Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 17.01.2023 – B 9 S 23.30011
Titel:

Technische Störungen in der Sphäre des Rechtsanwalts bei der Dokumentenübermittlung auf elektronischem Weg 

Normenkette:
VwGO § 55d
Leitsatz:
Eine vorübergehende Unmöglichkeit der Übersendung von elektronischen Dokumenten aus technischen Gründen liegt nicht vor, wenn der Absender die Voraussetzungen für den elektronischen Versand in zumutbarer Zeit nicht wiederhergestellt hat; die Geltendmachung struktureller Mängel von dessen IT-Infrastruktur ist nicht ausreichend. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorübergehende technische Unmöglichkeit, Glaubhaftmachung, Pflicht, bei technischen Störungen in der Sphäre des Rechtsanwalts unverzüglich für Abhilfe zu sorgen, elektronische Übermittlung von Dokumenten, vorübergehende technische Unmöglichkeit, technische Störungen in der Sphäre des Rechtsanwalts, Abhilfepflicht, Mängel der IT-Infrastruktur
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2471

Tenor

1. Die Anträge werden abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller sind Staatsangehörige der Republik Moldau und Roma. Nach eigenen Angaben reisten sie am 27. Mai 2022 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 26. Juli 2022 Asyl.
2
Bei ihrer Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) am 4. Oktober 2022 gab die Antragstellerin zu 1 im Wesentlichen an, sie hätten meistens in der Russischen Föderation gelebt. Dort habe ihr Lebensgefährte mit Waren gehandelt und so den Lebensunterhalt der Familie sichergestellt. Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sei das aber nicht mehr möglich gewesen, ihre wirtschaftliche Situation sei zuletzt sehr schlecht gewesen. Die Antragstellerin zu 1 sei Analphabetin und habe nie gearbeitet. Staatliche Hilfen hätten sie nie beantragt, da das schwierig und langwierig sei und man dann nur wenig bekomme.
3
Die Antragsteller hätten ihr Heimatland verlassen, weil sie wegen der Schulden ihres Lebensgefährten bedroht worden seien. Zudem besäßen sie keine Immobilie und die Kinder fühlten sich langsam unwohl, wenn sie bei Fremden leben müssten. Außerdem sei der Krieg zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine ein Ausreisegrund gewesen.
4
Der Lebensgefährte der Antragstellerin zu 1 habe früher einen Kredit bei einem Bekannten in der Russischen Föderation in Höhe von 3.000 € aufgenommen, um Behandlungskosten nach einem Unfall im Jahr 2016 bezahlen zu können. In Moldau habe er sich etwa ein Jahr später 7.000 € geliehen, um den Kredit zurückzuzahlen und Waren für sein Geschäft kaufen zu können. Von diesen neuen Schulden habe er nichts zurückbezahlen können, mit Zinsen seien die Schulden nun auf 10.000 € gestiegen. Der Kreditgeber habe sie ständig angerufen und über andere Roma auch neue Telefonnummern der Antragsteller herausgefunden. Als die Antragsteller in der Republik Moldau zurück gewesen seien, habe er verlangt, dass die gesamte Summe innerhalb eines Monats zurückgezahlt werde. Der Lebensgefährte der Antragstellerin zu 1 habe versucht, mit ihm etwas zu vereinbaren, weil er das Geld nicht hatte. Der Gläubiger habe ihnen gedroht sie umzubringen, getroffen hätten sie ihn aber nicht. Seine Verwandten seien zu den Antragstellern nach Hause gekommen und hätten mit dem Lebensgefährten der Antragstellerin zu 1 gesprochen. An die Polizei hätten die Antragsteller sich nicht gewandt, da diese sie hätte zwingen können die Schulden zu tilgen. Außerdem hätten sie dann noch mehr Probleme bekommen, da es so ausgesehen hätte, als ob sie das Geld geklaut hätten. Die Antragstellerin zu 1 befürchte, dass sich der Krieg auch auf die Republik Moldau ausweite und die Kinder einberufen werden könnten. Die Antragstellerin zu 1 sei zudem schwanger.
5
Mit Bescheid des Bundesamts vom 27. Dezember 2022 wurden die Anträge der Antragsteller auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffern 1 bis 3 des Bescheids). Es wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 4 des Bescheids). Die Antragsteller wurden aufgefordert, das Bundesgebiet innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Ihnen wurde die Abschiebung in die Republik Moldau oder in einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht; die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, für den Fall einer fristgerechten Stellung eines Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrages durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Ziffer 5 des Bescheids). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6 des Bescheides). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen, § 77 Abs. 2 des Asylgesetzes (AsylG). Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 30. Dezember 2022 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
6
Mit Telefax vom 5. Januar 2023, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 9. Januar 2023 ließen die Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 27. Dezember 2022 erheben (B 9 K 23.30012) und zugleich beantragten,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
7
Die Antragstellerin zu 1 sei schwanger, der voraussichtliche Entbindungstermin sei der … 2023. Die Antragstellerin zu 2 und der Antragsteller zu 3 besuchten die Staatliche Berufsschule …, es sollte ihnen zumindest ermöglicht werden, ihren Schulabschluss im nächsten Jahr zu machen. Den Antragstellern könne nicht zugemutet werden, in ihr Heimatland, das möglicherweise in den Krieg zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine hineingezogen werde, zurückzukehren. Die Antragstellerin zu 1 sei mit – demnächst – vier Kindern nicht in der Lage, das Existenzminimum sicherzustellen. Sie sei Analphabetin und habe keine Aussicht auf eine Arbeitsstelle. Im Übrigen werde auf die Anhörung der Antragstellerin zu 1 verwiesen.
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Mit weiterem Telefax vom 9. Januar 2023 erläuterte der Antragstellerbevollmächtigte, dass er den Schriftsatz vom 5. Januar 2023 nicht elektronisch habe übersenden können, da es seinem IT-Techniker bisher nicht möglich gewesen sei, die Probleme im Zusammenhang mit dem Kartentausch seiner alten in die neue Karte für das besondere Anwaltspostfach (beA) und der Schnittstellenverbindung mit der Kanzlei-Software RA-MICRO zu beheben.
9
Für die Antragsgegnerin beantragte das Bundesamt mit Schriftsatz vom11. Januar 2023, den Antrag abzulehnen.
10
Mit weiterem Schriftsatz vom 13. Januar 2023 führte der Antragstellerbevollmächtigte auf Aufforderung des Gerichts weiter aus, ihm sei mit E-Mail der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer vom 28. September 2022 ein Link zum Tausch seines qualifizierten Zertifikates mitgeteilt und darauf hingewiesen worden, dass er sich mit der neuen beA-Karte Basis anmelden müsse und hierzu ein Kartenlesegerät der Sicherheitsklasse 3 sowie die Software BNotK SAK lite erforderlich sei. Der von ihm beauftragte IT-Dienstleister sei deshalb am 4. Oktober 2022 erstmals zu ihm gekommen, habe die Anmeldung aber nicht durchführen können und sich deswegen per E-Mail an den beA-Anwendersupport gewandt. Dieser habe noch am gleichen Tag mitgeteilt, dass man für dieses Anliegen nicht zuständig sei. Am 26. November 2022 habe der Antragstellerbevollmächtigte von der Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer nochmals die gleiche E-Mail wie am 28. September 2022 erhalten, die er wiederum an seinen IT-Dienstleister weitergeleitet habe. Dieser habe ihm am 30. November 2022 mitgeteilt, dass er krankheitsbedingt länger ausgefallen sei. Der IT-Dienstleister habe dann nach einem weiteren Termin vor Ort am 6. Dezember 2022 im Rahmen einer Fernwartung am 8. Dezember 2022 zunächst geprüft, welche Betriebssystem-Version beim Antragstellerbevollmächtigten installiert sei und sodann weitere Arbeiten durchgeführt. Am 16. Dezember 2022 habe der Antragstellerbevollmächtigte dem IT-Dienstleister per E-Mail mitgeteilt, dass er seit dem 12. Dezember 2022 keine elektronischen Empfangsbekenntnisse mehr versenden könne. Dieser habe ihm am 19. Dezember 2022 geantwortet, dass er derzeit sehr stark eingebunden sei und einen Termin am 21. Dezember 2022 vor Ort angeboten, der letztlich am 22. Dezember 2022 stattgefunden habe. Am 29. Dezember 2022 habe der IT-Dienstleister schließlich ein neues Kartenlesegerät installiert. Mit E-Mail vom 2. Januar 2023 habe die Zertifizierungsstelle der Bundesnotarkammer dem Antragstellerbevollmächtigten mitgeteilt, dass sein Antrag erfolgreich geprüft und genehmigt worden sei; mit weiterer E-Mail vom gleichen Tag sei ihm mitgeteilt worden, dass das vom 2. Januar 2023 bis 1. Januar 2028 gültige qualifizierte Zertifikat erstellt worden sei. Die Probleme hätten aber weiter bestanden. Nach weiteren Terminen des IT-Dienstleisters am 2. und 5. Januar 2023 und einer weiteren Anfrage an den beA-Anwendersupport habe die Bundesrechtsanwaltskammer dem Antragstellerbevollmächtigten mit E-Mails vom 6. Januar 2023 mitgeteilt, dass sein Zugang zurückgesetzt und sein Sicherheits-Token gelöscht worden seien. Weitere Bemühungen des IT-Dienstleisters am 9. und 10. Januar 2023 seien erfolglos geblieben. Am 12. Januar 2023 habe er diesem mitgeteilt, dass er nach wie vor über den RA-MICRO-Posteingang beA-Nachrichten nicht zuverlässig empfangen bzw. über den Postausgang zuverlässig versenden könne. Ein weiterer Fernwartungstermin des IT-Dienstleisters habe zuletzt am 13. Januar 2023 stattgefunden. Die Richtigkeit dieser Angaben werde anwaltlich versichert.
11
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Behörden- und die Gerichtsakten sowie auf die Akten der Verfahren des Lebensgefährten der Antragstellerin zu 1 B 9 S 23. 30013 und B 9 K 23.30014 sowie die dort vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
12
1. Die Anträge sind unzulässig.
13
a) Nach § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, dem Gericht als elektronisches Dokument zu übermitteln. Hierzu zählt nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 253 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) auch die Klage- bzw. Antragsschrift selbst. Eine Ausnahme hiervon besteht lediglich bei vorübergehender technischer Unmöglichkeit der Übermittlung; die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen, § 55d Satz 3 und 4 VwGO.
14
b) Eine nach § 55d Satz 1 VwGO formwirksame Antragstellung ist nicht erfolgt. Der Antragstellerbevollmächtigte hat eine vorübergehende Unmöglichkeit der Übersendung von elektronischen Dokumenten aus technischen Gründen i.S.d. § 55d Satz 3 VwGO trotz gerichtlichen Hinweises nicht nach § 55d Satz 4 glaubhaft gemacht. § 55d Satz 1 VwGO begründet eine aktive Nutzungspflicht hinsichtlich des elektronischen Rechtsverkehrs im verwaltungsgerichtlichen Verfahren für Rechtsanwälte. Die einzige gesetzlich vorgesehene Ausnahme hiervon stellt die vorübergehende technische Unmöglichkeit i.S.d. § 55d Satz 3 VwGO dar. Dabei darf die technische Unmöglichkeit nur eine vorübergehende sein. Zwar unterscheidet das Gesetz nicht danach, ob die Unmöglichkeit in der Sphäre des Gerichts oder in der des Einreichenden zu suchen ist (Schmitz in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1.10.2022, § 55d Rn. 5). Bei einer technischen Störung auf Geräten des Einreichers ist dieser jedoch gehalten, unverzüglich für Abhilfe zu sorgen (vgl. Ulrich in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 55d VwGO Rn. 29 unter Verweis auf die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 17/12634, S. 28). Eine vorübergehende Störung liegt daher nicht vor, wenn der Absender die Voraussetzungen für den elektronischen Versand in zumutbarer Zeit nicht wiederhergestellt hat; strukturelle Mängel der IT-Infrastruktur des Nutzungspflichtigen rechtfertigen den Rückgriff auf papierene Kommunikation nicht (vgl. Anders in Anders/Gehle, ZPO, 81. Auflage 2023, § 130d Rn. 8; von Selle in Vorwerk/Wolf, BeckOK ZPO, Stand 1.12.2022, § 130d Rn. 4; jeweils zum wortlautgleichen § 130d der Zivilprozessordnung – ZPO).
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Die Erläuterungen des Bevollmächtigten im Schriftsatz vom 13. Januar 2023 belegen aber gerade nicht, dass es aus technischen Gründen vorübergehend unmöglich gewesen wäre, elektronische Dokumente i.S.d. § 55a VwGO zu versenden. Vielmehr ergibt sich aus den Ausführungen allenfalls ein Organisationsverschulden des Antragstellerbevollmächtigten: Nach seinen Angaben rühren die Probleme offenbar von dem bereits mit E-Mail vom 28. September 2022 angekündigten Tausch des Zertifikates her. Schon insoweit ist nicht nachvollziehbar, dass die daraus resultierenden technischen Schwierigkeiten bis zum 9. Januar 2023 nicht behoben werden konnten. Die vom Antragstellerbevollmächtigten in der Folge eingeleiteten Schritte, um die Nutzbarkeit des elektronischen Rechtsverkehrs sicherzustellen, können nicht als ausreichend angesehen werden. Insbesondere kann der Antragstellerbevollmächtige sich insoweit nicht mit krankheits- oder überlastungsbedingten Verzögerungen in der Bearbeitung durch den von ihm beauftragten IT-Dienstleister exkulpieren. Dass etwa die ihm bekannten Probleme im Zusammenhang mit der Zertifikatsumstellung von Anfang Oktober bis Ende November 2022 nahezu zwei Monate lang nicht weiter bearbeitet wurden, stellt unter den oben beschriebenen rechtlichen Rahmenbedingungen kein Bemühen um eine unverzügliche Abhilfe dar. Ebenso wenig ist es insoweit ausreichend, dass der Antragstellerbevollmächtigte seinem IT-Dienstleister am 16. Dezember 2022 mitteilte, dass er bereits seit fünf Arbeitstagen keine elektronischen Empfangsbekenntnisse mehr versenden könne, was letztlich erst am 22. Dezember 2022 zu einem Termin des IT-Dienstleisters vor Ort führte. Der Antragstellerbevollmächtigte wäre zumindest gehalten, erkannte Probleme seinem IT-Dienstleister unverzüglich mitzuteilen und durch entsprechende vertragliche Vereinbarungen hinreichend kurze Reaktionszeiten des IT-Dienstleisters sicherzustellen bzw. Mindestverfügbarkeiten zu garantieren und so jedenfalls mehrwöchige oder gar mehrmonatige Verzögerungen auszuschließen.
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2. Die Anträge wären aber jedenfalls unbegründet.
17
a) Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens ist gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die unter Setzung einer Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) ausgesprochene Abschiebungsandrohung. Die mit dieser Verwaltungsentscheidung intendierte umgehende Beendigung des Aufenthalts des Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes daher auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder des subsidiären Schutzes offensichtlich nicht besteht, zum Gegenstand seiner Prüfung zu machen (BVerfG, U.v. 14.05.1996 – 2 BvR 1516/03 – BVerfGE 94, 166). Gemäß Art. 16a Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) und § 36 Abs. 4 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet bzw. die Vollziehung nur ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Der zur Entscheidung über diesen Antrag berufene Einzelrichter (§ 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG) hat aus den Gründen des angefochtenen Bescheids des Bundesamts vom27. Dezember 2022, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG), jedenfalls keine ernstlichen Zweifel im Sinne der oben angegebenen Vorschriften. Ergänzend ist auszuführen:
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b) Die Ablehnung der Asylanträge als offensichtlich unbegründet beruht auf § 30 Abs. 1 AsylG. Die Antragsteller haben weder gegenüber dem Bundesamt noch im gerichtlichen Verfahren auch nur im Ansatz eine flüchtlingsrelevante Verfolgung in ihrem Heimatland vorgetragen. Sie haben lediglich angegeben, wegen der Schulden des Lebensgefährten der Antragstellerin zu 1 und der Bedrohung durch die Kreditgeber sowie der Kriegsgefahr ausgereist zu sein. Es ist auch für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass den Antragstellern in der Republik Moldau landesweit eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung durch den Kreditgeber drohen sollte, jedenfalls aber wären die Antragsteller insoweit zunächst auf den Schutz staatlicher Stellen gegen die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure zu verweisen, § 3d AsylG (i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG). Dass in der Republik Moldau hinreichende Schutzmöglichkeiten bestehen, ist in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids, auf die Bezug genommen wird, § 77 Abs. 2 AsylG, zutreffend ausgeführt. Zwar mag es sein, dass Roma in der Republik Moldau im Alltag Diskriminierungen ausgesetzt sind. Diese erreichen aber kein flüchtlingsrechtlich relevantes Ausmaß. Eine Gruppenverfolgung der Roma in Moldau besteht nicht (vgl. – mit ausführlicher und zutreffender Begründung – VG Berlin, U.v. 24.1. 2017 – 21 K 402.16 A – juris Rn. 17). Dies wird auch durch aktuelle Erkenntnismittel bestätigt, wonach zwar weiterhin eine stark erhöhte Vulnerabilität und gesellschaftliche Marginalisierung – insbesondere im Bildungs- und Arbeitsbereich – der Volksgruppe der Roma besteht, die moldauische Regierung jedoch in den vergangenen Jahren Bemühungen zur Verbesserung der gesellschaftlichen Inklusion der Roma unternommen hat. So wurden beispielsweise spezielle Mediatorinnen und Mediatoren, die zwischen ihren lokalen Roma-Gemeinschaften und den staatlichen Behörden interagieren, eingeführt (vgl. Länderreport 37 Republik Moldau – Politische Situation und Menschenrechtslage, Stand: 06/2021, S. 8 ff.). In der Republik Moldau herrscht derzeit auch kein bewaffneter Konflikt i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, es kann auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass ein solcher unmittelbar bevorsteht. Die Zuerkennung von Asyl nach Art. 16a des Grundgesetzes (GG) oder der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 AsylG scheiden damit ebenso offensichtlich aus wie die Gewährung subsidiären Schutzes i.S.d. § 4 AsylG.
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c) Die Antragsteller könnensich schließlich auch nicht mit Erfolg auf das Bestehen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG berufen. Auch insoweit schließt sich das Gericht den zutreffenden Ausführungen in den Gründen des streitgegenständlichen Bescheids insbesondere auch zu den humanitären Bedingungen auch für Roma in der Republik Moldau im Hinblick auf Art. 3 EMRK an, auf die Bezug genommen wird, § 77 Abs. 2 AsylG.
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Auch aus der Schwangerschaft der Antragstellerin zu 1 ergibt sich ein solches Abschiebungsverbot nicht. Selbst wenn insoweit eine – ärztlich bescheinigte – Risikoschwangerschaft vorläge, wäre allenfalls ihre Reisefähigkeit in Frage gestellt. Diese stellt allenfalls ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis dar, welches im Weiteren erst von der Ausländerbehörde zu prüfen wäre, nicht aber ein – hier allein relevantes – zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis (vgl. BVerwG, U.v. 21.09.1999 – 9 C 12.99 – BVerwGE 109, 305; VGH BW, U.v. 13.12.2012 – A 2 S 1995/12 – juris Rn. 15, jeweils m.w.N.).
21
Gleichwohl sei darauf hingewiesen, dass eine Abschiebung der Antragstellerin zu 1 innerhalb der Schutzfristen nach § 3 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG), insbesondere noch innerhalb der Regelfrist von sechs Wochen vor und acht Wochen nach dem voraussichtlichen Entbindungstermin (hier also zwischen dem … und dem … 2023) wohl ausländerrechtlichen Bedenken begegnen würde (vgl. zur Berücksichtigung der Wertungen des Mutterschutzgesetzes bei der Durchführbarkeit einer Abschiebung VG Würzburg, B.v. 7.12.2018 – W 10 S 18.50560 – juris Rn. 28 m.w.N.).
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).