Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 24.07.2023 – AN 16 K 22.01585
Titel:

Rechtmäßiger Dreijahresabschussplan für Rehwild

Normenketten:
BJagdG § 21
AVBayJG § 14, § 15
BayJG Art. 32 Abs. 1 S. 3
Leitsätze:
1. Ein unterbliebener Revierbegang steht der Gesetzmäßigkeit der einem Abschussplan zugrundeliegenden revierweisen Aussage, und damit der Rechtmäßigkeit des Abschussplanes selbst, nicht entgegen. (Rn. 18) (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Festsetzung des Abschussplans steht der Behörde kein Ermessen und auch kein gerichtlich nicht nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Das Gericht prüft, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet und die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat. Bei der Abschusszahl ist der Behörde insoweit eine gewisse Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt und die Prüfung des Gerichts darauf beschränkt, ob die Höhe des Abschusses sich noch in einem vertretbaren Zahlenrahmen hält. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Amtlichen Auskünften und Gutachten der Forstverwaltung kommt eine besondere Bedeutung zu, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Beweisaufnahme und der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen. Sie haben daher grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufhebung Abschussplan, Unrichtiges forstliches Gutachten und revierweise Aussage, kein Revierbegang
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24974

Tenor

1.    Die Klage wird abgewiesen.
2.    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Dreijahresabschussplan für Rehwild der Jagdjahre 2022 bis 2024 im Revier … . Der Kläger ist Inhaber des Jagdausübungsrechts des Jagdreviers … Dieses Revier ist Teil der Hegegemeinschaft … In seinem forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 stellte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) für die Hegegemeinschaft … u.a. fest, dass die Verbissbelastung zu hoch sei.
2
In der ergänzenden revierweisen Aussage zur Verjüngungssituation vom 7. August 2021 hinsichtlich des Jagdreviers … stellte das AELF u.a. fest, dass die Verbissbelastung zu hoch sei. Die Tendenz der Verbisssituation sei nicht verändert.
3
Mit Schreiben vom 16. März 2022 an den Kläger teilte der Beklagte mit, dass der Jagdbeirat in seiner Sitzung vom 23. Februar 2022 u.a. empfohlen habe, den Ist-Abschuss um 20 Prozent ausschließlich im Bereich des weiblichen Wildes und bei Kitzen zu erhöhen.
4
Nach Rückmeldung durch den Kläger gab der Beklagte mit Schreiben vom 21. April 2022 dem Kläger nochmals Gelegenheit sich zu äußern. Nach dem Gutachten müssten für die drei Jagdjahre 192 Stück Rehwild festgesetzt werden. Der Abschussplanvorschlag des Klägers von insgesamt 176 Stück Rehwild für drei Jahre werde zur Entscheidung über eine Festsetzung/Bestätigung in den Jagdbeirat gegeben.
5
Mit Schreiben vom 30. Mai 2022 übersandte der Beklagte den Abschussplan und setzte den Abschuss von Rehwild auf insgesamt 192 Stück fest. Zugleich widersprach der Beklagte der Fiktionswirkung gemäß § 15 Abs. 1a der AVBayJG.
6
Im Dreijahresabschussplan für Rehwild ist u.a. dargelegt, dass die Hegegemeinschaft seit dem Jahr 2009 dauerhaft rot sei. In den Jagdjahren 2019 bis 2021 waren 164 Stück Rehwild festgesetzt, davon 46 männliches Wild, 61 weibliches Wild und 57 Kitze. Der Abschussvorschlag des Revierinhabers für die Jahre 2022 bis 2024 beläuft sich auf 45 Stück männliches Wild, 65 Stück weibliches Wild und 66 Kitze und damit auf insgesamt 176 Stück Rehwild. Der bestätigte oder festgesetzte Abschuss des Abschussplanes beläuft sich auf 192 Stück Rehwild, davon 45 Stück männliches Wild, 73 Stück weibliches Wild und 74 Kitze.
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Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 30. Mai 2022.
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Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor, dass die von der Jagdbehörde festgesetzten Abschusszahlen erheblich zu hoch angesetzt seien. Die hohe Festsetzung beruhe auf einer veralteten bzw. unzutreffenden gutachterlichen Feststellung des Verbisses im Revier … Zudem sei die „revierweise Aussage“ der Revierleiterin des Forstreviers … unsachlich und widerspreche teilweise dem Gutachten. Der angefochtene Bescheid beruhe auf einer fehlerhaften Abwägung, der Tier- und Umweltschutz sei zu berücksichtigen gewesen; insbesondere sei nicht berücksichtigt worden, inwieweit geringere Mittel eingesetzt werden könnten. Schließlich seien die festgesetzten Abschusszahlen auch bei erheblich erhöhter jagdlicher Bemühung nicht einzuhalten. Das Landratsamt wiederhole gebetsmühlenartig, dass es an die Vorgaben der Gutachten sowie des Jagdbeirates gebunden sei; das ihr zustehende Ermessen als Entscheidungsbehörde sei nicht geprüft bzw. nicht korrekt ausgeübt worden.
9
Hinsichtlich der gutachterlichen Feststellung führt der Kläger aus, dass der Verbiss vor Ort festgestellt werde, indem in rasterförmig angeordneten Punkten in der Hegegemeinschaft dies geprüft werde. Im Revier … lägen zwei solcher Aufnahmepunkte, die in der grafischen Darstellung des AELF die Nummern 6 und 15 tragen würden. Der Aufnahmepunkt 15 habe eine vergleichsweise geringe Verbissintensität. Vor Ort handele es sich um eine Fläche, die bis 2019 eingezäunt gewesen sei. Der Eigentümer habe dort drei Baumarten eingebracht, Rotbuche, Weißtanne und Roteiche. Diese vom Eigentümer gewünschte Bepflanzung weise nahezu keine Schäden auf. Die festgestellten Verbissschäden zeigten sich nahezu vollständig an natürlich wachsenden Baumarten, darunter auch Eichen. Der Kläger habe am 13. Oktober 2021 den Aufnahmepunkt 15 vor Ort mit der Gutachterin Frau … und Frau … vom AELF besichtigt. Frau … habe geäußert, weshalb man sich denn so aufregen würde, der Verbiss sei doch gar nicht so schlimm. Zudem liege der Aufnahmepunkt 15 nur ca. 100 m Luftlinie von der Grenze zur Hegegemeinschaft … entfernt. Bei der Hegegemeinschaft … handele es sich um einen dauerhaft grünen Hegering. Es sei ausgeschlossen, dass die geringe Verbissbelastung an Punkt 15 der Bejagungintensität im angrenzenden Revier … geschuldet sei. Das Revier … habe im Zeitraum 2016 bis 2019 einen Abschuss von 234 Rehen erreicht. Der gleichzeitige Durchschnitt in der Hegegemeinschaft … hätte bei 13 Rehen pro 100 Hektar Wald gelegen und damit erheblich unter dem Abschuss im Revier … mit 36 Rehen pro 100 Hektar Wald.
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Beide Aufnahmepunkte im Bereich des Reviers … seien weit unterhalb der durchschnittlichen Verbissbelastung der Hegegemeinschaft … Dennoch werde in der revierweisen Aussage mitgeteilt, dass der Umbau in einen klimaresistenten Mischwald im Revier … ausschließlich auf Grund von Rehverbiss verhindert werde. Zudem werde dort ausgeführt, dass Birken und Eichen im Revier … angeblich nicht wachsen würden. Schließlich werde ausgeführt, dass sich die Verbisssituation gegenüber dem Aufnahmejahr 2018 nicht verbessert habe und nur eine Abschusserhöhung zu einer Besserung führen könne. Dies sei nicht haltbar. Es sei schlicht falsch, dass im Revier … keine Birken und Eichen wachsen würden. Im Rahmen der Revierbegehung habe sich der Eindruck aufgedrängt, dass die Revierleiterin gezielt nach Waldflächen gesucht hätte, um ihre vorgefasste Meinung einer gefährdeten Verjüngungssituation im Revier … zu bestätigen. Im Jahre 2021 habe kein Revierbegang vor der revierweisen Aussage der forstlichen Revierleiterin stattgefunden. Das schriftliche Ergebnis sei nahezu wortgleich zu denen aus 2015 und 2018 gewesen.
11
Der Kläger beantragt zuletzt,
den Bescheid vom 30. Mai 2022 insoweit aufzuheben, als dessen Vorgaben den vom Kläger eingereichten Abschussplanvorschlag übersteigen.
12
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13
Zur Erwiderung führt der Beklagte im Wesentlichen aus, dass im Fall der Hegegemeinschaft … beim forstlichen Gutachten 2021 insgesamt 31 Aufnahmepunkte erfasst worden seien. Für die Hegegemeinschaft sei eine zu hohe Verbissbelastung festgestellt und eine Erhöhung des Rehwildabschusses empfohlen worden. Mit einer bloßen Erhöhung um lediglich vier Stück Rehwild pro Jagdjahr sei nicht absehbar gewesen, dass sich die Verbisssituation vor Ort verbessern würde. Die Rechtsgrundlagen für die Abschussplanung würden gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG die vorrangige Einbeziehung des Zustandes der Waldverjüngung vorsehen. Zwar gebe es mit dem Zaunbau ein milderes Mittel als den Abschuss von Rehwild, jedoch zeige Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 BayJG, dass dies der Gesetzgeber nicht wolle. Die vorgebrachten Vergleichszahlen mit anderen Revieren seien nicht weiterführend. Die Reviere seien nur bedingt vergleichbar, was daraus resultiere, dass die Reviere unterschiedliche Strukturen hätten, beispielsweise Wald-Feld-Verhältnis, Lebensraumausstattung etc. Auch der Vergleich mit den Staatsjagdrevieren sei nicht zielführend, da es sich dabei nahezu immer um reine Waldreviere handeln würde. Wenn sich in den zu beschreibenden Situationen keine Änderungen ergäben, würde sich auch die revierweise Aussage nicht wesentlich ändern. Unter Ziffer 2.1 der ergänzenden revierweisen Aussage werde beurteilt, ob es andere Gründe außer Schalenwildeinfluss gebe, dass die natürliche Ansamung der in den Altbeständen des Jagdreviers und gegebenenfalls in angrenzenden Altbeständen vorkommenden Baumarten im Jagdrevier nicht stattfinde. Hier gehe es lediglich um die Ansamung, nicht um den erfolgreichen Aufwuchs. Das grundsätzlich bestehende Verjüngungspotential sei im Revier … an zahlreichen Stellen nachweisbar. Richtigerweise seien daher unter Ziffer 2.1 keine Baumarten genannt, die sich nicht natürlich ansamen würden.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die beigezogene Behördenakte, die Gerichtsakte sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
16
Die Festsetzung des Dreijahresabschussplanes für Rehwild für das Jagdrevier … vom 30. Mai 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
17
1. Der festgesetzte Abschussplan ist formell rechtmäßig.
18
Insbesondere steht der möglicherweise unterbliebene Revierbegang nicht der Gesetzmäßigkeit der dem Abschussplan zugrundeliegenden revierweisen Aussage, und damit auch nicht der Rechtmäßigkeit des Abschussplanes selbst, entgegen.
19
Der Kläger trägt hierzu vor, dass vor Erstellung der revierweisen Aussage im Jahr 2021 kein Revierbegang stattgefunden hätte.
20
Die Tatsächlichkeit dieser Behauptung kann dahinstehen. Denn selbst wenn ein Revierbegang im Jahr 2021 vor Erstellung der revierweisen Aussage nicht stattgefunden haben sollte, würde dies nicht zur Gesetzwidrigkeit der revierweisen Aussage und damit auch nicht zur Rechtswidrigkeit des festgesetzten Abschussplanes führen. Ein Revierbegang mit allen Beteiligten ist sicherlich wünschenswert, jedoch nicht rechtlich vorgeschrieben. Gemäß der „Anweisung zur Erstellung der ergänzenden revierweisen Aussagen zum forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 des Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF)“, Seite 2, sollen gemeinsam mit dem Revierinhaber möglichst jährlich gemeinsame freiwillige Revierbegänge organisiert werden. Es ist zunächst festzuhalten, dass eine ministerielle Anweisung an nachgeorderte Behörden das Gericht nicht bindet. Darüber hinaus ist der Revierbegang bereits in dieser Anweisung als Soll-Vorschrift ausgestaltet. Eine formell-gesetzliche Grundlage eines Revierbegangs fehlt. Demnach ist das Unterlassen des Revierbegangs rechtlich unerheblich. Eine entsprechende Anhörungsvorschrift vor Erstellung der revierweisen Aussage, vergleichbar Art. 28 BayVwVfG, fehlt in diesem Rahmen. Dem Kläger ist gesetzlich die Möglichkeit gegeben, Einwendungen noch vor Erlass des festgesetzten Dreijahresabschussplanes vorzubringen, da insoweit die Vorschrift des Art. 28 BayVwVfG Anwendung findet. Dies ist auch im Rahmen des vorliegenden Verwaltungsverfahrens geschehen, vgl. das Schreiben des Klägers vom 21. März 2022 an das Landratsamt … Dies ist die rechtlich vorgesehene Möglichkeit, in welchem der Betroffene Einwendungen gegen das forstliche Gutachten sowie die revierweise Aussage vorbringen kann. Eine Rechtsverletzung des Klägers kann daher vorliegend nicht erkannt werden.
21
2. Der festgesetzte Abschussplan ist zudem materiell rechtmäßig.
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2.1 Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Abschussplanes ist § 21 Abs. 2 Satz 1 Bundesjagdgesetz (BJagdG), wonach unter anderem Schalenwild, wozu gemäß § 2 Abs. 3 BJagdG auch Rehwild gehört, nur aufgrund und im Rahmen eines Abschussplans erlegt werden darf, der von der zuständigen Behörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat (vgl. § 37 BJagdG) zu bestätigen oder festzusetzen ist. Das Nähere bestimmt die Landesgesetzgebung (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 5 BJadgG), vorliegend Art. 32 Bayerisches Jagdgesetz (BayJG) i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1, § 15 Abs. 1 Ausführungsverordnung zum BayJG (AVBayJG). Danach ist für Rehwild ein Abschussplan jeweils für drei Jagdjahre aufzustellen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AVBayJG ist der eingereichte Abschussplan zu bestätigen, wenn er den Vorschriften des § 21 Abs. 1 BJagdG und des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG entspricht und im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand oder dem Inhaber des Eigenjagdrevieres aufgestellt ist; andernfalls wird der Abschussplan, wie vorliegend, von der Behörde festgesetzt, § 15 Abs. 1 Satz 2 AVBayJG.
23
Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 BJagdG ist der Abschuss so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft vor Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischer Tierarten in angemessener Zeit erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint. Neben der körperlichen Verfassung des Wildes ist bei der Abschussplanung vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung, zu berücksichtigen, Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG. In der Entscheidung sind die gesetzlich geregelten öffentlich- und privatrechtlichen Belange einzustellen und mit dem Ziel eines Interessenausgleichs zwischen den volkswirtschaftlichen und landeskulturellen Belangen einerseits und den jagdlichen Intentionen andererseits abzuwägen (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.1992 – 3 C 62.89 – juris Rn. 25). Dabei kommt dem Interesse am Schutz des Waldes wegen der überragenden Bedeutung des Waldes für das Klima, den Wasserhaushalt, die Sauerstoffproduktion, die Nährstoffspeicherung und die biologische Vielfalt ein Vorrang gegenüber den jagdlichen Interessen zu (vgl. BVerwG, U. v. 30.3.1995 – 3 C 8.94 – juris Rn. 45; BayVGH, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 94). Dementsprechend sind nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 BayJG Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen, das heißt nachhaltigen (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1 BWaldG) forstwirtschaftlichen Nutzung durch das Wild möglichst zu vermeiden und nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG die Waldverjüngung zu gewährleisten (vgl. BayVGH, U. v. 19.5.1998 a.a.O).
24
Bei der Festsetzung des Abschussplans steht der Behörde kein Ermessen (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.1992 – 3 C 62.89 – juris Rn. 25) und auch kein gerichtlich nicht nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu (vgl. BayVGH, U. v. 7.11.1996 – 19 B 93.956 – juris Rn. 51). Das Gericht prüft, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet und die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat (BVerwG, U. v. 19.3.1992 a.a.O.; BayVGH U. v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 38, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 91; VG München, U. v. 29.3.2017 – M 7 K 16.3638 – juris Rn. 35 m.w.N.). Allerdings ist die Abschusszahl auch nicht mathematisch-logisch, etwa anhand einer normativen Formel zu bestimmen, sondern der Behörde insoweit eine gewisse Bandbreite von Entscheidungsmöglichkeiten eingeräumt und die Prüfung des Gerichts darauf beschränkt, ob die Höhe des Abschusses sich noch in einem vertretbaren Zahlenrahmen hält (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.1992 a.a.O; BayVGH, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 91, U. v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 37 ff.).
25
Ausgangspunkt und Grundlage jeglicher Abschussplanung ist das gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 3 BayJG einzuholende Gutachten, welches den Zustand der Vegetation und der Waldverjüngung insbesondere im Hinblick auf die Einwirkungen des Schalenwildes auf diesen Zustand feststellen soll (vgl. BayVGH, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 95), vorliegend mithin das hegegemeinschaftsbezogene forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 sowie die ergänzende revierweise Aussage zur Verjüngungssituation vom 7. August 2021.
26
2.2 Die Kammer hat keine Zweifel an der Richtigkeit des forstlichen Gutachtens zur Waldverjüngung 2021 sowie der ergänzenden revierweisen Aussage zur Verjüngungssituation vom 7. August 2021.
27
Amtlichen Auskünften und Gutachten der Forstverwaltung kommt eine besondere Bedeutung zu, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebiets und nicht nur auf der Beweisaufnahme und der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen. Sie haben daher grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht als Expertisen von privaten Fachinstituten (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2011 – 8 ZB 10.1961 – juris Rn. 17 zu Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamts; VG München, U. v. 29.3.2017 – M 7 K 16.3638 – juris Rn. 38; VG Bayreuth, U. v. 8.6.2021 – B 1 K 20.634 – juris Rn. 29).
28
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Art und Weise bzw. die Methode der Gutachtenerstellung durch die Forstbehörden nicht zu beanstanden ist und demzufolge praxistaugliche Maßstäbe zur Festlegung des erforderlichen Abschusses liefert (vgl. BayVGH, U. v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 52 ff., B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1601 – juris Rn. 32 ff.).
29
Im vorliegenden Fall bewertet das forstliche Gutachten die Verbissbelastung in der Hegegemeinschaft mit „zu hoch“ und empfiehlt, den Abschuss zu erhöhen. Die ergänzende revierweise Aussage zur Verjüngungssituation wertet die Verbisssituation mit „zu hoch“.
30
Die Gutachten bezogen auf die Hegegemeinschaft und das konkrete Jagdrevier kommen damit übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Verbisssituation zu hoch ist.
31
Die Einwendungen des Klägers gegen das forstliche Gutachten sowie auch gegen die revierweise Aussage greifen nicht durch.
32
Soweit der Kläger vorträgt, dass sich Aussagen in aufeinanderfolgenden Gutachten wiederholen würden, so ändert dies nichts an der Richtigkeit der Gutachten. Soweit sich die Situation nach Einschätzung des AELF in der Hegegemeinschaft und/oder dem Jagdrevier nicht ändert, ist es diesem auch nicht möglich, ein anderes Gutachten mit einem anderen Ergebnis oder einer anderen Einschätzung zu erstellen. Dass das AELF ein Formblatt benutzt, in welchem sich Aussagen im Ankreuzverfahren und verbale Bewertungen ergänzen, ist nicht zu rügen. Ein solches Formblatt stellt insbesondere auch die Vergleichbarkeit sowohl mit anderen Jagdrevieren als auch mit anderen Zeiträumen sicher.
33
Auch die Einwendung des Klägers, dass Vertreter des AELF stets nur verbissene Flächen aufsuchen würden und für das Revier positive Flächen nicht betrachten würden, greift vorliegend nicht durch.
34
Es ist dem – nicht zu rügenden, vergleiche die obigen Ausführungen – vorliegenden System geschuldet, dass insbesondere Flächen betrachtet werden, auf denen rasterförmig die Gitternetzpunkte zum Liegen kommen. Ein praxistauglicheres System ist auch nicht ohne weiteres erkennbar. Es ist jedoch, wie Herr FD … des AELF in der mündlichen Verhandlung überzeugend vorgetragen hat, nicht so, dass allein diese Gitternetzpunkte und die entsprechenden Stellen betrachtet würden. Vielmehr geht der zuständige Mitarbeiter des AELF regelmäßig in das Revier und betrachtet dieses nahezu vollständig. Aus dieser Summe der gewonnenen Eindrücke werden dann die Gutachten erstellt. Dass daher auf Revierbegängen möglicherweise nicht alle Stellen betrachtet und geprüft werden können, entspricht der Natur der Sache. Dies bedeutet jedoch nicht, dass andere, nicht oder wenig verbissene Bäume, nicht ebenfalls in die Bewertung aufgenommen worden sind. Diesbezüglich bleiben auch die Einwendungen des Klägers zu unsubstantiiert.
35
Ebenfalls ist nicht zu rügen, dass der Schwerpunkt der Betrachtung insbesondere auf den Wuchs klimaresistenter Baumarten, wie die Eiche, gelegt wird und deren Biss gewertet wird. Diesbezüglich hat Herr FD … in der mündlichen Verhandlung plausibel und unwidersprochen vorgetragen, dass es durchaus Stellen gebe, an denen es mit dem Verbiss durchaus gut aussehe, jedoch die Stellen mit hohem Verbiss überwiegen würden.
36
Soweit der Kläger vorträgt, die revierweise Aussage behaupte, dass es im Revier keine Birke und Eiche gebe, so geht diese Einwendung fehl. Die revierweise Aussage behauptet das nicht. Unter Ziff. 2.2 wird die Naturverjüngung betrachtet und festgestellt, dass eine solche hinsichtlich der genannten Baumarten ohne Schutzmaßnahme nicht möglich sei. Dies enthält keine Aussage darüber, dass es die genannten Bäume nicht gibt. Das AELF hat in seinem Gutachten zu bewerten, ob es überhaupt entsprechende Baumarten gibt, ob es diese in ausreichender Anzahl gibt, damit eine Naturverjüngung möglich ist und inwiefern diese, sofern sie vorhanden sind, ohne Schutzmaßnahme aufwachsen können oder zu stark verbissen würden.
37
Substantiierte Einwendungen hierzu von Klägerseite sind nicht erfolgt.
38
Die Vergleiche, die der Kläger mit anderen Revieren und Hegegemeinschaften, wie der Hegegemeinschaft … oder auch den Staatsrevieren zieht, gehen fehl.
39
Ein starrer Vergleich ist praktisch nicht möglich. Vielmehr ist jeweils der Einzelfall zu betrachten, wie eine Hegegemeinschaft oder ein Revier sich vor dem Hintergrund der gesamten Fläche, der bewaldeten Fläche, topografischer Besonderheiten, weiterer landwirtschaftlicher Nutzung, der Sonneneinstrahlung und auch des Wasserhaushalts darstellt. Auch diese Besonderheiten werden in dem Gutachten des AELF berücksichtigt.
40
2.3 Ein Abwägungsmangel liegt nicht vor.
41
Es ist nicht zu beanstanden, dass sich die Untere Jagdbehörde den Beschluss des Jagdbeirates zu eigen gemacht hat. Es ist nicht ersichtlich, weshalb es der Unteren Jagdbehörde verwehrt sein sollte, ihrer Überzeugungsbildung das Beratungsergebnis eines zwingend vorgesehenen, vgl. § 37 Abs. 1 BJagdG, Gremiums zugrunde zu legen, das mit sachkundigen Vertretern von fünf maßgeblichen Interessengruppen, nämlich der Land- und Forstwirtschaft, der Jagdgenossenschaften, der Jäger und des Natur- und Waldschutzes besetzt ist und zur Beratung aller Jagdangelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung sowie wichtigen Einzelfragen, vgl. Art. 50 Abs. 1 BayJG, gesetzlich berufen ist. Darüber hinaus hat die Untere Jagdbehörde nach § 21 Abs. 2 Satz 1 BJagdG im Rahmen der Bestätigung oder Festsetzung des Abschussplans Einvernehmen mit dem Jagdbeirat herzustellen. Das Vorgehen der Unteren Jagdbehörde rechtfertigt nicht den Schluss, dass sie sich keine eigene Überzeugung gebildet hat und generell die Auffassung des Jagdbeirates ungeprüft und schematisch übernimmt (vgl. VG München, U. v. 29.3.2017 – M 7 K 16.3638 – juris Rn. 29).
42
Entgegen dem klägerischen Vortrag ist nicht erkennbar, dass Einwendungen des Klägers oder andere Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte nicht gewürdigt worden wären. Wie der Beklagte in seinem Bescheid vom 30. Mai 2022 mitteilt, wurden sämtliche Argumente, die für bzw. gegen eine Festsetzung des Abschussplanes sprechen, gegeneinander abgewogen. Es ist grundsätzlich nicht zu rügen, wenn der Beklagte entsprechend den gesetzlichen Vorgaben die natürliche Waldverjüngung und den Aufbau eines gesunden, klimatoleranten Waldes in den Vordergrund stellt und im Rahmen einer Abwägung diesem den Vorrang gibt. Andere Maßnahmen, wie beispielsweise Einzäunungen, sind nicht ersichtlich bzw. nach dem Willen des Gesetzgebers im Grundsatz nicht erwünscht, vgl. Art. 1 Abs. 1 Nr. 3 BayJG, sodass es rechtmäßig ist, diese gesetzliche Intention im Rahmen der Abwägung zu würdigen.
43
2.4. Soweit der Kläger vorträgt, dass ihm die Erfüllung des Abschussplanes aufgrund Freizeitdrucks im Jagdrevier unmöglich sei, so führt dieser Einwand nicht zum Erfolg der Klage.
44
Die diesbezüglichen Einwendungen des Klägers, dass ihm der weitere Abschuss im Vergleich zum vorherigen Abschussplan von 16 Stück Wild innerhalb von drei Jahren unmöglich sein sollte, bleibt unsubstantiiert. Im Übrigen bleibt es ihm unbenommen, sich der Unterstützung durch Jagdgäste zu bedienen.
45
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
46
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.