Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 17.05.2023 – 102 Sch 44/22
Titel:

Aufhebungsverfahren - inländischer Schiedsspruch

Normenkette:
ZPO § 1051 Abs. 3, § 1059 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
Die dreimonatige Frist des § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO wird auch dadurch gewahrt, dass der den Anforderungen des § 1059 ZPO entsprechende Schriftsatz, mit dem die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt wird, innerhalb der Frist beim unzuständigen Gericht eingeht und das unzuständige Gericht das Verfahren an das zuständige Gericht verweist oder abgibt. (Rn. 33)
Entscheidet ein Schiedsgericht ohne ausdrückliche Ermächtigung nach Billigkeitsgesichtspunkten (§ 1051 Abs. 3 ZPO), anstatt eine Rechtsentscheidung zu fällen, begründet dies einen Verfahrensfehler, der eine Aufhebung des Schiedsspruchs rechtfertigt. Eine Billigkeitsentscheidung zeichnet sich dadurch aus, dass das Schiedsgericht gänzlich davon Abstand nimmt, Erwägungen zum positiven Recht anzustellen. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schiedsverfahren, Schiedsspruch, Aufhebungsverfahren, Aufhebungsantrag, Fristwahrung, Unzuständiges Gericht, Billigkeitsentscheidung, Bestimmtheit des Klageantrags
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24999

Tenor

I. Der Antrag der Antragstellerin, den vom Schiedsgericht, bestehend aus der Einzelschiedsrichterin Dr. L. B., in dem zwischen den Parteien geführten Schiedsverfahren DIS-…-…-… erlassenen Schiedsspruch vom 21. Dezember 2021 aufzuheben, wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Aufhebungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung eines zu ihrem Nachteil ergangenen inländischen Schiedsspruchs, der in einem auf ihren Antrag durchgeführten, von der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (im Folgenden: DIS) administrierten Schiedsverfahren unter dem Az. DIS-…-…-… ergangen ist.
2
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach schweizerischem Recht und mit statutarischem Sitz in der Schweiz. Sie war mit dem Antragsgegner ausweislich des insoweit nicht beanstandeten Inhalts des Schiedsspruchs (Rn. 247) über mehrere geschlossene Verträge verbunden. In diesem Zusammenhang war der Antragsgegner mit der Entwicklung der Hard- und Software ballistischer Messgeräte und eines computergesteuerten Zielfernrohrs (unter den Bezeichnungen „A. S. 2“, „A. S. 3“ und „A. S. 3 S./L.“) sowie mit Entwicklungsleistungen im Rahmen weiterer Projekte (Videokompression, Verfahren zur Übertragung von Spielen im Internet, universelles Daten-Kompressionssystem) befasst.
3
Im Schiedsverfahren verlangte die Antragstellerin als Schiedsklägerin vom Antragsgegner als Schiedsbeklagtem die Herausgabe von „Arbeitsergebnisse(n) sowie immateriellen und materiellen Vermögensgegenständen endentwickelt“ „nach Maßgabe der ihr gegenüber übernommenen Verpflichtungen und Leistungen sowie jeweils ihr übertragenen materiellen und immateriellen Vermögensgegenstände“ gemäß dem Vollzugsvertrag, dem Patentübertragungsvertrag und den hierzu getroffenen Nachtragsvereinbarungen nebst Ergänzungsabreden (u. a. sämtlicher aktueller Arbeitsergebnisse [Hard- und Software] zu den Produktentwicklungen A. S. 2, A. S. 3 und A. S. 3 S./L. oder Derivaten einschließlich Quellcode, Konstruktionsplänen und zugrundeliegender Dokumentation, sämtlicher aktueller fort- und endentwickelter Arbeitsergebnisse zum Patentkomplex Videokompression/Technologie, jeweils zum Entwicklungsstand 30. Juni 2020, sowie sämtlicher „mit dinglicher Wirkung verkaufter“ immaterieller und materieller Vermögensgegenstände, soweit diese nicht bereits als Herausgabegegenstände erfasst sind) Zug um Zug gegen die Übernahme einer 50%-igen Beteiligung an der Antragstellerin durch den Antragsgegner (Klageantrag 1). Außerdem begehrte sie die Feststellung, dass sich der Antragsgegner mit der Übernahme des hälftigen Gesellschaftsanteils spätestens seit 27. Juli 2016 in Annahmeverzug befinde (Klageantrag 2). Mit der Behauptung, der Antragsgegner habe bereits „endentwickelte“ und daher herauszugebende Arbeitsergebnisse Dritten, zumindest der S. M. GmbH (richtig: S. M. GmbH) und der S. D. GmbH & Co. KG (im Schiedsspruch wiederholt nur als „S. D. GmbH“ bezeichnet), zur Verfügung gestellt, forderte sie zudem Auskunft und Rechnungslegung (Klageantrag 3). Ergänzend wird für den Wortlaut der Klageanträge auf Rn. 199 (S. 34 – 40) des als Anlage K I vorgelegten Schiedsspruchs Bezug genommen.
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Am 21. Dezember 2021 erließ die Einzelschiedsrichterin Dr. L. B. am Schiedsort München in dem zwischen den Parteien ausgetragenen Schiedsverfahren einen Schiedsspruch, mit dem das Klagebegehren der dortigen Schiedsklägerin und hiesigen Antragstellerin „zur Gänze abgewiesen“ sowie dem Schiedsbeklagten und hiesigen Antragsgegner ein Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 15.470,00 € (Vertretungskosten) sowie 1.816,18 € (an die Schiedsinstitution entrichteter Kostenvorschuss) zuerkannt wurde.
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Das Schiedsgericht führte zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen aus: Die zwischen den Parteien bestehende Mediationsabrede stehe einer Entscheidung durch das Schiedsgericht nicht entgegen. Sie bewirke ausweislich ihres Wortlauts einen temporären Klagbarkeitsausschluss lediglich für einen Zeitraum von 30 Tagen nach Einleitung des Mediationsverfahrens, sofern sich die Parteien nicht auf eine Verlängerung einigten. Aufgrund Zeitablaufs und mangels Verlängerungsvereinbarung sei entgegen dem Einwand des Schiedsbeklagten das Schiedsgericht für die Entscheidung des Streitgegenstands zuständig (Rn. 281 bis 292). Hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots, das auch im Schiedsverfahren an Klageanträge zu stellen und dem nach Ansicht des Schiedsbeklagten nicht genügt sei, bestünden zwar insoweit Bedenken, als der Klageantrag 1 weitschweifig die zugrundeliegenden Vereinbarungen wörtlich wiedergebe. Allerdings sei das Rechtsschutzziel der Schiedsklägerin im Verlauf des Verfahrens erkennbar geworden. Weil ihr Begehren jedenfalls in Gänze abzuweisen sei, erübrigten sich weitere Ausführungen zur Bestimmtheit, insbesondere eine konkrete Reduktion des Begehrens auf einen ausreichend bestimmten, vollstreckungsfähigen Inhalt durch das Schiedsgericht (Rn. 293 bis 304). Verjährt seien die streitgegenständlichen Ansprüche nicht (Rn. 305 bis 312). Der Schiedsbeklagte habe jedoch alle Leistungspflichten, die er nach dem durch Auslegung ermittelten, konkreten Inhalt und Umfang der Verträge eingegangen sei, bereits erfüllt, wie sich aus dem Patentübertragungsvertrag, dem Vollzugsvertrag zum Patentübertragungsvertrag nebst Nachträgen und den dort vorgenommenen Dokumentationen ergebe. Weder eine Weiterentwicklungspflicht noch eine Verpflichtung zur Herstellung eines bestimmten Entwicklungserfolgs oder zur Herausgabe „endentwickelter“ Arbeitsergebnisse habe der Schiedsbeklagte übernommen (Rn. 313 bis 370, 375). Die angestrebte langfristige Zusammenarbeit mit der Schiedsklägerin, die die Vermarktung von bis zur Marktreife entwickelter Produkte habe einschließen sollen und insofern, als sie auf ein Zusammenwirken zur Verwirklichung eines gemeinsamen Zwecks gerichtet gewesen sei, auch gesellschaftsvertragliche Elemente umfasst habe, habe der Schiedsbeklagte gemäß Erklärung vom 16. Juli 2016 berechtigt und wirksam durch Kündigung beendet, nachdem das Vertrauensverhältnis zu dem wirtschaftlich hinter der Schiedsklägerin stehenden (Rn. 242) Rechtsanwalt K. wegen dessen Verhaltens erschüttert gewesen sei. Etwaige Pflichten des Schiedsbeklagten, Entwicklungstätigkeiten vorzunehmen und die dabei entstehenden Arbeitsergebnisse auf die Schiedsklägerin zu übertragen, hätten somit am 16. Juli 2016 geendet (Rn. 262 bis 268, 371 bis 374). Gleiches gelte für eine Verpflichtung oder Obliegenheit zur Übernahme eines hälftigen Geschäftsanteils an der Schiedsklägerin, weshalb insoweit kein Annahmeverzug bestehe (Rn. 394 f.). Auf der Grundlage der erhobenen Beweise, insbesondere der Aussage des Zeugen B., des Geschäftsführers der S. M. GmbH (Rn. 285, 379), stehe zudem fest, dass zwischen dem genannten Unternehmen und dem Schiedsbeklagten keine Zusammenarbeit im Sinne einer technischen Weiterentwicklung des Messgeräts A. S. 3 erfolgt sei. Insbesondere habe nicht festgestellt werden können, dass der Schiedsbeklagte der S. M. GmbH oder der S. D. GmbH vertragsgegenständliche Arbeitsergebnisse zugewendet hätte (Rn. 260, 386 bis 391). Auch habe keine Verbindung rechtlicher oder personeller Natur zwischen der S. M. GmbH und der S. D. GmbH festgestellt werden können (Rn. 261). Für das zuletzt genannte Unternehmen sei der Schiedsbeklagte nach Beendigung seiner Zusammenarbeit mit der Schiedsklägerin tätig geworden und an der Entwicklung des von dieser Gesellschaft vertriebenen ballistischen Messsystems „T.“ beteiligt gewesen (Rn. 272), was ihm mangels vertraglicher Wettbewerbsklausel nicht verboten gewesen sei (Rn. 388). Bei „A. S. 3“ und „T.“ handele es sich um Geräte für ballistische Messungen mit zum Teil ähnlicher Funktionalität. Nach dem Beweisergebnis stehe allerdings fest, dass sich die zugrunde liegenden Technologien grundlegend unterschieden (Rn. 273 bis 277, 386 bis 391). Die Schiedsklägerin habe trotz Hinweises des Schiedsgerichts und mehrerer Gelegenheiten versäumt, ihren Sachvortrag mittels Sachverständigenbeweis unter Beweis zu stellen bzw. dem Vortrag und den Aussagen des Schiedsbeklagten qualifiziert entgegenzutreten (Rn. 217, 219 f. und 390). Nicht ausreichend für die Annahme einer Rechtsverletzung sei eine Ähnlichkeit und teilweise Überschneidung in den Anwendungen der Produkte T. und A. S. 3, welche daher im Konkurrenzverhältnis stünden (Rn. 390). Der Schiedsbeklagte habe die streitgegenständlichen Verträge mit Wirkung zum 16. Juli 2016 aus wichtigem Grund vorzeitig beendet. Eine etwaige vertragliche Verpflichtung oder Obliegenheit zur Übernahme eines Geschäftsanteils von 50% an der schiedsklagenden Gesellschaft habe jedenfalls mit der vorzeitigen Beendigung geendet und bestehe bereits aus diesem Grund nicht. Mangels Verpflichtung oder Obliegenheit des Schiedsbeklagten zur Übernahme des Geschäftsanteils liege auch kein Annahmeverzug mit einer solchen Übernahme vor; in weiterer Konsequenz bestehe auch der diesbezügliche Feststellungsanspruch nicht zu Recht.
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Der Antragstellerin wurde der Schiedsspruch am 28. Dezember 2021 als DHL-ExpressSendung an die im Schiedsverfahren angegebene Anschrift ihres anwaltlichen Vertreters (Rechtsanwalt K.) in … XX, … … übermittelt.
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Mit Schriftsatz vom 24. März 2022 an das Oberlandesgericht München, dort eingegangen als elektronisches Dokument am selben Tag, hat die Antragstellerin, vertreten durch Rechtsanwalt K., um die Aufhebung dieses Schiedsspruchs nachgesucht. Das Oberlandesgericht hat das Verfahren nach Anhörung der Antragstellerin mit Beschluss vom 5. April 2022 an das Bayerische Oberste Landesgericht zuständigkeitshalber abgegeben, wo es am 8. April 2022 eingegangen ist.
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Die Antragstellerin macht geltend, das Schiedsgericht habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und – hiermit verknüpft – gegen das Verbot einer Billigkeitsentscheidung verstoßen. Damit habe das Schiedsgericht auch eine Überraschungsentscheidung getroffen, mit der ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht habe rechnen müssen. Der Schiedsspruch leide an zumindest fünf schweren Mängeln, die jeder für sich genommen zu seiner Aufhebung führen müssten.
9
Einen Gehörsverstoß stelle das Übergehen von Klageanträgen oder des zugrundeliegenden Sachvortrags dar. Insoweit werde beanstandet, dass das Schiedsgericht zu Unrecht von einer teilweisen Unbestimmtheit der Klageanträge ausgegangen sei. Da in die Klageanträge exakt der Vertragsinhalt in allen technischen Einzelleistungen und dynamischen technischen Entwicklungen, zu denen sich der Schiedsbeklagte verpflichtet habe, übernommen worden sei, sei das Klagebegehren hinreichend bestimmt. Hätte das Schiedsgericht sich sodann mit den technischen Detailinhalten auseinandergesetzt, wäre ihm aufgefallen, dass der Schiedsbeklagte seine Vertragspflichten nicht ihr, der Antragstellerin und Schiedsklägerin gegenüber, sondern gegenüber der S. M. GmbH oder der S. D. GmbH erfüllt habe. Die Schiedsklägerin habe im Verfahren wiederholt geltend gemacht, dass die Klageanträge nicht in Abweichung oder auf Kosten des Wegfalls vertragsinhaltlicher Pflichten zugunsten des Schiedsbeklagten reduziert werden könnten. Die pauschale Klageabweisung unter Verzicht auf eine Reduktion der zu Unrecht als unbestimmt angesehenen Klageanträge gehe ins Leere. Aus den besonderen Umständen ergebe sich deutlich, dass das Schiedsgericht Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht in Erwägung gezogen habe. Im Übrigen habe das Schiedsgericht in der Verhandlung darauf hingewiesen, dass Anpassungen der Parteianträge nicht mehr möglich seien.
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Des Weiteren habe das Schiedsgericht die Verträge (Patentübertragungsvertrag, Vollzugsvertrag und drei Nachtragsvereinbarungen nebst einer Ergänzung) rechtsfehlerhaft ausgelegt. „Durch gezieltes Übergehen und Missverstehen der den Verträgen zugrunde liegenden, dem Parteiwillen entsprechenden Konzeption“, des niedergelegten Wortlauts und des verfolgten Zwecks sowie des Vorbringens der Schiedsklägerin habe es den Schiedsbeklagten im Rahmen einer verbotenen Billigkeitsentscheidung von allen ihm obliegenden Vertragspflichten als Mitunternehmer entlastet, statt sich mit den in den Verträgen in detaillierter Form beschriebenen, konkreten technischen Anforderungen und Beschreibungen an die Funktionalität der herzustellenden marktreifen Produkte auseinanderzusetzen. Sämtliche Verträge sähen „expressis verbis“ vor, dass der Schiedsbeklagte auf der Grundlage der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorhandenen Arbeitsergebnisse zur Weiterentwicklung der vertragsgegenständlich vorgesehenen marktreifen Produkte verpflichtet sei, die hinsichtlich des in den technischen Daten zugrunde gelegten Entwicklungserfolgs naturgemäß nicht termin- und fristgebunden final hätten festgelegt werden können. Der Schiedsbeklagte habe die Leistungspflichten und die Vorlage der Arbeitsergebnisse im Umfang der Klageanträge nicht erfüllt. Durch das Übergehen der in den Verträgen vorgegebenen, vom Schiedsbeklagten geschuldeten Leistungen und Erfolge, die gerade nicht nach den Vertragstexten analysiert worden seien, habe das Schiedsgericht in zentralen Fragen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt.
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Mit der Annahme, dass den Schiedsbeklagten deshalb keine weiteren Herstellungspflichten träfen, „da konkreten Entwicklungserfolgen kein Entgelt zugeordnet worden sei, sondern mit der Übertragung des hälftigen Geschäftsanteils die erfolgten (dinglichen) Übertragungen abgegolten worden“ seien, habe sich das Schiedsgericht in unzulässiger Weise von den vertraglichen Abreden der Parteien gelöst und willkürlich eine Billigkeitsentscheidung getroffen. Den widerlegenden Vortrag der Schiedsklägerin habe das Schiedsgericht übergangen. Der Schiedsbeklagte sei als eigenverantwortlicher Unternehmer an der inhaltlichen Ausgestaltung der Verträge aufgrund technischen Herrschaftswissens prägend beteiligt gewesen. Es sei von Beginn an kein Entgelt für laufende Entwicklungen vereinbart gewesen, sondern alle Beteiligten seien unentgeltlich bis zum Vertrieb eines marktfähigen Produkts tätig geworden, aus dessen Umsätzen und Margen der interne hälftige Ausgleich zwischen den Parteien habe herbeigeführt werden sollen. Nicht einmal der Schiedsbeklagte habe vorgetragen, eine entgeltpflichtige Tätigkeit vereinbart zu haben. Die Antragstellerin, die initial Budgetmittel in Höhe von 50.000,00 € zur Verfügung gestellt habe, werde gezielt auf dem Hälfteanteil des Schiedsbeklagten „sitzen gelassen“. Dieser habe das Geld verbraucht, ohne ein marktreifes Produkt vorzulegen. Obwohl er seine hälftige Kostenlast durch Unterzeichnung der ersten Kostenaufstellung am 12. Februar 2016 – vorgelegt als Anlage K IX – anerkannt und keine auch nur teilweise Tilgungsleistungen erbracht habe, habe er sich nicht für verpflichtet gehalten, seine anerkannte Schuld zu zahlen. Unverändert befinde sich der Schiedsbeklagte mit der Annahme des angebotenen hälftigen Geschäftsanteils gemäß Schreiben vom 22. Juli 2016 in Verzug. Die der Schiedsklägerin mit notariellem Vertrag vom 25. Juni 2015 abgetretenen Forderungen hätten die fehlende Kostendeckung nicht kompensiert; sie hätten sich als „heiße Luft“ entpuppt, ebenso die eingebrachten Aktien und sonstige, nicht durchsetzbare Assets. Auch diesen Vortrag der Schiedsklägerin habe das Schiedsgericht missachtet und damit den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt.
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Dem Schiedsbeklagtem habe zudem kein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung zur Seite gestanden. Er habe am 16. Juli 2016 im kollusiven Zusammenwirken mit dem Zeugen B. den untauglichen Versuch unternommen, aus den laufenden Verträgen grundlos „auszubrechen“. Zum gegenteiligen Ergebnis komme das Schiedsgericht ohne Auseinandersetzung mit dem eingehenden Sachvortrag der Schiedsklägerin. Es unterdrücke ihren Vortrag, dass der Schiedsbeklagte nicht nur die Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Leistungen seit dem 16. Juli 2016 abgelehnt, sondern es für richtig befunden habe, der S. M. GmbH und der S. D. GmbH & Co. KG „u. a.“ sämtliche Produktentwicklungen und Arbeitsergebnisse zu den Produkten „A. S. 3“ und „A. S. 3 S./L.“ zukommen zu lassen und zur Marktreife zu führen. Allenfalls die Schiedsklägerin wäre berechtigt gewesen, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund wegen des strafwürdigen, sitten- und wettbewerbswidrigen Verhaltens des Schiedsbeklagten zu kündigen. Die vom Schiedsbeklagten erklärte „Beendigung“ des Vertrags sei unwirksam und habe die Vertragsverhältnisse nicht aufgelöst. Hinzu trete, dass der Notarvertrag vom 25. Juni 2015 formwirksam zustande gekommen sei, dessen Vollzug der Schiedsbeklagte materiell-rechtlich blockiere, indem er es an jeder Mitwirkungshandlung zur hälftigen Geschäftsanteilsübertragung fehlen lasse. Ferner unterdrücke das Schiedsgericht den Vortrag der Schiedsklägerin zur fehlenden Erbringung der vertragsgemäß geschuldeten Leistungen durch den Schiedsbeklagten und der pflichtwidrigen Überlassung der Produktentwicklungen und Arbeitsergebnisse an die S. M. GmbH und S. D. GmbH & Co KG. Auf der Webseite der S. M. GmbH seien die Geschossgeschwindigkeiten und produktbezogenen Angaben veröffentlicht, obwohl sich der Schiedsbeklagte gegenüber der Schiedsklägerin zur Geheimhaltung verpflichtet habe. Den Sachvortrag der Schiedsklägerin, nach dem feststehe, dass der Schiedsbeklagte materielle und immaterielle Vermögensgegenständige sowie Derivate, die er an die Schiedsklägerin zur ausschließlichen Nutzung mit dinglicher Wirkung nach Maßgabe der Verträge übertragen habe, unberechtigt Dritten wie der S. M. GmbH oder der S. D. GmbH & Co. KG zugänglich gemacht und an die Schiedsklägerin herauszugeben habe, blende das Schiedsgericht weitestgehend aus. Es verliere sich auch hier in eigenwilligen Billigkeitserwägungen und vermenge Anfechtungs- und Kündigungsgründe unzulässig mit der vertraglich bereits geklärten Frage zur Gegenleistung für Entwicklungstätigkeiten sowie mit vermeintlichem, nicht partnerschaftlichem Verhalten des Rechtsanwalts K., ohne Vorfälle zu konkretisieren und ohne zu beachten, dass dieser nicht Vertragspartei des Schiedsbeklagten sei. Das Schiedsgericht vollziehe nicht nach, dass der Schiedsbeklagte Anfechtungsgründe nicht einmal ansatzweise vortrage und ohnehin die Anfechtungsfrist nicht eingehalten sei.
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Auch zur Ablehnung des Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehrens gelange das Schiedsgericht, indem es sich mit dem Vorbringen der Schiedsklägerin nicht auseinandersetze. Die Erklärungen des Schiedsbeklagten zum technischen Unterschied der Produkte A. S. 3 und T., abgegeben in der mündlichen Verhandlung vor dem Schiedsgericht, seien als Schutzbehauptung zu werten. Die Spezifikation in den Verträgen passe problemlos auf das Produkt T.; falls der technische Unterschied allein in der Art der Frequenzbestimmung liege, sei dies nach dem Vertragsinhalt ohne Relevanz. Mit dem diesbezüglichen substantiierten Vortrag der Schiedsklägerin, insbesondere zu den technischen Details der Produkte, den Werbeangaben der S. M. GmbH und deren Webseite, habe sich das Schiedsgericht nicht auseinandergesetzt. Die Beweisurkunden und -gegenstände widerlegten den Vortrag des Schiedsbeklagten. Entsprechendes gelte für künftige Produktentwicklungen. Unter Verletzung rechtlichen Gehörs und durch Ignorieren der Ausführungen des Patentanwalts K. in der mündlichen Verhandlung habe es das Schiedsgericht unterlassen, sich im Detail mit den beweiserheblichen detailtechnischen Spezifikationen bei der Entscheidungsfindung auseinanderzusetzen. Dieser habe für die Schiedsklägerin dezidiert erläutert, dass eine neue Entwicklung oder Parallelschöpfung des Schiedsbeklagten, die sich vom A. S. 3 technisch unterscheide und nicht vertragsgegenständlich an die Schiedsklägerin herauszugeben sei, nicht existiere.
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Die Ausführungen zum Annahmeverzug bezüglich des hälftigen (Teil-)Geschäftsanteiles seien „abenteuerlich“ und stünden im Widerspruch zu der in der Entscheidung vertretenen Ansicht, dass die Gegenleistung für die Assets in der Übernahme des Anteils bestehe. Auf der Basis dieser Annahme habe der Schiedsbeklagte seiner originären Verpflichtung zur Anteilsübernahme bereits zu Vertragsbeginn nicht entsprochen, sodass er sich aufgrund seiner Annahmeverweigerung spätestens seit 16. Juli 2016 in Verzug befinde. Das Schiedsgericht habe die Ausführungen zu den rechtlichen Auswirkungen des Schreibens vom 22. Juli 2016 (Anlagen K 2 (1) bis (4), Anlage K II) übergangen.
15
Die Antragstellerin beantragt,
den vom Schiedsgericht, bestehend aus der Einzelschiedsrichterin Dr. L. B., c/o Z. Rechtsanwälte GmbH, … X, … …, Österreich, in dem Schiedsverfahren – DIS-…-…-… erlassenen Schiedsspruch vom 21. Dezember 2021 aufzuheben.
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Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
17
Der Antragsgegner vertritt den Standpunkt, der Aufhebungsantrag sei unzulässig, da er nicht fristgerecht beim zuständigen Gericht eingegangen sei. Jedenfalls sei der Antrag in der Sache nicht begründet; eine Verletzung rechtlichen Gehörs sei nicht dargetan und liege auch nicht vor. Ebenso wenig leide der Schiedsspruch an schweren Mängeln, die zu einer Aufhebung führen müssten, vielmehr seien alle Anträge der Schiedsklägerin zu Recht abgewiesen worden. Vortrag der Schiedsklägerin sei weder übergangen noch missachtet worden, das Schiedsgericht sei deren Standpunkten lediglich nicht gefolgt. Auch im hiesigen Verfahren wiederhole die Antragstellerin nur ihren Vortrag. Der berechtigten Aufforderung des Schiedsgerichts, den weitschweifigen Klageantrag 1) zu konkretisieren, der sich in einer Übernahme der ebenso weitschweifigen Vertragstexte erschöpft habe, sei die Schiedsklägerin nicht nachgekommen. Im Übrigen habe das Schiedsgericht ausgeführt, es komme hierauf wegen der vollständigen Klageabweisung nicht an. Es habe sich ausführlich mit dem Inhalt und dem Umfang der vertraglichen Leistungspflichten auseinandergesetzt und sei zu dem zutreffenden Ergebnis gelangt, dass sich hieraus keine Anspruchsgrundlage für die geltend gemachten Herausgabeansprüche ergebe. Ebenso habe sich das Schiedsgericht im Detail mit der Frage der vorzeitigen Beendigung der streitgegenständlichen Verträge befasst. In diesem Zusammenhang habe es sich mit der Zusammenarbeit zwischen dem Schiedsbeklagten und Rechtsanwalt K., dem nunmehrigen Ehemann der Geschäftsführerin der Antragstellerin, auseinandergesetzt und zu Recht festgestellt, dass die Kooperation schwerwiegend durch mehrere Vorfälle gestört gewesen sei. Zum Antrag auf Auskunft und Rechnungslegung habe die Beweisaufnahme keine Ergebnisse für eine behauptete vertragswidrige Übertragung von vertragsgegenständlichen, der Antragstellerin zustehenden Arbeitsergebnissen an Dritte erbracht. Da der Vertrag vorzeitig mit Wirkung zum 16. Juli 2016 beendet worden sei, könne auch kein Annahmeverzug vorliegen.
18
Allerdings sei zu bemerken, dass die prozessualen Voraussetzungen für ein schiedsgerichtliches Verfahren nicht erfüllt gewesen seien; das Schiedsgericht hätte berücksichtigen müssen, dass nicht der Antragsgegner, sondern die Antragstellerin das Scheitern des in der Streitbeilegungsvereinbarung vorgesehenen Mediationsverfahrens zu verantworten habe.
19
Auf den richterlichen Hinweis, dass der Aufhebungsantrag beim zuständigen Gericht erst nach Ablauf der gesetzlichen Frist von drei Monaten ab Empfang des Schiedsspruchs eingegangen ist, hat die Antragstellerin den Standpunkt vertreten, dass die Frist mit dem rechtzeitigen Eingang der Antragsschrift beim Oberlandesgericht München gewahrt worden sei. Außerdem habe ihr anwaltlicher Bevollmächtigter am 28. Dezember 2021 an der Adresse … XX in … … keine Kanzlei (mehr) unterhalten, weshalb der Schiedsspruch „von den dortigen Bewohnern“ an das Büro in der … XX in … … weitergeleitet worden sei und den entsprechenden Eingangsstempel desselben Tages trage. Urlaubsbedingt habe Rechtsanwalt K. den Schiedsspruch frühestens am 8. Januar 2022 zur Kenntnis genommen. Für den Beginn einer Rechtsmittelfrist komme es nicht auf das Datum des Zugangs des Schriftstücks an, sondern auf die Empfangsbereitschaft, die zwingende Voraussetzung für eine wirksame Zustellung sei. Erst die Unterzeichnung und Rückleitung des Empfangsbekenntnisses belegten die Wirksamkeit der Zustellung und bestimmten den Fristbeginn.
20
Der Senat hat die mit Beschluss vom 6. April 2023 angeordnete mündliche Verhandlung am 17. Mai 2023 durchgeführt. Auf das Sitzungsprotokoll und die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend Bezug genommen.
II.
21
Der Aufhebungsantrag ist zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt worden (nachfolgend Ziffer 2), in der Sache ist er jedoch unbegründet, da Aufhebungsgründe nicht vorliegen (nachfolgend Ziffer 3).
22
1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 1025 Abs. 1, § 1043 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 5 Satz 1 ZPO i. V. m. § 7 GZVJu in der seit dem 1. Mai 2020 geltenden Fassung zuständig, weil der vertraglich vereinbarte Schiedsort, wie in Rn. 24 des Schiedsspruchs ausgeführt, in Bayern liegt.
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2. Obwohl der anwaltliche Schriftsatz vom 24. März 2022, mit dem die Antragstellerin die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt hat, erst am 8. April 2022 beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangen ist, ist der Antrag fristgerecht gemäß § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO gestellt worden. Die Frist begann zwar am 28. Dezember 2021 mit der Übermittlung des Schiedsspruchs an die Adresse „… XX, … …“ und lief gemäß § 222 ZPO i. V. m. §§ 186 ff. BGB am Montag, den 28. März 2022 ab, mit dem Eingang des Aufhebungsantrags beim (unzuständigen) Oberlandesgericht München am 24. März 2022 hat die Antragstellerin die Frist gleichwohl gewahrt.
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a) Nach § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO muss der Aufhebungsantrag innerhalb einer Frist von drei Monaten bei Gericht eingereicht werden, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Die Frist beginnt gemäß § 1059 Abs. 3 Satz 2 ZPO mit dem Tag, an dem der Antragsteller des Aufhebungsverfahrens den Schiedsspruch empfangen hat. Ausreichend ist, dass der Aufhebungsantrag binnen dieser Frist gestellt wird (BGH, Beschluss vom 21. April 2022, I ZB 36/21, SchiedsVZ 2023, 59, Rn. 32 f.).
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b) Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Tag der Übermittlung des Schiedsspruchs an die Adresse … XX in … durch den DHL-Express. An diesem Tag (28. Dezember 2021) hat die Antragstellerseite den Schiedsspruch empfangen.
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aa) Während im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 12. Juli 1997 noch vorgesehen war, dass die dreimonatige Frist mit der Zustellung des Schiedsspruchs entsprechend der gesetzlichen oder den von den Parteien vereinbarten Zustellungsvorschriften beginnt (vgl. BT-Drucks. 13/5274, S. 11 und S. 60), enthält der verabschiedete Gesetzestext dieses Erfordernis nicht mehr. Notwendig, aber auch ausreichend für den Fristbeginn ist – vorbehaltlich abweichender Parteivereinbarung – der „Empfang“ des Schiedsspruchs durch den Antragsteller. Das Erfordernis einer qualifizierten Zustellung lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen, weswegen die herrschende Meinung, der sich der Senat anschließt, davon ausgeht, dass der Fristbeginn des § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO eine solche auch nicht voraussetzt, sondern der Zugang des in der Form des § 1054 Abs. 1 ZPO erlassenen Schiedsspruchs maßgeblich ist (Voit in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 1059 Rn. 36 mit Fn. 180; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1059 Rn. 73; BGH, Beschluss vom 20. September 2001, III ZB 57/00, NJW 2001, 3787 [juris Rn. 13]: offengelassen).
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Vorliegend erfolgte die Übermittlung des Schiedsspruchs im Einklang mit den für das Schiedsverfahren geltenden Verfahrensregeln. Nach den ausweislich des Schiedsspruchs (Rn. 14 f.) vereinbarten Streitbeilegungsklauseln kommt die DISSchiedsgerichtsordnung in der Fassung vom 1. März 2018 („DIS-SchO“) zur Anwendung. Gemäß Art. 39.5 und 39.6 DIS-SchO hat das Schiedsgericht jeder Partei ein Original des unterschriebenen Schiedsspruchs zu übermitteln, sofern sämtliche Kostensicherheiten und Bearbeitungsgebühren der DIS vollständig bezahlt worden sind. Art. 4.6 und 4.7 DIS-SchO gelten entsprechend. Art. 4.6 DIS-SchO regelt, dass Schriftstücke jeweils an die Adresse des Empfängers zu richten sind, wie sie vom Empfänger selbst oder von der anderen Partei zuletzt mitgeteilt worden ist. Schriftstücke in Papierform sind gegen Empfangsbescheinigung, durch eingeschriebenen Brief, Kurier, Telefax oder auf eine andere Art, die einen Nachweis des Empfangs ermöglicht, zu übermitteln. Gemäß Art. 4.7 DIS-SchO gilt ein Schriftstück als an dem Tag übermittelt, an dem es von der Partei oder ihren Verfahrensbevollmächtigten tatsächlich empfangen wurde. Ist ein Schriftstück in Papierform von der Partei oder ihren Verfahrensbevollmächtigten nicht tatsächlich empfangen worden, gilt es bei ordnungsgemäßer Übermittlung gemäß Artikel 4.6 als an dem Tag empfangen, an dem es bei üblichem Verlauf des Übermittlungsvorgangs empfangen worden wäre.
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bb) Wie der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin, der diese auch im Schiedsverfahren vertreten hat, mit Schriftsatz vom 7. Juni 2022 zunächst selbst bestätigt hat, ist der Schiedsspruch bei ihm als Empfangsbevollmächtigten am 28. Dezember 2021 eingegangen. An diesem Tag hat der DHL-Express die Übermittlung der Sendung an die im Schiedsverfahren mitgeteilte Kanzleiadresse des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin (Rn. 4) in … XX, … … vorgenommen und diesen Vorgang („Sendung zugestellt“) ausweislich der vorgelegten Bestätigung mit Datum und Uhrzeit dokumentiert.
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Selbst wenn der anwaltliche Vertreter, wie von Antragstellerseite nach einem richterlichen Hinweis auf eine mögliche Verfristung des Aufhebungsantrags geltend gemacht, am 28. Dezember 2021 unter dieser Adresse keine Kanzlei mehr betrieben und seinen Bürobetrieb vollständig an die Adresse „… XX, … …“ verlagert haben sollte, änderte dies nichts am Zeitpunkt des Empfangs und an dem damit verbundenen Fristbeginn gemäß § 1059 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Die Übermittlung des Schiedsspruchs an die Kanzleianschrift „… XX, … …“ entsprach der für das Schiedsverfahren geltenden Verfahrensordnung. Es hätte der Antragstellerseite oblegen, das Schiedsgericht über eine etwaige zwischenzeitliche Adressenänderung zu informieren. Auch die Form der Übermittlung des Schiedsspruchs mittels DHL-Express, bei dem der genaue Zeitpunkt des Zugangs der Sendung vermerkt wird, ist nicht zu beanstanden; eine Übermittlung gegen Empfangsbekenntnis ist in 4.6 DIS-SchO weder vorrangig noch zwingend, sondern nur als eine von mehreren Übermittlungsmöglichkeiten genannt. Darüber hinaus ist nach dem Vortrag der Antragstellerin der am 28. Dezember 2021 unter der Adresse „… XX, …“ eingegangene Schiedsspruch von dortigen Bewohnern an das Büro des anwaltlichen Vertreters in der … XX weitergeleitet worden und trägt den entsprechenden Eingangsstempel desselben Tages.
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Soweit das Gesetz (etwa in § 130 BGB) den Begriff des Zugangs verwendet, wird dieser rechtlich bestimmt. Wenn für den Empfänger einer Willenserklärung unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestand, ist es unerheblich, ob und wann er die Erklärung tatsächlich zur Kenntnis genommen hat und ob er daran durch Krankheit, zeitweilige Abwesenheit oder andere besondere Umstände einige Zeit gehindert war (BGH, Urt. v. 14. Februar 2019, IX ZR 181/17, NJW 2019, 1151 Rn. 11).
31
Wird dieser Grundsatz auf den Empfang des Schiedsspruchs übertragen, ist als Empfangsdatum der 28. Dezember 2021 anzunehmen. Der Zeitpunkt der tatsächlichen Kenntnisnahme ist rechtlich ohne Bedeutung, wenn die maßgebenden Fristenregelungen (hier § 1059 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO) allein auf den Zugangs- bzw. Eingangszeitpunkt abstellen. Ergänzend ist auf die Regelung in Artikel 4.7 DIS-SchO zu verweisen; demnach gilt ein Schriftstück, das in Papierform von der Partei oder ihren Verfahrensbevollmächtigten nicht tatsächlich empfangen worden ist, bei ordnungsgemäßer Übermittlung gemäß Artikel 4.6 als an dem Tag empfangen, an dem es bei üblichem Verlauf des Übermittlungsvorgangs empfangen worden wäre.
32
Dies zugrunde gelegt, ist der Empfang des Schiedsspruchs am 28. Dezember 2021 erfolgt und hat die Frist des § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO in Gang gesetzt, unabhängig davon, ob der anwaltliche Vertreter der Antragstellerin damals an der Zustelladresse noch ein Büro betrieben hat, ob und wann er empfangswillig oder -bereit war und wann er den Schiedsspruch tatsächlich zur Kenntnis genommen hat. Gemäß § 222 ZPO i. V. m. §§ 186 ff. BGB lief die dreimonatige Frist am Montag, den 28. März 2022 ab.
33
c) Auch wenn der vom anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin gestellte Aufhebungsantrag vom 24. März 2022 erst am 8. April 2022, mithin nach Fristablauf beim zuständigen Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangen ist, ist er fristgerecht gestellt worden. Zur Fristwahrung ausreichend war, dass der Aufhebungsantrag am 24. März 2022 und somit noch innerhalb der Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO beim (unzuständigen) Oberlandesgericht München gestellt worden ist, das das Verfahren zeitnah mit Beschluss vom 5. April 2022 an das zuständige Gericht abgegeben hat.
34
aa) Rechtsmittelfristen können allerdings nur dann gewahrt werden, wenn die Rechtsmittelschrift rechtzeitig – gegebenenfalls nach pflichtgemäßer Weiterleitung des beim unzuständigen Gericht eingegangenen Schriftsatzes im ordentlichen Geschäftsgang (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2020, IV ZB 18/19, Rn. 12) – beim zuständigen Rechtsmittelgericht eingegangen ist.
35
bb) Demgegenüber können nach der Rechtsprechung prozessuale oder materiell-rechtliche Ausschlussfristen gegebenenfalls auch durch die Anrufung eines unzuständigen Gerichts gewahrt werden. So hat der Bundesgerichtshof für die Klagefrist nach Art. 8 Abs. 10 des Finanzvertrages vom 23. Oktober 1954 i. d. F. vom 30. März 1955 in Bezug auf Ansprüche aus Verlusten und Schäden durch Handlungen oder Unterlassungen der in der Bundesrepublik stationierten fremden Streitkräfte entschieden, dass diese Frist, die er als vorprozessuale Ausschlussfrist qualifiziert hat, auch durch eine Klageerhebung beim sachlich unzuständigen Amtsgericht statt beim (ausschließlich) zuständigen Landgericht gewahrt werden kann (BGH, Urt. v. 21. September 1961, III ZR 120/60, BGHZ 35, 374 [juris Rn. 5 f.]). Anerkannt ist weiterhin, dass die Frist zur Anfechtung von Beschlüssen in Wohnungseigentumssachen, bei der es sich nach der Rechtsprechung um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelt, durch Einreichung des Antrags bei einem (örtlich) unzuständigen Gericht gewahrt wird, sofern dieser bestimmt ist und die Zustellung demnächst erfolgt (BGH, Beschluss vom 17. September 1998, V ZB 14/98, BGHZ 139, 305 [juris Rn. 8]). Ebenso hat der Bundesgerichtshof für das aktienrechtliche Spruchverfahren angenommen, dass der beim (örtlich) unzuständigen Landgericht eingegangene Antrag auf gerichtliche Nachprüfung der Abfindung analog § 281 ZPO zur Fristwahrung ausreichend war, auch wenn die Sache aufgrund eines Abgabebeschlusses des unzuständigen Gerichts erst nach dem Ablauf dieser Ausschlussfrist beim zuständigen Landgericht anhängig geworden war (BGH, Beschluss vom 13. März 2006, II ZB 25/04, NZG 2006, 426 [juris Rn. 10]). Für die Fallkonstellation der Erhebung einer Restitutionsklage beim unzuständigen Gericht hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch dies die Frist des § 586 Abs. 1 ZPO wahrt, dabei allerdings maßgeblich darauf abgestellt, dass die Entscheidung über die Verweisung an das zuständige Gericht nicht durch formlose Abgabe, sondern durch bindenden Beschluss zu treffen sei (BFH, Beschluss vom 16. Dezember 2014, X K 5/14, juris Rn. 10).
36
cc) Obwohl der Aufhebungsantrag dem Antragsteller die fristgebundene Möglichkeit eröffnet, den Schiedsspruch in den Grenzen des § 1059 ZPO durch die staatlichen Gerichte überprüfen zu lassen, und der Abschnitt 7 des 10. Buches der Zivilprozessordnung den Titel „Rechtsbehelf gegen den Schiedsspruch“ trägt, ist der Aufhebungsantrag nicht als „Rechtsmittel“ ausgestaltet. Dies folgt schon daraus, dass das Schiedsgericht gerade nicht Teil der staatlichen Gerichtsbarkeit ist, mithin das zur Entscheidung über den Aufhebungsantrag berufene staatliche Gericht nicht ein im Instanzenzug übergeordnetes Gericht ist. Bei dem Aufhebungsantrag handelt es sich vielmehr um einen Rechtsgestaltungsantrag (Geimer in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 1059 Rn. 1). Die Frist des § 1059 Abs. 3 ZPO ist demnach keine Rechtsmittelfrist, sondern eine prozessuale Ausschlussfrist, deren Versäumnis zum Verlust des Antragsrechts führt (vgl. auch BGH, Urt. v. 29. April 2020, VIII ZR 355/18, NJW 2020, 1947 Rn. 21 in einem obiter dictum). Dementsprechend erfolgt im Schiedsspruch weder eine Belehrung über das für den Aufhebungsantrag zuständige Gericht noch sind – mangels Ausgestaltung als Notfrist, wie dies typischerweise bei Rechtsmittelfristen der Fall ist – die Regelungen über die Wiedereinsetzung anwendbar (vgl. Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1059 Rn. 69 f.; Wilske/Markert in BeckOK ZPO, 49. Ed. 1. Juli 2023, § 1059 Rn. 26).
37
Bei der Frage, ob die Einreichung des Aufhebungsantrags beim unzuständigen Gericht fristwahrend möglich war, ist deshalb nicht auf die Rechtsprechung zur Versäumnis von Rechtsmittelfristen abzustellen, sondern es ist die unter Ziffer 2 c) bb) dargestellte Rechtsprechung zu prozessualen und materiell-rechtlichen Ausschlussfristen in den Blick zu nehmen.
38
Betrachtet man den Sinn und Zweck der in § 1059 ZPO enthaltenen Vorgaben, nämlich nach Ablauf einer bestimmten Frist Klarheit über die Bestandskraft des Schiedsspruchs zu erhalten (vgl. BGH SchiedsVZ 2023, 59 Rn. 35; Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 12. Juli 1997, BT-Drucks. 13/5274 S. 60), erfüllt die Einreichung eines Aufhebungsantrags bei einem unzuständigen Gericht innerhalb der dreimonatigen Frist diese Funktion. Bereits durch diese Einreichung eines Aufhebungsantrags wird dem Gläubiger des Schiedsspruchs vor Augen geführt, dass der Schuldner sich gegen diesen zu Wehr setzen will (BGH a. a. O. Rn. 37), mag es auch im Einzelfall zu einer gewissen Verzögerung bei der Übermittlung des Antrags an den Gläubiger kommen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein beim unzuständigen Gericht eingereichter Antrag das Verfahren einleitet; wird es nach § 281 ZPO an das zuständige Gericht verwiesen, beginnt dort kein neuer Prozess, sondern das Verfahren wird in der Lage fortgesetzt, in der es sich bei der Verweisung befand (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2006, II ZB 25/04, NZG 2006, 426 [juris Rn. 13]). Dies gilt selbst für im falschen Gerichtszweig erhobene Klagen (BGH a. a. O., juris Rn. 14). Vorliegend ist zwar das Verfahren vom Oberlandesgericht München nur formlos an das Bayerische Oberste Landesgericht abgegeben und nicht entsprechend § 281 ZPO verwiesen worden, gleichwohl wird auch in dieser Konstellation nur das bereits zuvor beim Oberlandesgericht anhängige Verfahren fortgesetzt und nicht ein neues Verfahren begonnen. Auch ansonsten sind keine sachlichen Gründe ersichtlich, die Fallgruppe der Einreichung eines Aufhebungsantrags beim sachlich unzuständigen Gericht in Bezug auf die Wahrung der in § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO geregelte Ausschlussfrist anders zu beurteilen als die unter Ziffer 2 c) bb) dargestellten Fallgruppen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Abgabe zeitnah erfolgte und die Antragsgegnerseite formlos davon in Kenntnis gesetzt wurde.
39
Zur Fristwahrung ausreichend war somit, dass der den Anforderungen des § 1059 ZPO entsprechende anwaltliche Schriftsatz, mit dem die Antragstellerin die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt hat, am 24. März 2022, mithin innerhalb der Dreimonatsfrist des § 1059 Abs. 3 Satz 1 ZPO, beim (unzuständigen) Oberlandesgericht München eingegangen ist.
40
3. Der Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs ist unbegründet, da keiner der in § 1059 Abs. 2 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe vorliegt.
41
a) Gemäß § 1059 Abs. 2 ZPO kann ein Schiedsspruch aufgehoben werden, wenn ein Antragsteller die in § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genannten Gründe begründet geltend macht, er also einen der § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) bis d) ZPO beschriebenen Tatbestände schlüssig vorträgt (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2020, I ZB 88/19, SchiedsVZ 2021, 46 Rn.12). Vorliegend macht die Antragstellerin weder geltend, dass die Schiedsvereinbarung ungültig sei (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) ZPO), noch rügt sie eine verfahrensfehlerhafte Behinderung in Bezug auf die Bestellung des Schiedsrichters (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) Alt. 1 ZPO) oder die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c) ZPO). Aufgrund des Vorbringens der Antragstellerin kommen vielmehr nur zwei der in § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genannten Varianten als Aufhebungsgrund in Frage.
42
aa) Zum einen macht die Antragstellerin geltend, dass das Schiedsgericht das rechtliche Gehör verletzt und eine Überraschungsentscheidung gefällt habe, bei der es das Vorbringen der Schiedsklägerin unberücksichtigt gelassen habe. Insoweit kommt eine Rüge nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) Alt. 2 ZPO (Behinderung bei der Geltendmachung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln) in Betracht, die eine Aufhebung des Schiedsspruchs rechtfertigen kann (vgl. Voit in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 1059 Rn. 13). Zugleich kann die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dazu führen, dass der Schiedsspruch wegen Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung aufzuheben ist, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO. Da insoweit dieselben Grundsätze gelten, kann auf die Ausführungen unter Ziffer 3 b) Bezug genommen werden, aus denen sich ergibt, dass die Rüge nicht begründet ist.
43
bb) Zum anderen kann der Vorwurf der Antragstellerin, das Schiedsgericht habe eine unzulässige Billigkeitsentscheidung getroffen, als behaupteter Verstoß gegen das von den Parteien vereinbarte Verfahren verstanden werden (§ 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) ZPO).
44
Wie unter Ziffer 2 b) dargelegt, kommt nach den ausweislich des Schiedsspruchs (Rn. 14 f.) vereinbarten Streitbeilegungsklauseln die DIS-SchO in der Fassung vom 1. März 2018 zur Anwendung, die in Art. 24.4 regelt, dass das Schiedsgericht nur dann nach Billigkeit (ex aequo et bono oder als amiable compositeur) entscheiden darf, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben. Anhaltspunkte für eine solche Parteivereinbarung sind nicht ersichtlich.
45
Entscheidet ein Schiedsgericht ohne ausdrückliche Ermächtigung nach Billigkeitsgesichtspunkten (§ 1051 Abs. 3 ZPO), anstatt eine Rechtsentscheidung zu fällen, begründet dies einen Verfahrensfehler, der eine Aufhebung des Schiedsspruchs rechtfertigt (OLG München, Beschluss vom 24. März 2011, 34 Sch 8/10, SchiedsVZ 2011, 159 [juris Rn. 116]; Beschluss vom 22. Juni 2005, 34 Sch 10/05, SchiedsVZ 2005, 308 [juris Rn. 20 ff.]; Geimer in Zöller, ZPO, § 1051 Rn. 7). Eine Billigkeitsentscheidung (§ 1051 Abs. 3 ZPO) zeichnet sich dadurch aus, dass das Schiedsgericht gänzlich davon Abstand nimmt, Erwägungen zum positiven Recht anzustellen (vgl. Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 1051 Rn. 9).
46
Der Vorwurf der Antragstellerin, das Schiedsgericht habe eine unzulässige Billigkeitsentscheidung gefällt, ist nicht begründet. Ausweislich der 94 Seiten langen Begründung des Schiedsspruchs hat sich das Schiedsgericht durchgängig auf einem von der vereinbarten (deutschen) Rechtsordnung vorgezeichneten Weg bewegt. Es hat zur Bestimmung von Inhalt und Umfang der vertraglichen Verpflichtungen die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgegebenen Grundsätze der Vertragsauslegung herangezogen und das Auslegungsergebnis sodann unter den Aspekten werkvertraglicher Herstellungspflichten, dienstvertraglicher Tätigkeitspflichten und gesellschaftsrechtlicher Verpflichtungen gewürdigt. Die geltend gemachten Ansprüche hat es strikt nach rechtlichen Kategorien beurteilt. Etwaige Mängel sind allenfalls anhand von § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO zu prüfen.
47
cc) Den Einwand des Antragsgegners, das Schiedsgericht habe den Vorrang einer Mediation vor Durchführung des Schiedsverfahrens nicht beachtet, hat sich die Antragstellerin nicht zu eigen und damit auch nicht als Aufhebungsgrund geltend gemacht. Im Übrigen hat das Schiedsgericht den Einwand der Nichtdurchführung eines Mediationsverfahrens vor Einleitung des Schiedsverfahrens eingehend geprüft und ist zu dem nachvollziehbaren Ergebnis gelangt, dass dies der Durchführung des Schiedsverfahrens nicht entgegensteht (Rn. 281 ff.). Es sei ausreichend gewesen, nach Erhebung der Schiedsklage den Versuch einer Mediation zu unternehmen, die Gründe für deren Scheitern seien irrelevant. Auch insoweit kann ein Verstoß gegen § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. d) ZPO nicht festgestellt werden.
48
b) Ein Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 ZPO liegt ebenfalls nicht vor. Für einen Aufhebungsgrund gemäß § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a) ZPO i. V. m. § 1030 ZPO (mangelnde Schiedsfähigkeit des Streitgegenstands nach deutschem Recht) ist schon nichts ersichtlich. Auch ein Verstoß gegen den ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO) ist aus nachfolgenden Gründen zu verneinen.
49
aa) Nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO ist ein Schiedsspruch aufzuheben, wenn das Gericht feststellt, dass die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG ist Bestandteil des (verfahrensrechtlichen) ordre public (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2021, I ZB 21/21, WM 2022, 576 Rn. 25; Beschluss vom 7. Juni 2018, I ZB 70/17, SchiedsVZ 2018, 318 Rn. 14; Beschluss vom 16. April 2015, I ZB 3/14, NJW 2015, 3234 Rn. 30). Die Einhaltung des ordre public ist im Aufhebungsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Es gilt jedoch der Beibringungsgrundsatz, so dass eine Gehörsrechtsverletzung regelmäßig nur auf eine ordnungsgemäß ausgeführte Rüge hin geprüft werden kann (vgl. BGH WM 2022, 576 Rn. 53).
50
Schiedsgerichte haben rechtliches Gehör in wesentlich gleichem Umfang wie staatliche Gerichte zu gewähren. Dieses Recht erschöpft sich nicht darin, den Parteien Gelegenheit zu geben, alles ihnen erforderlich Erscheinende vorzutragen. Das Gericht muss das jeweilige Vorbringen auch zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen (vgl. BGH, Urt. v. 26. September 1985, III ZR 16/84, BGHZ 96, 40 [48, juris Rn. 37] schon zur alten Rechtslage; vgl. nunmehr auch § 1042 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Das Recht auf rechtliches Gehör ist allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das (Schieds-)Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Beteiligtenvorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Deshalb müssen, damit eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör festgestellt werden kann, im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BGH SchiedsVZ 2023, 59 Rn. 19) .
51
Zwar ist anerkannt, dass an die Fassung und Begründung von inländischen Schiedssprüchen nicht die Maßstäbe angelegt werden, die für Urteile staatlicher Gerichte gelten. Soweit die Parteien nichts anderes vereinbaren, muss die Begründung eines Schiedsspruchs lediglich gewissen Mindestanforderungen entsprechen. Sie darf nicht offenbar widersinnig sein oder im Widerspruch zur Entscheidung stehen und sich nicht auf inhaltsleere Redensarten beschränken.
52
Es genügt, wenn das Schiedsgericht in seiner Begründung eine kurze Zusammenfassung der den Schiedsspruch tragenden Erwägungen gibt. Auf die aus seiner Sicht für den Ausgang des Schiedsverfahrens zentralen Fragen muss das Schiedsgericht aber eingehen. Darüber hinaus muss es in seiner Begründung zu den wesentlichen Verteidigungsmitteln der Parteien Stellung nehmen (BGH WM 2022, 576 Rn. 51; Beschluss vom 26. November 2020, I ZB 11/20, juris Rn. 24). Hiervon unberührt bleiben aber die Begründungsanforderungen, die dem Schiedsgericht im Einzelfall aus dem Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erwachsen können (BGH WM 2022, 576 Rn. 53). Geht das Gericht auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder aber offensichtlich unsubstantiiert war. Entsprechendes gilt für die rechtlichen Ausführungen einer Partei, die den Kern des Parteivorbringens darstellen und für den Prozessausgang eindeutig von entscheidender Bedeutung sind. Diese Maßstäbe gelten für ein staatliches Gericht ebenso wie für ein Schiedsgericht (BGH SchiedsVZ 2023, 59 Rn. 19 m. w. N.). Eine Gehörsrechtsverletzung ist für den Schiedsspruch entscheidungserheblich, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Schiedsgericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (BGH a. a. O. Rn. 20).
53
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich der Vorwurf der Antragstellerin, das Schiedsgericht habe deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, als nicht begründet. Weder kann festgestellt werden, dass relevanter tatsächlicher oder rechtlicher Vortrag der Antragstellerin oder Beweisangebote vom Schiedsgericht übergangen worden sind, noch erfolgte eine unzulängliche Würdigung des Vorbringens der Antragstellerin. Ausweislich der Entscheidungsgründe hat sich das Schiedsgericht vielmehr mit allen von der Antragstellerin als übergangen oder missachtet gerügten Aspekten im gebotenen Umfang auseinandergesetzt und mit Sachargumenten begründet, weswegen es die Sach- und Rechtslage anders beurteilt als die Antragstellerin.
54
Auch für eine Überraschungsentscheidung ist nichts ersichtlich. Insbesondere genügt es hierfür nicht, dass sich die Antragstellerin von der sorgfältig begründeten, in sich stimmigen und nachvollziehbaren Entscheidung des Schiedsgerichts überrascht sieht, weil das Schiedsgericht bei den im Zentrum stehenden Streitpunkten nicht ihrer Deutung der Verträge und Ereignisse gefolgt ist.
55
Die Frage, ob wegen des ordre-public-Vorbehalts in § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst.
56
b) ZPO der Inhalt des Schiedsspruchs einer Willkürkontrolle unterliegt (so: OLG Frankfurt a. M., Urt. v. 26. November 2020, 26 Sch 14/20, BeckRS 2020, 35848 Rn. 79; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Januar 2016, I-4 Sch 4/15, BeckRS 2016, 121412 Rn. 51; KG, Beschluss vom 12. August 2010, 20 Sch 2/10, SchiedsVZ 2011, 110 [juris Rn. 15, 19]; kritisch: Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1059 Rn. 8 m. w. N.), kann offenbleiben. Denn das Schiedsgericht hat nicht gegen das Willkürverbot verstoßen. Zu der im Übrigen erstrebten inhaltlichen Überprüfung des Schiedsspruchs auf seine Richtigkeit ist das staatliche Gericht im Verfahren nach § 1059 ZPO nicht befugt.
57
Auch für eine sonstige Missachtung fundamentaler Rechtsprinzipien (vgl. Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1059 Rn. 52 ff., Rn. 56 f.) als möglichem Aufhebungsgrund i. S. d. § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b) ZPO, der von Amts wegen zu beachten wäre, ist nichts ersichtlich.
58
(1) Die Antragstellerin beanstandet, das Schiedsgericht hätte in der Sache nicht entscheiden dürfen, wenn es die Klageanträge – zu Unrecht – für nicht hinreichend bestimmt halte. Damit gehe die Klageabweisung „ins Leere“. Dies führt im Streitfall nicht zum Erfolg.
59
Richtig ist, dass das Schiedsgericht die Schiedsklägerin ausweislich des Schiedsspruchs (Rn. 295 ff.) in der mündlichen Verhandlung wegen des Umfangs und der weitschweifigen Übernahme von Vertragstexten auf Bedenken bezüglich der ausreichenden Bestimmtheit des Klageantrags 1 (Herausgabeantrag) hingewiesen hat (Rn. 301). Die Schiedsklägerin hat, wie im Schiedsspruch unbeanstandet ausgeführt, trotz des richterlichen Hinweises an ihrem Antrag festgehalten, und diesen weder umformuliert noch weiter konkretisiert. Diese Feststellung korrespondiert mit dem im Aufhebungsverfahren eingenommenen Standpunkt der Antragstellerin, ihr Antrag sei hinreichend bestimmt gewesen.
60
Das Schiedsgericht hat die Klage jedoch nicht mangels Bestimmtheit abgewiesen, sondern in seine Erwägungen zutreffend einbezogen, dass eine Klageschrift auslegungsfähig und es ausreichend ist, wenn auf diese Weise das Rechtsschutzziel klar und eindeutig erkennbar wird. Wie sich aus Rn. 303 des Schiedsspruchs ergibt, hat das Schiedsgericht eine solche Auslegung auch vorgenommen; es hat das Ziel des klägerischen Begehrens als „zum Teil“ erkennbar bezeichnet und auf die zusammenfassende Darstellung des Vorbringens der Schiedsklägerin unter Abschnitt 3.1 (Rn. 193 bis 198) des Schiedsspruchs Bezug genommen. Dort hat es den Kern der geltend gemachten Ansprüche auf Herausgabe, Auskunft, Rechnungslegung und Feststellung klar dargestellt und die vertraglichen Grundlagen, auf die sie gestützt werden, bezeichnet. Das Schiedsgericht hat das mit dem Klageantrag 1 geltend gemachte Herausgabebegehren als unbegründet befunden, weil es aufgrund der Auslegung der streitgegenständlichen Verträge zu dem Schluss gelangt ist, dass der Schiedsbeklagte seine Leistungspflichten erfüllt habe und darüber hinausgehend keine Ansprüche auf Weitergabe oder „Endentwicklung“ bestimmter Technologien bzw. zur Herausgabe derartiger endentwickelter Arbeitsergebnisse bestünden. Zudem seien die Verträge rechtswirksam am 16. Juli 2016 beendet worden (Rn. 375). Lediglich ergänzend hat das Schiedsgericht ausgeführt, dass es – mangels Stattgabe der Klage – nicht erforderlich gewesen sei, das Begehren näher zu präzisieren, um der Entscheidung einen vollstreckungsfähigen Inhalt zu geben. Daraus folgt, dass sich die Bedenken des Schiedsgerichts lediglich auf die Vollstreckungsfähigkeit eines stattgebenden Titels bezogen haben, es aber von einem hinreichend bestimmten Klagebegehren ausgegangen ist, über das es sachlich entscheiden konnte und auch entschieden hat.
61
Das Schiedsurteil lässt zudem erkennen, dass das Schiedsgericht das gemäß Klageantrag 1 geltend gemachte Herausgabebegehren der Antragstellerin der Sache nach richtig und vollständig erfasst hat. Dies ergibt sich sowohl aus Rn. 193 ff. (insbesondere Rn. 196), in denen es eine Zusammenfassung des Vorbringens der Antragstellerin vorgenommen hat, als auch aus den Ausführungen zum Inhalt und der Reichweite der vertraglichen Verpflichtungen des Antragsgegners (Rn. 313 ff.). Das Schiedsgericht hat insbesondere erkannt, dass die Antragstellerin aus den vertraglichen Vereinbarungen eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Weiterentwicklung der Produkte A. S. 2, A. S. 3 und A. S. 3 S./L. bis hin zur Produktreife ableitet, dass sie daraus einen Herausgabeanspruch in Bezug auf alle damit im Zusammenhang stehenden Entwicklungen und Arbeitsergebnisse nebst etwaigen Derivaten herleitet und die vom Antragsgegner geltend gemachten technischen Unterschiede für irrelevant hält.
62
Soweit die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Bestimmtheit des Klageantrags rügt, das Schiedsgericht habe sich nicht hinreichend mit den technischen Detailinhalten der Verträge auseinandergesetzt, kritisiert sie lediglich die Interpretation der vertraglichen Vereinbarungen durch das Schiedsgericht und die daraus gezogenen Schlussfolgerungen. Dass das Schiedsgericht die Verträge und sonstigen Beweismittel anders auslegt als die Antragstellerin und deshalb die geltend gemachten Ansprüche für unbegründet erachtet, lässt keinen Schluss auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs zu. Auch im schiedsrichterlichen Verfahren gilt, dass das Gericht Parteivortrag nur zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen muss, es ist ihm dagegen nicht verwehrt, daraus andere rechtliche Schlussfolgerungen zu ziehen als die vortragende Partei. Diesen Anforderungen genügt das Schiedsurteil. Aus der maßgeblichen Warte des Schiedsgerichts, das mit ausführlicher Begründung den Inhalt der Verträge dahingehend ausgelegt hat, dass die Rechte zum jeweiligen Entwicklungsstand übertragen worden und dies dokumentiert worden ist, bestand kein Anlass, sich mit den technischen Detailinhalten der Verträge auseinanderzusetzen.
63
Schließlich kann auch aus der Rüge der Antragstellerin, das Schiedsgericht habe in der Verhandlung erklärt, eine Anpassung der Klageanträge sei nicht mehr möglich, keine Verletzung des rechtlichen Gehörs abgeleitet werden. Die pauschale Behauptung steht zum einen im Widerspruch zu den detaillierten Ausführungen im Schiedsspruch zum Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2021 (Rn. 159 ff., insbesondere Rn. 163) und zu Rn. 295 f., wonach die Antragstellerin trotz des richterlichen Hinweises zu einer Konkretisierung bzw. Änderung ihres Klageantrags nicht bereit gewesen sei. Es kann deshalb schon nicht davon ausgegangen werden, dass das Schiedsgericht der Antragstellerin nicht ausreichend Gelegenheit gegeben hätte, auf den richterlichen Hinweis mit einer Anpassung des Klageantrags 1 zu reagieren. Zudem ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass (und wie) die Antragstellerin den Klageantrag 1 umformuliert hätte und weshalb sich daraus die Möglichkeit einer anderen Entscheidung ergeben könnte, zumal das Schiedsgericht den Klageantrag 1 nicht mangels Bestimmtheit verworfen bzw. zurückgewiesen hat.
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Das Vorgehen des Schiedsgerichts begegnet somit weder unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs noch unter anderen Aspekten rechtlichen Bedenken.
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(2) Weiterhin beanstandet die Antragstellerin, dass das Schiedsgericht auf der Grundlage einer fehlerhaften Interpretation der Verträge (Patentübertragungsvertrag, Vollzugsvertrag, Nachtragsvereinbarungen und deren Ergänzung) die Leistungs- und Herausgabepflichten des Antragsgegners fehlerhaft beurteilt habe. Auch insoweit ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs bzw. ein Verstoß gegen den ordre public nicht ersichtlich.
66
Das Schiedsgericht hat nach Darlegung des Vorbringens der Parteien zum zutreffenden Vertragsverständnis (Rn. 314 ff.) und auf der Grundlage einer ausführlichen und nachvollziehbaren Analyse der schriftlichen Verträge (Rn. 329 ff.) zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:
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Mit dem Patentübertragungsvertrag, dem Vollzugsvertrag und den Nachtragsvereinbarungen habe der Schiedsbeklagte der Schiedsklägerin die aufgezählten Rechte und geschaffenen Werte im Umfang des erreichten Entwicklungsstands übertragen und sei die Übertragung bestätigt worden. Soweit die Parteien in den Verträgen auch auf künftige Weiterentwicklungen Bezug genommen hätten, handele es sich um bloße Absichtserklärungen, die nicht geeignet seien, konkrete Leistungs- und Herausgabepflichten des Antragsgegners zu begründen (Rn. 367 f.). Soweit im Vollzugsvertrag zum Patentübertragungsvertrag an mehreren Stellen auf eine „Aktualisierung“ bzw. „Fortentwicklung“ bestimmter Quellcodes, Software bzw. Konzepte Bezug genommen worden sei, lasse sich daraus aufgrund der Unbestimmtheit keine konkrete Leistungspflicht im Sinne einer Herstellungs- und Herausgabepflicht ableiten (Rn. 329 bis 370, 375). Das aufgrund der Wortlautanalyse erzielte Auslegungsergebnis sei auch unter Betrachtung der Begleitumstände des Vertragsschlusses und des von den Parteien beschriebenen Zwecks ihrer unternehmerischen Zusammenarbeit interessengerecht und vernünftig (Rn. 369).
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Den Umstand, dass in den Verträgen auch künftige Entwicklungsergebnisse und die weitere Entwicklungstätigkeit thematisiert wurden, hat das Schiedsgericht in seine Erwägungen einbezogen, diesem Umstand in rechtlicher Hinsicht allerdings nicht die Bedeutung beigemessen, die die Antragstellerin den Vertragsaussagen beilegt. Es hat deshalb deren Ansicht nicht geteilt, der Antragsgegner habe sich zur Herstellung und Herausgabe eines „endentwickelten“ Produkts und zur Weiterführung seiner Entwicklungstätigkeit verpflichtet. Es ist der Interpretation der Antragstellerin mit ausführlicher Begründung entgegengetreten. Dass es eine von gemeinsamen Vorstellungen getragene Zielsetzung gegeben habe, hat das Schiedsgericht dabei nicht ausgeblendet, sondern ausdrücklich angesprochen und auch den damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen Aspekt in den Blick genommen (Rn. 371 f.). Angesichts des auf Herausgabe gerichteten Begehrens war es nicht erforderlich, auf Auseinandersetzungsansprüche und die gesellschaftsrechtliche Dimension des Falls näher einzugehen. Dass das Schiedsgericht den Schlussfolgerungen und der Wertung der Antragstellerin nicht gefolgt ist, stellt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dar.
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Die Antragstellerin hält den Ausführungen lediglich unter Wiederholung ihres Vorbringens im Schiedsverfahren ihr abweichendes Vertragsverständnis entgegen, ohne darzutun, welches konkrete Vorbringen das Schiedsgericht übergangen haben soll. Dies gilt auch für ihre pauschale Behauptung, die Verträge enthielten „expressis verbis“ die von ihr geltend gemachten vertraglichen Pflichten des Antragsgegners. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs zeigt sie damit nicht auf.
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Auch die ergänzende Erwägung des Schiedsgerichts in Rn. 366, es fehle die Zuordnung eines konkreten Entgelts zu einem konkreten Entwicklungserfolg, dies unterstreiche, dass keine weitergehenden Herstellungspflichten begründet hätten werden sollen, geben keinen Anhalt für eine Verletzung des rechtlichen
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Gehörs. Im Gegenteil belegen die Ausführungen („die erfolgten Übertragungen [und ein in Aussicht genommenes Tätigwerden des Schiedsbeklagten] sollten ausschließlich durch die Übertragung eines hälftigen Geschäftsanteils abgegolten sein“), dass das Schiedsgericht den Leistungspflichten des Antragsgegners die Gegenleistung gegenüberstellt, von der auch die Antragstellerin ausgeht. Es hat weder (zu Unrecht) angenommen, der Schiedsbeklagte habe „die Vereinbarung einer entgeltpflichtigen Tätigkeit“ behauptet, wie die Antragstellerin rügt, noch hat es die gesellschaftsrechtliche Konzeption der Verträge verkannt oder übersehen. Das Schiedsgericht hat aus den vertraglichen Regelungen lediglich andere Schlussfolgerungen gezogen als die Antragstellerin, indem es die Reichweite der vertraglichen Pflichten des Antragsgegners anders beurteilt hat als die Antragstellerin. Welchen sonstigen „widerlegenden Vortrag der Schiedsklägerin“ es übergangen haben sollte, kann dem Vortrag der Antragstellerin nicht entnommen werden, die trotz des gerichtlichen Hinweises vom 6. April 2023 (Bl. 61/63 d. A.) keine der im Schiedsverfahren eingereichten Schriftsätze vorgelegt hat. Auch für Willkür ist nichts ersichtlich; der Aspekt der finanziellen Regelungen in den Verträgen ist als einer von mehreren Gesichtspunkten in die Vertragsauslegung eingeflossen.
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Die rechtliche Relevanz eines etwaigen Schuldanerkenntnisses des Antragsgegners vom 12. Februar 2016 für die Auslegung der hier maßgeblichen Verträge und der darin übernommenen Verpflichtungen erschließt sich nicht. Es kann deshalb ebenfalls nicht als Verletzung rechtlichen Gehörs gewertet werden, dass das Schiedsgericht das Schuldanerkenntnis lediglich erwähnt hat (Rn. 254), ohne im Rahmen der rechtlichen Würdigung darauf einzugehen. Gleiches gilt für den Vortrag der Antragstellerin, dass die Forderungen oder Assets, die der Schiedsbeklagte gemäß Notarvertrag vom 25. Juni 2015 übertragen habe, nicht werthaltig gewesen seien. Nachdem die Antragstellerin mit der Schiedsklage keine Zahlungsansprüche geltend gemacht hat, bleibt im Dunkeln, in welchem Zusammenhang sie eine Erörterung dieser Aspekte durch das Schiedsgericht vermisst. Im Übrigen ergibt sich aus Rn. 254 f. des Schiedsspruchs, dass das Schiedsgericht die strittigen Finanzierungs- und Zahlungsfragen durchaus zur Kenntnis genommen hat. Es hat diesen Streitpunkten, auf der Basis seiner rechtlichen Überlegungen in sich stimmig, keine Entscheidungserheblichkeit zugemessen, da die Schiedsklägerin nicht Zahlung, sondern Herausgabe verlangt hat.
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Auch soweit die Antragstellerin gegen dieses Auslegungsergebnis ins Feld führt, der Schiedsbeklagte sei als eigenverantwortlicher Unternehmer an der inhaltlichen Ausgestaltung der Verträge aufgrund technischen Herrschaftswissens prägend beteiligt gewesen, zeigt sie einen Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs nicht auf. Indem sie rügt, das Schiedsgericht setze sich nicht ansatzweise mit diesen technischen, konkret im Einzelnen vereinbarten Leistungspflichten und Entwicklungsvorgaben auseinander, sondern ignoriere diese vollständig, verkennt sie, dass das Schiedsgericht aufgrund seines ausführlich begründeten Vertragsverständnisses das Bestehen offener Leistungspflichten und Entwicklungsvorgaben verneint hat. Indem die Antragstellerin dieses Verständnis nicht teilt, sondern darauf beharrt, der Antragsgegner habe „diese vorgegebenen Leistungspflichten und die Vorlage der Arbeitsergebnisse im Umfang des Klageantrags 1 nicht erfüllt“, stellt sie lediglich ihre Sicht derjenigen des Schiedsgerichts entgegen.
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(3) Ebenso wenig kann in Bezug auf die vom Schiedsgericht angenommene vorzeitige Beendigung der streitgegenständlichen Verträge zum 16. Juli 2016 ein Verstoß gegen den ordre public festgestellt werden.
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Zur Frage der Berechtigung der vom Antragsgegner erklärten außerordentlichen Kündigung der Zusammenarbeit am 16. Juli 2016 hat das Schiedsgericht zunächst Feststellungen zur Vertragsanbahnung und zu den Grundsätzen der Zusammenarbeit getroffen (Rn. 238 ff.). Es hat die besondere Rolle und Bedeutung von Rechtsanwalt K., dem anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin, hervorgehoben, der im Jahr 2015 den Antragsgegner in diversen Angelegenheiten anwaltlich beraten habe. Beide hätten die Idee einer gemeinsamen unternehmerischen Zusammenarbeit entwickelt, wobei das Schiedsgericht Rechtsanwalt K. und den Antragsgegner als die wirtschaftlich beteiligten Seiten und „Partner auf Augenhöhe“ qualifiziert hat, während die damalige Lebensgefährtin und spätere Ehefrau des Rechtsanwalts K. – die nunmehrige Geschäftsführerin der Antragstellerin – eine vergleichsweise untergeordnete Rolle eingenommen habe. Im Anschluss daran hat das Schiedsgericht die kontinuierliche Verschlechterung des Verhältnisses zwischen den Geschäftspartnern ab Mitte 2015, verschiedene Streitigkeiten und die von Konflikten, offenem Misstrauen und Fristsetzungen geprägte Situation im Juli 2016 dargestellt. Vor diesem Hintergrund hat es den Antragsgegner am 16. Juli 2016 als berechtigt angesehen, die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung zu beenden (Rn. 262 ff. i. V. m. Rn. 373). Dem Schiedsbeklagten sei nicht zumutbar gewesen, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist fortzusetzen, da dieses eine intensive, vertrauensvolle Zusammenarbeit erfordert hätte, die persönliche Zusammenarbeit jedoch schwerwiegend gestört gewesen sei. Ausschlaggebend für das Schiedsgericht waren zum einen „in mehreren Vorfällen manifestierte nicht partnerschaftliche Verhaltensweisen von Rechtsanwalt K.“, zum anderen der Umstand, dass der Schiedsbeklagte bislang für seine Übertragungen und Entwicklungstätigkeiten keine Gegenleistung erhalten habe.
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Die Antragstellerin hält der Begründung des Schiedsgerichts auch insoweit lediglich ihren Vortrag im Schiedsverfahren und ihre abweichende Interpretation der Ereignisse und vertraglichen Pflichten entgegen, ohne eine Verletzung des rechtlichen Gehörs aufzuzeigen. Dies gilt auch, soweit sie dem Antragsgegner schwerwiegende Pflichtverletzungen vorwirft. Mit den behaupteten Pflichtverletzungen hat sich das Schiedsgericht im Zuge der Abweisung der Klageanträge 2 (Feststellungsbegehren zum Annahmeverzug hinsichtlich eines 50%-igen Geschäftsanteils an der Schiedsklägerin) und 3 (Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren) befasst (Rn. 378 ff. und Rn. 392 ff.) und diese ohne Verstoß gegen den nationalen ordre public verneint. Ergänzend wird bezüglich des Vorwurfs, der Antragsgegner habe Produktentwicklungen und -ergebnisse Dritten, insbesondere der S. M. GmbH und der S. D. GmbH & Co. KG zur Verfügung gestellt, auf die nachfolgende Ziffer (4) (Ablehnung des Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehrens) sowie zum Vortrag, der Antragsgegner habe es an einer Mitwirkungshandlung zur hälftigen Geschäftsübertragung fehlen lassen, auf die nachfolgende Ziffer (5) (Ablehnung der Feststellung eines Annahmeverzugs) verwiesen.
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Nicht nachvollzogen werden kann in diesem Zusammenhang der Vortrag der Antragstellerin, es sei ihr Vorbringen „zu Gestaltungserklärungen des Schiedsbeklagten vom 16. Juli 2016“ nicht beachtet worden. Unklar bleibt auch, auf welche (angeblich nicht fristgerecht geltend gemachte) Anfechtungsgründe sie sich bezieht, die „unzulässig mit Kündigungsgründen vermischt“ worden sein sollen. Schriftsätze aus dem Schiedsverfahren, auf die sie sich bezogen hat, sind, wie dargelegt, bis zuletzt nicht vorgelegt worden.
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Soweit die Antragstellerin im Übrigen rügt, das Schiedsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass Rechtsanwalt K. nicht der Vertragspartner gewesen sei, zudem seien die angeblichen nicht partnerschaftlichen Verhaltensweisen nicht konkretisiert worden, ist auf die Ausführungen des Schiedsgerichts zu verweisen, das eingehend begründet hat, weswegen es Rechtsanwalt K. eine zentrale Rolle zugewiesen und aufgrund welcher Vorkommnisse es eine die fristlose Kündigung rechtfertigende schwerwiegende Störung der Zusammenarbeit angenommen hat (Rn. 373 i. V. m. Rn. 262 bis 271). Auch damit vermag die Antragstellerin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht darzutun.
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(4) Nichts anderes gilt in Bezug auf das abgewiesene Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren.
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Auch hier hält die Antragstellerin der Begründung des Schiedsgerichts lediglich ihren Vortrag im Schiedsverfahren und ihr abweichendes Verständnis von den Vertragspflichten entgegen, ohne eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darzutun.
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Das Schiedsgericht hat zunächst in Rn. 378 ff. die zentralen Standpunkte der Antragstellerin zum diesbezüglichen Klagebegehren dargelegt, insbesondere deren Position zu den vertraglichen Verpflichtungen des Schiedsbeklagten und seinem behaupteten kollusiven Zusammenwirken mit dem Geschäftsführer der Firma S. M. GmbH. Nach Wiedergabe des bestreitenden Vorbringens des Schiedsbeklagten (Rn. 383 ff.) hat es sodann unter Rn. 386 ff. im Einzelnen begründet, weswegen es den Argumenten der Antragstellerin nicht folgt. So habe der Antragsgegner substantiiert und überzeugend eine Verschiedenheit der Produkte A. S. 3 und T. dargestellt. Die Antragstellerin dagegen habe trotz Hinweises des Schiedsgerichts den Sachverständigenbeweis für ihre Behauptung, der Schiedsbeklagte habe durch die Entwicklung des T. für die S. D. GmbH in die Vertragsrechte der Schiedsklägerin eingegriffen, weil die zugrundeliegende Technologie im Wesentlichen oder auch nur in Ansätzen übereinstimme (Rn. 389), nicht angetreten. Das Vorbringen ihres sachverständigen Beistands in der mündlichen Verhandlung stelle lediglich Parteivortrag dar. Mit den Argumenten der Antragstellerin und insbesondere den technischen Erläuterungen des sachverständigen Bevollmächtigten Knaur hat sich das Schiedsgericht in diesem Zusammenhang befasst und ausgeführt, weswegen es gleichwohl auf der Grundlage der Erläuterungen des Antragsgegners relevante technische Unterschiede der Produkte bejaht (vgl. auch Rn. 272 ff.).
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Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt in dieser Würdigung nicht. Ausführungen des Privatgutachters einer Partei sind (lediglich) als qualifizierter Parteivortrag zu werten (vgl. BGH, Urt. v. 13. April 2021, KZR 19/20, WM 2022, 1696 Rn. 39; Urt. v. 16. April 2015, I ZR 225/12, juris Rn. 68 m. w. N.; Beschluss vom 20. Dezember 2011, VI ZB 17/11, BGHZ 192, 140 Rn. 16). Dass sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Schiedsgericht beantragt habe, trägt die Antragstellerin selbst nicht vor.
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Den Ausführungen des Schiedsgerichts stellt die Antragstellerin lediglich ihren Sachvortrag aus dem Schiedsverfahren verbunden mit der eigenen Würdigung der Beweismittel und der Aussagen des Antragsgegners gegenüber, den sie, ebenso wie den Zeugen B., für unglaubwürdig hält. Ansonsten wiederholt sie ihren Standpunkt, Unterschiede in den Produkten würde nicht existieren und – falls doch – seien sie nach den vertraglichen Vereinbarungen unerheblich. In der Sache begehrt die Antragstellerin damit eine Überprüfung des Schiedsspruchs auf seine inhaltliche Richtigkeit (révision au fond), für die im Rahmen eines Aufhebungsantrags kein Raum ist. Entgegen ihrer Meinung begründet es keinen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, dass das Schiedsgericht die angeführten Beweisanzeichen als ungenügend zur Überzeugungsbildung angesehen und demzufolge über den Antrag auf Auskunft und Rechnungslegung nach Beweislastgrundsätzen entschieden hat.
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(5) Ebenso wenig vermag die Antragstellerin darzutun, dass das Schiedsgericht im Zuge der Abweisung des Antrags auf Feststellung eines Annahmeverzugs des Antragsgegners mit der Übernahme eines Teilgeschäftsanteils (Klageantrag 2 der Schiedsklage) deren rechtliches Gehör verletzt hätte. Wiederum stellt sie der Entscheidung des Schiedsgerichts lediglich ihr abweichendes Verständnis entgegen.
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Die Antragstellerin begehrte im Schiedsverfahren die Feststellung des Annahmeverzugs „spätestens seit dem 27. Juli 2016 (…) durch vereinbarte Annahme der Abtretung des neu gebildeten Teilgeschäftsanteils an der GmbH (vgl. Rn. 199, S. 40 und Rn. 392). Diesen Antrag hat das Schiedsgericht mit der Begründung abgewiesen, der Schiedsbeklagte habe die streitgegenständlichen Verträge mit Wirkung zum 16. Juli 2016 vorzeitig beendet. Schon deshalb bestehe keine Verpflichtung oder Obliegenheit des Antragsgegners zur Übernahme eines Geschäftsanteils von 50% an der Schiedsklägerin und liege auch kein Annahmeverzug vor.
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Wie oben unter Ziffer 3 b) bb) (3) ausgeführt, hat die Antragstellerin hinsichtlich der Feststellung des Schiedsgerichts, der Antragsgegner habe die vertraglichen Vereinbarungen wirksam außerordentlich zum 16. Juli 2016 gekündigt, Aufhebungsgründe weder hinreichend dargetan noch sind solche ersichtlich.
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Soweit die Antragstellerin geltend macht, das Schiedsgericht habe ihren Sachvortrag „mit den rechtlichen Auswirkungen des Schreibens vom 22. Juli 2016“ übergangen, ist ein Verstoß gegen den ordre public, insbesondere eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nicht ersichtlich. So trägt sie schon nicht vor, welchen konkreten Sachvortrag das Schiedsgericht pflichtwidrig unberücksichtigt gelassen haben soll. Auch unter Berücksichtigung des im Aufhebungsverfahren als Anlage K II vorgelegten Schreibens vom 22. Juli 2016 erschließt sich dies nicht. Das Schreiben enthält lediglich die Wiedergabe der subjektiven Wertung der Antragstellerin bzw. ihres anwaltlichen Vertreters zu den Vorgängen. Im Übrigen fordert sie den Antragsgegner in diesem Schreiben – zeitlich nachfolgend zu der vom Schiedsgericht angenommenen Beendigung der Verträge – auf, bis zum 15. August 2016 den in gesonderter Urkunde eingeräumten und neu gebildeten Teilgeschäftsanteils an der Gesellschaft im Wege der Abtretung zu übernehmen und hierzu alle erforderlichen Willenserklärungen rechtswirksam abzugeben. Die entsprechende Notarurkunde liege zu diesem Zweck zur Beurkundung ab dem 27. Juli 2016 bereit. Weiter heißt es in dem Schreiben, der Antragsgegner befinde sich „spätestens mit Ablauf des 27. Juli 2016 im Annahmeverzug mit der Übernahme des vorbezeichneten Teilgeschäftsanteils“.
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Weder behauptet die Antragstellerin im Aufhebungsverfahren, sie habe im Schiedsverfahren vorgetragen, dem Antragsgegner vor dem Schreiben vom 22. Juli 2016 die Übernahme des Teilgeschäftsanteils angeboten zu haben (§ 293 BGB), noch rügt sie eine mangelnde Berücksichtigung eines solchen Vorbringens durch das Schiedsgericht. Sie ist auch den Ausführungen im Schiedsurteil nicht entgegengetreten, wonach im Schreiben vom 12. Juli 2016, auf das im Schreiben vom 27. Juli 2016 Bezug genommen wird, keine Andienung des hälftigen Gesellschaftsanteils erfolgt sei (Rn. 266), erstmals sei eine Aufforderung zur Übernahme des vertraglich vereinbarten Geschäftsanteils an der schiedsklagenden Gesellschaft im Schreiben vom 22. Juli 2016 erfolgt (Rn. 269). Dass die Antragstellerin im Schiedsverfahren Umstände vorgetragen hätte, aufgrund derer das Schiedsgericht einen Annahmeverzug vor der – als wirksam zu betrachtenden – Kündigungserklärung des Antragsgegners hätte in Erwägung ziehen müssen, behauptet sie somit selbst nicht. Eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit der Ablehnung des Annahmeverzugs hat sie damit nicht dargetan.
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Auch gegen das Willkürverbot hat das Schiedsgericht nicht verstoßen. Es ist weder hinreichend substantiiert dargelegt noch sonst ersichtlich, dass der Schiedsspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wäre und sich daher der Schluss aufdrängte, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 2014, 1 BvR 1063/14, juris Rn. 13). Insbesondere trifft es nicht zu, dass die Begründung des Schiedsgerichts in sich widersprüchlich sei. Das Schiedsgericht hat anhand der vertraglichen Vereinbarungen einen Anspruch des Antragsgegners auf Übernahme des hälftigen Geschäftsanteils an der Antragstellerin bejaht, jedoch angenommen, dass sämtliche Verträge durch die außerordentliche Kündigung des Antragsgegners zum 16. Juli 2016 wirksam beendet worden sind. Geht man mit dem Schiedsgericht davon aus, dass die Verträge mit Wirkung zum 16. Juli 2016 wirksam gekündigt worden sind, ist eine etwaige mit der Kündigung verbundene Ablehnung der Übernahme des hälftigen Gesellschaftsanteils durch den Antragsgegner nicht zur Begründung eines Annahmeverzugs geeignet.
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4. Der Antrag der Antragstellerin auf Gewährung einer Schriftsatzfrist auf das Vorbringen des Antragsgegners vom 12. Mai 2023 war abzulehnen, worauf bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen worden ist. Der Senat hat mit den Parteivertretern im Termin ausführlich erörtert, dass er den Aufhebungsantrag für zulässig, insbesondere für fristgerecht erachtet, jedoch in der Sache keine Aufhebungsgründe dargetan bzw. festgestellt werden können, ohne dass hierfür die Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 12. Mai 2023 relevant wären. Der Schriftsatz vom 12. Mai 2023 blieb bei der Entscheidung vollständig unberücksichtigt, weswegen auch keine Veranlassung für die Gewährung einer Schriftsatzfrist zur Erwiderung auf das diesbezügliche Vorbringen bestand.
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5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 39 Abs. 1, § 43 Abs. 1, § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG i. V. m. § 3 ZPO. Der Senat ist insoweit den Angaben der Antragstellerin gefolgt, denen der Antragsgegner nicht widersprochen hat.