Titel:
Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB bei immateriellen Schäden
Normenkette:
StGB § 46a Nr. 1
Leitsatz:
Eine Strafrahmenverschiebung nach § 46a Nr. 1, § 49 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, seine Tat ganz oder zum Teil wiedergutgemacht oder dies ernsthaft erstrebt hat. Bei immateriellen Schäden kommt als Wiedergutmachung auch eine von echter Einsicht getragene und vom Opfer angenommene Entschuldigung in Betracht, ohne dass es weiterer Leistungen des Täters bedarf. Lediglich bei schweren Gewalttaten reicht eine bloße Entschuldigung für die Annahme der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht aus. (Rn. 6 – 8) (red. LS Alexander Kalomiris)
Schlagworte:
Strafrahmenverschiebung, Täter-Opfer-Ausgleich, immaterielle Schäden, Wiedergutmachung, Entschuldigung
Vorinstanzen:
LG Augsburg, Urteil vom 19.06.2023 – 6 NBs 408 Js 102930/22
AG Augsburg, Urteil vom 14.02.2023 – 03 Ds 408 Js 102930/22
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24787
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19. Juni 2023 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Augsburg zurückverwiesen.
Gründe
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Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an eine andere Strafkammer des Landgerichts Augsburg (§ 354 Abs. 2 S. 1 StPO).
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1. Die Beschränkung der Berufung des Angeklagten auf den Rechtsfolgenausspruch war wirksam, wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift vom 17. August 2023 zutreffend ausführt. Damit ist der Schuldspruch wegen Bedrohung in Tateinheit mit versuchter Nötigung rechtskräftig und vom Senat nicht mehr zu überprüfen, § 327 StPO.
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2. Das angegriffene Urteil leidet jedoch im Strafausspruch an durchgreifenden Erörterungsmängeln.
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a) Die Rechtsfolgenbemessung ist zwar ureigene Aufgabe des Tatrichters und unterliegt nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht. Die tatrichterlichen Erwägungen hat das Revisionsgericht bis zur Grenze des Vertretbaren hinzunehmen, solange und soweit der Rechtsfolgenausspruch einen angemessenen Schuldausgleich darstellt. Das Revisionsgericht hat nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers einzugreifen. Das Gericht ist jedoch verpflichtet, in den Urteilsgründen die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände darzulegen, § 267 Abs. 3 StPO, wobei eine erschöpfende Aufzählung nicht erforderlich und auch nicht möglich ist. Ein revisionsrechtlich durchgreifender Rechtsfehler kann gegeben sein, wenn die Begründung für die verhängte Strafe dem Revisionsgericht nicht die Nachprüfung ermöglicht, ob die Erwägungen des Tatrichters in sich fehlerhaft sind, ob die Rechtsfolgenentscheidung auf tragfähige Grundlagen gestützt ist und ob sie sich von anerkannten Strafzumessungserwägungen hat leiten lassen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 20.10.2021, 1 StR 136/21, zitiert nach juris, dort Rdn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 337, Rdn. 34 f.).
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b) Nach diesen Maßstäben sind die Urteilsgründe zur Strafbemessung insoweit lückenhaft, als sie sich mit den Voraussetzungen des hier nahe liegenden § 46a Nr. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 09.08.2016, 1 StR 121/16, zitiert nach juris, dort Rdn. 17 und 22) nicht befassen.
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aa) Eine Strafrahmenverschiebung nach §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB setzt voraus, dass der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, seine Tat ganz oder zum Teil wiedergutgemacht oder dies ernsthaft erstrebt hat. Eine Wiedergutmachung liegt bereits vor, wenn das Opfer in die Kommunikation einbezogen ist und es die erbrachten Leistungen nach Form und Inhalt akzeptiert hat; ein darüberhinausgehender Wiedergutmachungserfolg ist nicht notwendig. Bei immateriellen Schäden kommt als Wiedergutmachung demgemäß auch eine von echter Einsicht getragene und vom Opfer angenommene Entschuldigung in Betracht (vgl. Maier in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl., § 46a Rdn. 20; BGH, Beschluss vom 22.02.2001, 3 StR 41/01, zitiert nach juris, dort Rdn. 3f.). Lediglich bei schweren Gewalttaten reicht eine bloße Entschuldigung für die Annahme der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB nicht aus (BGH, Urteile vom 28.02.2013, 4 StR 430/12, zitiert nach juris, dort Rdn. 14, und vom 28.01.2016, 3 StR 354/15, zitiert nach juris, dort Rdn. 6).
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bb) Das Landgericht erwähnt im Urteil zwar, dass der Angeklagte geständig war, dass er sich für die Tat entschuldigt und sich mit der Geschädigten zeitnah nach der Tat anlässlich einer Familienberatung ausgesprochen hat, so dass diese kein Interesse mehr an der Strafverfolgung hat und ein konfliktfreier Kontakt mit der Geschädigten besteht (UA S. 3 und 8). Eine Anwendung der §§ 46a Nr. 1, 49 Abs. 1 StGB hat das Landgericht jedoch offensichtlich nicht in den Blick genommen und daher nicht erörtert (vgl. UA S. 7/8)
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Auf der Grundlage des von der Kammer festgestellten Sachverhaltes war dies auf der Grundlage der vorgenannten Ausführungen rechtsfehlerhaft, weil die Bejahung der Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB nahegelegen hätte. Der Angeklagte hat sich entschuldigt, die Geschädigte hat die Entschuldigung angenommen und es kam zu einer Aussöhnung der Parteien. Da eine schwere Gewalttat offensichtlich nicht vorliegt, waren weitere Leistungen des Angeklagten nicht erforderlich.
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d) In dem aufgezeigten Erörterungsmangel liegt ein sachlich-rechtlicher Fehler des angegriffenen Urteils, auf dem dieses auch beruht, da der Senat nicht ausschließen kann, dass das Landgericht bei Berücksichtigung der vorgenannten Umstände zu einer Strafmilderung nach §§ 49 Abs. 1, 46a StGB und damit zu einem niedrigeren Strafrahmen gelangt wäre und unter Berücksichtigung der angeführten weiteren gewichtigen Milderungsgründe (vgl. bereits UA S. 8 sowie die von der Revision angeführten Gesichtspunkte) auch eine niedrigere Strafe verhängt und diese ggf. zur Bewährung ausgesetzt hätte.
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3. Das Urteil war daher gemäß § 349 Abs. 4 StPO samt den zugrunde liegenden Feststellungen (§ 353 StPO) aufzuheben und gemäß § 354 Abs. 2 StPO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die Kosten des Revisionsverfahrens an eine andere Strafkammer des Landgerichts Augsburg zurückzuverweisen.