Titel:
Länderübergreifende Umverteilung zu Verlobter und aus Berufsgründen (Profi-Sportler) – keine humanitären Gründe
Normenkette:
AsylG § 26, § 51 Abs. 1, § 55 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Eine Verlobung ist kein sonstiger humanitärer Grund von vergleichbarem Gewicht iSv § 51 Abs. 1 Alt. 2 AsylG. Allenfalls könnte dies bei einem besonderen Angewiesensein der Partner aufeinander der Fall sein, etwa bei der Erbringung von Lebenshilfe in erheblichem Umfang, zB im Fall von Krankheit, Schwangerschaft, Alter, Gebrechlichkeit oder sonstiger besonderer Betreuungsbedürftigkeit. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer nicht möglichen Berufs- und Sportausübung handelt es sich nicht um einen humanitären Grund, sondern nur um einen Aspekt der Lebensgestaltung, der nach der gesetzlichen Regelung in § 51 Abs. 1 AsylG aber kein Gewicht hat, das das öffentliche Interesse an einer gleichmäßigen Verteilung von Asylbewerbern auf die Bundesländer überwiegt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
länderübergreifende Umverteilung zu Verlobter und aus Berufsgründen (Profi-Sportler) –, keine humanitären Gründe, Berufs- und Sportausübung, Verlobung, Verteilung von Asylbewerbern auf die Bundesländer
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24978
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt seine Umverteilung nach Hamburg gemäß § 51 Abs. 1 AsylG.
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Der 1990 geborene Kläger ist kubanischer Staatsangehöriger. Er reiste nach seinen Angaben im August 2019 über eine Sportorganisation in die Bundesrepublik Deutschland ein. Er war dabei im Besitz eines von der deutschen Botschaft in Ku... ausgestellten Visums, gültig vom 25. August 2019 bis 19. Februar 2020.
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Er beantragte im November 2019 bei der Beklagten zunächst die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis als Profi-Boxer und legte in diesem Zusammenhang einen Vertrag mit der … in … zur Vermittlung von Kampf- und Einzelvermarktungsverträgen vom 1. November 2019 vor. Er gab gegenüber der Beklagten bei einer Anhörung am 27. November 2020 an, Profi-Sportler und Boxtrainer zu sein und bereits bei der Einreise die Absicht gehabt zu haben, nicht nach Kuba zurückzureisen. Die Beklagte annullierte mit Bescheid vom 27. November 2020 daraufhin nachträglich das Visum und verteilte den Kläger nach § 15a AufenthG im Rahmen der länderübergreifenden Verteilung nach Bayern um und ordnete an, dass sich der Kläger unverzüglich in die Aufnahmeeinrichtung in … zu begeben habe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11.1.2021), der Bescheid wurde nach Rücknahme der zunächst zum Verwaltungsgericht Hamburg erhobenen Klage bestandskräftig (Einstellungsbeschluss des VG Hamburg vom 28.7.2021). Wohl im April 2022 kam der Kläger der Umverteilung nach … nach. Durch seinen nunmehrigen Bevollmächtigten stellte der Kläger am 24. April 2022 mit Schreiben Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Antrag auf länderübergreifende Umverteilung nach dem AsylG an die ehemalige H... Adresse und begründete dies damit, dass er Leistungssportler im Boxen sei, in H. für Titelkämpfe trainiere, sich dort auch sein Studio, sein Trainer und seine Sparringpartner befänden und alle Lebensunterhaltskosten abgedeckt seien. Außerdem lebe seine Freundin, die er bald heirate, in H.. Im Juni 2022 stellte er im Nachgang einen Asylantrag, über den noch nicht entschieden ist. Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 14. Juli 2022 gab der Kläger an, in Ku... 2011 einen mittleren technischen Abschluss in Sport gemacht zu haben und nach der Schule bis zu seiner Ausreise Boxwettkämpfe absolviert zu haben. Er sei in Ku... nationaler Champion gewesen und habe z.B. an den olympischen Spielen … in … und andern Auslandswettkämpfen teilgenommen. Hierfür legte der Kläger Nachweise in Form von Presseberichten vor. In Deutschland habe er bis zur Asylantragstellung in Hamburg in einem Appartement in einem Haus der … gelebt.
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Mit Bescheid der Regierung von Mittelfranken, Zentrale Ausländerbehörde, vom 12. August 2022 wurde dem Kläger zum 23. August 2022 ein Wohnsitz im Landkreis … zugewiesen. Am 8. September 2022 wurde der Umverteilungsantrag des Klägers vom 24. April 2022 zuständigkeitshalber an die Beklagte weitergereicht.
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Mit Bescheid vom 19. September 2022 lehnte diese die Umverteilung nach Hamburg mit Verweis auf §§ 26, 45, 46, 55, 58 Abs. 1 und 60 Abs. 2 AsylG nach § 51 Abs. 1 AsylG ab. Eine Arbeitsaufnahme während des Asylverfahrens sei zwar möglich, aber nicht verpflichtend und stelle keinen mit einem schwerwiegenden humanitären Grund i.S.v. § 51 Abs. 1 AsylG vergleichbaren Grund dar. Die Abdeckung der Lebenshaltungskosten in Hamburg stelle ebenfalls keinen ausreichenden Grund dar, auch nicht die bevorstehende Hochzeit. Das öffentliche Interesse an einer zügigen und gleichmäßigen Verteilung sei höher zu gewichten. Ein besonderer Einzelfall, bei dem nachweislich eine nicht zu vertretende Härte entstehe, liege nicht vor, so dass der Antrag nach pflichtgemäßen Ermessen abgelehnt werde.
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Mit Schriftsatz vom 22. September 2022 erhob der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage und beantragte,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. September 2022 zu verpflichten, den Kläger auf seinen Antrag vom 28. April 2022 hin der Stadt Hamburg im Wege einer länderübergreifenden Umverteilung zuzuweisen.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 22. September 2022, beim Verwaltungsgericht eingegangen am 11. Oktober 2022, verwies die Klägerseite darauf, dass durch die Umverteilung die behördlichen Kapazitäten entlastet würden, weil der Kläger durch die … untergebracht werde. Für November 2022 plane der Kläger die Aufgebotsbestellung für eine Eheschließung mit der in Hamburg wohnenden Freundin.
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Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2022,
die Klage abzuweisen und bezog sich zur Begründung auf die Ausführungen im Bescheid vom 19. September 2022. Der Kläger habe in Hamburg keine Familienangehörigen i.S.v. § 26 Abs. 1 bis 3 AsylG und sonstige humanitäre Gründe seien nicht erkennbar. Der Wunsch auf Aufnahme als Leistungssportler bei der … stelle keinen Umverteilungsgrund dar. Es seien auch keine Gründe angegeben worden, warum ein Training in Bayern nicht in Betracht komme.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und beigezogenen Akten der Beklagten und des Bundesamtes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Nachdem die Parteien sich übereinstimmend mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (die Beklagte mit Schriftsatz vom 6.10.2022, die Klägerseite mit dem am 11.10.2022 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz), kann gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
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Für die Verpflichtungsklage ist das Verwaltungsgericht Ansbach gemäß § 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO zuständig ist, da es sich um eine asylrechtliche Streitigkeit handelt und derzeit eine Zuweisung für den Landkreis …, also den Zuständigkeitsbereich des Verwaltungsgerichts Ansbach vorliegt (VGH Mannheim, U.v. 2.2.2006, A 2 S 929/05 – juris – Rn.15; vgl. auch VG Trier, U.v. 5.3.2020 – 10 K 5062/19.TR – juris Rn. 22, VG München, GB v. 13.11.2015 – M 24 K 15.2129 – juris Rn. 27).
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Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet und deshalb abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Umverteilung nach Hamburg nach § 51 Abs. 1 AsylG, § 113 Abs. 5 VwGO.
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Dem Erfolg der Klage steht nicht bereits entgegen, dass der Kläger mit seinem Wunsch, in Hamburg zu verbleiben bzw. zugewiesen zu werden, in einem vorausgegangenen ausländerrechtlichen Umverteilungsverfahren nach § 15a AufenthG bereits gescheitert ist. Zwar ist der Umverteilungsbescheid der Beklagten vom 27. November 2020 bestandskräftig geworden und damit grundsätzlich bindend, jedoch besteht diese Bindungswirkung nicht bezüglich einer Zuweisung im Asylverfahren nach dem nunmehr einschlägigen § 51 Abs. 1 AsylG. Wenn auch § 15a Abs. 1 AufenthG und § 51 Abs. 1 AsylG inhaltlich weitgehend die gleichen Voraussetzungen für eine Umverteilung aufstellen (vgl. § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG und § 51 Abs. 1 AsylG), handelt es sich doch um zwei unterschiedliche und nicht um das gleiche Verfahren. Im Übrigen könnte auch nach einer bestandskräftigen Verteilungsentscheidung nach § 15a Abs. 1 AufenthG vom Betroffenen noch ein Antrag auf Weiter- oder Rückverteilung nach § 15a Abs. 5 AufenthG gestellt werden und können geänderte Umstände grundsätzlich mit einem neuen Antrag geltend gemacht werden.
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Ein Umverteilungsgrund nach § 51 Abs. 1 AsylG ist für den Kläger vorliegend jedoch nicht erkennbar. Asylbewerber haben nach § 55 Abs. 1 Satz 2 AsylG grundsätzlich keinen Anspruch darauf, sich in einem bestimmten Land oder an einem bestimmten Ort aufzuhalten. Nach § 51 Abs. 1 AsylG ist, wenn der Asylbewerber nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, jedoch der Hausgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern (Familienangehörige i.S.v. § 26 Abs. 1 bis Abs. 3 AsylG) durch länderübergreifende Verteilung Rechnung zu tragen (§ 51 Abs. 1 Alt. 1 AsylG). Das Gleiche gilt, wenn sonstige humanitäre Gründe von vergleichbarem Gewicht vorliegen (§ 51 Abs. 1 Alt. 2 AsylG). Liegen derartige humanitäre Gründe vor, ist das der Behörde zustehende gesetzliche Ermessen in der Regel zu einem Anspruch des Asylbewerbers verdichtet (VGH Mannheim, U.v. 2.2.2006, A 2 S 929/05 – juris Rn. 17).
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Bei einer Freundschaft, Partnerschaft oder Verlobung liegt nach dem klaren Gesetzeswortlaut keine Familienangehörigkeit im Sinn von §§ 51 Abs. 1, 26 Abs. 1 AsylG vor. Ebenso wenig ist in der Verlobung per se ein humanitärer Grund von vergleichbarem Gewicht zu sehen. Allenfalls könnte dies bei einem besonderen Angewiesensein der Partner aufeinander der Fall sein, etwa bei der Erbringung von Lebenshilfe in erheblichem Umfang (VGH Mannheim, U.v. 2.2.2006, A 2 S 929/05 – juris Rn. 19), z.B. im Fall von Krankheit, Schwangerschaft, Alter, Gebrechlichkeit oder sonstiger besonderer Betreuungsbedürftigkeit (VG München, GB v. 13.11.2025 – 24 M 15.2129 – juris Rn. 30), was aber für den Kläger und seine Verlobte nicht geltend gemacht worden ist oder erkennbar ist.
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Der Wunsch oder die Möglichkeit der Arbeitsaufnahme an einem bestimmten Ort stellt regelmäßig schon keinen humanitären Grund dar, auch dann nicht, wenn wie im Fall des Klägers wohl nur ein sehr begrenzter bzw. örtlich eingeschränkter Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Selbst wenn der Kläger seine Tätigkeit als Profi-Boxer tatsächlich nur in Hamburg ausüben könnte – was so jedoch nicht vorgetragen wurde –, würde sich keine andere Beurteilung ergeben. Solange jedenfalls durch zu gewährende Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz die Lebensgrundlage des Betroffenen nicht gefährdet ist und auch psychische oder andere gesundheitliche Schäden nicht zu befürchten sind, handelt es sich bei einer nicht möglichen Berufs- und Sportausübung nicht um einen humanitären Grund, sondern nur um einen Aspekt der Lebensgestaltung, der nach der gesetzlichen Regelung in § 51 Abs. AsylG aber kein Gewicht hat, das das öffentliche Interesse an einer gleichmäßigen Verteilung von Asylbewerbern auf die Bundesländer überwiegt.
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Die Klage ist mangels Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AsylG somit abzuweisen.
18
Die Kostenentscheidung der damit abzuweisenden Klage beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG.