt auf jeden Fall unberührt, da das Auslaufen der unbeschränkten freiwilligen Home-Office Möglichkeit und die Einführung eines beim Umfang beschränkten Home-Office-Möglichkeit nicht den Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage betreffen. Dementsprechend hat Beteiligte zu 2. auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Regelungen der hierzu bestehenden Betriebsvereinbarung weiter zu beachten sind.
123
Die vom Betriebsrat nur schlagwortartig und völlig unsubstantiiert genannten Mitbestimmungsrechte aus § 87 Nr. 6 u. 7 BetrVG könnten zwar bei der Ausgestaltung des „mobilen Arbeitens“ grundsätzlich relevant werden. Es gibt aber keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sie der Durchführung des vorliegenden Arbeitsmodells entgegenstehen. Insbesondere verwenden die Arbeitnehmer dieselbe technische Ausstattung, die sie bereits in der Betriebsstätte oder schon bisher auf Grundlage der bestehenden Betriebsvereinbarung auch zu Hause auch genutzt haben. Neue technische Einrichtungen werden nicht eingeführt. Anderes hat der Betriebsrat jedenfalls nicht vorgetragen.
124
Im Ergebnis ist festzustellen, dass als nach wie vor gültige und verbindliche Rechtsgrundlage für die Absprachen zum mobilen Arbeiten im Einzelfall die Betriebsvereinbarung von 2016 vorliegt, die von allen einzuhalten ist und die nun anzuwenden und auszulegen ist auf der Basis; der zuletzt am 28.03.2023 geänderten Vorgaben, zur näheren Umsetzung des „ob“, also in welchem „Umfang“ (nicht „wie“) mobiles Arbeiten zu gewähren ist. Nach alledem ist ein Verfügungsanspruch des Betriebsrats hinsichtlich der geforderten Unterlassungen seitens der Arbeitgeberin – jedenfalls nach Ansicht der Kammer – nicht gegeben.
125
2. Es besteht auch kein Verfügungsgrund, da keine Eilbedürftigkeit gegeben ist.
126
a. Ein Verfügungsgrund im Sinne des § 940 ZPO liegt nur vor, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Da im Entscheidungsfall sowohl hinsichtlich des Anspruchs auf Rücknahme einer vermeintlichen Anordnung noch hinsichtlich der Unterlassung einer Anordnung bzgl. „mobilen Arbeitens“ eine Befriedigungsverfügung begehrt wird und wegen der Besonderheiten des Beschlussverfahrens – Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit (§ 85 Abs. 1 S. 1 ArbGG), Ausschluss von Schadensersatzansprüchen (§ 85 Abs. 2 S. 2 ArbGG) – ist eine Interessenabwägung erforderlich.
127
Dabei ist die Eindeutigkeit der Rechtslage von erheblicher Bedeutung (Hess. LAG 15.11.2012 – 5 TaBVGa 257/12 – Rn. 25, zitiert nach juris; Hess. LAG 09.08.2012 – 5 TaBVGa 141/12 – m.w.N.). Die Anforderungen an den Verfügungsgrund können umso geringer sein, je schwerer und offenkundiger sich die bestehende Rechtsverletzung darstellt. Ist hingegen der geltend gemachte Verfügungsanspruch zumindest zweifelhaft, jedenfalls nicht zweifelsfrei anzunehmen oder – wie vorliegend – gar als nicht gegeben anzunehmen und kommt deswegen im Hauptsacheverfahren eine diesen Anspruch ablehnende Entscheidung in Betracht, so ist im Rahmen der Interessenabwägung für den geltend gemachten Anspruch in der Regel ein Verfügungsgrund abzulehnen (Hess. LAG 15.11.2012 – 5 TaBVGa 257/12 – Rn. 25, zitiert nach juris; LAG Köln 20.05.2009 – 8 TaBVGa 3/09 – Rn. 57, zitiert nach juris).
128
Des Weiteren ist zu berücksichtigen, inwieweit der Arbeitgeber die Mitwirkungsrechte des Betriebsrats missachtet und durch sein Handeln vollendete Tatsachen schafft, sodass die Besorgnis gerechtfertigt ist, die Verwirklichung des Rechts werde ohne alsbaldige einstweilige Verfügung vereitelt oder wesentlich erschwert. Dies bedeutet aber nicht – wie der Betriebsrat meint –, dass ein Verfügungsgrund schon dann vorliegt, wenn bei einer auf Dauer gerichteten Maßnahme Mitbestimmungsrechte für die verstrichene Zeit nicht mehr ausgeübt werden können.
129
Das durch eine Unterlassungsverfügung zu sichernde Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ist kein subjektives absolutes Recht, welches um seiner selbst willen gegeben ist. Zwar ist dem Betriebsrat die Ausübung des Mitbestimmungsrechts aus eigenem Recht und im eigenen Namen zugewiesen. Es handelt sich aber um eine Berechtigung, deren Ausübung dazu dient, zum Schutz der Arbeitnehmer mitgestaltend tätig zu werden. Als gewähltes Kollektivorgan hat der Betriebsrat die Aufgabe, die Interessen der Belegschaft eines Betriebs wahrzunehmen (Hess. LAG 15.11.2012 – 5 TaBVGa 257/12 – Rn. 25, zitiert nach juris).
130
Für die Feststellung eines Verfügungsgrundes kommt es mithin auch, aber nicht in erster Linie – wie der Betriebsrat meint – darauf an, ob dem Betriebsrat die Ausübung seine Mitbestimmungsrechte ganz oder jedenfalls für die Vergangenheit unmöglich gemacht wird. Ausschlaggebend ist letztlich, ob für die Zeit bis zum Inkrafttreten einer mitbestimmten Regelung, der bezweckte notwendige Schutz der Arbeitnehmer gefährdet oder vereitelt wird (Hess. LAG 15.11.2012 – 5 TaBVGa 257/12 – Rn. 25, zitiert nach juris; ErfK – Koch, § 85 Rn. 5).
131
Die gebotene Abwägung führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass die Interessen des Betriebsrats bzw. der Arbeitnehmerschafft die Interessen der Arbeitgeberin nicht überwiegen. Dem Betriebsrat stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht, jedenfalls nicht zweifelsfrei zu. Eine die Ansprüche ablehnende Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren kommt ernsthaft in Betracht.
132
Die Rechtslage betreffend die geltend gemachten Ansprüche ist aus Sicht der Kammer – wie oben unter Punkt 1 dargestellt – relativ eindeutig.
133
Bei der Entscheidung der Arbeitgeberin, die Möglichkeit des freiwillige unbeschränkten mobilen Arbeitens auslaufen zu lassen und eine eingeschränktere Regelung auf der Grundlage der geltenden Betriebsvereinbarung einzuführen, ist daher weder das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, noch nach Nrn. 2, 6, 7 und 14 BetrVG verletzt worden.
134
Da – wie ebenfalls bereits unter Punkt 1. ausgeführt – ein mitbestimmungswidriges Verhalten der Arbeitgeberin nach Ansicht der Kammer nicht vorliegt, ist ihr nach Auslaufen der Pandemielage (sowie der Energiesparmaßnahmen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise) und der damit verbundenen Rückkehr zur betrieblichen Normalität, die auch in einer – zumindest zeitweisen – Anwesenheit der Mitarbeiter in der Betriebsstätte besteht, nicht zumutbar die aus Pandemie-Zeiten stammende großzügige Home-Office-Regelung bis zur Entscheidung einer Einigungsstelle oder einer rechtskräftigen Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren aufrechterhalten zu müssen.
135
Die Arbeitgeberin hat eine Gesundheitsschutzmaßnahme ergriffen, die den gravierenden Gefahren für die Gesundheit der Arbeitnehmerschaft durch die Corona-Pandemie entgegenwirken sollte. Es ist nicht zu beanstanden diese Regelung nunmehr – mangels zwingender Notwendigkeit – nicht mehr uneingeschränkt fortführen zu wollen.
136
Gemessen daran tritt das Interesse des Betriebsrats an der Wahrung etwaiger Mitbestimmungsrechte, in den Hintergrund, zumal sie nicht leer zu laufen drohen. Die Arbeitgeberin hat in der Kammerverhandlung zur Überzeugung des Gerichts glaubhaft versichert, die neue Regelung mit vier Anwesenheitstagen im Monat auf der Basis der bereits bestehenden Betriebsvereinbarung umsetzen zu wollen und keinesfalls strengere Regelungen und Maßstäbe als bisher anlegen zu wollen, im Gegenteil.
137
Letztlich ist bei der Gewichtung des Interesses auch nicht außer Acht zu lassen, dass die Arbeitgeberin an den Betriebsrat wiederholt mit Vorschlägen und Gesprächsangeboten herangetreten sind. Verhandlungen hat der Betriebsrat aber – unter Vorlage von Fragenkatalogen und dem sich wiederholenden Hinweis auf sein Bedürfnis einen Sachverständigen einschalten zu wollen – letztlich abgelehnt. Dies sogar auch noch im Hinblick auf eine mögliche gütliche Einigung über das weitere Vorgehen (hinsichtlich der Überarbeitung der bestehenden Betriebsvereinbarung) im Anhörungstermin am 18.04.2023, die seitens der Arbeitgeberin angeboten wurde und von ihr ausdrücklich gewünscht wurde.
138
b. Ergänzend sei auch noch festgehalten, dass der antragstellende Betriebsrat – nach eigenen Angaben im Zeitpunkt der Entscheidung über die einstweilige Verfügung (vgl. Sitzungsniederschrift der Anhörung vom 18.04.2023) – seinen Anspruch noch nicht einmal im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens bei Gericht anhängig gemacht hat.
139
Eine Rücknahme von Anordnungen oder die Anordnung von Unterlassungen durch das Gericht gegenüber der Arbeitgeberin könnte jedoch keinesfalls wie – vorliegend – beantragt, als zeitlich unbeschränkte Verfügung ergehen, sondern allenfalls solange nicht die Rechtskraft im Hauptsacheverfahren entgegensteht.
140
Schon aus diesem Grunde müsste ein Verfügungsgrund abgelehnt werden.
141
3. Mangels eines Unterlassungsanspruchs bzw. Anspruchs auf Rücknahme der Regelung zum Auslaufen der unbeschränkten Home-Office-Möglichkeit scheidet auch die Androhung eines Ordnungsgeldes aus.
III.
142
Eine Kostenentscheidung ergeht im Beschlussverfahren nicht.
143
Die Festsetzung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit erfolgt auf Antrag durch gesonderten Beschluss.
IV.
144
Der Antragsteller / Beteiligte zu 1. kann gegen diesem Beschluss nach Maßgabe der nachfolgenden Rechtsmittelbelehrung Beschwerde einlegen.