Titel:
Zweckentfremdung von Wohnraum als Arbeiterunterkunft
Normenketten:
ZwEWG Art. 1, Art. 3 Abs. 3
ZwEVS § 1 S. 2 Nr. 1, Nr. 3, § 2 Abs. 3 Nr. 2 , § 3 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, § 4 Abs. 2, § 5 Abs. 2, § 12
VwZVG Art. 21a S. 1
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1 Var. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 3
LStVG Art. 1 S. 2 Nr. 1, Art. 9 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Auch Wohnheime – etwa Studentenwohnheime – können als Wohngebäude einzustufen sein, wenn sie nach ihrer Zweckbestimmung und Ausstattung Wohnbedürfnisse erfüllen können und sollen. Die Grenzen des Wohnens sind allerdings überschritten, wenn das Gebäude – wie im Fall einer Unterkunft für Monteure – aufgrund seiner spartanischen Ausstattung lediglich als Schlafstätte dient und auch einfache Wohnbedürfnisse nicht befriedigt (VGH München BeckRS 2015, 55607 mwN). (Rn. 83) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Sinn des Merkmals der Dauerhaftigkeit ist darin zu erblicken, ein Wohngebäude als die Heimstatt im Alltag zu unterscheiden von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises (nicht alltägliches) Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen (VGH München BeckRS 2015, 55607 mwN). (Rn. 84) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Beherbergungsbetrieb liegt nur dann vor, wenn die Räume regelmäßig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten könnten (vgl. VGH München BeckRS 2015, 55607 mwN). (Rn. 85) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnrecht, Zweckentfremdung, Arbeiterunterkunft, Störermehrheit, Wohngebäude, Dauerhaftigkeit, Unterkunft für Monteure, Ausstattung, einfache Wohnbedürfnisse, Wohnheim, Beherbungsbetrieb, Schlafstätte
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24977
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer erhobenen Anfechtungsklage gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, mit welchem der Antragstellerin untersagt wurde, ein angemietetes Reihenhaus als Arbeiterunterkunft unterzuvermieten, sowie angeordnet wurde, das Anwesen Wohnzwecken zurück zu führen.
2
Die Antragstellerin bietet ausweislich ihrer Auftritte im Internet und auf Facebook Unterkünfte für Messebesucher und Monteure an und ist Hauptmieterin des Anwesens …, … Es handelt sich um das Mittelhaus einer aus drei Häusern bestehenden Reihenhauszeile ( …, FlNr. … der Gemarkung …). Die Antragstellerin ist seit 1. Juli 2019 Mieterin des Anwesens. Der zunächst bis 30. April 2022 befristete, jedoch fortgeführte Mietvertrag mit der Eigentümerin des Anwesens erlaubt der Antragstellerin die Untervermietung. Die monatliche Miete beträgt 1.600,00 EUR zuzüglich 150,00 EUR Betriebskostenvorauszahlung. Die Antragstellerin ist außerdem Mieterin der Anwesen … (vgl. AN 3 S 23.1454 und AN 3 K 23.1455).
3
Der Eigentümerin wurde mit Bescheid vom 8. Oktober 2004 von der Antragsgegnerin eine Baugenehmigung für die Errichtung von drei Reihenhäusern und vier Garagen auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … erteilt. Ausweislich der Bauvorlagen handelt es sich um zweigeschossige Reihenhäuser mit Dachgeschoss. Das streitgegenständliche Anwesen … weist gemäß der Nutzflächenberechnung eine Wohnfläche von 119,69 qm auf, die sich verteilt auf einen offenen Wohn- und Essbereich, ein WC sowie eine Küche im Erdgeschoss (44,43 qm), drei Schlaf- bzw. Kinderzimmer (10,09 qm, 10,79 qm und 14,02 qm) sowie ein Bad im Obergeschoss (45,73 qm) und zwei weitere Zimmer (8,96 qm und 14,24 qm) sowie ein WC/Bad im Dachgeschoss (29,53 qm). Im Kellergeschoss (47,04 qm) befinden sich drei weitere Räume (Heizung mit 13,74 qm, Flur mit 15,60 qm, Keller 1 mit 17,70 qm).
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In der Zeit von August 2020 bis 30. September 2021 wurde das streitgegenständliche Anwesen von der Antragstellerin an die … überlassen. Diese gab gegenüber der Antragsgegnerin zunächst an, dass das Anwesen seitens der Mitarbeiter des Unternehmens zum Zweck des Arbeitseinsatzes genutzt worden sei. Später wurde diese Aussage dahingehend korrigiert, dass das Anwesen von den Mitarbeitern zu Wohnzwecken genutzt worden sei. Die Überlassung erfolgte durch die Antragstellerin per Buchung des Anwesens durch die … und über die Stellung von Rechnungen. Die Abrechnung erfolgte pro Übernachtung und pro Person. In den Rechnungen war separat die anfallende Umsatzsteuer ausgewiesen. Ausweislich der Rechnungen wurden im streitgegenständlichen Anwesen nahezu durchgängig in der Regel neun oder zehn Personen untergebracht. Einer von der … an die Antragsgegnerin übermittelten Aufstellung über die Belegung des streitgegenständlichen Anwesens lässt sich entnehmen, dass die Mitarbeiter der … in der Regel drei bis vier Wochen meist jeweils von Montag bis Freitag in dem streitgegenständlichen Anwesen untergebracht waren, bevor ein Wechsel der Belegung stattfand.
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Das streitgegenständliche Anwesen ist seit 1. Oktober 2021 an den Untermieter … vermietet. Aus dem Mietvertrag geht hervor, dass die monatliche Miete für das Anwesen 2.200,00 EUR zuzüglich 900,00 EUR Betriebskostenvorauszahlung beträgt, das Anwesen vollmöbliert vermietet wurde und die Untervermietung an bis zu sieben Personen ohne Zustimmung des Vermieters erfolgen kann.
6
Nach Auskunft der Meldebehörde der Antragsgegnerin sind derzeit fünf Personen aufgrund von Wohnungsgeberbestätigungen der Antragstellerin vom 2. und 4. Juli 2023 unter der Adresse … gemeldet. Der Untermieter … ist nicht gemeldet.
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Aufgrund mehrerer und anhaltender Beschwerden der Nachbarn und Bewohnern der … über das streitgegenständliche Anwesen und deren Bewohnern, führte die Antragsgegnerin am 10. September 2020, 28. November 2022, 2. Dezember 2022 und 13. Dezember 2022 Ortstermine am streitgegenständlichen Anwesen durch. Die Nachbarn äußerten zuvor gegenüber der Antragsgegnerin den Verdacht, dass das Anwesen als Arbeiterunterkunft genutzt werde. Bei den Ortsterminen wurde jeweils festgestellt, dass der zum Anwesen gehörende Briefkasten zugeklebt wurde und weder an der Wohnungstür noch am Briefkasten Namenschilder vorhanden waren. Bewohner konnten bei keinem der Ortstermine angetroffen werden.
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Mit Schreiben vom 18. September 2020 an die Eigentümerin des streitgegenständlichen Anwesens begehrte die Antragsgegnerin Auskunft über die Nutzung des Anwesens. Die Eigentümerin gab daraufhin gegenüber der Antragsgegnerin an, dass das Anwesen früher an Familien vermietet worden sei. Derzeit werde an Wohngemeinschaften vermietet. Die Mietdauer betrage mindestens sechs Monate und die Mieter würden immer wieder wechseln. Bei den Bewohnern handele es sich um berufstätige Personen, Schüler und Studenten. Jedes der fünf möblierten Zimmer sei an eine Person vermietet. Nach einem weiteren Auskunftsverlangen der Antragsgegnerin übersandte die Eigentümerin des Anwesens am 14. Januar 2021 den geschlossenen Mietvertrag mit der Antragstellerin.
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Mit Schreiben vom 26. Januar 2021 verlangte die Antragsgegnerin von der Antragstellerin Auskunft über die tatsächliche Nutzung des streitgegenständlichen Anwesens. Nachdem die Antragstellerin hierauf nicht reagierte, erließ die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 26. Februar 2021 eine zwangsgeldbewährte Anordnung gegenüber der Antragstellerin, mit welcher diese zur Auskunftserteilung verpflichtet wurde. Mit Bescheid vom 27. Mai 2021 wurde das Zwangsgeld aus dem Bescheid vom 26. Februar 2021 fällig gestellt und eine erneute Zwangsgeldandrohung erlassen. Einer hiergegen von der Antragstellerin erhobene Klage wurde mit Urteil vom 7. März 2022 (AN 3 K 21.01172) teilweise stattgegeben und die erneute Zwangsgeldandrohung mangels konkreter Fristsetzung aufgehoben. Die Antragstellerin teilte schließlich mit, dass das Anwesen zunächst an die … vermietet gewesen sei. Die Antragsgegnerin forderte in der Folge von diesem Unternehmen entsprechende Auskünfte an, welche diese unter Vorlage von Rechnungen und Belegungsübersichten auch erteilte.
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Mit Schreiben vom 13. Juli 2022 wurde die Antragstellerin von der Antragsgegnerin zur Auskunft über die Nutzung des Anwesens ab November 2021 aufgefordert. Hierauf legte die Antragstellerin den mit dem Untermieter … geschlossenen Mietvertrag vom 7. Oktober 2021 sowie eine von der Antragstellerin erteile Wohnungsgeberbestätigung zur Vorlage bei der Meldebehörde vor.
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Mit einfachen Schreiben vom 26. Juli 2022 und 5. September 2022 wurde der Untermieter … von der Antragsgegnerin zur Auskunft über die tatsächliche Wohnnutzung des streitgegenständlichen Anwesens aufgefordert. Beide Schreiben konnten dem Untermieter auf dem Postweg nicht übermittelt werden.
12
Am 29. März 2023 gegen 20 Uhr fand unter Amtshilfe und Einsatz von 16 Einsatzkräften der Polizei ein weiterer Ortstermin am streitgegenständlichen Anwesen statt. Ausweislich von Aktenvermerken der Antragsgegnerin über diesen Einsatz sei bei der Überprüfung des Anwesens festgestellt worden, dass die Tür eines Kleiderschranks eingeschlagen worden sei, zwölf männliche Personen angetroffen worden seien, im Haus ein modriger Geruch wahrnehmbar gewesen sei und die Fußböden seit längerem nicht gereinigt worden seien. Im Kellergeschoss sei abweichend von den genehmigten Bauvorlagen eine Wand eingezogen worden, um ein weiteres Zimmer zu schaffen. Im Heizraum sei eine größere Menge an Wäsche gefunden worden. Die Zimmer seien notdürftig eingerichtet und belegt gewesen. Insgesamt seien im Haus 15 Betten vorgefunden worden. Auf Sesseln, Sofas sowie in den Kleiderschränken seien Lebensmittel und Kleidung gesichtet worden. In der Küche seien dagegen keine Nahrungsmittel vorgefunden worden. Handtücher und Kleidung seien zum Trocknen auf Wäscheständer und Heizungen in den Schlafzimmern gehängt worden. Die Bäder seien im Wesentlichen frei von persönlichen Gegenständen gewesen. Die Drogerie- und Kosmetikartikel hätten sich stattdessen in den Schlafräumen befunden. In den Gemeinschaftsräumen habe es keine persönlichen Gegenstände, Bilder, Blumen oder Teppiche gegeben. Das gesamte Gebäude sei länger nicht gereinigt worden. Das Haus habe insgesamt sehr unhygienisch gewirkt. Der Briefkasten und das Klingelschild seien ohne Namen gewesen.
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Die angetroffenen Bewohner wurden mittels Fragebögen befragt, die in die Sprachen Englisch, Russisch, Rumänisch, Litauisch, Slowenisch, Türkisch, Tschechisch, Bulgarisch und Polnisch übersetzt waren. Im Rahmen dieser von der Antragsgegnerin und der Polizei durchgeführten Befragung der angetroffenen Bewohner gaben diese übereinstimmend an, dass sie litauische Staatsangehörige und Arbeitskollegen seien. Sie seien jeweils für vier Wochen in dem Anwesen untergebracht und würden danach nach Litauen zurückkehren sowie teilweise nach einer Woche wieder zurückkehren, um weitere vier Wochen in dem Anwesen zu wohnen. Gemäß der in der Behördenakte vorhanden Fragebögen wurde der Untermieter … im Rahmen des Ortstermins am 29. März 2023 nicht in der Wohnung angetroffen.
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Ausweislich zweier Aktenvermerke der im Einsatz gewesenen Polizisten sei die Befragung mithilfe von Bewohnern, die der deutschen Sprache hinreichend mächtig gewesen seien, und unter Zuhilfenahme von Übersetzungsprogrammen durchgeführt worden. Die Personen hätten dabei übereinstimmend angegeben, dass sie für das selbe Unternehmen tätig seien und nur für wenige Wochen in dem Haus leben würden.
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Bei der Überprüfung des Anwesens wurden durch Mitarbeiter der Antragsgegnerin Lichtbilder von den Räumlichkeiten angefertigt, die sich in der Behördenakte befinden.
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Mit Schreiben vom 14. April 2023 an den damaligen Bevollmächtigten der Antragstellerin und Schreiben vom 17. April 2023 an die Antragstellerin selbst wurde diese von der Antragsgegnerin über deren Ermittlungen informiert und der Erlass einer zweckentfremdungsrechtlichen Anordnung in Aussicht gestellt. Der Antragstellerin wurde außerdem die Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt.
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Mit Schreiben vom 17. Mai 2023 nahm der neue und derzeitige Bevollmächtigte der Antragstellerin Stellung. Es wurde ausgeführt, dass keine Zweckentfremdung vorliege. Die Vermietung an die … müsse nicht weiter erörtert werden, da der betreffende Vertrag bereits seit längerer Zeit beendet worden sei. Maßgeblich sei alleine die aktuelle tatsächliche Vertragsgestaltung. Die derzeitige unbefristete Anmietung erfolge zu reinen Wohnzwecken. Es möge zwar sein, dass die Antragstellerin den Untermieter nicht erreicht habe, jedoch heiße dies nicht, dass der Untermieter tatsächlich nicht erreichbar sei. Die Antragstellerin stehe nämlich mit dem Untermieter in Kontakt. Nach diesseitigem Kenntnisstand bestehe auch ein Briefkasten und somit ein postalischer Zugang zum streitgegenständlichen Anwesen. Der Untermieter habe zugesagt, den Briefkasten unverzüglich zugänglich zu machen und ein Namensschild anzubringen.
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Der im Rahmen des Ortstermins angetroffene Zustand hinsichtlich des Briefkastens und des Namensschildes dürfte auf Vandalismus der Nachbarschaft oder sonstigen Dritten zurückgehen. Die Antragstellerin sei aus diesen Gründen keine Störerin im verwaltungstechnischen Sinne. Dies gelte jedoch auch für den Untermieter. Denn die im Objekt lebenden Personen würden sich dort ausschließlich zu Wohnzwecken aufhalten. Ihren beruflichen bzw. gewerblichen Tätigkeiten würden Sie nicht dort, sondern an anderen Adressen nachgehen. Nach erfolgter Rücksprache habe sich der Untermieter außerdem dahingehend geäußert, dass er in der Vergangenheit in Deutschland immer wieder Probleme mit fehlenden Arbeitskräften gehabt habe. Insbesondere sei die Beschaffung der fehlenden Arbeitskräfte durch das Arbeitsamt bzw. die Arbeitsämter in Deutschland keine ernsthafte Alternative. Die von dort vermittelten Arbeitskräfte seien in aller Regel nicht arbeitswillig bzw. ermangele es ihnen an hinreichenden Fachkenntnissen. Deshalb sei er auf den Einsatz von ausländischen Arbeitskräften angewiesen. Um diesen, im eigenen Interesse an einer möglichst guten Arbeitsleistung, seriöse und dauerhafte Arbeitsbedingungen zu bieten, sei es für ihn sinnvoll, diese möglichst dauerhaft nach Deutschland zu holen. Zu diesem Zwecke habe er zum Beispiel im Objekt … Arbeitskräfte untergebracht, die nicht nur kurzfristig bzw. temporär hier arbeiten wollen würden, sondern beabsichtigen würden, hier dauerhaft zu arbeiten und demgemäß auch ihren Lebensmittelpunkt nach Deutschland zu verlagern. Das umfasse auch den entsprechenden Familiennachzug. Da dies nicht schlagartig umgesetzt werden könne, müsse er die Wohnungsbedingungen dieser Leute fortlaufend modifizieren. So sei die größere Anzahl (als die tatsächliche Anzahl der Bewohner) von Betten im Objekt auch darauf zurückzuführen, dass solche Betten für Familienbesuche benötigt würden. Tatsächlich seien dort Arbeitskräfte untergebracht, die ihren Lebensmittelpunkt nach Deutschland verlagern und dauerhaft hier arbeiten wollen würden.
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Richtig sei allerdings, dass man am Umgang und Disziplinverhalten dieser Bewohner, insbesondere in Bezug auf die Beseitigung von Müll, Lautstärkenreduzierung noch arbeiten müsse. Dies sei durchaus verbesserungsfähig, was man ihnen auch fortlaufend erkläre. Dies umfasse selbstverständlich den Umgang mit der Nachbarschaft und den dabei an den Tag zu legenden Manieren. Da sei man aber auf einem guten Weg.
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Es werde ausdrücklich bestritten, dass die angeblich von der Polizei vernommenen zwölf männlichen Personen alle angegeben hätten, sie seien hier nur vorübergehend untergebracht worden und würden beabsichtigen, nach kurzer Restarbeitszeit in … wieder in ihre ursprüngliche Heimat im Osten Europas zurückzukehren. Eine solche Absicht bestehe tatsächlich nicht. Möglicherweise seien diese Aussagen aufgrund von Verständigungsschwierigkeit und der Voreingenommenheit der vernehmenden Polizei entstanden.
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In den Wohnräumlichkeiten selbst habe die Polizei keine Feststellungen treffen können, die auf eine Zweckentfremdung hindeuten würden. Insbesondere seien schlechte Hygiene und schlampige Haushaltsführung keine Indizien für eine Zweckentfremdung.
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Zu den angeblichen, in Bezug genommenen Beschwerden der Anwohner bzw. der Nachbarschaft dürfe auch vermutet werden, dass diese lediglich an ihren sehr eigenen Interessen an einem unveränderten Status quo ihrer jeweiligen bisherigen Wohnsituation interessiert seien und jegliche Veränderungen strikt ablehnen würden. Das Problem sei ein ähnliches wie bei der Verlegung neuer Stromtrassen. Es müsse jedem klar sein, dass die deutsche Wirtschaft auf die Generierung ausländischer Arbeitskräfte angewiesen sei. Damit werde in vielen Fällen notwendigerweise eine Verlagerung des Lebensmittelpunktes der betreffenden Arbeitskräfte nach Deutschland verbunden sein müssen. Da solche Arbeitskräfte nicht dauerhaft in Zelten oder in Containern untergebracht werden könnten, sondern vielmehr unter menschenwürdigen Umständen in entsprechendem Wohnraum, bedürfe es solcher Konstruktionen, wie sie der Untermieter … im streitgegenständlichen Fall möglicherweise geschaffen habe. Die Nachbarn müssten sich daher fragen lassen, was sie eigentlich für die Gesellschaft leisten würden oder ob sie ausschließlich am eigenen Wohlergehen interessiert seien.
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Mit Bescheid vom 26. Juni 2023 – der Antragstellerin am 28. Juni 2023 zugestellt – erließ die Antragsgegnerin folgende Anordnungen:
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1. Der Antragstellerin wird aufgegeben, die Überlassung des im Betreff genannten Wohnraums zu anderen als Wohnzwecken (hier: Arbeiterunterkunft) unverzüglich zu beenden.
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2. Die unverzügliche Rückführung des Anwesens in der … in … zu Wohnzwecken wird angeordnet.
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3. Für den Fall, dass die Antragstellerin der Anordnung in der Nr. 1 dieses Bescheids nicht innerhalb eines Monats ab Zustellung dieses Bescheids Folge leistet, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 EUR zur Zahlung fällig.
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4. Für den Fall, dass die Antragstellerin der Anordnung in der Nr. 1 dieses Bescheids nicht innerhalb von vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheids Folge leistet, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR zur Zahlung fällig.
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5. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr von 557,54 EUR zuzüglich 3,45 EUR für Portoauslagen festgesetzt.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass das streitgegenständliche Anwesen von der Antragstellerin zu anderen als Wohnzwecken verwendet und überlassen werde und daher eine Zweckentfremdung vorliege. Darauf würden alle vorliegenden Informationen hindeuten.
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Der Briefkasten sei überdies über längere Zeit zugeklebt gewesen, was darauf hindeute, dass die Bewohner nicht mit Post rechnen und auch keine Post empfangen wollen würden. Es fehle bislang an jeglichen Nachweisen dafür, dass das Anwesen tatsächlich von Herrn … selbst bewohnt werde. Nach eigener Auskunft der Antragstellerin sei die Anschrift des Mieters nach wie vor in … Dies lasse darauf schließen, dass eine Verlegung des Lebensmittelschwerpunktes nach … überhaupt nicht vorgesehen sei. Die Antragstellerin habe vielmehr selbst bestätigt, dass das Anwesen an bis zu 13 ausländischen Arbeitskräften aufgrund eines Arbeitseinsatzes in … weitergegeben worden sei, welche in einem Arbeits- oder Auftragsverhältnis zum Mieter … stünden. Dieser Umstand habe auch beim Ortstermin am 29. März 2023 durch die Polizei bestätigt werden können. Es seien lediglich Männer angetroffen worden, die angegeben hätten, nur vorübergehend für einen Arbeitseinsatz in dem Anwesen zu wohnen.
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Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin über die Jahre 2020 bis 2023 immer wieder Beschwerden aus der Bevölkerung mit dem Inhalt, dass das Anwesen als Arbeiterunterkunft genutzt werde, erhalten. Ferner sei immer wieder mitgeteilt worden, dass dort ein ständiges Kommen und Gehen stattfinde und keiner der dort untergebrachten Arbeiter dauerhaft in der … wohne. Des Weiteren sei mitgeteilt worden, dass die dort untergebrachten Personen besonders durch eine enorme Lautstärke und eine starke Vermüllung des Grundstücks auffielen und die Nutzung des Anwesens als Arbeiterunterkunft eine massive Störung und Beeinträchtigung der Bewohner in der … darstelle. Zudem sei die Straße immer wieder mit Transportern mit ausländischen Kennzeichen zugeparkt. Zuletzt sei sich am 22. Juni 2023 über die Nutzung des Anwesens beschwert worden. In dieser Beschwerde heiße es, dass die Arbeiter nach wie vor in dem Anwesen untergebracht seien und die Situation bezüglich der Lärm- und Müllbelästigung unverändert sei.
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Insgesamt werde aus der bisherigen Nutzung sowie den bereits geschilderten Erkenntnissen der Vor-Ort-Kontrolle am 29. März 2023 und den anhaltenden Beschwerden aus der Bevölkerung deutlich, dass das Nutzungskonzept der Antragstellerin daraus bestehe, das Anwesen an Firmen oder Einzelpersonen zu vermieten, die wiederum den Wohnraum ihren Mitarbeitern und/oder ausländischen Arbeitskräften als kurzzeitige Unterkunft während eines vorübergehenden Arbeitseinsatzes zur Verfügung stellen würden. Insofern sei die Nutzung des Anwesens eindeutig als Arbeiterunterkunft einzustufen. Der Aufenthalt der Mitarbeiter der verschiedenen Firmen bzw. Personen begrenze sich dabei auf die Dauer des Arbeitseinsatzes in … Eine Verlegung des Lebensmittelpunktes erfolge nicht. Ein dauerhaftes Wohnen im Sinne des Zweckentfremdungsrechts sei zu keinem Zeitpunkt gegeben gewesen.
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Zudem spreche auch die Ausstattung des Anwesens mit insgesamt 15 Betten, Kühlschränken auf den Zimmern und einer spartanischen Ausstattung mit dem Notwendigsten für eine Nutzung des Anwesens als Arbeiterunterkunft. Bei der Vor-Ort-Kontrolle habe festgestellt werden können, dass im Keller des Anwesens Schlafräume mit zwei oder mehr Betten eingerichtet worden seien. Bauordnungsrechtlich seien diese Räume bislang nicht als Aufenthaltsräume genehmigt. Die Nutzung als Schlafräume erscheine schon aus diesem Gesichtspunkt mehr als kritisch. Darüber hinaus seien in fast allen Zimmern in dem gesamten Anwesen mindestens zwei Betten untergebracht. So hätten die Bewohner des Kinderzimmers im 1.OG mit zwei Betten lediglich 10,19 qm Fläche zur Verfügung. Gleiches gelte für das kleinere Zimmer im DG des Anwesens mit zwei Betten auf 10,31 qm. Das ergebe eine Fläche von ca. 5 qm pro Person. Zwar spreche der Umstand, dass sich zwei oder mehr Bewohner einen Schlafraum teilen würden, nicht zwingend gegen eine Wohnnutzung. Jedoch schließe die dadurch bewirkte Einschränkung der Privatsphäre unter Berücksichtigung der hierzulande üblichen Wohnstandards die Annahme einer Nutzung zu Wohnzwecken regelmäßig dann aus, wenn zwischen den Bewohnern keine persönliche Bindung bestehe bzw. sich diese Bindung in dem gemeinsamen Interesse einer möglichst kostengünstigen Unterbringung erschöpfe.
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Für einen lediglich vorübergehenden Aufenthalt der bisherigen Bewohner spreche auch die Tatsache, dass diese nicht beim Einwohnermeldeamt der Antragsgegnerin angemeldet seien bzw. noch nie angemeldet gewesen seien. Zudem müsse auch aufgrund der fehlenden Beschriftung des Klingelschilds und des Briefkastens angenommen werden, dass die Nutzer in der Wohnung nur übergangsweise zu einem begrenzten Zweck unterkämen.
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Vorliegend sprächen zudem die 15 Betten verteilt auf insgesamt sieben Zimmer, aber auch das Vorhandensein von Kühlschränken in den Zimmern für eine wohnungsuntypische Belegungsmöglichkeit von klassischen Arbeiterunterkünften und sogar im Hinblick auf die Unterbringung von Personen in Kellerräumen auf eine menschenunwürdige Art von Massenunterkunft.
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Die Antragstellerin überlasse den Wohnraum immer wieder verschiedenen Firmen oder Personen, die den Wohnraum als Arbeiterunterkünfte ihren Mitarbeitern zur Verfügung stellen würden. Die Anforderungen an eine nachhaltige Wohnnutzung seien im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Anmietung des Anwesens durch die … sei nicht mit Mietvertrag, sondern mit monatlichen Rechnungen festgehalten worden. Dies spreche für eine gewerbliche Nutzung des Anwesens. Die Berechnung einer Umsatzsteuer von 7% sei ebenfalls ein starkes Indiz dafür, dass lediglich eine kurzzeitige Beherbergung stattfinden solle, da langfristige Vermietungen zu Wohnzwecken umsatzsteuerfrei seien. Nicht befreit sei die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithalte. Mit Herrn … sei zwar ein Mietvertrag abgeschlossen worden. Allerdings reiche allein der Abschluss eines unbefristeten Mietvertrages nicht aus, um eine Zweckentfremdung von Wohnraum zu widerlegen. Es komme auf die tatsächliche Nutzung des Objekts an. In dem vorliegenden Mietvertrag sei ebenfalls geregelt, dass dort bis zu sieben Personen ohne Zustimmung des Eigentümers untergebracht werden könnten. Jegliche Kontaktversuche mit Herrn … seien fehlgeschlagen. Ein Nachweis, dass das Anwesen tatsächlich von Herrn … bewohnt werde, sei nicht erfolgt. Der Mietvertrag stelle folglich nur eine Möglichkeit dar, die tatsächliche Nutzung als Arbeiterunterkunft zu verschleiern.
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Die Zweckentfremdung des Anwesens sei nicht genehmigungsfähig, da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Genehmigung gemäß § 4 Abs. 2 und 3 ZwEVS nicht gegeben seien. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin gefährdet sei oder die für die Entrichtung einer Ausgleichszahlung sprächen.
38
Die Antragstellerin sei die richtige Adressatin dieses Bescheides. Die Antragstellerin vermiete die Wohneinheit als Arbeiterunterkunft an verschiedene Firmen bzw. Einzelpersonen, die den Wohnraum wiederum in Kenntnis der Antragstellerin Dritten zur Verfügung stellen würden. Es liege daher in der Sphäre der Antragstellerin, für einen rechtskonformen Zustand, nämlich der Wohnnutzung, zu sorgen. Die Antragstellerin habe die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verursacht und zu verantworten. Als Hauptmieterin des Anwesens habe die Antragstellerin bei der durch Mietvertrag mit der Eigentümerin zugelassenen Untervermietung die Möglichkeit, die zweckfremde Nutzung durch Kündigung des Untermietvertrags zu beenden. Somit sei die Antragstellerin Zustandsstörer i.S.d. Art. 9 Abs. 2 Satz 1 LStVG. Die Antragstellerin könne sich dabei auch nicht auf mangelnde Kenntnis der ZwEVS berufen. Auch sei davon auszugehen, dass die Antragstellerin Kenntnis über die Verwendung der Wohneinheit zur vorübergehenden Unterbringung von Arbeitskräften gehabt habe. Eine Anordnung gegenüber den wechselnden Bewohnern des Anwesens sei dagegen nicht im Sinne einer Beseitigung der Störung.
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Eine Duldung der Zweckentfremdung komme nicht in Betracht. Das Interesse am Erhalt des betroffenen Wohnraums, um den Wohnraummangel im Stadtgebiet sowie der Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen entgegenzuwirken, überwiege das Interesse an dem Fortbestehen der Überlassung und Nutzung des Anwesens zu Zwecken der Fremdenbeherbergung und als Arbeiterunterkunft. Die Situation auf dem Wohnungsmarkt im Gebiet der Antragsgegnerin sei in besonderem Maße angespannt. Trotz intensiver Bemühungen der Antragsgegnerin sei die Zahl der akut Wohnungslosen weiterhin hoch, mit unverändert steigender Tendenz. Es könne daher nicht hingenommen werden, dass der verfahrensgegenständliche Wohnraum noch längere Zeit zweckentfremdet werde. Der Antragstellerin sei es daher zumutbar und möglich, innerhalb der in Ziffer 3 gesetzten Frist die Überlassung des Anwesens als Arbeiterunterkunft zu beenden. Außerdem sei es ihr zumutbar und möglich, innerhalb der in Ziffer 4 gesetzten Frist den Wohnraum wieder Wohnzwecken zuzuführen. Dies gelte insbesondere deshalb, da der Eigentümerin bekannt sei, dass die Antragstellerin das Anwesen an Dritte weitervermiete. Daher sei es auch möglich, das Anwesen wieder Wohnzwecken zuzuführen. Das öffentliche Interesse am Erhalt des Wohnraumes zu Wohnzwecken sei erheblich, da aufgrund der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt eine weiter andauernde zweckfremde Nutzung des im Betreff genannten Wohnraums als Arbeiterunterkunft aus wohnungswirtschaftlichen Gründen nicht mehr vertretbar sei. Darüber hinaus habe die Antragsgegnerin auch eine Verpflichtung gegenüber ihren Bürgern, für erträgliche Wohnverhältnisse zu sorgen. Die über Jahre andauernden Beschwerden der direkten Anwohner würden deutlich aufzeigen, dass die Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse daran habe, dass Wohneinheiten zu Wohnzwecken genutzt würden. Dem stehe lediglich der Wegfall der bisherigen Einkommensquelle im Rahmen der zweckfremden Nutzung entgegen. Dies habe jedoch nur geringe wirtschaftliche Folgen, da durch die dauerhafte Vermietung des Anwesens zu Wohnzwecken regelmäßige Einkünfte generiert werden könnten. Damit der Wohnraum wieder dem allgemeinen Wohnungsmarkt zur Verfügung stehe, sei eine Anordnung zur Beendigung der Überlassung als Arbeiterunterkunft und zur Fremdenbeherbergung erforderlich. Ein anderes, weniger stark eingreifendes Mittel zur Beendigung der zweckfremden Nutzung stehe nicht zur Verfügung. Gleichzeitig seien die Verpflichtungen aus der Nr. 1 und 2 auch angemessen.
40
Mit Änderungsbescheid der Antragsgegnerin vom 15. August 2023 wurde die Fassung der Ziffer 4 des Ausgangsbescheids vom 26. Juni 2023 dahingehend geändert, dass sich die in Ziffer 4 enthaltene Zwangsgeldandrohung entgegen der ursprünglichen Fassung auf die Ziffer 2 des Bescheids bezieht.
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Zur Begründung wurde vorgetragen, dass im Bescheid vom 26. Juni 2023 ein Schreibfehler enthalten gewesen sei, der mit dem Änderungsbescheid aus Gründen der Bestimmtheit korrigiert werde.
42
Die Antragstellerin hat am 21. Juli 2023 Klage (AN 3 K 23.1477) gegen diesen Bescheid erhoben und einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Am 21. August 2023 ist die anhängige Klage um den Änderungsbescheid vom 15. August 2023 erweitert worden.
43
Zur Begründung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass der Bescheid der Antragsgegnerin rechtswidrig sei. Bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dürften außerdem keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, da sowohl das ZwEWG als auch die ZwEVS der Antragsgegnerin das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung einschränken würden. Unabhängig von der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Bescheids überwiege im vorliegenden Fall das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung. Der Antragstellerin entstehe bei einer sofortigen Vollziehung des Bescheids ein irreversibler finanzieller Schaden. Zum einen könne die Antragstellerin den mit der Eigentümerseite bestehenden Mietvertrag nicht mit sofortiger Wirkung kündigen, sondern habe in jedem Fall die Fristen einer ordentlichen Kündigung einzuhalten. Gleichzeitig könne die Antragstellerin die von der Antragsgegnerin in Bezug genommenen Mietverträge nicht einfach fristlos kündigen. Auch hier seien die Kündigungsfristen einzuhalten. Darüber hinaus stelle sich für die Antragstellerin bei einem tatsächlichen Wegfall der bestehenden Mietverhältnisse das Problem, neue Mieter für das betreffende Objekt zu finden, die angesichts der unklaren Rechtslage bereit wären, in die streitgegenständlichen Wohnungen einzuziehen. Hier bleibe der Ausgang des Klageverfahrens abzuwarten. Anderenfalls müsse die Antragstellerin damit rechnen, bei Abschluss ungesicherter Mietverträge durch die neuen Mieter wegen Nichterfüllung auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden. Es bestehe aus den genannten Gründen ein übergeordnetes Aussetzungsinteresse gegenüber dem öffentlichen Interesse an einem sofortigen Vollzug. Denn aktuell seien durch die gegenwärtige Vermietungssituation weder die öffentliche Sicherheit und Ordnung noch sonstige Rechtsgüter in irgendeiner Art und Weise gefährdet. Soweit sich Nachbarn über Lärm, Müll und aggressives Verhalten von Bewohnern beschwert hätten haben sollen, so betreffe dies keinesfalls das streitgegenständliche Objekt und deren Bewohner. Soweit ein solches Verhalten ein angrenzendes Objekt betroffen haben solle, fehle es auch an jeglicher Konkretisierung dieses Vorwurfs. Gleichwohl habe die Antragstellerin die Bewohner im streitgegenständlichen Objekt nochmals über die üblichen Standards und Vorgaben bei der Müllbeseitigung sowie auch bezüglich der einzuhaltenden Lautstärke aufgeklärt. Das einmalige Erscheinen von Polizeikräften sei ausschließlich von der Antragstellerin initiiert worden und habe ausschließlich dazu gedient, deren Vermutung einer Zweckentfremdung zu belegen, nicht aber einer Gefahrenabwehr. Auch die Eigentümerin des Objekts habe zu keinem Zeitpunkt Beschwerde über die aktuellen Zustände erhoben. Die Antragsgegnerin nehme in der Begründung des Bescheids lediglich Bezug auf angebliche Beschwerden der Nachbarschaft, ohne aber diese Nachbarn konkret zu benennen. Hierdurch verhindere sie die Überprüfung dieser Aussagen.
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Zur Begründung der Anfechtungsklage wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Antragsgegnerin nicht ausreichend geprüft habe, ob eine Genehmigungsfähigkeit der Nutzung vorliege. Die Antragsgegnerin hätte eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung von Wohnraum und dem privaten wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin sowie auch dem öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Volkswirtschaft und der damit verbundenen Notwendigkeit zur Unterbringung von ausländischen Fachkräften anstellen müssen. Dies sei ebenso wenig geschehen, wie eine mögliche Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin hinterfragt worden sei. Insbesondere sei dabei auch die Frage der Stellung von Ersatzwohnraum und die Entrichtung einer Ausgleichszahlung unberücksichtigt geblieben.
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Der Bescheid sei jedoch auch rechtswidrig, da im fraglichen Zeitraum im Juni 2023 überhaupt keine Zweckentfremdung vorgelegen habe. Aus Sicht der Antragstellerseite dürften die Vermietungssituationen vor dem Abschluss des derzeitigen Mietverhältnisses vom 7. Oktober 2021 mit dem Mieter … nicht zur Begründung der behaupteten Zweckentfremdung zum Zeitpunkt der Beschlussfassung herangezogen werden. Denn zum Zeitpunkt der Beschlussfassung der Antragsgegnerin am 26. Juni 2023 seien diese Vermietungssituationen längst aufgelöst worden und hätten nicht mehr bestanden. Dies betreffe insbesondere die in Bezug genommenen Verträge mit der Firmen … Ungeachtet der fehlenden Relevanz der vorgenannten Verträge solle nicht verschwiegen werden, dass es schwer verständlich sei, warum die Antragsgegnerin ihre eigenen Versäumnisse bei der Schaffung von Sozialwohnungen auf Kosten von ausländischen Fachkräften lösen wolle. Es dürfte bekannt sein, dass in Deutschland ein eklatanter Mangel an Fachkräften herrsche. Dieser schwerwiegende Mangel könne nur mithilfe ausländischer Firmen und deren fachlich gebildeten Arbeitnehmern überbrückt werden. Um einer schleichenden Deindustrialisierung von Deutschland zuvorzukommen, müssten diese notwendigen ausländischen Arbeitskräfte (Facharbeiter) angemessen untergebracht werden können. Dabei sollten die Richtlinien zur Art, Größe und Ausstattung von Gemeinschaftsunterkünften von Asylbewerbern, die die Antragsgegnerin selbst diesbezüglich aufgestellt habe, doch zumindest sinngemäß eingehalten werden. Wenn die Unterbringung von ausländischen Facharbeitern nicht in Wohnungen erlaubt sein solle, sondern stattdessen in Containern erfolgen solle, führe das zu einer Unterschreitung dieser Mindeststandards.
46
Seit dem Oktober 2021 sei das Objekt an den Mieter … zu privaten Wohnzwecken vermietet. Gemäß § 10 Ziffer 10.1 des Mietvertrags erfolge die Vermietung ausschließlich zu Wohnzwecken. Eine andere, insbesondere gewerbliche Nutzung sei nicht gestattet. Hierzu legte die Antragstellerin den betreffenden Untermietvertrag und eine Wohnungsgeberbestätigung jeweils vom 7. Oktober 2021 vor. Selbstverständlich obliege es dem Mieter, diese vertraglichen Regelungen vollumfänglich einzuhalten. Dies habe dieser bei Abschluss des Mietvertrags auch versichert und mitgeteilt, dass er sich unter der Adresse anmelden werde. Sollte sich der Untermieter nicht bei der Antragsgegnerin gemeldet haben, so sei es nicht Aufgabe der Antragstellerin, öffentlich-rechtliche Meldepflichten durchzusetzen. Derzeit seien fünf Personen im streitgegenständlichen Anwesen gemeldet. Die Ausstellung der Wohnungsgeberbestätigungen sei durch die Antragstellerin als Dienstleistung für den Untermieter … erfolgt, da sich dieser auf einer Dienstreise befunden habe. Nach Rücksprache mit dem Untermieter habe dieser auch versichert, dass die tatsächliche Nutzung des Objekts durch ihn und einige seiner Mitarbeiter ausschließlich zu Wohnzwecken erfolge. Dies werde verständlich, wenn man den Hintergrund der wirtschaftlichen Aktivitäten des Mieters beleuchte. Er sei in Deutschland aufgewachsen und daher mit den deutschen Gewohnheiten durchaus vertraut. Er sei in der Baubranche tätig und beschäftige in diesem Zusammenhang angestellte bzw. unter Vertrag genommene Facharbeiter, auch aus dem Ausland. Im Zuge der Corona-Pandemie und den damit verbundenen äußerst restriktiven Maßnahmen der deutschen Politik habe er seine geschäftlichen Aktivitäten vorübergehend in der Slowakei konzentriert. Nach dem Abflauen der Corona-Pandemie und dem Wegfall der damit verbundenen Restriktionen habe er seinen geschäftlichen Schwerpunkt wieder nach Deutschland verlagern wollen. Deshalb habe er den Mietvertrag mit der Antragstellerin abgeschlossen. Laut seiner Darstellung gegenüber der Antragstellerin habe er im angemieteten Objekt selbst wohnen, aber dort auch Arbeitnehmer bzw. Fachkräfte, die er dauerhaft nach Deutschland habe holen wollen, unterbringen wollen. Damit verfolge er sein Ziel, eine Firma mit dem Standort in der hiesigen Metropolregion endgültig zu etablieren und sich die notwendige Anzahl von Facharbeitskräften für sein Unternehmen zu sichern. Deshalb habe er nur solche Fachkräfte unter Vertrag genommen, die zu einem dauerhaften Verbleib in Deutschland bereit gewesen seien. Längerfristig sei damit auch das Ziel eines entsprechenden Familiennachzugs dieser Facharbeiter verbunden. Dies könne aber nicht über Nacht geschehen, sondern müsse entsprechend der wirtschaftlichen Gegebenheiten sukzessive erfolgen. Demzufolge entspreche es dem Willen der Mitbewohner des Mieters …, dort dauerhaft zu wohnen, ihre Familienangehörigen nachzuholen, um dann dort mit der Familie zu wohnen bzw. falls das nicht möglich sein sollte, Ersatzwohnraum zu suchen. Aktuell entspreche der Belegungszustand einer Wohngemeinschaft, deren Mitbewohner aber die Absicht eines dauerhaften Bewohnens hätten.
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Unter diesen gegebenen Umständen habe auch die Vor-Ort-Kontrolle bzw. die Durchsuchung des Objekts durch Mitarbeiter der Antragsgegnerin und 16 Einsatzkräften der Polizei nicht wirklich Gegenteiliges belegen können. Laut § 21 vorliegenden Mietvertrages dürfe die maximale Personenzahl die Anzahl von sieben Personen nicht übersteigen. Laut eigenem Bekunden der Antragsgegnerin seien kurz vor der städtischen Beschlussfassung sowohl das streitgegenständliche Haus als auch die Häuser … von je maximal sechs Personen bewohnt worden. Das jedenfalls entspreche der eigenen Darstellung der Antragsgegnerin bei ihrer Bezugnahme auf eine behauptete telefonische Beschwerde von einem scheinbar anonymen Anrufer vom 22. Juni 2023. Demgegenüber hätten bei der Vor-Ort-Kontrolle bzw. der Durchsuchung des Objekts am 29. März 2023 zehn bis zwölf Personen angetroffen worden sein sollen. Sollte dem so gewesen sein, dürfte es sich bei einem Teil der Personen nur um Besucher gehandelt haben. Andernfalls wäre das ein klarer Verstoß gegen den bestehenden Mietvertrag. Es sei aber bereits fraglich, ob diese angetroffenen Personen dort überhaupt übernachtet hätten bzw. hätten übernachten wollen. Möglicherweise seien sie lediglich als Besucher aus den Nachbarhäusern gekommen. Denn die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern der Antragsgegnerin bzw. den eingesetzten Polizeikräften und den angesprochenen Personen habe sich offensichtlich aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse und fehlender Dolmetscher als ausgesprochen schwierig gestaltet. Protokolle der konkreten Befragungen seien offensichtlich nicht erstellt worden. Es werde daher bestritten, dass es im Rahmen der Befragungen zu keinen sprachlichen Missverständnissen gekommen sei. Die Aktenvermerke der beteiligten Polizisten dürften als eine Art Gefälligkeitsvermerke einzustufen sein. Es seien auch die Personalien der angetroffenen Personen nicht überprüft worden. Deshalb dürfe auch die Antragsgegnerin nicht ohne weiteres unterstellen, all diese Personen würden dort übernachten. Selbst wenn dem so gewesen sein sollte, wäre das ein Vertragsverstoß des Mieters, den dieser zu verantworten hätte, nicht aber die Antragstellerin. Denn diese hätte einem solchen vertragswidrigen Zustand nicht zugestimmt.
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Ebenso führe die Anzahl der gezählten Betten zu einem Missverständnis auf Seiten der Antragsgegnerin. Nicht alle dieser Betten seien in Benutzung gewesen, sondern vielmehr dort durch die Antragstellerin zwischengelagert worden. Die Antragstellerin habe nach der Auflösung anderer Wohnungen und insbesondere auch nach dem Ende der Zusammenarbeit mit der Firma … Überkapazitäten im Bettenbereich gehabt und habe diese zwischenlagern müssen.
49
Auch die ursprüngliche Annahme der Antragsgegnerin, es seien keine funktionierenden Briefkästen am Objekt vorhanden, vielmehr seien diese verstopft und hätten keine Namensschilder, habe durch konkrete Überprüfung berichtigt werden können. Nachdem diese Annahme der Antragstellerin durch die Antragsgegnerin kommuniziert worden sei, habe die Antragstellerin entsprechend mit dem Mieter Rücksprache gehalten und auch eine Vor-Ort-Überprüfung vorgenommen. Damit sei zum einen die Zugänglichkeit der Briefkästen als auch eine Versehung mit Namensschildern sichergestellt. Das sei dann auch umgesetzt worden, wovon sich die Antragstellerin im Rahmen einer Vor-Ort-Besichtigung am 31. Mai 2023 selbst habe überzeugen können.
50
Alle anderen Feststellungen hinsichtlich des Auffindens von Essen, Medizin, Süßigkeiten und Getränken etc. sprächen eher für als gegen eine Benutzung des Objekts als Wohnung. Die anderslautende, subjektive und stark ergebnisorientierte Interpretation der beiden Mitarbeiter der Antragsgegnerin sei unzutreffend. Sie beruhe möglicherweise auf den ganz eigenen Vorstellungen von dauerhaftem Wohnen dieser beiden Mitarbeiter. Tatsächlich gebe es aber unzählige Varianten und Praktiken der persönlichen Wohnraumgestaltung gerade bei dauerhaftem Wohnen. Die jeweiligen Vorstellungen der betroffenen Personen seien dabei unterschiedlichen Einflüssen, insbesondere den kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Einflüssen, denen die Personen jeweils ausgesetzt seien, unterworfen. Das Gesetz verlange lediglich die Absicht von dauerhaftem Wohnen, sage aber nicht, in welcher Art und Weise das zu geschehen habe.
51
Diese einseitige, tendenzielle und stark ergebnisorientierte Betrachtungsweise der Antragsgegnerin zeige sich auch in der Größenangabe des Objekts. So spreche die Antragsgegnerin von einer Wohnfläche von lediglich 119,69 qm. Tatsächlich betrage die Wohnfläche ausweislich des Mietvertrags 130 qm. Demgemäß seien auch die Größen- und Platzberechnungen pro Person, die die Antragsgegnerin vorgenommen habe, unzutreffend. Die Wohnfläche von 130 qm biete genügend Platz für sechs bis sieben Personen, die dort dauerhaft wohnen wollen würden.
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Soweit die Antragsgegnerin bezüglich der persönlichen Nähebeziehung der Bewohner spekuliere, sei ihr entgegenzuhalten, dass die bei einer typischen Kleinfamilien-Situation selbstverständlich in aller Regel etwas anders ausfalle als bei einer Wohngemeinschaft. Das sei aber kein Argument gegen den Willen der Bewohner, dort dauerhaft zu wohnen.
53
Es werde bestritten, dass die Antragsgegnerin mehrfach versucht habe, den Mieter zu kontaktieren. Die Antragstellerin jedenfalls habe mit ihm kommunizieren können.
54
Die Antragstellerin bewerbe keine Unterbringung von Arbeitskräften im Internet. Eine Überprüfung des aktuellen Internetauftritts komme zu dem Ergebnis, dass es sich bei der dort sichtbaren Webseite um eine ältere Webseite handelt. Es werde jedoch selbst auf dieser Webseite nicht für die Unterbringung von Arbeitskräften geworben. Dies sei lediglich eine unzutreffende Behauptung der Antragsgegnerin.
55
Es werde zudem bestritten, dass die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet sei. Die Antragsgegnerin behaupte dies lediglich, ohne Nachweise vorzulegen.
56
Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände könne die Antragstellerin aufgrund des aktuell bestehenden, rechtlich vollumfänglich zulässigen Mietvertrages sowie auch aufgrund seiner tatsächlichen Umsetzung jedenfalls nicht als Störer im verwaltungstechnischen Sinn in Anspruch genommen werden. Denn jedenfalls in Bezug auf die Antragstellerin lägen weder die Tatbestandsvoraussetzungen von § 3 Abs. 1 Nummer 1 noch von § 3 Abs. 1 Nummer 3 ZwEVS vor.
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Die Antragstellerin beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin, Stab Wohnen, vom 26. Juni 2023, Aktenzeichen: … (vormals …*) wird angeordnet.
58
Die Antragsgegnerin beantragt,
59
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass zutreffend von einer Zweckentfremdung im Sinne von § 3 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 der städtischen Zweckentfremdungsverbotssatzung (ZwEVS) ausgegangen worden sei, da die Antragstellerin das streitgegenständliche Objekt nicht für Wohn-, sondern für gewerbliche Zwecke verwende. Selbst die Antragstellerin stelle letztendlich nicht in Abrede, dass sie die Räume als Arbeiterunterkünfte nutze. Ihr entsprechendes Betriebskonzept gehe zudem aus ihren Internetauftritten (vgl. S. 73 der Behördenakte sowie …*) deutlich hervor. Eine Verwendung von Räumen als Arbeiterunterkunft stelle jedoch kein Wohnen, sondern eine gewerbliche Nutzung dar (unter Verweis auf Rechtsprechung). Der gesamte Akteninhalt bestätige, dass die Räume den untergebrachten Arbeitskräften nicht als „Heimstatt im Alltag“ dienen würden, sondern sich diese in ihnen jeweils nur übergangsweise für die Abwicklung eines Bauprojekts aufhalten würden. So hätten die Nachbarn übereinstimmend berichtet, dass die untergebrachten Arbeiter regelmäßig wechseln und jeweils nur für einen kurzen Zeitraum in dem Anwesen bleiben würden. Die Firma, für die die Bauarbeiter tätig gewesen seien, würde bestätigen, dass diese ständig wechseln und in dem Anwesen im Regelfall neun oder zehn Personen untergebracht würden. Hierbei sei zudem zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin in dem Nachbaranwesen … weitere Personen unterbringe. Die gemeinsamen Ermittlungen der Antragsgegnerin und der Polizei am 29. März 2023 und die bei dieser Gelegenheit gefertigten Lichtbilder sowie die Erklärungen der angetroffenen Bewohner würden ebenfalls belegen, dass das Nutzungskonzept der Antragstellerin auf die vorübergehende Aufnahme von Bauarbeitern während eines zeitlich begrenzten Arbeitseinsatzes ausgerichtet sei. Bei der Kontrolle seien zwölf Personen angetroffen und 15 Betten vorgefunden worden. Die Betten seien vollständig mit Matratzen und Bettwäsche ausgestattet gewesen. Die Antragstellerin habe sogar den hierfür ungeeigneten und baurechtlich nicht genehmigten Keller umgestaltet, um dort ebenfalls Personen unterzubringen.
60
Diese Umstände ergäben sich auch aus den dem Gericht vorgelegten Berichten der an der Kontrolle beteiligten Leiterin des Stabs Wohnen der Antragsgegnerin vom 31. Juli 2023 und der beteiligten Polizeiinspektionen vom 2. und 3. August 2023. Ihnen sei insbesondere zu entnehmen, dass der Stab Wohnen der Antragsgegnerin für die Befragung der angetroffenen Personen in zehn Sprachen übersetzte Formblätter verwendet habe und zudem ein sprachkundiger Bewohner zur Unterstützung zur Verfügung gestanden habe. Die Befragung habe sich demnach zwar schwierig gestaltet, für die Befürchtung, dass es zu sinnentstellenden sprachlichen Missverständnissen gekommen sein könnte, bestehe aber kein Anlass.
61
Die melderechtliche Situation stehe zum Vorbringen der Antragstellerin in Widerspruch. Insbesondere sei der Untermieter … nicht gemeldet. Er sei dort auch nicht zu erreichen. Derzeit seien fünf Personen unter der Adresse … gemeldet. Die Wohnungsgeberbescheinigungen würden jedoch nicht von Herrn …, sondern von der Antragstellerin stammen. Hintergründe hierzu seien nicht bekannt und auch der Klage- und Antragsbegründung nicht zu entnehmen. Die im Anwesen … untergebrachten Personen würden auch gar nicht erreichbar sein wollen. Die Briefkästen seien deshalb zugeklebt worden. An der Klingel befänden sich keine Namensschilder. Derzeit seien die Briefkästen laut der telefonischen Mitteilung eines Nachbarn vom 22. Juni 2023 zwar nicht mehr zugeklebt, Namensschilder seien jedoch nach wie vor nicht vorhanden.
62
Der Auffassung der Antragstellerin, dass durch den Mietvertrag mit Herrn … eine Zäsur eingetreten sei und vorher liegende Sachverhalte nicht mehr berücksichtigt werden dürften, könne nicht gefolgt werden. Geboten sei vielmehr eine Gesamtschau des bekannten Sachverhalts. Hierzu gehöre insbesondere das auf die Vermietung von Arbeiterunterkünften ausgerichtete Geschäftsmodell der Antragstellerin. Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin dieses aufgegeben haben könnte, würden in der Klage- und Antragsbegründung nicht dargelegt und seien auch sonst nicht ersichtlich. Vielmehr dehne die Antragstellerin die Arbeiterunterkünfte nunmehr sogar auf das Anwesen … aus.
63
Die Genehmigungsfähigkeit der Zweckentfremdung sei zurecht verneint worden. Die Antragstellerin könne darauf verwiesen werden, dass sie ihr Geschäftsmodell der Vermittlung von Arbeiterunterkünften mit bau- und zweckentfremdungsrechtlich zulässigen Mitteln verwirkliche. Das aus der bau- und zweckentfremdungsrechtlich unzulässigen Nutzung folgende Risiko sei sie bewusst eingegangen und allein ihr zuzurechnen. Überwiegende schutzwürdige private Interessen der Antragstellerin lägen daher nicht vor. Erst recht habe die Antragstellerin nichts vorgetragen, wonach der streitgegenständliche Bescheid ihre wirtschaftliche Existenz gefährden könnte. Ein vorrangiges öffentliches Interesse daran, Wohnraum zu Gunsten der gewerblichen Nutzung als Arbeiterunterkunft aufzugeben, liege ebenfalls nicht vor. Eine Genehmigung gegen Ersatzwohnraum oder gegen die Entrichtung von Ausgleichsbeträgen komme bereits deshalb nicht in Betracht, weil die Antragstellerin keinen entsprechenden Antrag gestellt habe (unter Verweis auf Nr. 5.6 der Arbeitshilfe zum bayerischen Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum und Rechtsprechung).
64
Rein vorsorglich sei vorgetragen, dass eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung selbst dann nicht geboten wäre, wenn die Erfolgsaussichten der Klage entgegen der hier vertretenen Auffassung als offen angesehen würden. Die Antragstellerin verkenne insoweit bereits die mit Art. 3 Abs. 3 ZwEWG getroffene Grundentscheidung des Gesetzgebers. Dieser liege die Erwägung zugrunde, dass in Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet sei, zum effektiven und konsequenten Schutz des Wohnraums vor Zweckentfremdung ein sofortiges Handeln und ein unverzügliches Durchsetzen der Anordnung erforderlich seien.
65
Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass die Nutzung als Arbeiterunterkünfte auch baurechtswidrig sei. Ein schützenswertes Interesse der Antragstellerin, das derzeitige Geschäftsmodell vorläufig fortsetzen zu dürfen und damit die gegenüber einer Nutzung zu Wohnzwecken erhöhten Gewinnmöglichkeiten aufrechtzuerhalten, sei nicht gegeben. Eine Kündigung der von der Antragstellerin genannten Mietverträge sei zur Umsetzung des Bescheids nicht zwingend erforderlich. Ebenso wenig setze der Sofortvollzug einer zweckentfremdungsrechtlichen Anordnung voraus, dass neben der Zweckentfremdung eine zusätzliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorliegen müsse.
66
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte auch zu den Verfahren AN 3 S 23.1454, AN 3 K 23.1455 und AN 3 K 23.1477 Bezug genommen.
67
Der Antrag ist zwar zulässig, insbesondere statthaft nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 3 Abs. 3 ZwEWG sowie Art. 21a Satz 1 VwZVG, jedoch unbegründet.
68
Im Rahmen der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung ist die Kammer zum Ergebnis gekommen, dass das Vollzugsinteresse der Allgemeinheit das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.
69
Nach § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage zwar grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO entfällt diese jedoch in für das Landesrecht nach Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, wenn – wie vorliegend – die Klage der Antragstellerin gegen die im Bescheid vom 26. Juni 2023 nach Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsgesetz – ZwEWG) vom 10. Dezember 2007 (GVBl. S. 864), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Juni 2017 (GVBl. S. 182), getroffenen Anordnungen von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung entfalten. Das Verwaltungsgericht kann deshalb gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO nur dann ganz oder teilweise anordnen, wenn im Rahmen der im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 80 Abs. 5 VwGO regelmäßig gebotenen Abwägung der Vollzugs- und Aussetzungsinteressen die Voraussetzungen hierfür analog § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO vorliegen (BayVGH, B.v. 20.10.2020 – 12 CS 20.2141 – juris Rn. 2).
70
Bei dieser Interessenabwägung ist von der gesetzlichen Wertung des Art. 3 Abs. 3 ZwEWG auszugehen, welche einen effektiven Vollzug des Zweckentfremdungsrechts garantieren soll. Das Gesetz bewertet das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung zweckentfremdungsrechtlicher Anordnungen regelmäßig höher als das Interesse privater Betroffener an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs und dem damit verbundenen effektiven Rechtsschutz. Die Verwaltungsgerichte dürfen deshalb im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheids und dem privaten Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage die selbige grundsätzlich nur dann analog § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO anordnen, wenn insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen (BayVGH, B.v. 20.10.2020 – 12 CS 20.2141 – juris Rn. 3).
71
Es ist dabei grundsätzlich nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens, die Beweisaufnahme des Hauptsacheverfahrens vorweg zu nehmen. Vielmehr erfolgt hier nur eine Prognose der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs, die nur vorläufigen und deshalb – auch hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung – grundsätzlich summarischen Charakter hat, weil es im Eilverfahren vornehmlich darum geht, Rechtsnachteile bis zum (rechtskräftigen) Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verhindern (SächsOVG, B.v. 9.8.2012 – 5 B 163/12 – juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.2.2001 – 23 ZS 00.2999 – juris Rn. 4; OVG NRW, B.v. 29.9.2011 – 12 B 1088/11 – juris Rn. 3).
72
Nach diesen Grundsätzen muss der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Klage ohne Erfolg bleiben.
73
Bei summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids der Antragsgegnerin.
74
1. Die voraussichtlich rechtmäßigen Anordnungen in Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 26. Juni 2023 finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 3 Abs. 2 ZwEWG i.V.m. § 12 der Zweckentfremdungsverbotssatzung – ZwEVS – der Antragsgegnerin. Danach kann diese anordnen, dass eine nicht genehmigte Zweckentfremdung beendet und der Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt wird.
75
Vorliegend bestehen keine Zweifel an der Rechtswirksamkeit der hier einschlägigen Zweckentfremdungsverbotssatzung der Antragsgegnerin. Solch ausnahmsweise vorkommende Gründe, welche die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen könnten, sind nach Überzeugung der Kammer nicht offen zu Tage getreten. Insbesondere reicht es nicht aus, wenn die Antragstellerin das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 1 Satz 1 ZwEWG einfach bestreitet, nachdem in einem Eilverfahren in der Regel von der Gültigkeit einer Norm auszugehen ist (BayVGH, B. v. 28.11.2005 – 23 CS 05.1804 – juris Rn. 27).
76
a) Das streitgegenständliche Objekt stellt Wohnraum im Sinne von Art. 1 Satz 1 ZwEWG, § 2 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 ZwEVS dar.
77
Nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 ZwEVS sind Wohnraum sämtliche Räume, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sind. Objektiv geeignet sind Räume dann, wenn sie die Führung eines selbstständigen Haushalts ermöglichen. Die subjektive Bestimmung (erstmalige Widmung oder spätere Umwidmung) treffen die Verfügungsberechtigten ausdrücklich oder durch nach außen erkennbares schlüssiges Verhalten.
78
Nach der hier gebotenen summarischen Prüfung ist bei den streitbefangenen Räumlichkeiten von der objektiven Eignung zu Wohnzwecken erkennbar auszugehen. Das inmitten stehende Reihenhaus ist ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Grundrisse und Lichtbildaufnahmen eindeutig für die Führung eines selbstständigen Haushalts geeignet.
79
Darüber hinaus ist das streitgegenständliche Objekt auch subjektiv zu Wohnzwecken bestimmt, was sich bereits daraus ergibt, dass eine entsprechende Baugenehmigung erteilt wurde, welche die Wohnnutzung des Hauses zum Gegenstand hat.
80
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Wohnraum gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS bereits vor dem Inkrafttreten der Satzung der Antragsgegnerin am 30. Mai 2019 und seitdem ohne Unterbrechung in baurechtlich genehmigter Weise anderen als Wohnzwecken gedient hätte.
81
b) Nach der in dem vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage liegt in dem hier zu entscheidenden Fall aller Voraussicht nach eine Zweckentfremdung von Wohnraum im Sinne von § 3 Abs. 1 ZwEVS vor.
82
Nach § 3 Abs. 1 ZwEVS wird Wohnraum zweckentfremdet, wenn er durch die Verfügungsberechtigten oder die Nutzungsberechtigten anderen als Wohnzwecken zugeführt wird.
83
Eine Wohnnutzung zeichnet sich durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts aus. Neben bestimmten Ausstattungsmerkmalen des Gebäudes ist hierzu erforderlich, dass Aufenthalts- und private Rückzugsräume geboten werden, die eine Eigengestaltung des häuslichen Wirkungskreises erst ermöglichen. Auch Wohnheime – etwa Studentenwohnheime – können daher als Wohngebäude einzustufen sein, wenn sie nach ihrer Zweckbestimmung und Ausstattung Wohnbedürfnisse erfüllen können und sollen. Die Grenzen des Wohnens sind allerdings überschritten, wenn das Gebäude – wie im Fall einer Unterkunft für Monteure – aufgrund seiner spartanischen Ausstattung lediglich als Schlafstätte dient und auch einfache Wohnbedürfnisse nicht befriedigt (BayVGH, B.v. 26.11.2015 – 12 CS 15.2269 – juris Rn. 11 m.w.N.).
84
Mit der erforderlichen Dauerhaftigkeit des Wohnens verbindet sich nicht der Gegensatz von längerer oder kürzerer oder von unbestimmter Dauer der Nutzung. Vielmehr kann das Kriterium der Dauerhaftigkeit flexibel gehandhabt werden (vgl. BVerwG, B.v. 25.3.1996 – 4 B 302.95 – juris). Auch das Wohnen auf kurze und absehbare Zeit ist Wohnen. Der Sinn des Merkmals ist darin zu erblicken, ein Wohngebäude als die Heimstatt im Alltag zu unterscheiden von anderen Nutzungsarten, die sich durch ein übergangsweises (nicht alltägliches) Wohnen oder ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen auszeichnen (BayVGH, B.v. 26.11.2015 – 12 CS 15.2269 – juris Rn. 13 m.w.N.).
85
Ob eine Nutzung in diesem Sinn auf Dauer angelegt ist, bestimmt sich maßgeblich nach dem Nutzungskonzept unter Berücksichtigung der objektiven Ausgestaltung und Ausstattung des Gebäudes. Ermöglicht das Gebäude nach Ausstattung und Bestimmung das dauerhafte Wohnen, kann es grundsätzlich nicht darauf ankommen, ob die Wohnraummietverträge auf kurze oder lange Dauer, befristet oder auf unbestimmte Zeit geschlossen werden. Eine bestimmte Mindestaufenthaltsdauer, durch die das Wohnen von anderen Nutzungsarten zu unterscheiden wäre, lässt sich freilich nicht festlegen. Demgegenüber bieten Beherbergungsbetriebe vom Nutzungskonzept her den von Tag zu Tag bzw. von Woche zu Woche reichenden kurzen Aufenthalt zum Zwecke der Übernachtung. Ein Beherbergungsbetrieb liegt allerdings nur dann vor, wenn die Räume regelmäßig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten könnten (vgl. BVerwG, B.v. 8.5.1989 – 4 B 78.89 – juris Rn.3; BayVGH, B.v. 26.11.2015 – 12 CS 15.2269 – juris Rn. 14 m.w.N.).
86
Wegen der für das Wohnen wesentlichen zeitlichen Dimension kann dafür nicht auf eine gewissermaßen als Momentaufnahme festgestellte, jeweils lediglich punktuell-derzeitige Nutzung abgestellt werden, sondern es kommt insbesondere bei einer Überlassung an Dritte, die die Räumlichkeiten ihrerseits wiederum anderen überlassen, auf die nach äußeren Anzeichen erkennbar zu Grunde liegende Zweckrichtung an (VG München, U.v. 29.7.2015 – M 9 K 15.1154 – juris Rn. 25).
87
Gemessen an diesen Maßstäben und unter Anstellung einer Gesamtbetrachtung unter Zugrundelegung des Nutzungskonzepts der Antragstellerin, der tatsächlichen räumlichen Verhältnisse und den umfangreichen Ermittlungen der Antragsgegnerin ist die Kammer nach summarischer Prüfung zur Überzeugung gelangt, dass eine Zweckentfremdung des Wohnraums vorliegt. Es ist insbesondere davon auszugehen, dass der Wohnraum für Zwecke der gewerblichen Fremdenbeherbergung genutzt wird (Art. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 ZwEWG i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 3 ZwEVS).
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Die Gesamtumstände deuten darauf hin, dass in dem streitgegenständlichen Anwesen eine gewerbliche Fremdenbeherbergung stattfindet und das Anwesen als Arbeiterunterkunft für ausländische Fachkräfte zur Dauer des Arbeitseinsatzes in … und der Region genutzt wird.
89
Fremdenbeherbergung im Sinne des Zweckentfremdungsrechts bezeichnet die Überlassung von Wohnraum an Personen, die am Beherbergungsort nur vorübergehend unterkommen und die ihre (eigentliche) Wohnung typischerweise an einem anderen Ort haben. Für einen derartigen Aufenthalt ist ein lediglich beherbergungsartiges Unterkommen ohne Verlegung des Lebensmittelpunktes prägend. Es fehlt an einer „auf Dauer“ angelegten Häuslichkeit im Sinne einer „Heimstatt im Alltag“. Der Aufenthalt zeichnet sich vielmehr durch ein übergangsweises, nicht alltägliches Wohnen bzw. ein provisorisches, einem begrenzten Zweck dienendes Unterkommen aus (BayVGH, B.v. 7.12.2015 – 12 ZB 15.2287 – juris Rn. 4 m.w.N.; B.v. 5.5.2021 – 12 CS 21.564 – juris Rn. 4).
90
Bereits die eigenen Einlassungen des Bevollmächtigten der Antragstellerin dürften aufzeigen, dass in dem streitgegenständlichen Anwesen keine auf Dauer angelegte Vermietung zum Zwecke des Wohnens angestrebt wird. So argumentiert die Antragstellerseite mit einem bestehenden öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Volkswirtschaft und der damit verbundenen Notwendigkeit zur Unterbringung von ausländischen Fachkräften (vgl. Bl. 6 der Gerichtsakte). Außerdem wird darauf verwiesen, dass ausländische Arbeitskräfte angemessen untergebracht werden müssten, um einer schleichenden Deindustrialisierung Deutschlands zuvorzukommen (vgl. Bl. 7 der Gerichtsakte). Außerdem räumt die Antragstellerseite ein, dass der Untermieter … das Anwesen für seine Angestellten als Arbeiterunterkunft nutzt. Bereits aufgrund dieser Ausführungen deutet vieles darauf hin, dass gerade keine auf Dauer angelegte Überlassung zu Wohnzwecken beabsichtigt wird. Jedenfalls ist der Vortrag der Antragstellerseite nicht schlüssig und mindestens widersprüchlich, wenn später behauptet wird, dass in dem streitgegenständlichen Anwesen der Untermieter … zusammen mit seinen Angestellten bzw. Arbeitern dauerhaft in einer Wohngemeinschaft lebe. Letztlich erscheint es ohnehin wenig glaubhaft, dass ein Unternehmer zusammen mit seinen zwölf männlichen Angestellten in einer Wohngemeinschaft in einem 120 qm großen Reihenmittelhaus dauerhaft leben würde.
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Unabhängig hiervon deutet jedoch auch der gesamte von der Antragsgegnerin ermittelte Sachverhalt darauf hin, dass in dem Anwesen keine dauerhafte Wohnnutzung stattfindet.
92
Die Vermietungs- und Überlassungssituation an die … gibt deutliche Hinweise auf das Nutzungskonzept der Antragstellerin, wonach in den streitgegenständlichen Wohnräumen lediglich eine kurzzeitige Unterbringung wechselnder Arbeitskräfte zur Dauer des Arbeitseinsatzes stattfinden soll. Dies wurde – soweit es im Rahmen der summarischen Prüfung beurteilbar ist – durch die Antragsgegnerin mittels eingeholter Auskünfte des genannten Unternehmens nachgewiesen. So erfolgte die Überlassung gegen Rechnungsstellung samt ausgewiesener Umsatzsteuer pro Bewohner und pro Nacht. Dies deutet darauf hin, dass nur kurzfristige Vermietungen vorgesehen waren, nachdem langfristige Vermietungen zu Wohnzwecken nach § 4 Nr. 12 Buchst a) UStG umsatzsteuerfrei sind. Nicht befreit ist nach § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG dagegen die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Die zeitliche Grenze zwischen kurzfristiger und langfristiger Vermietung wird nach der steuerrechtlichen Rechtsprechung bei sechs Monaten gezogen (BFH, U.v. 27.10.1993 – XI R 69/90 – juris Rn. 13). Dabei ist nicht die tatsächliche Dauer der Vermietung entscheidend, sondern die aus den äußeren Umständen ableitbare diesbezügliche Absicht des Vermieters (BFH, B.v. 23.9 2014 – V B 37/14 – juris Rn. 7). Aus einer übermittelten Aufstellung über die Belegung des Anwesens und den erteilten Auskünften lässt sich entnehmen, dass die Bewohner nur für kurze Zeiträume untergebracht wurden und ein reger Wechsel stattfand, sodass auch dies für eine gewerbliche Fremdenbeherbergung spricht.
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Diese Umstände dürfen bei einer Gesamtbetrachtung nicht außer Betracht gelassen werden, nachdem sie für die Ermittlung des Nutzungskonzepts der Antragstellerin von Belang sind. Etwas anderes würde nur gelten, wenn mit Abschluss des Mietvertrags mit dem Untermieter … ab 1. Oktober 2021 eine Zäsur eingetreten wäre und ab diesem Moment eine geänderte Nutzungsabsicht der Antragstellerin zutage getreten wäre, was jedoch gerade nicht der Fall sein dürfte.
94
So dürfte das Nutzungskonzept der Antragstellerin bereits bei der Betrachtung der konkreten Wohnverhältnisse und der Möblierung des streitgegenständlichen Anwesens deutlich werden. Anhand der in der Behördenakte vorhandenen Lichtbilder lässt sich nachvollziehen, dass die Schlafräume mit zwei oder mehr Betten sowie teilweise Kühlschränken ausgestattet sind, kaum bis wenige persönliche Gegenstände der Bewohner im Anwesen vorhanden sind und die Bewohner teilweise sogar ihre Lebensmittel auf ihren Zimmern lagern. Um möglichst viele Menschen in dem Haus unterbringen zu können, wurden – abweichend von der Baugenehmigung – weitere Schlafräume im Keller geschaffen, die zum Teil nicht über Fenster verfügen und nicht zu Aufenthaltszwecken geeignet sind. Die Einrichtung wirkt insgesamt sehr spartanisch und provisorisch, was darauf schließen lässt, dass die Bewohner nicht beabsichtigen, längerfristig in den Wohnräumen zu verweilen. Angesichts des Mietbeginns ab Oktober 2021 wäre es in den knapp zwei Jahren auch zu erwarten gewesen, dass sich die angebliche Wohngemeinschaft häuslich so einrichtet, dass der Wohnstandard über den einer einfachen Arbeiterunterkunft hinausgeht. Nachdem dies nicht geschehen ist, geht die Kammer stattdessen davon aus, dass die Bewohner mangels eines auf Dauer angelegten Aufenthalts keinerlei Interesse an einer entsprechenden Einrichtung haben. Im Übrigen wird die Einrichtung durch die Antragstellerin vorgegeben und auch der Untermietvertrag sieht eine Möblierung des Anwesens vor. Anhand der Lichtbilder ist auch zu erkennen, dass den Bewohnern kein persönlicher Rückzugsort zur Verfügung steht, nachdem alle Schlafräume mit mindestens zwei Betten ausgestattet sind und diese auch größtenteils benutzt werden. Die eigenständige Gestaltung der Haushaltsführung des häuslichen Wirkungskreises setzt aber voraus, dass in einem gewissen Maß Rückzugsmöglichkeiten gegeben sind (OVG Berlin-Bbg, B.v. 28.5.1993 – 5 S 24/93 – NVwZ 1994, 799/800). Eine selbstbestimmte Häuslichkeit mit Privatsphäre ist nur möglich, wenn ein gewisser Rückzugsraum zur Verfügung steht (BayVGH, U.v. 16.2.2015 – 1 B 13.648 – juris Rn. 26). An solchen Rückzugsmöglichkeiten fehlt es hier, nachdem es sich lediglich um kleine Schlafräume handelt, die sämtlich mit zwei oder gar drei Betten bestückt sind. Die Kammer ist der Auffassung, dass eine Eigengestaltung des häuslichen Wirkungskreises nur bei einer Belegung der Zimmer mit einer, in Ausnahmefällen zwei Personen vorliegt, wenn nicht zwischen den Nutzern eine persönliche Nähebeziehung besteht wie beispielsweise zwischen Ehegatten oder Eltern und Kindern (so auch VG München, U.v. 29.7.2015 – M 9 K 15.1154 – juris Rn. 27). Die Antragstellerin konnte aber bislang nicht nachweisen, dass es sich bei den Bewohnern des streitgegenständlichen Anwesens um Familienmitglieder handeln würde oder sonst ein persönliches Näheverhältnis vorläge, was es rechtfertigen würde, dass auf engstem Raum zusammengelebt wird. Vielmehr handelt es sich nach eigenen Angaben der Antragstellerin bei den Bewohnern um Arbeitskräfte, die bis auf eine gemeinsame Arbeitsstelle nichts miteinander verbindet.
95
Aus diesen Gründen dürfte es sich nach Auffassung der Kammer bei der konkreten Nutzung des Anwesens auch nicht um eine Vermietung an eine Wohngemeinschaft handeln. Die Wohngemeinschaft als Zusammenleben einer Gruppe von Personen, die eine Wohnung gemeinsam bewohnen, ohne miteinander verwandt zu sein, erfüllt zwar ohne weiteres den Begriff des Wohnens, jedoch sieht das Nutzungskonzept einer Wohngemeinschaft vor, dass jeder Bewohner über einen eigenständigen Raum verfügt, der dem Einzelnen entsprechende Rückzugsmöglichkeiten gewährleistet (BayVGH, B.v. 5.5.2021 – 12 CS 21.564 – juris Rn. 6 f.). Daran fehlt es vorliegend.
96
Auch die hohe und wohnuntypische Belegungsdichte des streitgegenständlichen Anwesens spricht gegen eine Wohnnutzung.
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Wenn der Wohnraum möbliert überlassen wird, ist dabei grundsätzlich auf die durch die Einrichtung vorgegebene Belegungsdichte und Nutzung abzustellen und nicht auf eine etwaige abweichende tatsächliche Belegung, die jederzeit wechseln kann (VG München, U.v. 29.7.2015 – M 9 K 15.1154 – juris Rn. 28).
98
Ausweislich der in der Behördenakte vorhandenen Lichtbilder sind im streitgegenständlichen Anwesen 15 Betten in sieben Zimmern vorhanden. Ausweislich der genehmigten Bauvorlagen verfügt das Anwesen über ca. 120 qm Wohnfläche, sodass pro Person nur 8 qm zur Verfügung stehen. Hiervon abweichende Angaben im Untermietvertrag (130 qm) sind unbeachtlich, zumal hier scheinbar teilweise die Fläche des Kellergeschosses mitberechnet worden sein muss, obwohl dieser nicht zu Aufenthaltszwecken geeignet ist. Doch selbst unter Zugrundelegung von 130 qm blieben für die einzelnen Bewohner nur ca. 8,67 qm Wohnfläche. Der Mietvertrag zwischen der Antragstellerin und dem Untermieter … sieht zwar eine maximale Personenanzahl von sieben Bewohnern vor, steht damit jedoch in eklatantem Widerspruch zu den durch die Möblierung hergestellten Belegungsmöglichkeiten. Auch die früheren Überlassungen an die … sahen die Unterbringung von bis zu 10 Personen vor, sodass davon ausgegangen werden muss, dass die Vereinbarung im Untermietvertrag wohl lediglich der Wahrung des Scheins dienen soll. Im Übrigen erscheint es wenig glaubhaft, dass ein Teil der Betten lediglich zwischengelagert worden sein soll, nachdem die Betten mit Matratze und Bettwäsche aufgefunden wurden. Auch die im Rahmen des Ortstermins am 29. März 2023 angetroffenen zwölf Bewohner deuten darauf hin, dass ein Großteil der 15 Betten auch tatsächlich genutzt wird. Die Kammer hat überdies wenig Zweifel daran, dass die angetroffenen zwölf Bewohner auch tatsächlich im streitgegenständlichen Anwesen untergebracht waren, nachdem sie dies übereinstimmend gegenüber der Polizei und der Antragsgegnerin angaben. Es möge zwar zu Verständigungsschwierigkeiten gekommen sein, jedoch erscheint es wenig plausibel, dass es den Bewohnern nicht gelungen sein soll, klarzustellen, dass sie lediglich zu Besuch seien. Im Übrigen wurde durch die Antragstellerin ein Fragebogen verwendet, der auch in die Sprache Litauisch übersetzt wurde, was bei der Befragung der überwiegend litauischen Staatsangehörigen hilfreich gewesen sein dürfte.
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Die Aussagen der befragten Bewohner bestätigen zusätzlich den Eindruck, dass das streitgegenständliche Anwesen als Arbeiterunterkunft und zur Fremdenbeherbergung zweckentfremdet wird. So gaben alle der angetroffenen Männer an, dass sie nur vorübergehend dort wohnen würden und zum Zwecke des Arbeitseinsatzes in Deutschland seien. Sie würden danach wieder in ihre Heimat zurückkehren. Die Aussagen der Bewohner sind aus Sicht der Kammer – jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutz – auch belastbar. Es ist zuzugestehen, dass es Verständigungsschwierigkeiten gegeben haben möge, jedoch reicht ein einfaches Bestreiten der Antragstellerin nicht aus, um durchgreifende Zweifel an den Aussagen der Bewohner zu begründen. Hier wäre es an der Antragstellerin gewesen, ihre Behauptung der dauerhaften Wohnnutzung im Rahmen einer Wohngemeinschaft zu substantiieren. Die Antragstellerin lieferte diesbezüglich weder Beweisangebote noch sonst belastbare Informationen, um ihre Behauptung zu belegen.
100
Im Übrigen deuten auch weitere Umstände auf das Nutzungskonzept der Antragstellerin hin. So sind derzeit bei der Meldebehörde der Antragsgegnerin im streitgegenständlichen Anwesen lediglich fünf bisher unbekannte Personen gemeldet, die nach der Internetrecherche der Antragsgegnerin georgische Staatsangehörige sein dürften, was wiederum nicht mit den Erkenntnissen im Rahmen des Ortstermins am 29. März 2023, wonach vor allem litauische Staatsangehörige im Anwesen angetroffen wurden, in Einklang zu bringen ist. Die Anmeldung erfolgte darüber hinaus erst im Juli 2023. Weitere Personen sind derzeit nicht angemeldet, was ebenfalls gegen eine dauerhafte Wohnnutzung spricht. Der Untermieter … ist derzeit ebenfalls nicht ordnungsgemäß gemeldet. Selbst eine ordnungsgemäße Meldung des Untermieters würde aber nichts an der Zweckentfremdung ändern, nachdem die Gesamtumstände wohl darauf hindeuten, dass der Untermieter … von der Antragstellerin vorgeschoben wird, um die Zweckentfremdung zu verschleiern. Auch der lange Zeit zugeklebte Briefkasten und die nach wie vor fehlenden Namensschilder sind Indizien für eine Zweckentfremdung. Die Bewohner haben aufgrund ihres nur kurzen Aufenthalts weder ein Bedürfnis noch einen Willen dahingehend, im streitgegenständlichen Anwesen postalisch erreichbar zu sein. Hinzukommen die zahlreichen und bis zuletzt andauernden Beschwerden der Nachbarschaft, die sich unproblematisch mit den weiteren Erkenntnissen der Antragsgegnerin in Einklang bringen lassen. Die konkrete Ausgestaltung des Untermietvertrags spricht ebenfalls für eine Zweckentfremdung. So wurde das Anwesen vollmöbliert übergeben, die Vermietung pauschal an bis zu sieben Personen zugelassen und eine ungewöhnlich hohe Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 900,00 EUR/Monat vereinbart, was bereits auf eine beabsichtigte hohe Belegungsdichte hindeutet. Letztlich zeigen auch die Umstände in den Nachbaranwesen …, dass es der Antragstellerin darum gehen dürfte, Unterkünfte für die kurzfristige Unterbringung von Arbeitskräften zur Verfügung zu stellen.
101
Nach alldem hat die Kammer kaum Zweifel daran, dass die Antragstellerin ihr Nutzungskonzept der kurzzeitigen und vorübergehenden Überlassung des Wohnraums an ausländische Arbeitskräfte auch seit der Überlassung an den Untermieter … fortführt. Es liegt daher nahe, dass der mit dem Untermieter abgeschlossene unbefristete Mietvertrag lediglich über diesen Umstand hinwegtäuschen soll. Hierfür spricht auch der Umstand, dass der Bevollmächtigte der Antragstellerin auf eine angeblich bestehende unsichere Rechtslage bei einer weiteren Vermietung verweist. Eine solche unsichere Rechtslage besteht jedoch nicht bei einer dauerhaften Vermietung zu Wohnzwecken, sodass davon auszugehen sein dürfte, dass das bisherige Nutzungskonzept der vorübergehenden Unterbringung von Arbeitskräften durch die Antragstellerin fortgesetzt werden soll.
102
Eine ausschließliche Zuordnung der Aktivitäten der Antragstellerin zu einer der beiden Tatbestandsvarianten des § 3 Abs. 1 ZwEVS ist nicht erforderlich, da sowohl die Untervermietung zum Zwecke der Fremdenbeherbergung als auch das Überlassen von Schlafplätzen gegen Rechnungstellung eine Zweckentfremdung und eine gewerbliche Nutzung der Wohnräume darstellen. Das Vorliegen der zweckentfremdungsrechtlichen Tatbestände in tatsächlicher Hinsicht ist durch die Ermittlungsergebnisse der Antragsgegnerin ausreichend nachgewiesen.
103
c) Gemäß § 4 Abs. 1 ZwEVS darf Wohnraum nur mit Genehmigung anderen als Wohnzwecken zugeführt werden. Vorliegend ist die Zweckentfremdung des inmitten stehenden Wohnraumes nach dem Ergebnis überschlägiger Prüfung nicht genehmigungsfähig gemäß § 4 i.V.m. § 5 ZwEVS.
104
Nach § 4 Abs. 2 Alt. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 ZwEVS ist eine Genehmigung zu erteilen, wenn das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraumes durch vorrangige schutzwürdige private Interessen, welche insbesondere bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz gegeben sind, überwogen wird. Dabei darf die Existenzgefährdung nicht durch das Unterlassen möglicher und gebotener Abwendungsmaßnahmen selbst herbeigeführt werden.
105
Vorliegend erfolgte im Hinblick auf eine etwaige Existenzgefährdung aufgrund des Entfallens der Einnahmequellen aus der Vermietung als Arbeiterunterkunft seitens der Antragstellerin weder ein substantiierter Vortrag noch ist eine solche auch nur ansatzweise ersichtlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Antragstellerin ohne Weiteres die Möglichkeit hat, die streitgegenständliche Wohnung dauerhaft als Wohnraum zu vermieten und damit regelmäßige sowie im Hinblick auf die in der Stadt … üblichen Mietzinsen nicht unerhebliche Einkünfte zu erzielen. Im Übrigen sind rein wirtschaftliche Interessen an einer möglichst günstigen Verwertung, insbesondere an der Möglichkeit, jede sich bietende Chance zu einer günstigeren Verwertung sofort und maximal auszunutzen, keine schutzwürdigen privaten Interessen (vgl. BVerfG, U.v. 4.2.1975 – 2 BvL 5/74 – BVerfGE 38, 348/371). Dagegen ist das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraums angesichts des allgemeinkundig knappen Angebots im Stadtgebiet der Antragsgegnerin erheblich.
106
Ebenso wenig hat die Antragstellerin die Schaffung von Ersatzwohnraum oder die Leistung einer Ausgleichszahlung in verlässlicher Weise angeboten, so dass auch eine Genehmigungserteilung nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. §§ 6 und 7 ZwEVS – jedenfalls derzeit – nicht in Betracht kommt (vgl. BayVGH, B.v. 20.10.2020 – 12 CS 20.2141 – juris Rn. 11).
107
d) Gemäß § 12 ZwEVS steht die Anordnung einer Nutzungsuntersagung und Rückführung im Ermessen der Antragsgegnerin. Nach dem Ergebnis überschlägiger Prüfung erfolgten die streitgegenständlichen Anordnungen unter Ausübung ordnungsgemäßen Ermessens; Ermessensfehler gemäß § 114 Satz 1 VwGO sind nicht ersichtlich.
108
e) Die Antragstellerin ist auch richtiger Adressat des Bescheides. Nach Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG sind die wegen des Verhaltens oder des Zustands einer Person erforderlichen Maßnahmen, um eine Gefahr zu beenden, gegen die Person zu richten, die die Gefahr oder die Störung verursacht hat. Vorliegend handelt es sich um eine bereits eingetretene Gefahr, also um eine Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch die Zweckentfremdung des Wohnraums.
109
Es liegt eine Störermehrheit im sicherheitsrechtlichen Sinne vor, da neben dem Untermieter auch der Hauptmieter für die fortwährende Zweckentfremdung von Wohnraum verantwortlich ist. Die von der Antragsgegnerin am Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr ausgerichtete Störerauswahl, die sich auch vollumfänglich im Bescheid niedergeschlagen hat, ist nicht zu beanstanden.
110
Die Antragstellerin hat bei summarischer Prüfung die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG (mit-)verursacht. Der Hauptmieter eines Objekts hat die Möglichkeit, die zweckfremde Nutzung durch Kündigung des Untermietvertrags, der einen echten Mietvertrag mit allen Rechten und Pflichten darstellt, zu beenden, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB (VG München, B.v. 19.1.2017 – M 9 S 16.4695 – juris Rn. 23 m.w.N.). Die andauernde Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hat die Antragstellerin ebenso zu vertreten wie der Untermieter (BayVGH, B.v. 25.2.2004 – 24 ZB 03.2994 – juris; VG München, B.v. 19.1.2017 – M 9 S 16.4695 – juris Rn. 23 m.w.N.).
111
Die Antragstellerin kann sich auch nicht auf mangelnde Kenntnis des Verstoßes gegen Zweckentfremdungsrecht berufen. Die Antragsgegnerin hatte sie mehrfach schriftlich über den Verdacht der zweckfremden Nutzung informiert. Die Antragsgegnerin geht deswegen zu Recht davon aus, dass es sich der Antragstellerin auch unabhängig von den Ermittlungen und Nachweisen der Antragsgegnerin aufdrängen musste, dass der Untermieter die streitgegenständliche Wohneinheit nicht für Wohnzwecke nutzt. Weiter würde fehlende Kenntnis von den Handlungen des Untermieters den Hauptmieter ohnehin nicht schützen (VG München, B.v. 19.1.2017 – M 9 S 16.4695 – juris Rn. 24 m.w.N).
112
Aus der Perspektive des auf eine effektive Beendigung der Gefahrenlage ausgerichteten Sicherheitsrechts ist es nicht zu beanstanden, dass die Anordnung vorliegend an die Antragstellerin als Hauptmieterin gerichtet wurde.
113
Sie ist Verhaltensverantwortlicher i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Ihre Verhaltensverantwortlichkeit folgt daraus, dass sie mit der Überlassung der Wohneinheit an den unmittelbar zweckfremd Nutzenden die Gefahrenschwelle zur Verwirklichung des Tatbestands der Zweckentfremdung fortwährend überschreitet. So bewirkt ihre Stellung als Hauptmieterin eine hinreichende Nähe zur Gefahr der fortwährenden Zweckentfremdung. Der Antragstellerin kommt steuernder Einfluss insofern zu, als sie die Zweckentfremdung jederzeit beenden kann (VG München, B.v. 19.1.2017 – M 9 S 16.4695 – juris Rn. 26 m.w.N).
114
Dass die Anordnung an die Antragstellerin gerichtet werden konnte, ergibt sich auch aus dem Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr. So wurde durch die Rechtsprechung in Fällen baurechtlicher Nutzungsuntersagungen bereits herausgearbeitet, dass dann, wenn häufig wechselnde oder unklare Nutzungsverhältnisse im Raum stehen, selbst eine alleinige Verpflichtung des Eigentümers vor dem (allein) nutzungsberechtigten Mieter rechtsfehlerfrei erfolgen kann (BayVGH, B.v. 26.2.2007 – 1 ZB 06.2296 – juris Rn. 22). So wie in bestimmten Konstellationen in erster Linie der Eigentümer in der Lage sein wird, die Gefahr möglichst effektiv und dauerhaft zu beseitigen, so ist es vorliegend in erster Linie an der Antragstellerin als Hauptmieterin, unzulässige Nutzungen ihres Untermieters zu unterbinden. Der Hauptmieter hat seinen Untermieter selbst bestimmt und damit naturgemäß den besten Überblick über die zugrundeliegenden Rechts- und Personenverhältnisse. Er kann am schnellsten für eine Beendigung des Untermietverhältnisses und für eine zukünftig ordnungsgemäße Wohnnutzung sorgen (vgl. VG Regensburg, U.v. 14.7.2011 – RO 7 K 10.2261 – juris Rn 30).
115
Letztlich dürfte eine Anordnung gegenüber dem Untermieter schon nicht zweckmäßig sein, nachdem diesem mangels postalischer Erreichbarkeit eine Anordnung nicht zugestellt werden könnte.
116
Die Auswahlentscheidung schlägt sich auch vollumfänglich im Bescheid nieder, der eine ausführliche Begründung dazu enthält, wieso die Antragstellerin mit der Anordnung herangezogen wird.
117
2. Die Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 3 und Ziffer 4 des Bescheids begegnen im Hinblick auf Art. 31 Abs. 1, Abs. 2 VwZVG und Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG keinen Bedenken. Die gesetzten Fristen zur Beendigung der zweckfremden Nutzung und Rückführung zu Wohnzwecken waren angesichts der der Antragstellerin zur Verfügung stehenden sofortigen Kündigungsmöglichkeit angemessen. Die Höhe der Zwangsgelder ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Behörde steht innerhalb des gesetzlichen Rahmens (15 Euro bis 50.000 Euro) ein weiter Entscheidungsspielraum zu. Angesichts der im Untermietverhältnis vereinbarten Wohnungsmiete von monatlich 2.500,00 EUR ist ein Ansatz von 1.500,00 EUR bzw. 2.500,00 EUR nicht zu beanstanden.
118
Die Zwangsgeldandrohungen sind nach Erlass des Änderungsbescheids auch bestimmt genug.
119
Auch ein Vollstreckungshindernis besteht weder wegen des bestehenden Hauptmietvertrags noch wegen des Untermietvertrags. Der Mietvertrag mit der Eigentümerin des streitgegenständlichen Anwesens muss nicht gekündigt werden, um den Anordnungen des streitgegenständlichen Bescheids nachzukommen. Gleiches gilt für den Untermietvertrag mit dem Untermieter … Die Antragstellerin hat lediglich dafür zu sorgen, dass der Wohnraum zum dauerhaften Wohnen genutzt wird. Im Übrigen sind gerade keine Kündigungsfristen einzuhalten, da der Antragstellerin gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB ein Recht zur außerordentlichen fristlosen Kündigung zusteht, nachdem der Mietvertrag eine gewerbliche Nutzung nicht gestattet.
120
Mangels Erfolgsaussichten der erhobenen Anfechtungsklage verbleibt es bei der gesetzlichen Wertung des Art. 3 Abs. 3 ZwEWG und der Antrag war abzulehnen. Es sind auch keine Gründe ersichtlich, weshalb im vorliegenden Fall ausnahmsweise – entgegen der gesetzlichen Wertung – die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin anzuordnen gewesen wäre. Insbesondere ist für die Kammer nicht ersichtlich, weshalb der Antragstellerin ein irreversibler finanzieller Schaden entstehen sollte. Auch ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, weshalb es für die Antragstellerin ein Problem sein sollte, Mieter für das betreffende Objekt zu finden. Auch eine unklare Rechtslage besteht gerade nicht, da die Wohnräume unproblematisch zum dauerhaften Wohnen vermietet werden können. Ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt ist im Übrigen irrelevant, nachdem die Anordnungen der Antragsgegnerin bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind.
121
3. Die Entscheidung über die Kostentragung fußt auf § 154 Abs. 1 VwGO.
122
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Ziff. 56.6.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.