Inhalt

LArbG München, Beschluss v. 10.08.2023 – 8 TaBVGa 6/23
Titel:

Einstweiliges Verfügungsverfahren - Mitbestimmungspflichtige Regelung des "Wie" des mobilen Arbeitens in einer Betriebsvereinbarung

Normenketten:
ArbGG § 85 Abs. 2 S. 2
ZPO § 935, § 940
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 14
Leitsätze:
Der Betriebsrat hat bei Verstößen gegen sein Mitbestimmungsrecht einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber, auch wenn dieser Anspruch in § 87 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt wird. Unterlassungsansprüche können als selbstständige, einklagbare Nebenleistungsansprüche auch ohne gesetzliche Normierung bestehen; das durch Bildung eines Betriebsrats kraft Gesetzes zustande kommende „Betriebsverhältnis“ ist einem gesetzlichen Dauerschuldverhältnis ähnlich. Bestimmt der Arbeitgeber die Ausgestaltung mobiler Arbeit (das „Wie“) muss er nach § 87 I Nr. 14 BetrVG die zwingende Mitbestimmung des Betriebsrats beachten. (Rn. 95 – 97) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nicht das „Ob“ mobiler Arbeit, sondern nur das „Wie“ unterliegt der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG. Zum „Ob“ zählt auch noch die grundsätzliche Bemessung des Kontingents an mobiler Arbeit. (Rn. 101) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein mitbestimmungspflichtiges "Wie“ der Ausübung des Rechts mobiler Arbeit liegt vor, wenn die neue Betriebsvereinbarung erstmals die Anordnung einer verpflichtenden Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden von vier Tagen im Monat und einer Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden aus betrieblichen Gründen in der Betriebsstätte  sowie die Abhängigkeit der Flexibilität von Mobilem Arbeiten je nach persönlichem und/oder geschäftlichem Bedarf enthält. (Rn. 102 – 104) (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliges Verfügungsverfahren, Betriebsvereinbarung, Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Home-Office, Flexibles Arbeiten, Mobiles Arbeiten, Mitbestimmung, Unterlassungsanspruch
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 18.04.2023 – 40 BVGa 8/23
Fundstellen:
NJW 2023, 3807
LSK 2023, 25053
BeckRS 2023, 25053
NZA-RR 2023, 591

Tenor

1. Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 18.04.2023 – 40 BVGa 8/23 – wird die Beteiligte zu 2) verurteilt, die Anordnung einer verpflichtenden Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden von vier Tagen im Monat und einer Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden aus betrieblichen Gründen in der Betriebsstätte in der Königinstraße 28, 8..0802 München sowie der Abhängigkeit der Flexibilität von Mobilem Arbeiten je nach persönlichem und/oder geschäftlichem Bedarf zurückzunehmen, bis hierzu eine Betriebsvereinbarung mit dem Beteiligten zu 1) abgeschlossen oder ein Einigungsstellenspruch oder eine rechtskräftige Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergangen ist.
2. Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 18.04.2023 – 40 BVGa 8/23 – wird die Beteiligte zu 2) verurteilt, es zu unterlassen, eine verpflichtende Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden von vier Tagen im Monat und einer Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden aus betrieblichen Gründen in der Betriebsstätte in der Königinstraße 28, 8..0802 München sowie der Abhängigkeit der Flexibilität von Mobilem Arbeiten je nach persönlichem und/oder geschäftlichem Bedarf anzuordnen, solange hierzu keine Betriebsvereinbarung mit dem Beteiligten zu 1) abgeschlossen oder ein Einigungsstellenspruch oder eine rechtskräftige Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergangen ist.
3. Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 18.04.2023 – 40 BVGa 8/23 – wird der Beteiligten zu 2) für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Nr. 2 ein Ordnungsgeld von bis zu Euro 25.000 angedroht.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz weiter um die Rücknahme bzw. Unterlassung von Anordnungen der Beteiligten zu 2).
2
Die Beteiligte zu 2) ist ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in München und gehört zum globalen Versicherungskonzern der Allianz-Gruppe mit der Zentrale in München. Der Geschäftsbereich der Antragsgegnerin „Allianz Reinsurance“ bzw. „Allianz Re“ bietet Rückversicherungslösungen und -dienstleistungen für allianzinterne OEs und Rückversicherungsschutz für externe Versicherungsgesellschaften an und ist ein Rückversicherer der Allianz-Gruppe. Am Sitz in München gibt es im Geschäftsbereich „Allianz Re“ derzeit rund 300 Beschäftigte.
3
Der Beteiligte zu 1) ist der bei der Beteiligten zu 2) gebildete Betriebsrat der Allianz Reinsurance (Re) am Standort München. Er wird vertreten durch die Betriebsratsvorsitzende S W.
4
Zwischen den Beteiligten wurde im Juli 2016 die „Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung in der Allianz SE Reinsurance“ abgeschlossen (Anlage AG2).
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Diese beinhaltet unter Punkt 4. mit der Überschrift „Mobiles Arbeiten“ folgende Regelungen:
„Ein Mitarbeiter kann in Abstimmung mit seinem Vorgesetzten außerhalb der Räume der Allianz SE Reinsurance arbeiten(Mobiles Arbeiten), wenn die Aufgaben und Funktionen des Mitarbeiters für Mobiles Arbeiten grundsätzlich geeignet sind, d. h. durch Mobiles Arbeiten keine Beeinträchtigung der Arbeitsleistung des Mitarbeiters oder der Betriebsabläufe verursacht wird. Der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit sollte jedoch am regelmäßigen Arbeitsplatz geleistet werden.
Auch bei Mobilem Arbeiten hat der Mitarbeiter die allgemeinen Regelungen zur Arbeitssicherheit sowie zur Datensicherheit, vor allem auch zu Papierdokumenten, zu beachten. Insoweit bleiben durch diese Betriebsvereinbarung auch alle zur Datensicherheit einschlägigen Regelungen und Betriebsvereinbarungen unberührt. Die Allianz SE Reinsurance stellt für Mobiles Arbeiten lediglich einen sog. Remote Access Token (oder eine vergleichbare Lösung) auf ihre Kosten zur Verfügung, der den webbasierten Zugriff auf das ITSystem bzw. den Desktop des Mitarbeiters bei der Allianz SE Reinsurance erlaubt. Eine Kosten- oder Aufwandserstattung für Mobiles Arbeiten (etwa für Telefongebühren, Gebühren für Internetverbindungen etc.) erfolgt nicht.
Aus sachlichen Gründen, wie insbesondere bei Beeinträchtigung der Arbeitsleistung des Mitarbeiters, Beeinträchtigung der Betriebsabläufe oder Verursachung sonstiger betrieblicher Störungen oder auch aus verhaltens- oder personenbezogenen Gründen kann die Allianz SE Reinsurance einem Mitarbeiter im Einzelfall vorübergehend oder dauerhaft das Recht zum Mobilen Arbeiten entziehen. Der Betriebsrat ist hierüber vorab unter Angabe der Gründe zu informieren.
Die Teilnahme an dem Mobilen Arbeiten ist für jeden Mitarbeiter jederzeit frei widerrufbar.
Soweit das Mobile Arbeiten in der Privatwohnung des Mitarbeiters stattfindet, hat der Mitarbeiter der Allianz SE Reinsurance bzw. ihren Vertretern, und ggf. den Vertretern zuständiger Behörden sowie dem Betriebsrat auf entsprechende Ankündigung mit angemessener Frist hin Zutritt zu dem Arbeitsplatz in der Wohnung zu gewähren, soweit ein sachlicher Grund für den Zutritt besteht.“
6
Nr. 5 der genannten Betriebsvereinbarung lautet:
„Einigen sich Mitarbeiter und Vorgesetzter trotz ernsthaften Bemühens nicht zu einer Streitfrage zu den Regelungen in Ziffer 3. und 4., hat sowohl der Vorgesetzte als auch der Mitarbeiter das Recht, eine Schlichtungskommission einzuberufen. Diese besteht aus dem Vorgesetzten, dem betroffenen Mitarbeiter und zusätzlich einem Betriebsratsmitglied nach Wahl des Mitarbeiters, gegebenenfalls einem Mitglied der Schwerbehindertenvertretung und einem Vertreter der Personalabteilung. Im Einzelfall kann die nächsthöhere Führungskraft einbezogen werden. Stimmberechtigt in der Kommission sind:
- Vertreter des Betriebsrates
- Vertreter der Personalabteilung.
Die Schlichtungskommission hat die Aufgabe, die Streitfrage zu prüfen. Sie schlichtet im Wege einer Entscheidung den Dissens und gibt Regelungen für die Lösung der Streitfrage vor. Die Entscheidung der Schlichtungskommission ist für alle Beteiligten bindend, diese hat innerhalb von 4 Wochen nach ihrer Anrufung verbindlich zu entscheiden. Alle Beteiligten an der Schlichtungskommission sowie die nächsthöhere Führungskraft werden von der Personalabteilung über die Entscheidung informiert.
Wird die Schlichtungskommission auf Wunsch des Mitarbeiters nicht einberufen, entscheidet die nächsthöhere Führungskraft den Dissens.
Sofern in der Schlichtungskommission aufgrund einer Pattsituation zwischen den stimmberechtigten Mitgliedern keine Entscheidung erzielt werden kann, wird der COO der Allianz SE Reinsurance mit Stimmrecht in die Schlichtungskommission und finale Entscheidung des Dissens einbezogen. Die Entscheidung erfolgt innerhalb von zwei Wochen (ausgenommen sind Urlaubs- und Krankheitszeiten) nach dessen Einbeziehung. Eine persönliche Vertretung durch einen Stellvertreter des COO ist ausgeschlossen.“
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Im Zusammenhang mit der seit 2019 ausgebrochenen Corona-Pandemie galt in Bayern Bereits ab dem 27.03.2020 die Bayerische Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen. In dieser Verordnung wurden erste Verhaltensregeln – wie zum Beispiel der 1,5 mAbstand zwischen Personen – geregelt. Damit die Mitarbeiter bestmöglich geschützt werden bzw. sich schützen konnten, ergriff die Beteiligte zu 2) Gesundheitsschutzmaßnahmen. Zu diesem Zweck räumte die Beteiligte zu 2) den Mitarbeitern zunächst die Möglichkeit ein, dass diese neben der Arbeit vor Ort im Büro am Campus Schwabing nach Abstimmung mit der Führungskraft auch mobil arbeiten können. Als sich die Pandemie und die gesetzlichen Maßnahmen verschärften, empfahl die Beteiligte zu 2) ihren Mitarbeitern, von zu Hause zu arbeiten. Es erfolgten zudem regelmäßige Kommunikationen hinsichtlich der gesetzlich angeordneten Schutzmaßnahmen.
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Bereits am 11.03.2020 veröffentlichte die Beteiligte zu 2) einen Covid-Newsletter mit Informationen zu Corona-Schutzmaßnahmen. Diese Informationen wurden in Abstimmung mit der Allianz-Gruppe veröffentlicht. Unter anderem informierte die Beteiligte zu 2) die Mitarbeiter darüber, dass eine Corona-Hilfe-Hotline eingerichtet wurde, Mitarbeiter, die aus einem Risikogebiet von Reisen zurückkehrten, eine Isolation von 14 Tagen einhalten sollen, bevor sie ins Büro kommen, vulnerable Mitarbeiter in Abstimmung mit der Führungskraft besondere Schutzmaßnahmen beachten sollen und Mitarbeiter in Abstimmung mit der Führungskraft die Möglichkeit prüfen können, als Vorsichtsmaßnahme auch von zu Hause aus zu arbeiten.
9
Die entsprechende Covid-Information lautete auszugsweise (Überschrift und Absatz 5, Anlage AG1):
„Covid-19 – Latest Information and Measures at Allianz SE Btog-Eintrag wurde erstellt von D T N am 11.03.2020 (…)
Remote Work encouraged Please explore together with your respective manager the possibility of working from home, which is one of the precautionary measures we will be making use of even more going forward. Please note that, in alignment with the respective manager and until further notice, working students and interns are also allowed to work from home or another remote location. (…)“
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Beide Beteiligte geben übereinstimmend an, dass bezüglich einer Inanspruchnahme der Home-Office-Tätigkeit völlige Freiwilligkeit bestand.
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Mit der Anlage Ast1 legt der Beteiligte zu 1. die geltende Regelung ab 21.03.2022 in deutscher Version vor. Dort ist unter Nr. 1 folgende Regelung enthalten:
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Nach Ende der Corona-Pandemie und Auslaufen der zwischenzeitlich aufgrund der Ukraine-Krise notwendigen Energiesparmaßnamen, wurde am 28.03.2023 per Mitarbeiter-Videokonferenz mitgeteilt, dass die o.g. bisherige Regelung zum 31.03.2023 auslaufen werde und noch am selben Abend hierzu eine Intranet-Mitteilung (Anlage Ast3) mit folgendem Inhalt veröffentlicht:
13
Ergänzend wurden die Inhalte der Videokonferenz auch in einer Power-Point-Präsentation dargestellt und darin ein Katalog mit Beispielen vorgestellt, der die Gelegenheiten oder Aktivitäten beinhaltet, die eine Anwesenheit im Büro erfordern könnten (ebenfalls im Intranet als Anlage Ast 4 und Ast5, die identisch sind und auf die Bezug genommen wird, veröffentlicht).
14
Bereits ab Februar 2022, jedoch insbesondere ab Ende Mai 2022, gab es auch verschiede Versuche seitens beider Beteiligter miteinander ins Gespräch zu kommen über das Thema „return to office/mobiles Arbeiten“ (im Rahmen des Testfeldes „hybrides Arbeiten/new work model“). So fand am 27.05.2022 eine Präsentation der von Arbeitgeberseite angedachten Eckpunkte statt.
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In einer Mail vom 27.06.2022 (Anlage AG7) wandte sich sodann die Beteiligte zu 2) an den Betriebsrat und wies u.a. auf folgendes hin:
„Die Allianz Reinsurance plant die Freiwilligkeit, d.h. das Arbeiten im Büro auf freiwilliger Basis, in Anlehnung an die Allianz SE zum 30. Juni zu beenden. Da uns allen mehr Flexibilität als vor der Pandemie wichtig ist und wir dies als Arbeitgeber fördern und ausbauen möchten, werden wir uns auf eine Anpassung unserer jetzigen Betriebsvereinbarung zum flexiblen Arbeiten verständigen müssen. Bis dahin gilt die Betriebsvereinbarung vom 25. Juli 2016 unverändert fort.“
(…)
Die Mitarbeiter:innen wie wir alle haben während der letzten 2 Jahre gelernt, wie mobiles Arbeiten geht. Was wir aber weder davor noch während der Pandemie wirklich ausprobiert haben, ist die Zukunft der Zusammenarbeit, nämlich das hybride Arbeiten. Und dieses unterscheidet sich vom reinen virtuellen Arbeiten. Es gibt Aufgaben, die wir besser im Büro machen, und Aufgaben, die wir einfacher von zu Hause erledigen können. Doch wie dieses hybride aussehen kann, können wir uns vielleicht vorstellen, aber praktiziert haben wir es bisher nur teilweise. Es gibt bereits einige Abteilungen, die Teamtage eingeführt haben. Darauf möchten wir aufbauen und einen Teamtag pro Woche für alle anbieten.
Eine Einführung ab dem 1. Juli bedeutet nicht, dass ab dann bereits alle ihre Teamtage festgelegt haben. Es bedeutet vielmehr, dass die Teams in den Dialog gehen und planen. Die Führungskräfte wer-en wir entsprechend vorbereiten bzw. sind ohnehin die meisten Führungskräfte schon in Startlöchern durch die Einführung der WOW Moments.
Das Testen dieser Teamtage ist erforderlich, denn ohne Testen können wir nichts verändern und verbessern. Wie getestet wird, legen gemeinsam die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite anhand von Kriterien fest (erste Ideen sind das Aufbereiten von Fragen wie z. B. „Das hybride Arbeiten fördert Einarbeitung und Integration. Das hybride Arbeiten bereitet Spass im Team. Die digitalen Tools im Unternehmen helfen mir im hybriden Umfeld effektiv zu arbeiten“, etc.). Das sollten wir in den Juli-Wochen angehen und gleich Termine dafür vereinbaren. Bis dahin haben alle Teams ihre Teamtage für sich definiert. Wir möchten so wenig wie möglich vorgeben, außer natürlich die Testkriterien und wie getestet wird (pro Woche, pro Monat, im Team, pro CxO Bereich). Der Testdurchlauf ist bis zum Ende des Jahres geplant und gibt uns Zeit, das Neue Arbeiten in der Allianz Reinsurance zu gestalten. (…)“
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Im Weiteren kam es jedoch nicht zu einer näheren Abstimmung der Betriebsparteien, die sich hierfür gegenseitig die Schuld zuweisen. Daher wurden – zunächst – weder Teamtage eingeführt noch eine Testphase für ein „hybrides Arbeiten/new work model“ bis Ende 2022 durchgeführt.
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Nachdem auch eine letztes Gespräch am 28.02.2023 zwischen den Betriebsparteien keine Fortschritte brachte, schrieb die Beteiligte zu 2) am 20.03.2023 folgende Mitteilung per E-Mail an den Beteiligten zu 1) (Anlage AG13):
„Liebe Frau W., liebe Betriebsräte, wie Sie wissen, hatte unser Functional Board den Zeitraum der sogenannten “Freiwilligkeit“ bis 31. März 2023 letztmalig verlängert. Hintergrund ist, dass sämtliche gesetzliche Corona-Regelungen ausgelaufen sind. Wie in unserem Termin am 28.02.2023 besprochen, wird die AZ SE Reinsurance die Freiwilligkeit zum 01.04.2023 aufheben, da wir uns nun nicht mehr im Krisenmodus befinden und auch keine weiteren Maßnahmen erwarten, die eine Verlängerung der Freiwilligkeit rechtfertigen. Hiermit möchten wir Sie gerne über das weitere Vorgehen über den 31. März 2023 hinaus konsultieren.
In unserem gemeinsamen Termin zur Betriebsvereinbarung Mobiles Arbeiten/Regelung Überstunden am 28. Februar 2023 haben wir besprochen, dass wir 3 Möglichkeiten sehen, wie wir nach dem 31. März 2023 weitermachen.
Wir verhandeln eine neue Betriebsvereinbarung, allerdings haben wir festgehalten, dass dies zu kurzfristig ist.
Wir entwerfen einen Zusatz zur aktuellen Betriebsvereinbarung zur zukünftigen Regelung des Mobile Working.
Die Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung gilt, sodass wir auf die entsprechenden Regelungen zurückgreifen, diese aber flexibler anwenden. Dies betrifft insbesondere den Grundsatz, dass die Arbeit überwiegend im Büro zu erfolgen hätte. Diesen Grundsatz würden wir zu Gunsten der Mitarbeiter restriktiver anwenden. Wir orientieren uns bei der Ausgestaltung u.a. am Beispiel der AGCS, die ebenfalls ihre bestehende Betriebsvereinbarung anwendet und die entsprechenden Regelungsspielräume der bestehenden Betriebsvereinbarung flexibel nutzt.
Wie geht es ab dem 01. April 2023 weiter? Wir werden daher auf Basis der bestehenden Betriebsvereinbarung, beginnend ab dem 01. April 2023, den Eckpunkten, die aktuell in der Allianz SE praktiziert werden, folgen. Die Eckpunkte sind dabei wie folgt:
„Ziffer 4 der Betriebsvereinbarung enthält Grundsätze für individuelle Gestaltungsrahmen für mobiles Arbeiten – diese werden konkretisiert 4 Präsenztage pro Monat auf Basis eines Präsenzkatalogs (sehen Sie dazu bitte den Anhang)
Präsenz bei Vorliegen betrieblicher Gründe wie einer Prüfung vor Ort durch eine Aufsichtsbehörde oder eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Wie in der Betriebsvereinbarung in Ziffer 4. geregelt, kann in Abstimmung mit dem Vorgesetzten auch mobil gearbeitet werden. Die Betriebsvereinbarung regelt den Grundsatz, dass der überwiegende Teil der Arbeitszeit am Arbeitsplatz in der Allianz SE Re zu leisten ist. Damit bestehen individuelle Gestaltungsmöglichkeiten, die durch die Führungskräfte in Abstimmung mit den Mitarbeitern genutzt werden. Daher legen die Teams die Präsenztage in Abstimmung mit den Führungskräften gemeinsam unter Berücksichtigung der betrieblichen und persönlichen Interessen fest; ein Tracking erfolgt nicht.“
Im Anhang finden Sie den geplanten Text für einen Connect Post für alle Mitarbeiter der AZ SE Reinsurance in München sowie weitere Erläuterungen, die gemeinsam mit dem Connect Post Anfang kommender Woche veröffentlicht werden.
Aus unserer Sicht besteht eine Regelungsgrundlage durch die Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung. Sofern Sie Anmerkungen hierzu haben sollten, erhalten Sie die Möglichkeit, innerhalb von einer Woche eine Stellungnahme abzugeben.“
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Am 27.03.2023 reagierte der Beteiligte zu 1) mit einer E-Mail und lehnte jede weitere inhaltliche Abstimmung hinsichtlich der Überarbeitung der Betriebsvereinbarung sowie der Teamtage ab. Dies geschah u.a. mit exakt dem gleichen Wortlaut wie bereits in der E-Mail vom 29.06.2022 hinsichtlich der Hinzuziehung eines Sachverständigen.
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Wörtlich heißt es in der E-Mail vom 27.03.2023 (Anlage AG 14 und E-Mail vom 29.06.2022, Anlage AG 9) wie folgt:
„Liebe Frau L.,
Der Betriebsrat hat vorsorglich beschlossen, die Versetzungsmaßnahmen im Ramen von Return to office als Einzel- bzw. Maßnahme je betroffenen Mitarbeiter abzulehnen.
Da der aktuelle Sachverhalt return to office/NWM sehr komplex ist und unser Wissen übersteigt, der Arbeitgeber eine komplett gegenläufige rechtliche Auffassung hat (keine Mitbestimmung gem. § 87 BetrVG, w/Corona), benötigen wir einen Sachverstand zur Erstellung eines Gutachtens und etwaiger rechtlicher Umsetzung unserer Rechte.
Als rechtlichen Vertreter in dieser komplexen Thematik bestellen wir RA N. V..“
20
Mit E-Mail vom 30.03.2023 (Anlage AG 15) antwortete die Beteiligte zu 2) hierauf und führte Folgendes aus:
„Liebe Betriebsräte, wir begrüßen es, wenn wir gemeinsam weitere Schritte zum Thema „Return to Office/Mobiles Arbeiten“ betriebsintern besprechen. Gerne können wir erörtern, ob Anpassungsbedarf für die aktuelle Betriebsvereinbarung besteht und beziehen uns auf unser Gespräch am 28.2.2023. Aus Ihren Ausführungen erkennen wir jedoch noch keine konkreten Vorschläge. Bitte teilen Sie uns diese noch mit. Um zeitnah die Gespräche aufzunehmen, stehen wir Ihnen gerne diese Woche noch zur Verfügung, alternativ ab dem 17.4.
Unser Gesprächsangebot ändert nichts daran, dass das Ende der Freiwilligkeit und die damit verbundene grundsätzliche Arbeitspflicht vom Campus nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt. Es handelt sich hier nicht um eine Versetzung. Ihre diesbezüglichen Beschlüsse weisen wir zurück, da wir hierzu keine Anträge stellten. Sie lösen auch nicht die Verpflichtung aus, Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten. Wir folgen bei der Beendigung der Freiwilligkeit und der Umsetzung des „Return to Office“ der Gruppe und schließen uns dem Piloten an. Es handelt sich um die Beendigung der letztverbliebenen Coronamaßnahmen.
Wir sind über Ihre Anfrage für einen Sachverstand sehr verwundert. Denn bereits mit EMail vom 29.6.2022 fragten Sie wortwörtlich Sachverstand zu dieser Thematik an und schrieben:
(…).
Wir genehmigten Ihre Anfrage aus dem Juni 2022 und gaben 5-10 Stunden frei. Damit stand Ihnen spätestens seit Juli 2022 ausreichender Sachverstand zur Verfügung, sodass die Freigabe eines weiteren Sachverstandes ausscheidet.
Da wir trotz mehrfacherer Gesprächsangebote seit Februar 2022, der Freigabe von Sachverstand im Juli 2022 sowie stetigen Erinnerungen und Nachfragen zu diesem Thema, keine inhaltliche Rückmeldung vom Gremium erhielten, gehen wir davon aus, dass Einverständnis mit dem Vorgehen besteht. Eine andere Auffassung würde sich aus unserer Sicht als widersprüchlich darstellen und den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit verletzen.
Bezüglich Ihrer Anfrage zu einer Veranstaltung bitten wir um mehr Informationen (Beschreibung des Inhaltes und Ziels). Aktuell haben wir keine Vorstellung von dem, was Sie damit beabsichtigen und können daher keine Stellung nehmen.“
21
Die zunächst seitens der Beteiligten zu 2) bestrittene ordnungsgemäße Beschlussfassung des Beteiligten zu 1) vom 28.03.2023 im Hinblick auf die Einleitung des vorliegenden Verfahrens, wurde nach entsprechendem Vortrag unter Vorlage aller Unterlagen durch den Beteiligten zu 2. nicht weiter in Zweifel gezogen.
22
Der Beteiligte zu 1) (Betriebsrat) hat vor dem Arbeitsgericht die Ansicht vertreten, dass die Beteiligte zu 2) zunächst im März 2020 gegenüber den Mitarbeitern der Beteiligten zu 2) Home-Office „angeordnet“ habe, jedoch eine mitbestimmte Betriebsvereinbarung hierzu nicht existiere. Er hat eingeräumt, dass jeder Mitarbeitende selbst habe entscheiden können, ob und auch wann er Home-Office machen wolle und wann nicht, und dass weitere Regelungen insofern nicht bestanden hätten.
23
Das nunmehrigen „Auslaufen“ dieser Regelung stelle eine einseitige und willkürliche „return to office“-Anordnung dar, die jedoch seitens des Betriebsrats mitbestimmungspflichtig nach § 87 I Nr.1., 2., 6.,7. und 14 BetrVG sei. Die Beteiligte zu 2) wolle hingegen zum 01.04.2023 nicht mitbestimmte Änderungen in der Ausgestaltung der Regelung zum Home Office vornehmen. Dies habe sie am 28.03.2023 einseitig gegenüber der Belegschaft kommuniziert. Dabei seien die Inhalte der Videokonferenz auch in einer PowerPoint-Präsentation dargestellt und im Intranet hinterlegt worden sowie mit einem Katalog an Beispielen versehen worden, der die Gelegenheiten oder Aktivitäten beinhalte, die eine Anwesenheit im Büro erfordern könnten. Damit habe die Beteiligte zu 2) inhaltliche Regelungen zum mobilen Arbeiten aufgestellt, die das „Wie“ betreffen würden und damit mitbestimmungspflichtig seien.
24
Ein Verfügungsanspruch gemäß § 87 I Nr. 14 BetrVG bestehe, denn der Betriebsrat bestimme u.a. in Bezug auf den zeitlichen Umfang der mobilen Arbeit, über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf mobile Arbeit, über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und über konkrete Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte der Beteiligten zu 2) mit.
25
Bereits im März 2020 sei durch die „Freiwilligen-Regelung“ ohne Mitbestimmung eine neue Regelung an die Stelle der Betriebsvereinbarung getreten und habe diese abgelöst, dies zunächst ohne „Befristung“. Von dem Angebot, im Home-Office zu arbeiten, hätten viele Mitarbeiter Gebrauch gemacht. Auch in der Mitteilung vom März 2022 sei sodann angekündigt worden, dass die „Freiwilligen-Regelung“ weiter gelte (bis maximal 50% der Mitarbeiter eines Bereichs zeitgleich in Anwesenheit im Betrieb), obwohl dies zeitlich über die staatlichen Corona-Maßnahmen hinausgegangen sei. Eine zeitliche Befristung sei wiederum nicht vorgesehen gewesen. Nun aber werde diese derzeit bestehende Regelung von der Beteiligten zu 2) wieder einseitig geändert. Die neue Anwesenheitsregelung verstoße jedenfalls gegen die bestehende Freiwilligkeitsregelung und damit ebenso gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Es sei nicht nachvollziehbar, dass ein Anspruch auf mobiles Arbeiten zu keinem Zeitpunkt bestanden haben solle.
26
Selbst wenn die Betriebsvereinbarung von 2016 noch gelten sollte, wären die getroffenen neuen Regelungen jedenfalls nicht von dieser gedeckt. So sei dort zum Beispiel keine Abstimmung im Team, sondern die Abstimmung mit dem Vorgesetzten vorgesehen. Auch werde nicht vorgetragen, wieso die Regelungen nun wieder ohne Beteiligung des Betriebsrats „in Kraft gesetzt“ werden sollten. Ein Nebeneinander der Regelungen sei ausgeschlossen.
27
Auch ein Verfügungsgrund liege vor, da die Gefahr bestehe, dass die Verwirklichung des Rechts des Betriebsrats ohne alsbaldige Regelung vereitelt oder erschwert werde. Führe ein Arbeitgeber eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme ohne Beachtung des Betriebsrates durch, sei die Abwehr dieses Zustandes grundsätzlich eilbedürftig, weil sonst Mitbestimmungsrechte nicht zum Tragen kämen (ArbG Frankfurt vom 03.08.1982, BetrR 1983, 418 – 431) und die Beteiligungsrechte des Beteiligten zu 1) entwertet würden, wenn die Rechtkraft eines Hauptsacheverfahrens abgewartet werden müsste. Der Unterlassungsanspruch könne vorliegend nur im Wege der einstweiligen Verfügung durchgesetzt werden, da andernfalls ein endgültiger Rechtsverlust drohe. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren bliebe der geltend gemachte Unterlassungsanspruch endgültig unerfüllt. Eine rechtskräftige arbeitsgerichtliche Entscheidung in der Hauptsache sei unter Berücksichtigung der Situation am Arbeitsgericht, wie auch am Landesarbeitsgericht München und gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Bundesarbeitsgerichts auch bei zügiger Terminierung nicht vor Ablauf von Monaten, gegebenenfalls von Jahren, zu erwarten. Ein Abwarten dieses Verfahrensverlaufs sei dem Beteiligten zu 1. und den Mitarbeitern nicht zumutbar.
28
Gegen drohende Verletzungen seiner Mitbestimmungsrechte könne sich der Betriebsrat mit der Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs wehren (vgl. BAG, Beschluss vom 03.05.1994, 1 ABR 24/93, AP-Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972). Vorliegend führe die Arbeitgeberin die Änderung der Festlegung des zeitlichen Umfangs mobiler Arbeit ohne Zustimmung des Betriebsrats und ohne Vereinbarung durch. Im gleichen Unternehmen Allianz SE am Standort Königinstr. 28, 8..0802 München sehe die Arbeitgeberin hingegen wohl derzeit eine zwingende Mitbestimmung beim Themenkomplex „Home Office“/“Mobilem Arbeiten“, da kürzlich hierzu eine Betriebsvereinbarung mit einem anderen dort ansässigen Betrieb („Allianz SE Holding“) abgeschlossen worden sei.
29
Die Sicherung möglicher Unterlassungsanordnungen durch Androhung eines Ordnungsgeldes erscheine notwendig und beruhe auf § 85 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 890 ZPO, wobei ein Ordnungsgeld in Höhe von EUR 500,00 für jeden Fall und jeden Tag der Zuwiderhandlung als angemessen und ausreichend erscheine (LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 5.8.2005, 5 TaBV 5/05).
30
Entgegen dem Vortrag der Beteiligten zu 2) habe der Beteiligte zu 1) auch nicht die Zusammenarbeit hinsichtlich einer Neuregelung zum Thema flexibles Arbeiten verweigert. Man sei nur zu keiner Lösung gekommen und eine Einigungsstelle sei trotz Vorschlags des Beteiligten zu 1) nicht eingesetzt worden. Der Betriebsrat habe eine neue Betriebsvereinbarung verhandeln wollen, während die Arbeitgeberin nur lose Gespräche angeboten habe. Zudem sei sachverständige juristische Begleitung bei den Gesprächen/Verhandlungen nicht genehmigt worden. Im Laufe des Jahres 2022 seien zahlreiche Gespräche und Diskussionen zum Thema mobiles Arbeiten in unterschiedlichen Konstellationen geführt worden. Dabei habe sich inhaltlich auch abgezeichnet, dass der Betriebsrat sich vorstelle, dass die Mitarbeiter ein Angebot erhalten sollten, dauerhaft im Home-Office zu arbeiten, während die Arbeitgeberin darin eine Schwächung der Teamstruktur sehe und daher vier Arbeitstage pro Monat als sinnvoll erachte und die Rückmeldungen hierzu auch positiv gewesen seien (Gesprächsvermerk vom 20./22.10.2022). Es sei angedacht worden, eine Mitarbeiterbefragung durchzuführen. Das alles zeige die Bemühungen des Betriebsrats zu einer einvernehmlichen Lösung kommen zu wollen.
31
Nach alledem sei erkennbar, dass hier Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats in Gefahr seien, denen nur durch einstweilige Regelungen entgegnet werden könne.
32
Nach Rücknahme von zwei Anträgen im Termin zur Anhörung vor dem Arbeitsgericht am 18.04.2023 hat der Beteiligte zu 1) zuletzt beantragt:
1. Der Beteiligten zu 2. wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben die Anordnung einer verpflichtenden Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden vom 4 Tagen im Monat und einer Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden aus betrieblichen Gründen in der Betriebsstätte in der Königinstr. 28, 8..0802 München sowie der Abhängigkeit der Flexibilität von Mobilen Arbeiten je nach persönlichem und/oder geschäftlichem Bedarf zurückzunehmen, solange hierzu keine Betriebsvereinbarung mit dem Antragsteller abgeschlossen oder ein Einigungsstellenspruch ergangen ist.
2. Der Beteiligten zu 2. wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben es zu unterlassen eine verpflichtenden Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden vom 4 Tagen im Monat und einer Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden aus betrieblichen Gründen in der Betriebsstätte in der Königinstr. 28, 8..0802 München sowie der Abhängigkeit der Flexibilität von Mobilen Arbeiten je nach persönlichem und/oder geschäftlichem Bedarf anzuordnen, solange hierzu keine Betriebsvereinbarung mit dem Antragsteller abgeschlossen oder ein Einigungsstellenspruch ergangen ist.
3. Verstößt die Beteiligte zu 2. gegen ihre Verpflichtungen aus Ziffer I. dieses Beschlusses, wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Zwangshaft gegen die gesetzlichen Vertreter der Beteiligten zu 2. angedroht.
33
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt
Zurückweisung der Anträge.
34
Die Beteiligte zu 2) hat vor dem Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass es die behauptete „Home-Office-Anordnung“, gar nicht gegeben habe und die Mitarbeiter nicht angewiesen worden seien, von zu Hause zu arbeiten. Die Beteiligte zu 2) habe auch den Arbeitsort nicht geändert. Der Arbeitsort sei schon immer die Betriebsstätte der Beteiligten zu 2) am Campus Schwabing. Die Beteiligte zu 2) habe es den Mitarbeitern aus Gesundheitsschutzgründen und in Umsetzung der behördlichen und gesetzlichen Coronamaßnahmen, also zweckbefristet wegen der Pandemie, und zeitlich befristet freigestellt, ob sie ihre Arbeitsleistung vor Ort oder mobil erbringen wollten. Sowohl der Zweck als auch die zeitliche Befristung seien nunmehr entfallen.
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Weiterhin gelte die „Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung in der Allianz SE Reinsurance“, in der u.a. geregelt sei, dass der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit am regelmäßigen Arbeitsort der Allianz SE Reinsurance am Campus Schwabing zu leisten und mobiles Arbeiten vorab mit dem Vorgesetzen abzustimmen sei. Da es diese wirksame Betriebsvereinbarung zum Thema mobiles Arbeiten gebe, würden sämtliche Anträge des Beteiligten zu 1) ins Leere gehen, da er behauptet, es gebe keine Betriebsvereinbarung und keine Rechtsgrundlage.
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Einen Rechtsanspruch auf Home-Office gebe es bei der Beteiligten zu 2) gerade nicht.
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Auch sei zu bedenken, dass die Beteiligte zu 2) bereits Anfang des Jahres 2022 versucht habe, das Thema „Mobiles Arbeiten bzw. Hybrides Arbeiten“ mit dem Beteiligten zu 1) zu beraten, allerdings ohne Ergebnis. Der Beteiligte zu 1) strebe eine uneingeschränkte Weiterführung der freien Wahl durch die Mitarbeiter, ob sie dauerhaft im Home-Office verbleiben, an oder eben gar keine Lösung. So sei auch eine vereinbarte Terminserie in der Zeit vom 09.06.2022 – 29.12.2022, die vorgesehen habe, dass es eine wöchentliche Abstimmung zum Thema „NWM, Hybrides Arbeiten“ geben sollte, regelmäßig vom Beteiligten zu 1) abgesagt worden. Die Beteiligte zu 2) habe dennoch immer wieder versucht, an den Beteiligten zu 1. heranzutreten, damit dieses Thema (neues Arbeiten, Return to Office usw.) gemeinsam besprochen werden hätte könne. Ein Austausch oder eine Lösung sei aufgrund der Verweigerungshaltung des Beteiligten zu 1) jedoch nicht möglich gewesen.
38
Als die Planungen – wie in der gesamten Allianz Gruppe – auch bei der Beteiligten zu 2) konkreter geworden seien, insbesondere mit der Vorlage einer Regelungsabrede über ein sog. Testfeld zum mobilen Arbeiten, habe der Beteiligte zu 1) weder auf E-Mailanfragen noch auf Vorschläge reagiert und sei u.a. nicht zu geplanten Abstimmungsterminen erschienen. Ein Verfügungsgrund scheide daher aus und das Rechtsschutzbedürfnis sei nicht gegeben, denn ein Betriebsrat, der sich Gesprächen und Lösungen verschließe, sei nicht schutzbedürftig.
39
Vielmehr verletze er selbst mit seiner Verweigerungshaltung massiv den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1. i.V.m. § 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG), wenn er jetzt auch noch im Rahmen einer einstweiligen Verfügung mit dem Argument, der Arbeitgeber habe „einseitig“ und „willkürlich“ Maßnahmen umgesetzt, obwohl der Betriebsrat nicht mit dem Arbeitgeber zusammenarbeitet habe, einen Rechtsstreit begründe (BAG, Beschluss vom 12. März 2019 – 1 ABR 42/17, Rn. 45; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. März 2012 – 11 TaBV 12/12, Rn. 46, juris).
40
Es könne jedenfalls keine Rede davon sein, dass die Beteiligte zu 2. „einseitig“ oder gar „willkürlich“ eine Maßnahme ergriffen und umsetzt habe. Die Beteiligte zu 2) wende die bestehende Betriebsvereinbarung über eine flexible Arbeitszeitregelung in der Allianz SE Reinsurance weiterhin an und eröffne, weil der Beteiligte zu 1) nicht an einer flexiblen Lösung für die Mitarbeiter mitwirke, lediglich den Führungskräften Spielraum im Rahmen genau dieser Betriebsvereinbarung, individuelle (Team) Regelungen zu treffen.
41
Da weder ein Verfügungsanspruch noch ein Verfügungsgrund vorliege, seien die Anträge jedenfalls unbegründet.
42
Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen folgendes ausgeführt:
43
Für die begehrte einstweilige Verfügung fehle es sowohl am Verfügungsanspruch als auch am Verfügungsgrund.
44
Es bestehe kein Verfügungsanspruch, da der Antragsteller hinsichtlich des „return to office/hybrides mobiles Arbeiten“ nicht in seinen Mitbestimmungsrechten nach § 87 Abs. 1 Nrn 1, 2, 6, 7 und 14 BetrVG betroffen sei.
45
Es bestehe kein Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten, der Arbeitgeber könne es aber auch nicht einseitig anordnen. In Krisensituationen möge anderes gelten. Die Entscheidung, „ob“ mobiles Arbeiten ermöglicht werde, liege allein beim Arbeitgeber. Allein der Wortlaut von § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG zeige, dass sich das Mitbestimmungsrecht auf die „Ausführung“ (das „Wie“) beschränke. Die Einführung mobiler Arbeit verbleibe also in der Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers. Der Betriebsrat habe damit auch kein Initiativrecht über das „Ob“ der Einführung mobiler Arbeit. Er habe nach dieser Vorschrift auch nicht mitzubestimmen, wenn sich der Arbeitgeber dazu entschließt, die bereits eingeführte Arbeitsform wieder aufzugeben, mobile Arbeit also wieder zu beenden. Dabei zähle nach der Gesetzesbegründung die Festlegung des Anteils mobiler Arbeit am Gesamtdeputat des Arbeitnehmers zum mitbestimmungsfreien „Ob“, die Lage der Zeitblöcke zum mitbestimmungspflichtigen „Wie“. § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG gelte seit dem 18.06.2021; zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Regelungen zur mobilen Arbeit blieben so lange in Kraft, bis sie durch eine Betriebsvereinbarung oder den Spruch einer Einigungsstelle ersetzt würden.
46
Nach diesen Grundsätzen habe die Beteiligte zu 2) die Neuregelung des Bereichs „mobiles Arbeiten“ ab dem 01.04.2023 ohne Mitwirkung des Beteiligten zu 1) durchführen dürfen.
47
Mit Nr. 4 der Betriebsvereinbarung vom 25.07.2016 liege eine zulässige kollektive Regelung vor, die indes keinen uneingeschränkten Anspruch auf mobiles Arbeiten enthalte.
48
Nr. 4 enthalte vielmehr eine Kann-Bestimmung, wonach mobiles Arbeiten in Abstimmung mit dem Vorgesetzten möglich sei, sofern die Aufgaben und Funktionen des Mitarbeiters für mobiles Arbeiten grundsätzlich geeignet seien. Darüber hinaus werde als grundlegender „Zeitumfang“ vorgegeben, dass der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit am regelmäßigen Arbeitsplatz geleistet werden sollte. Sodann sei vorgesehen, dass der Arbeitgeber einem Mitarbeiter im Einzelfall das Recht zum mobilen Arbeiten aus sachlichen Gründen entziehen könne. Die mit dem Betriebsrat vereinbarte Regelung zeige eindeutig, dass die Frage nach dem „Ob“ im Wesentlichen auch mit Einführung der Betriebsvereinbarung in den Händen des Arbeitgebers liegen solle. Der Arbeitgeber und nicht nur der Vorgesetzte könne das Recht auf mobiles Arbeiten bei Vorliegen entsprechender sehr weit gefasster „betrieblicher“ Voraussetzungen auch wieder entziehen. Alle diese Vorgaben beträfen ausschließlich das „Ob“. Nach Anwendung der verschiedenen Kriterien und Überlegungen des Vorgesetzten/Arbeitgebers stehe am Ende die Entscheidung im Einzelfall, ob einem Mitarbeiter mobiles Arbeiten erlaubt werden könne. Diesbezüglich habe der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht. Nur nachdem die Entscheidung über das „Ob“ gefallen sei, könnten überhaupt Regelungen zur Ausgestaltung relevant werden. Hierzu enthalte die Betriebsvereinbarung Vorgaben dergestalt, dass Regelungen hinsichtlich des ITSystems wie auch hinsichtlich des Zutritts zum Arbeitsplatz in der Wohnung geschaffen worden seien.
49
Soweit die Beteiligte zu 2) aufgrund der Corona-Pandemie Home-Office auf freiwilliger Basis mit den zu dieser Zeit geltenden Einschränkungen/Empfehlungen ermöglicht habe, sei es weder zu einer (konkludenten) Kündigung der bestehenden Betriebsvereinbarung noch zu deren „eigenmächtiger Ablösung“ gekommen. Vielmehr sei hier der nach der Betriebsvereinbarung ohnehin mögliche Spielraum über das „Ob“ der Gestattung mobilen Arbeitens lediglich erweitert worden. Ein eigenständiger Anspruch auf mobiles Arbeiten habe zu keinem Zeitpunkt bestanden.
50
Hieran hätten auch die ab dem 21.03.2022 geltenden Regelungen nichts geändert. Diese seien mit dem Wegfall eines Großteils der Corona-Maßnahmen einhergegangen. Auch diese stellten keine „Außerkraftsetzung“ der bisherigen Betriebsvereinbarung dar, sondern seien die Fortsetzung der Maßnahmen vor der Pandemie und beschrieben den zu diesem Zeitpunkt notwendigen Weg hin zu einer Normalisierung des Berufsalltags. Dass hier auch keine eigenständigen neuen Regelungen im Sinne eines Anspruchs geschaffen werden sollten, stehe auch deshalb fest, da quasi zeitgleich zwischen den Betriebsparteien versucht worden sei, Gespräche zum Thema „Return zu Office“ aufzunehmen. Die Gesprächsbemühungen der Arbeitgeberin zeigten, dass sie weder willkürlich noch einseitig oder überraschend die „Return to Office“-Regelungen eingeführt habe. Doch selbst wenn das Schreiben vom März 2022 als eigenständige neue Regelung anzusehen sein sollte, änderte dies nichts daran, dass die Arbeitgeberin im Rahmen ihres Weisungsrechts hinsichtlich des „Ob“ der Gestattung das mobile Arbeiten wieder einseitig habe beenden können.
51
An dieser Gesamtschau der Dinge ändere die streitbefangene, im März 2023 kommunizierte Neuregelung nichts. Aus der Intranet-Mitteilung vom 28.03.2023 ergebe sich eindeutig, dass die Maßnahmen über die freiwillige Inanspruchnahme von Home-Office zum 31.03.2023 auslaufen sollten, da der Covid-19-Krisenmodus und auch erforderliche Energiesparmaßnahmen zwischenzeitlich beendet worden seien. Es werde klargestellt, dass die geltende Betriebsvereinbarung von einer Arbeit überwiegend in der Betriebsstätte ausgehe, jedoch eine größere Flexibilität möglich sei, solange dies in Absprache mit dem Vorgesetzten und den Teams passiere. Vor diesem Hintergrund sollte ab dem 01.04.2023 die Regelung gelten, dass vier Tage pro Monat im Betrieb zu arbeiten sei, ergänzt durch einen Katalog von Aktivitäten und betrieblichen Gründen, der Beachtung finden sollte.
52
Dem Betriebsrat könne durchaus zugestanden werden, dass die Arbeitgeberin beabsichtige, neben den vier Tagen im Monat, die in Absprache mit den Teams/dem Vorgesetzten erbracht werden sollten, darüber hinaus auch dann eine Büropräsenz erforderlich sein solle, wenn bestimmte betriebliche Erfordernisse eine Anwesenheit erforderlich machten. Entgegen seiner Auffassung beträfen auch diese neuen Regelungen, jedenfalls im wesentlichen Kern, wiederum ausschließlich das „Gesamtdeputat“ mobiler Arbeitszeitanteile („vorgegebene Zeitbudgets“) und somit das mitbestimmungsfreie „Ob“. Nicht betroffen seien gegen die mitbestimmungspflichtige Frage der Verteilung auf bestimmte Wochentage/Wochen und insofern auch deren Dauer. Letztere erfolge sodann nicht kollektiv für alle Mitarbeiter, sondern im Einzelfalle nach Absprache mit dem Team, damit gerade „nach den Betriebsabläufen“ und werde „mit dem Vorgesetzten abgestimmt“, wobei sich nicht ergebe, dass künftig mehr als der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit am regelmäßigen Arbeitsplatz erbracht werden“ müsste. Damit wäre jedenfalls Art und Umfang bei weitem von der geltenden Betriebsvereinbarung gedeckt, selbst wenn man hier einen Teil der Vorgaben „inhaltlich-ausgestalterischen“ Charakter zusprechen sollte. Soweit die Arbeitgeberin Beispiele für mögliche Konstellationen gebe, etwa mögliche „betriebliche Erfordernisse“ näher beschreibe, bleibe es letztlich doch immer eine Frage der Abstimmung zwischen den Mitarbeiter und seinem Vorgesetzten, in welchem Umfange hier HomeOffice gewährt werden könne. Dies schließe auch nicht aus, dass es der Fall sein könne, dass einmal an mehreren Tagen eine Anwesenheit im Büro notwendig werde. Sollte im Einzelfall eine Einigung zwischen dem Mitarbeiter und dem Vorgesetzten (nach vorheriger Absprache im Team) nicht zustande kommen, sehe die geltende Betriebsvereinbarung in ihrer Nr. 5 eine Schlichtungskommission vor.
53
Nach alledem sei das Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG jedenfalls derzeit weder bedroht noch gefährdet. Die Arbeitgeberin gebe selbst weder feste Tage noch bestimmte Zeiten der Anwesenheit im Büro vor noch beziehe sie sich auf bestimmte Gruppen von Mitarbeitern. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts, das Weisungsrecht hinsichtlich des „Ob“ des mobilen Arbeitens vollständig einzuschränken. Es bestehe keine Veranlassung, die Rücknahme einer vermeintlichen Anordnung bzw. die Unterlassung einer solchen zu verfügen. Einen Anspruch, das „Ob“ der Anordnung oder der Beendigung des mobilen Arbeitens einzuschränken, habe der Betriebsrat nicht, da sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG jedenfalls nicht betroffen sei.
54
Die Verletzung der weiter genannten Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 1, 2, 6 und 7 BetrVG sei nicht erkennbar, hierzu habe der Beteiligte zu 1) auch nicht näher vorgetragen.
55
Im Ergebnis sei festzustellen, dass als nach wie vor gültige Rechtsgrundlage für die Absprachen zum mobilen Arbeiten im Einzelfall die Betriebsvereinbarung von 2016 vorliege, die von allen einzuhalten, nun anzuwenden und auszulegen sei auf der Basis der zuletzt am 28.03.2023 geänderten Vorgaben. Ein Verfügungsanspruch sei nicht gegeben.
56
Mangels Eilbedürftigkeit fehle es auch an einem Verfügungsgrund. Die gebotene Abwägung führe vorliegend zum Ergebnis, dass die Interessen des Betriebsrats bzw. der Arbeitnehmerschaft die Interessen der Arbeitgeberin nicht überwögen. Dem Betriebsrat stünden die geltend gemachten Ansprüche nicht, jedenfalls nicht zweifelsfrei zu. Eine die Ansprüche ablehnende Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren komme ernsthaft in Betracht. Die Rechtslage sei aus Sicht der Kammer relativ eindeutig. Er sei der Arbeitgeberin nicht zumutbar, die aus Pandemiezeiten stammende großzügige HomeOffice-Regelung aufrechtzuerhalten, die dem Gesundheitsschutz gedient habe. Gemessen daran trete das Interesse an der Wahrung etwaiger Mitbestimmungsrechte in den Hintergrund, zumal sie nicht leer zu laufen drohten. Letztlich sei nicht außer Acht zu lassen, dass die Arbeitgeberin wiederholt an den Betriebsrat mit Gesprächsangeboten heranzutreten sei, dieser Verhandlungen aber letztlich abgelehnt habe. Er habe auch seinen Anspruch noch nicht einmal im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens gerichtlich anhängig gemacht.
57
Ergänzend wird wegen der tatsächlichen Feststellungen und der rechtlichen Erwägungen des Arbeitsgerichts auf die angegriffene Entscheidung Bezug genommen.
58
Gegen diese Entscheidung, die ihm am 26.04.2023 zugestellt wurde, wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner am 17.05.2023 eingelegten und gleichzeitig begründeten Beschwerde.
59
Er bringt zur Begründung seines Rechtsmittels im Wesentlichen folgendes vor:
60
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts bestehe ein Verfügungsanspruch. Die zum 01.04.2023 aufgestellten Regelungen seien nicht von der Betriebsvereinbarung vom 25.07.2016 gedeckt. In dieser Betriebsvereinbarung sei das mobile Arbeiten von der Eignung der Aufgabe und der Funktion des Mitarbeiters abhängig gemacht worden. Wohl zusätzlich zu dieser Regelung sollten nun wohl weitere Regelungen gelten, entweder anstelle oder auch zusätzlich zu der Regelung, dass die Aufgabe und Funktion für das mobile Arbeiten grundsätzlich geeignet sei, würden weitere Regularien zur Anwesenheit im Betrieb getroffen. Zum einen müssten die Mitarbeiter mindestens vier Tage im Monat im Büro anwesend sein, wobei die Anwesenheitstage mit dem Team koordiniert werden müssten. Zugrunde gelegt werde ein einseitig vorgegebener Präsenzkatalog. Kumulativ bestehe eine zusätzliche Büropräsenz bei operativem Bedarf, den die Arbeitgeberin definiere. Kumulativ müsse der jeweilige Mitarbeiter des Weiteren mit all seinen Vorgesetzten die Anwesenheit im Büro abhängig vom geschäftlichen und persönlichen Bedarf abstimmen.
61
Die von der Beteiligten zu 2) getroffenen Regelungen beträfen die Ausgestaltung, das „Wie“ der mobilen Arbeit. Die Beteiligte zu 2) treffe gerade keine Regelungen, die das Gesamtdeputat beträfen. Entsprechend der vom Arbeitsgericht zitierten Literatur stelle die Beteiligte zu 2) Regelungen auf, wie das mobile Arbeiten bei ihr verteilt werde. Sie statuiere einseitig, dass die vier Präsenztage mit dem Team abgesprochen werden müssten; diese Regelung finde sich in der Betriebsvereinbarung aus 2016 nicht. Sie stehe auch in keinem Zusammenhang mit der Regelung, wonach Funktion und Aufgabe grundsätzlich für mobile Arbeit geeignet sein müssten. Die vier Präsenztage bestimmten nicht, ob ein Mitarbeiter grundsätzlich Anspruch auf mobiles Arbeiten habe und an wie vielen Tagen.
62
Die vier Tage sollten nicht festgelegt werden, sondern im Team lediglich abgesprochen werden. Dies zeige sich auch in dem Umstand, dass durch den Präsenzkatalog Anlässe für die Präsenz vorgegeben würden und damit Anlässe für die Verteilung der vier Tage. Sie beträfen nicht die Gesamthöhe der mobilen Arbeit, sondern der mitbestimmungspflichtigen Verteilung.
63
Als weitere Voraussetzung lege die Arbeitgeberin nunmehr fest, dass „z. B.“ eine Anwesenheit im Büro etwa bei Prüfung durch eine Aufsichtsbehörde etc. notwendig sei. Damit werde eine konkrete Anwesenheitspflicht einseitig von der Arbeitgeberin konstituiert, die das „Wie“ der mobilen Arbeit betreffe. Es gehe nicht um das Gesamtdeputat, sondern lediglich um die Verteilung. Darüber hinaus würden die Anwesenheitstage nunmehr von persönlichen „und/oder“ geschäftlichen Notwendigkeiten abhängig gemacht. Die persönliche Notwendigkeit seien ein anderes Kriterium als Funktion oder Aufgabe des Mitarbeiters. Auch sei es etwas anderes, wenn man sich mit allen Vorgesetzten anstatt mit einem abstimmen müsse. Mit der Hereinnahme von persönlichen Belangen werde ein weiteres Kriterium geschaffen, das die Verteilung der mobilen Arbeitstage festschreiben wolle. Mobiles Arbeiten werde davon abhängig gemacht, wann auf Seiten des Mitarbeiters Bedarf hierzu bestehe. Dies werde geschäftlichen Notwendigkeiten gegenübergestellt. Dies sei ein Kriterium der Verteilung der mobilen Arbeit. Das neu aufgenommene Kriterium sei in keiner Weise in der Betriebsvereinbarung aus 2016 angelegt.
64
Die Arbeitgeberin habe einseitig Regelungen zur Ausgestaltung der mobilen Arbeit aufgestellt, die mitbestimmungspflichtig seien. Durch die neu aufgestellten Regularien würden andere Regularien aufgestellt, als sie in der Betriebsvereinbarung von 2016 vorgesehen seien. Darüber hinaus werde von der Regelung der Betriebsvereinbarung abgewichen, wenn die Mitarbeiter nicht mehr weit überwiegend ihre Arbeitsleistung am regelmäßigen Arbeitsplatz erbringen. Die neu geschaffenen Regularien widersprächen der „Soll-Vorschrift“ aus dem letzten Satz der Zf. 4 der Betriebsvereinbarung.
65
Nicht gefolgt werden könne der Auffassung des Arbeitsgerichts, dass der Arbeitgeber einseitig über die Beendigung von mobilem Arbeiten bestimmen könne. Nach der Regelung der Betriebsvereinbarung könne die mobile Arbeit entzogen werden, wenn sachliche Gründe dafür sprächen. Im Übrigen gelte die Betriebsvereinbarung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiter. Die zum 01.04.2023 geschaffenen Regularien seien nicht von der Betriebsvereinbarung von 2016 gedeckt. Sie seien daher unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts gegenüber den Mitarbeitern kommuniziert worden.
66
Die Beteiligte zu 2) habe mit der Corona-Pandemie im März 2020 kollektive Regularien zum Home-Office erlassen. Zum 31.03.2022 habe sie diese unbegrenzt geltende kollektivrechtliche Regelung nochmals bestätigt. Nach Auffassung des Betriebsrats unterlägen kollektivrechtliche Regelungen zum Home-Office auch in Zeiten von Corona der Mitbestimmung. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts durften nach dieser Regelung auf Anordnung des Arbeitgebers max. 50% der Beschäftigten in der Betriebsstätte arbeiten, im Übrigen habe die Arbeitgeberin den Mitarbeitern freigestellt, ob sie in das Büro kommen wollten oder nicht. Diese Regelung sei nicht von einer Zustimmung des Vorgesetzten abhängig gewesen. Die Beteiligte zu 2) habe damit entgegen der Auffassung des Erstgerichts eine kollektive Regelung geschaffen, die sie nicht mehr einseitig beenden könne.
67
Eine Regelung, wonach Mitarbeiter nur dann in das Büro zurückkehren dürften, wenn nicht mehr als 50% der Mitarbeiter sich im Büro befänden, betreffe dem Bereich der Ausgestaltung des Home-Office und könne nicht mitbestimmungsfrei aufgehoben werden.
68
Diese Wertung ändere sich auch nicht dadurch, dass die Betriebsparteien im Februar/März 2022 Gespräche zum Thema „Return to Office“ aufgenommen hätten. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei die eigenständige Entscheidung der Mitarbeiter, ins Büro zu kommen oder nicht, nicht von der Betriebsvereinbarung aus 2016 gedeckt.
69
Entgegen der Ansicht des Erstgerichts bestehe ein Verfügungsgrund. Die erstinstanzliche Entscheidung werde nicht vom Betriebsverfassungsrecht gedeckt, womit der Einwand, eine ablehnende Entscheidung einem etwaigen Hauptsacheverfahren komme ernsthaft in Betracht, nicht verfangen könne. Mitbestimmungsrechte seien verletzt worden. Fehlerhaft sei die Annahme, dass ein Verfügungsgrund nicht bestehe, weil der notwendige Schutz der Arbeitnehmer nicht bis zum Inkrafttreten einer mitbestimmten Regelung gefährdet oder vereitelt werde. Die Arbeitgeberin habe mitbestimmungswidrig gehandelt, weil ihre Anordnungen, wie dargelegt, weder von der Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2016 noch von den Home-Office-Regelungen seit 2020 gedeckt seien. Sie könne auch nicht nach ihrer Auffassung mitbestimmungsfrei zwischen den verschiedenen Regelungen bezüglich mobilen Arbeitens pendeln. Die Erwägungen, welche Regelungen in Pandemiezeiten großzügig gewesen seien oder nicht, entschieden nicht über die Frage, ob eine einseitige Regelung durch den Arbeitgeber getroffen werden könne. Dass der Betriebsrat die Regelung aus der Pandemiezeit ohne Mitbestimmung habe passieren lassen, habe allein an der Tatsache gelegen, dass die Regelung günstig für den Mitarbeiter gewesen sei.
70
Sinn und Zweck von § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG sei es, betroffenen Arbeitnehmern mittels Vereinbarung der Betriebsparteien einen einheitlichen Rechtsrahmen bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit zu bieten und so deren Vor- und Nachteile unter Berücksichtigung der Belange des jeweiligen Betriebs in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. Es dürfte außer Frage stehen, dass auch bei Maßnahmen aufgrund von Corona-Vorschriften das Mitbestimmungsrecht hätte gewahrt werden müssen. Eine einseitige kollektivrechtliche Regelung könne aber nicht einseitig aufgehoben werden. Die Arbeitgeberin habe entgegen der Ansicht des Erstgerichts mehr Voraussetzungen für das mobile Arbeiten bzw. die Anwesenheit im Betrieb geschaffen. Was sie versichere, könne nicht Voraussetzung für das Vorliegen eines Verfügungsgrunds sein. Auch sei die Auffassung des Erstgerichts nicht richtig, der Betriebsrat hätte sich Verhandlungen entzogen und dies sei bei der Frage eines Verfügungsgrundes zu werten.
71
Die Verhandlungen für eine neue Vereinbarung zu mobilem Arbeiten seien nicht am Antragsteller gescheitert. Es habe allerdings unterschiedliche Auffassungen hierzu gegeben, was aber normale Vorgänge in einem Betrieb seien, für die das Betriebsverfassungsrecht Konfliktlösungsmechanismen bereithalte. Die bestehende Regelung sei von der Beteiligten zu 2) nicht gekündigt worden. Sie könne sich nicht darauf berufen, dass der Antragsteller sich Verhandlungen verweigert hätte.
72
Dass die Einführung und Beendigung von mobiler Arbeit und damit das „Ob“ der mobilen Arbeit nicht der Mitbestimmung unterliege, sei nicht ausschlaggebend für die vorliegende Frage, ob die Arbeitgeberin Regelungen einseitig verändern könne. Auch nach dem Verständnis der Arbeitgeberin bestehe hier eine Regelung zu mobilem Arbeiten in der Betriebsvereinbarung aus 2016. Die Frage des „Ob“ sei daher von den Betriebsparteien bereits geregelt und eingeführt worden. Mit den Verlautbarungen vom 28.03.2023 habe die Beteiligte zu 2) auch Regelungen zur Ausgestaltung der mobilen Arbeit getroffen. Das „Wie“ der mobilen Arbeit unterliege der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats.
73
Die im März 2023 einseitig aufgestellten Regelungen seien von den jeweiligen Vereinbarungen nicht gedeckt. Mit der Betriebsvereinbarung aus 2016 und der Regelung aus 2022 seien jeweils kollektive Regelungen geschaffen worden, die einseitig nicht verändert werden könnten.
74
Die Sollvorschrift in der Betriebsvereinbarung von 2016 könne nicht einseitig geändert werden. Sollte man darin eine Regelung über das „Ob“ der mobilen Arbeit sehen wollen, so würde die Beteiligte zu 2) hiervon abweichen, wenn sie überwiegend mobil arbeiten ließe. Die Beteiligte zu 2) müsse sich entweder an den Regelungen aus dem Jahr 2016 oder an denen aus dem Jahr 2020, zuletzt festgeschrieben am 21.03.2022, festhalten lassen, und könne nicht ohne den Antragsteller einseitig neue Regelungen aufstellen.
75
Im Termin vor der Beschwerdekammer hat der Betriebsrat zum Verfügungsgrund noch darauf hingewiesen, dass die von der Beteiligten zu 2) vorgegebene Regelung im Betrieb „gelebt“ werde, was dazu führe, dass einzelne Mitarbeiter, die Planbarkeit benötigten, keine solche Planbarkeit mehr hätten. Im Übrigen gehe es um ein eigenes Recht des Betriebsrats, dass durch ein Hauptsacheverfahren wegen dessen Laufzeit über drei Instanzen unzureichend geschützt werde.
76
Der Beteiligte zu 1) beantragt zuletzt,
1. Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 18.04.2023, Az.: 40 BVGa 8/23 der Beteiligten zu 2) im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben die Anordnung einer verpflichtenden Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden von vier Tagen im Monat und einer Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden aus betrieblichen Gründen in der Betriebsstätte in der Königinstr. 28, 80802 München sowie der Abhängigkeit der Flexibilität von Mobilen Arbeiten je nach persönlichem und/oder geschäftlichem Bedarf zurückzunehmen, solange hierzu keine Betriebsvereinbarung mit dem Antragsteller abgeschlossen oder ein Einigungsstellenspruch oder eine rechtskräftige Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergangen ist.
2. Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 18.04.2023, Az.: 40 BVGa 8/23 der Beteiligten zu 2) im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben es zu unterlassen, eine verpflichtenden Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden von vier Tagen im Monat und einer Anwesenheit der nichtleitenden Mitarbeitenden aus betrieblichen Gründen in der Betriebsstätte in der Königinstr. 28, 80802 München sowie der Abhängigkeit der Flexibilität von Mobilen Arbeiten je nach persönlichem und/oder geschäftlichem Bedarf anzuordnen, solange hierzu keine Betriebsvereinbarung mit dem Antragsteller abgeschlossen oder ein Einigungsstellenspruch oder eine rechtskräftige Entscheidung im Hauptsacheverfahren ergangen ist.
3. Unter Abänderung des Beschlusses des Arbeitsgerichts München vom 18.04.2023, Aktz.: 40 BVGa 8/23, wird der Beteiligten zu 2) bei Verstoß gegen eine ihrer Verpflichtungen aus Ziffer 1. oder 2. dieses Beschlusses, für jeden Tag und jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, angedroht.
77
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
78
Die Beteiligte zu 2) meint, das Arbeitsgericht habe richtig entschieden. Zunächst habe es allein am Betriebsrat gelegen, dass im März 2022 und im März 2023 keine neuen Vereinbarungen zustande gekommen seien. Zu Recht habe das Arbeitsgericht das Verhalten des Betriebsrats als „Verzögerungs- und Verweigerungshaltung“ gewertet. Dass „Regelungen“ ohne seine Beteiligung „gestellt“ worden seien, sei vor diesem Hintergrund zu sehen; wer sich nicht beteiligen wolle, dem sei es verwehrt, sich hinterher über eine fehlende Beteiligung zu beschweren. Bei den übrigen Konzerngesellschaften seien nach Beendigung des Testfeldes zum 01.05.2023 bzw. 01.06.2023 die neuen Betriebsvereinbarungen kommuniziert worden.
79
Die Beschwerdeangriffe des Betriebsrates seien nicht nachvollziehbar. Er beantrage sinngemäß, dass die Beteiligte zu 2) die zum 01.04.2023 aufgestellten Regeln zum mobilen Arbeiten rückgängig mache und keine entsprechenden Regelungen neu aufstelle, bis nicht eine Betriebsvereinbarung hierzu geschlossen sei. Er argumentiere zum einen mit einem Verstoß gegen die geltende Betriebsvereinbarung, da die neue Regelung mehr mobiles Arbeiten ermögliche als in der Betriebsvereinbarung vorgesehen, zum anderen damit, dass die neue Regelung gegen die während der Corona-Pandemie aufgestellten Regelungen verstoßen würde, die aber wiederum nicht mitbestimmt gewesen seien. Dies stifte Verwirrung und sei falsch.
80
Sie halte die Anträge schon für unbestimmt. Im Übrigen sei der betriebsverfassungsrechtliche Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nicht erfolgreich, wenn bereits eine Regelung existiere.
81
Auch inhaltlich seien die Angriffe der Beschwerde nicht tragfähig. Geltende Rechtsgrundlage für mobiles Arbeiten sei ausschließlich die Betriebsvereinbarung aus 2016, die unstreitig mit den in der Entscheidung des Arbeitsgerichts zitierten Inhalten noch gelte. Ungeachtet der Regelungen während der Pandemie seien die Regelungen zum 01.04.2023 ausschließlich an der geltenden Betriebsvereinbarung zu messen.
82
Die Kommunikation vom 31.03.2023 enthalte keine Abänderung der Vorgaben der Betriebsvereinbarung. Ergänzend zur Anlage Ast 3 sei darauf hinzuweisen, dass die Kommunikation – ins Deutsche übersetzt – auch Folgendes beinhaltet habe:
„Nachdem unsere existierende Betriebsvereinbarung regelt, dass Arbeit primär vom Büro aus erfolgen soll, erlaubt die Vereinbarung auch eine größere Flexibilität, solange dies zwischen Managern und Teams vereinbart wird. Somit ist unsere höchste Priorität, die Balance zu finden zwischen der individuellen Möglichkeit, remote zu arbeiten in Abstimmung mit Euren Managern und den Vorteilen, die das gemeinsame Arbeiten im Büro auf regelmäßiger Basis hat.“
83
Erst danach seien dann die vom Betriebsrat zitierten Hinweise zu den Präsenztagen usw. gefolgt. Der Betriebsrat unterschlage also, dass die Beteiligte zu 2) alle Mitarbeiter auf die existierende Betriebsvereinbarung noch einmal hingewiesen und klargestellt habe, dass sie nun die Möglichkeiten nutzen möchte, die die Betriebsvereinbarung biete. Diese Möglichkeiten habe sie nicht überschritten, wie das Arbeitsgericht richtigerweise festgestellt habe.
84
Die Kommunikation beinhalte die Festlegung, dass die Mitarbeiter vier Präsenztage pro Monat einplanen sollten, wobei die Planung mit dem Team abgestimmt werden und zum anderen den ebenfalls kommunizierten Präsenzkatalog beachten solle. Es sei auch mitgeteilt worden, dass die geltende Betriebsvereinbarung eine solche Ausgestaltung zulasse, was richtig sei. Denn die Betriebsvereinbarung gehe davon aus, dass der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit am regelmäßigen Arbeitsplatz geleistet werden „sollte“. Es handele sich hierbei ohnehin nur um eine Sollvorschrift. Zum anderen entspreche eine Vorgabe dieser Art dem Verhalten, das die Betriebsvereinbarung gestatte. Selbst wenn man der Kommunikation einen zusätzlichen Regelungsgehalt geben wollte, würde sich dieser im Rahmen des mitbestimmungsfreien „Ob“ bewegen. Die Beteiligte zu 2) würde dem Mitarbeiter max. 4 Tage im Monat die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten nehmen, was klar die Frage des zeitlichen Umfangs betreffe und in der alleinigen Entscheidungshoheit des Arbeitgebers liege.
85
Das Argument des Betriebsrats, eine Abstimmung mit mehreren Managern sei eine relevante Änderung der bestehenden Regelungen, sei falsch und wohl nicht ernst gemeint.
86
„Your managers“ bedeute schlicht: Mit euren Managern. Was daran falsch oder regelwidrig sein solle, erschließe sich nicht. Auch der weitere Inhalt sei lediglich eine Klarstellung dessen, was ohnehin schon gelte. Denn es gehe nicht darum, die generelle Eignung der Tätigkeit für mobiles Arbeiten anders als in der Betriebsvereinbarung (abschließend) vereinbart festzulegen. Was die Beteiligte zu 2) kommuniziert habe, betreffe lediglich die Aspekte, die bei der Abstimmung mit dem Manager zu berücksichtigen seien. Es sei ohnehin Bestandteil der arbeitsvertraglichen Pflichten der Manager, bei der individuellen Abstimmung die betrieblichen Erfordernisse zu berücksichtigen. Ein Zulassen von mobiler Arbeit, obwohl eine Anwesenheit im Betrieb aus geschäftlicher Sicht notwendig sei, wäre eine Pflichtverletzung des jeweiligen Managers. Es ändere sich inhaltlich durch die Kommunikation also gar nichts. Es würden lediglich Hilfestellungen für die eigene Bewertung gegeben.
87
Der Anwesenheitskatalog sei schon gar keine Regelung. Er erläutere lediglich Anlässe und Aktivitäten, bei denen eine Anwesenheit erforderlich sein könne und solle dabei unterstützen zu entscheiden, wann eine Anwesenheit im Büro Sinn mache. Er sei lediglich eine Hilfestellung und habe keinen Regelungsgehalt, es handele sich um eine Auflistung von Beispielen. Sie seien lediglich das, was ohnehin Gegenstand der von der Betriebsvereinbarung geforderten Abstimmung zwischen Manager und Mitarbeiter sei.
88
Es bleibe dabei, dass sich der Betriebsrat sehr wohl den Verhandlungen entzogen habe. Er verhalte sich treuwidrig, wenn er den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung stelle, nachdem er Monate lang zugewartet habe, statt sich inhaltlich zu den Ideen und Plänen der Beteiligten zu 2) zu äußern. Er habe die Eilbedürftigkeit im Übrigen selbst herbeigeführt. Zuletzt sei ihm am 28.02.2023 klargemacht worden, dass es ab dem 01.04.2023 Änderungen geben müsse. Er habe sich aber offenbar keine Meinung gebildet, habe stattdessen die Beteiligte zu 2) allein eine Entscheidung treffen lassen, um diese dann in einem Gerichtsverfahren anzugreifen.
89
Auch darüber hinaus sei kein Verfügungsgrund zu sehen, weil keinerlei Gefahr bestehe, dass die Rechte des Beteiligten zu 1) bzw. der Belegschaft vereitelt würden. Die Betriebsvereinbarung aus 2016 gelte nach wie vor, worauf die Beteiligte zu 2) sogar noch einmal hingewiesen habe. Das bedeute aber auch, dass jeder Mitarbeiter individuell seine Rechte geltend machen könne, sollte er sich darin beschnitten fühlen. Der Beteiligte zu 1) begehre hier höchstens die Klärung einer Auslegungsfrage zu einer gültigen Betriebsvereinbarung, wofür ein Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz ungeeignet sei. Nicht zuletzt sei offensichtlich, dass der Verfügungsanspruch nicht bestehe und daher auch der Verfügungsgrund abzulehnen sei.
90
Im Termin vor der Beschwerdekammer hat die Beteiligte zu 2) hervorgehoben, es gehe nicht um eine Abänderung der Betriebsvereinbarung aus 2016, sondern um deren Konkretisierung im Wege der Auslegung.
91
Ihre zunächst geäußerten Bedenken, dass der Beschwerdeeinlegung und der Beauftragung des Prozessbevollmächtigten des Betriebsrats kein formal ordnungsgemäßer Beschluss zu Grunde liege, hat die Beteiligte zu 2) im Termin vor der Beschwerdekammer nicht mehr aufrechterhalten.
92
Ergänzend wird wegen des Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren auf die vorgelegten Schriftsätze und des Sitzungsniederschrift vom 10.08.2023 Bezug genommen.
II.
93
Die gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist begründet. Für seine Anträge besteht entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sowohl ein Verfügungsanspruch als auch ein Verfügungsgrund (§ 85 Abs. 2 Satz 2 ArbGG, §§ 935, 940 ZPO).
94
1. Die Verfügungsansprüche sind sowohl hinsichtlich der begehrten Beseitigung des mitbestimmungswidrigen Zustands als auch hinsichtlich der begehrten Unterlassung gegeben.
95
1.1 Der Betriebsrat hat bei Verstößen gegen sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG einen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitgeber, auch wenn dieser Anspruch in § 87 BetrVG nicht ausdrücklich geregelt wird. Unterlassungsansprüche können aber als selbstständige, einklagbare Nebenleistungsansprüche auch ohne gesetzliche Normierung bestehen. Bei sozialen Angelegenheiten im Sinne von § 87 BetrVG ergibt sich der Unterlassungsanspruch aus der besonderen Rechtsbeziehung, die zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat besteht. Das durch die Bildung des Betriebsrats kraft Gesetzes zustande kommende „Betriebsverhältnis“ ist einem gesetzlichen Dauerschuldverhältnis ähnlich. Es wird bestimmt durch die Rechte und Pflichten, die in den einzelnen Mitwirkungstatbeständen normiert sind, sowie durch wechselseitige Rücksichtspflichten, die sich aus § 2 BetrVG ergeben. § 2 BetrVG enthält eine dem Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB vergleichbare Konkretisierung des Gebots partnerschaftlicher Zusammenarbeit.
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Zwar lassen sich aus der Vorschrift keine Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte ableiten, die im Gesetz nicht vorgesehen sind. § 2 BetrVG ist aber bei der Auslegung der einzelnen Tatbestände des Betriebsverfassungsgesetzes zu berücksichtigen. Bei der Wertung der im Gesetz vorgesehenen Rechte kann daher aus dem allgemeinen Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit als Nebenpflicht grundsätzlich auch das Gebot abgeleitet werden, alles zu unterlassen, was der Wahrnehmung des konkreten Mitbestimmungsrechts entgegensteht. Insoweit ist eine dem vertraglich begründeten Schuldverhältnis vergleichbare Lage gegeben. Daraus folgt allerdings noch nicht, dass jede Verletzung von Rechten des Betriebsrats ohne weiteres zu einem Unterlassungsanspruch führt. Vielmehr kommt es auf die einzelnen Mitbestimmungstatbestände, deren konkrete gesetzliche Ausgestaltung und die Art der Rechtsverletzung an. Bei Verstößen gegen das Mitbestimmungsrecht des § 87 BetrVG muss dem Betriebsrat ein Unterlassungsanspruch zur Verfügung stehen. Die Norm regelt die erzwingbare Mitbestimmung. Maßnahmen in diesem Bereich soll der Arbeitgeber nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers nur mit Zustimmung des Betriebsrats durchführen können. Verstößt er hiergegen, entsteht eine betriebsverfassungswidrige Lage. Dass der Gesetzgeber diese auch nur zeitweise dulden und einen Unterlassungsanspruch ausschließen wollte, ist nicht ersichtlich. Es fehlt gerade eine § 115 Abs. 7 Nr. 4 BetrVG entsprechende Regelung, wonach in Angelegenheiten, die der Mitbestimmung des Seebetriebsrats unterliegen, der Kapitän vor einer Einigung mit dem Betriebsrat eine vorläufige Regelung treffen kann, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Schiffsbetriebes dringend erforderlich ist. Dass in Notfällen dem Arbeitgeber ausnahmsweise auch im Rahmen des § 87 BetrVG die Möglichkeit eingeräumt sein mag, eine Anordnung vorläufig ohne Zustimmung des Betriebsrats wirksam zu treffen, ist damit nicht ausgeschlossen. Wenn man dies zugesteht, unterstreicht das nur, dass in „Normalfällen“ ein einseitiges Vorgehen nicht geduldet werden kann (grundlegend BAG vom 03.05.1994 – 1 ABR 24/93, juris, Rn. 33 ff.).
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Der Betriebsrat kann auch verlangen, dass der unter Verletzung seines Mitbestimmungsrechts eingetretene Zustand beseitigt wird. Dass die betriebsverfassungswidrige Anweisung unwirksam ist, ohne dass eine ausdrückliche Rücknahme erforderlich wäre, ändert daran nichts. § 87 BetrVG enthält kein abschließendes Sanktionssystem; es ist auch nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber dem Betriebsrat bei Verletzung seines Mitbestimmungsrechts aus § 87 BetrVG nur lückenhaften Schutz hat gewähren wollen. Die den auf künftige Handlungen gerichteten Unterlassungsanspruch tragenden Überlegungen erfordern folgerichtig einen entsprechenden Beseitigungsanspruch, falls das mitbestimmungswidrige Verhalten bereits vollzogen ist. Dieser Beseitigungsanspruch ist bei bereits eingetretener Beeinträchtigung das Gegenstück zum Unterlassungsanspruch (BAG vom 16.06.1998 – 1 ABR 68/97, juris).
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1.2 Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass hier sowohl ein Verfügungsanspruch hinsichtlich der Beseitigung der von der Beteiligten zu 2) für mobiles Arbeitern ab dem 01.04.2023 kommunizierten Regelungen als auch hinsichtlich der entsprechenden Unterlassung gegeben ist.
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Diese „Kommunikation“ betrifft die Ausgestaltung mobiler Arbeit, die mit IuK-Technik erbracht wird und so nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG der zwingenden Mitbestimmung unterliegt.
100
1.2.1 Zunächst ist festzuhalten, dass mobiles Arbeiten bei der Beteiligten zu 2) unstreitig mittels Information- und Kommunikationstechnik erbracht wird. Auch die Beteiligte zu 2) beruft sich nicht darauf, dass ein Mitbestimmungsrecht mangels Erfüllung dieser Voraussetzung nicht in Betracht käme.
101
1.2.2 In rechtlicher Hinsicht zutreffend ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen (und gehen auch die Beteiligten davon aus), dass nicht das „Ob“ mobiler Arbeit, sondern nur das „Wie“ der Mitbestimmung unterliegt. Dies ergibt sich daraus, dass § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG nur die Ausgestaltung“ erwähnt. Richtig ist auch, dass zum „Ob“ auch noch die grundsätzliche Bemessung des Kontingents an mobiler Arbeit zählt. Vorsorglich sei – aufgrund der umfangreichen Ausführungen zum Fehlen individueller Rechte der Arbeitnehmer auf mobiles Arbeiten – festgehalten, dass das Bestehen derartiger Individualrechte grds. keine Bedeutung für die Eröffnung des Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG zukommt; lediglich in tatsächlicher Hinsicht wird in der Begründung solcher Rechte eine unternehmerische Entscheidung zum Ausdruck kommen, mobiles Arbeiten zu ermöglichen.
102
Die von der Beteiligten zu 2) Ende März 2023 kommunizierten Regelungen erschöpfen sich aber nicht in der – dem „Ob“ der mobilen Arbeit zuzurechnenden – Einschränkung des Zeitkontingents. Sie erschöpfen sich auch nicht in einer ihr freistehenden Konkretisierung der unstreitig wirksam abgeschlossenen und noch geltenden Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2016. Vielmehr zielt die Kommunikation der Beteiligten zu 2) auf eine Umgestaltung der Rechtslage hinsichtlich des „Wie“ der mobilen Arbeit im Betrieb.
103
Diese Rechtslage ergibt sich – wie die Beteiligte zu 2) richtig annimmt – jedenfalls nach dem Ende pandemiebedingter Regelungen maßgeblich aus den Nrn. 4 und 5 der Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2016. Sie ist (nach den maßgeblichen Regeln der Gesetzesauslegung) dahin zu verstehen, dass die Frage, ob von einem Arbeitnehmer mobil gearbeitet werden darf, von der grundsätzlichen Eignung seiner Aufgaben und Funktionen abhängt. Ist die Eignung zu bejahen, besteht ein – wie die Betriebsvereinbarung selbst formuliert – (vom Arbeitsgericht nicht hinreichend gewürdigtes) „Recht zum Mobilen Arbeiten“, das nur nach Maßgabe der Regelungen in Nr. 4 Abs. 3 der Betriebsvereinbarung (vorübergehend oder dauerhaft) entzogen werden kann. Hinsichtlich des „Wie“ der Ausübung dieses Rechts sieht die Betriebsvereinbarung lediglich vor, dass mobiles Arbeiten in Abstimmung mit dem Vorgesetzten zu erfolgen hat. Von bindenden inhaltlichen Vorgaben wird in der Betriebsvereinbarung gerade abgesehen. Dies gilt auch bezüglich der Regelung in Nr. 4 Abs. 1 S. 2 der Betriebsvereinbarung, wonach der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit am regelmäßigen Arbeitsplatz geleistet werden sollte. Es handelt sich dabei nur um eine unverbindliche Angabe, wie die Beteiligte zu 2) selbst zutreffend annimmt.
104
Der mithin gegebene Verzicht auf inhaltliche Vorgaben erklärt sich mit dem in Nr. 5 der Betriebsvereinbarung enthaltenen Mechanismus zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten in Gestalt der betrieblichen Schlichtungskommission. Diese prozedural gestaltete, gleichwohl abschließende Regelung des „Wie“ soll nach der hier in Rede stehenden „Kommunikation“ der Beteiligten zu 2) eine Änderung erfahren. Die Anordnung, wonach eine Anwesenheit an vier Tagen pro Monat geboten ist, stellt eine starre inhaltliche Vorgabe dar, die bisher nicht existierte. Das gleiche gilt für die übrigen Anordnungen, da auch hier inhaltliche Vorgaben an die Stelle des Kommunikationsprozesses zwischen dem Arbeitnehmer und seinem Vorgesetzten treten sollen.
105
Die so verstandene Betriebsvereinbarung enthält keine Grundlage dafür, dass die Beteiligte zu 2) einseitige ergänzende Regelungen treffen dürfte. Für die abweichende Interpretation seitens der Beteiligten zu 2) bedürfte es eines Anhaltspunktes dafür, dass die Betriebsparteien ihre Betriebsvereinbarung aus dem Jahre 2016 als ausfüllungsbedürftig angesehen hätten; schon daran fehlt es jedoch.
106
Nicht zu folgen ist danach der Auffassung der Beteiligten zu 2), die Anordnung hinsichtlich der Anwesenheit an vier Tagen pro Monat erschöpfe sich in einer Reduzierung des Zeitkontingents der mobilen Arbeit, dessen Bemessung zum „Ob“ gehöre. Da vorgesehen ist, dass die Bestimmung der Tage durch das Team erfolgt, betrifft die Anordnung auch die Lage dieser Tage, an denen mobiles Arbeiten nicht in Betracht kommt, und damit die Ausgestaltung mobilen Arbeitens. Wie das Arbeitsgericht – insoweit richtig und unbeanstandet - ausgeführt hat, zählt die Lage der Zeitblöcke bereits zum mitbestimmungspflichtigen „Wie“ mobilen Arbeitens.
107
1.3 Damit ist festzuhalten, dass den unter Nr. 1.1 dargestellten Voraussetzungen wegen Verletzung des § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG genügt ist.
108
1.4 Der Beteiligte zu 1) ist auch entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Beteiligten zu 2) nicht – etwa gemäß § 2 Abs. 1 BetrVG – daran gehindert, sich auf das Bestehen des Unterlassungsanspruchs zu berufen.
109
Wenn die Beteiligte zu 2) geltend macht, der Betriebsrat, der sich nicht in eine inhaltliche Diskussion über eine mitbestimmungspflichtige Angelegenheit einbringe, könne einer einseitigen Regelung durch den Arbeitgeber nicht entgegengetreten, ist ihr nicht zu folgen; sie übersieht völlig, dass auch in diesem Falle gemäß § 87 Abs. 2 BetrVG die Konfliktlösung über die Anrufung einer Einigungsstelle gemäß § 76 BetrVG zu erfolgen hat, von der die Beteiligte zu 2) bis zum Termin vor der Beschwerdekammer jedoch – nicht nachvollziehbar – abgesehen hat.
110
Sollte die Beteiligte gemäß 2) mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der betroffenen Arbeitnehmer, Individualrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, dem Verfügungsanspruch entgegentreten, geht auch dies fehl, weil das vorliegende Verfahren der Wahrung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats dient.
111
2. Auch der erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben.
112
Soweit die Beteiligte zu 2) zunächst geltend macht, der Antragsteller habe die Eilbedürftigkeit selbst widerlegt, kann dem nicht zugestimmt werden. Die Eilbedürftigkeit ergibt sich nicht aus der mangelnden Äußerung zu den „Ideen und Plänen“ der Beteiligten zu 2), sondern aus ihrem einseitigen Handeln ohne Nutzung des gesetzlich vorgeschriebenen Weges zur Konfliktlösung.
113
Das Arbeitsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verfügungsgrund nach § 940 ZPO voraussetzt, dass eine Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Richtig ist auch, dass die Entscheidung über diese Frage eine Interessenabwägung erfordert, bei der die Eindeutigkeit der Rechtslage von erheblicher Bedeutung ist.
114
Nach diesen Grundsätzen ist jedoch entgegen seiner Auffassung die Eilbedürftigkeit zu bejahen. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, bestehen keine durchgreifenden Zweifel hinsichtlich des Bestehens der Verfügungsansprüche. Der maßgebliche Sachverhalt ist unstreitig, das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG, der erst am 18.06.2021 in Kraft getreten ist, ist zwar noch nicht in den Einzelheiten durch die BAG-Rechtsprechung geklärt, seine Auslegung wirft aber aufgrund der Gesetzesbegründung keine Fragen auf, die das hier gefunden Ergebnis in Zweifel ziehen würden.
115
Der Betriebsrat hat ferner ein Interesse daran, dass die Arbeitgeberin die gewünschte Regelung nach den gesetzlichen Vorschriften zur Konfliktlösung bei zwingender Mitbestimmung zu erreichen versucht; das Gesetz sieht, wie das BAG in den o. g. Entscheidungen herausgearbeitet hat, keine mitbestimmungswidrige Regelung und keinen mitbestimmungsfreien Übergangszeitraum vor; grds. zu Recht macht der Beteiligte zu 1) geltend, dass bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mehrere Monate vergehen würden.
116
Ein seitens der Beteiligten zu 2) bestehender Grund, das Einigungsstellenverfahren nicht einzuleiten, ist dagegen nicht vorgebracht, ihre Untätigkeit in dieser Hinsicht nicht nachzuvollziehen.
117
Sollte es auf die konkrete Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer des Betriebes ankommen, bleibt festzuhalten, dass er nicht zu erkennen ist, warum der nunmehr gesetzlich vorgesehene Schutz durch betriebliche Mitbestimmung hier ohne Bedeutung wäre oder die Arbeitnehmer anderweitig geschützt wären.
118
Insgesamt ergibt sich, dass das Interesse des Betriebsrats an der Wahrung der ihm eingeräumten Rechte das Interesse der Arbeitgeberin, eine mitbestimmungswidrige Regelung aufrechterhalten bzw. weiter mitbestimmungswidrig handeln zu können, überwiegt.
119
3. Die Androhung war mit Blick auf den Unterlassungsausspruch gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG, § 890 ZPO auszusprechen.
120
4. Den Anträgen war daher unter Abänderung der Entscheidung des Arbeitsgerichts stattzugeben.
III.
121
Gegen diese Entscheidung findet gemäß § 92 Abs. 1 S. 3 ArbGG die Beschwerde nicht statt.