Titel:
ordnungsmäßige Begründung einer Sofortvollzugsanordnung, Inverkehrbringungsverbot, 5-HTP, Arzneimittel, Funktionsarzneimittel, wissenschaftlicher Nachweis pharmakologischer Wirkung, üblicherweise verzehrtes Lebensmittel, Widerlegung des wissenschaftlichen Nachweises (hier verneint), Kombinationsprodukt, Abgrenzung zu Nahrungsergänzungsmittel, „Zweifelsregelung“, Ermessen
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1
AMG § 2 Abs. 1 Nr. 2a
AMG § 2 Abs. 3a
AMG § 69 § 69 Abs. 1 S. 1
AMG § 69 Abs. 1 S. 2 Nrn. 1 und 2 i.V.m.
GG Art. 12 Abs. 1 S. 1 und S. 2
Schlagworte:
ordnungsmäßige Begründung einer Sofortvollzugsanordnung, Inverkehrbringungsverbot, 5-HTP, Arzneimittel, Funktionsarzneimittel, wissenschaftlicher Nachweis pharmakologischer Wirkung, üblicherweise verzehrtes Lebensmittel, Widerlegung des wissenschaftlichen Nachweises (hier verneint), Kombinationsprodukt, Abgrenzung zu Nahrungsergänzungsmittel, „Zweifelsregelung“, Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2468
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrem Eilantrag gegen eine sofort vollziehbare Untersagungsverfügung hinsichtlich eines ihrer angebotenen Produkte.
2
1. Die Antragstellerin bietet das Produkt „5 HTP Kapseln“ (auf dem Produktetikett „5 HTP extra Kapseln“) als Nahrungsergänzungsmittel mit einem Inhalt von jeweils 120 Kapseln pro Verpackung an. Das Produkt enthält als Zutaten u.a. Griffonia simplicifolia Extrakt und L-Tryptophan. Die Verzehrempfehlung auf der Verpackung sind täglich vier Kapseln, die angebotene tägliche Verzehrmenge dürfe nicht überschritten werden. Aus der Nährwerttabelle ergibt sich, dass vier Kapseln des angebotenen Produkts 500 mg L-Tryptophan und 800 mg Griffonia Extrakt enthalten, was laut Nährwerttabelle 200 mg 5-Hydroxytryptophan (im Folgenden: 5-HTP) entspricht. Hinweise auf etwaige Gesundheitsgefahren oder Nebenwirkungen durch den Konsum des Produkts bzw. von 5-HTP enthält das Produkt nicht (vgl. zu alledem Bl. 28 f. der Behördenakte [im Folgenden: BA]).
3
Am 19.07.2022 fand durch das Landratsamt … – Lebensmittelüberwachung – eine Probennahme des Produktes „5 HTP Kapseln“ bei der Antragstellerin statt, das die Probe dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (im Folgenden: LGL) zur Untersuchung weitergeleitet hat.
4
Das LGL hat mit Gutachten vom 08.08.2022 (Bl. 15 ff. der BA) zusammenfassend festgestellt, dass es sich bei dem beprobten Produkt „5 HTP Kapseln“ um ein Funktionsarzneimittel gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG handele. Es hat folgende Feststellungen zum Inhalt:
„Das Produkt ‚5-HTP extra Kapseln‘ wird von der Firma ‚ …‘, (…) als Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr gebracht. Hinweise, warum das Produkt eingenommen werden soll finden sich nicht auf dem Etikett. Auf der Internetseite … wird das Produkt wie folgt beschrieben:
‚5-Hydroxytryptophan (5-HTP), genauer L-5-Hydroxytryptophan oder auch Oxitriptan, ist eine nicht-proteinogene a-Aminosäure. Es ist ein Zwischenprodukt bei der Serotoninsynthese aus L-Tryptophan in Organismen. 5-HTP kommt, wie L-Tryptophan und Serotonin in verschiedenen Bananensorten vor. Es wird aus den Samen der afrikanischen Schwarzbohne (Griffonia simplicifolia) gewonnen.' Als Verzehrempfehlung sind 4 Kapseln pro Tag angegeben. Dies entspräche 200 mg 5-HTP.
Die vorliegende Probe wurde mittels Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) untersucht. Als Inhaltsstoff konnte dabei 5-Hydroxytryptophan (5-HTP) identifiziert werden. Bei der anschließenden quantitativen Bestimmung mittels qNMR wurde eine Dosierung von durchschnittlich 49,8 mg 5-Hydroxytryptophan pro Kapsel (entspricht ca. 200 mg 5-HTP in der Tagesdosis) gefunden.
Bei dem Inhaltsstoff des Griffoniaextrakts, dem 5-Hydroxytryptophan (5-HTP) handelt es sich um eine nicht proteinogene Aminosäure, die eine Vorstufe bei der Biosynthese von Serotonin darstellt. Serotonin übernimmt im Gehirn wichtige Aufgaben als Neurotransmitter und ist u. a. an der Ausprägung der Stimmungslage beteiligt. 5-HTP wird für eine kommerzielle Verwendung hauptsächlich aus Griffonia simplicifolia isoliert, in der es in größeren Mengen vorkommt. Bei der afrikanischen Schwarzbohne handelt es sich nicht um ein üblicherweise verzehrtes Lebensmittel. Die Wirkung von 5-HTP ist daher nicht mit der unspezifischen Aufnahme von Nährstoffen über natürliche Lebensmittel vergleichbar.
5-HTP war um 1990 in Deutschland als L-5-Hydroxytryptophan/Oxitriptan in einer Dosierung ab 50 mg/Tablette in zugelassenen Fertigarzneimitteln zur Behandlung des depressiven Formenkreises enthalten. Alle Arzneimittel mit dem Wirkstoff 5-Hydroxytryptophan sind mittlerweile als Folge eines Arzneimittelzwischenfalles (Eosinophilie-Myalgie-Syndrom nach Einnahme von Tryptophan und 5-HTP) nicht mehr verkehrsfähig.
Oral eingenommenes 5-HTP kann den Serotoninspiegel im Gehirn und in der Peripherie nachweislich erhöhen. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien zur pharmakologischen Wirkung von 5-HTP am Menschen. Da Serotonin maßgeblich an der Ausprägung der Stimmungslage beteiligt ist, liegt ein Einsatz des Precursors 5-HTP bei Depressionen nahe. Der Behandlungserfolg bei Depressionen ist bisher nicht abschließend geklärt (siehe Review von T. et al) [1]. In einem weiteren Review, in dem 15 klinische Studien zur Wirksamkeit von 5-HTP bei Depressionen ausgewertet wurden, kommt man dagegen zu dem Schluss, dass 5-HTP nach oraler Aufnahme die Blut-Hirn-Schranke passiert und nicht nur den Serotoninspiegel, sondern auch die Konzentration der Neurotransmitter Melatonin, Dopamin und Norepinephrin im zentralen Nervensystem definitiv erhöht. Somit kann 5-HTP für einige signifikante Effekte im Zusammenhang mit Serotoninabhängigen Vorgängen verantwortlich gemacht werden [2]. Weiter zeigt die Auswertung der 15 Studien bei 56% der Studienteilnehmer eine signifikante Verbesserung der Symptome bei Depressionen. Die Dosierungen lagen dabei zwischen 50 mg und 800 mg pro Tag.
Auch wenn die Studienlage zum Einsatz von 5-HTP bei Depressionen nicht ganz eindeutig ist, so ist dennoch die pharmakologische Wirkung des Stoffes, nämlich eine Beeinflussung des Serotoninspiegels definitiv nachgewiesen. Die Tatsache, dass 5-HTP offensichtlich nicht bei allen Arten von Depressionen zu helfen vermag, verneint nicht dessen pharmakologische Wirkung. Depressionen sind von unterschiedlichster und komplexer Genese. Die Vorstellung, mit nur einer Substanz alle Arten von Depressionen heilen zu können ist schlicht abwegig. Eine neuere Studie aus dem Jahr 2020 kommt zu dem Schluss, dass 5-HTP in einer Dosierung von 50 mg täglich zu einer signifikanten Verbesserung depressiver Symptome führt [3].
Des Weiteren zeigt eine Studie an gesunden Probanden, dass nach einer Einnahme von 12,8 mg 5-HTP täglich über einen Zeitraum von 6 Wochen der Serotoningehalt in Thrombozyten um ca. 38% gestiegen ist [4].
Oral aufgenommenes 5-HTP bewirkt also hauptsächlich die Erhöhung des Serotoninspiegels im Blut und im zentralen Nervensystem. Serotonin ist ein wichtiger Botenstoff insbesondere für das Nervensystem, den Magen-Darm-Trakt und das Herz-Kreislauf-System. Die Erhöhung des Blutspiegels eines wichtigen Neurotransmitters und die daraus folgende erhebliche Beeinflussung der physiologischen Funktionen durch die Aufnahme von 5-HTP ist u. E. als pharmakologische Wirkung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG anzusehen.
Sehr hohe Gaben von 5-HTP oder eine zusätzliche Einnahme von Arzneimitteln, die den Serotoninspiegel beeinflussen (Antidepressiva) können ein sog. Serotoninsyndrom mit Hyperthermie, Erbrechen, Verwirrtheit, Unruhe und Krämpfen auslösen.
Aufgrund der wissenschaftlich belegbaren pharmakologischen Wirkung von 5-HTP in einer der Verzehrempfehlung entsprechenden Dosis (hier 200 mg) stufen wir das in Rede stehende Produkt als Funktionsarzneimittel gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AMG ein.
Da es in für den Endverbraucher abgabefertiger Form in den Verkehr gebracht wird, ist es als Fertigarzneimittel nach § 21 AMG zulassungspflichtig.
5-Hydroxytryptophan ist unter dem Begriff Oxitriptan in der Anlage 1 zu § 1 Nr. 1 der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) gelistet. 5-Hydroxytryptophanhaltige Arzneimittel unterliegen somit der Verschreibungspflicht nach § 48 AMG.
Wegen der Gefahr eines Serotoninsyndroms sehen wir das Präparat zudem als bedenklich nach § 5 AMG an. Da bei gleichzeitiger Einnahme bestimmter Antidepressiva gravierende Nebenwirkungen zu erwarten sind, sehen wir den Vertrieb von Produkten, die 5-HTP in nennenswerten Mengen enthalten als Nahrungsergänzungsmittel ohne entsprechende Warnhinweise als gefährdend für diese Patientengruppe an.
Wir weisen darauf hin, dass die letztendliche Beurteilung des in Rede stehenden Produkts der für den Vollzug des Arzneimittelrechts zuständigen Regierung von … obliegt. Wir empfehlen daher, das weitere Vorgehen mit der Regierung von … abzustimmen.
Die Beurteilung bezieht sich nur auf die im Gutachten genannten Parameter.
1. T. EH, Loftis JM, Blackwell AD. Serotonin a la carte: Supplementation with the serotonin precursor 5-hydroxytryptophan. Pharmacol Ther 2006 Mar, 109(3):325-38
2. B., T. C. (1998). 5-Hydroxytryptophan: a clinically-effective serotonin precursor. Altern Med Rev 3, 271 – 280
3. M M1, P. M, C. M, C. A, F. M, D. G. Ef. and safety of 5-hydroxytryptophan on depression and apathy in Parkinson's disease: a preliminary finding. Eur J Neurol. 2020 May; 27(5):779-786.
4. E. E1, B. M1, M. P, G. D. An open-label trial of L-5“
5
Das Landratsamt … hat den Vorgang sodann an die Regierung von … abgegeben. Mit Schreiben vom 09.09.2022 (Bl. 40 der BA) hat die Regierung von … die Antragstellerin zu einer beabsichtigten Untersagungsverfügung und der Anordnung eines Rückrufs des Produkts „5 HTP Kapseln“ angehört. Mit Schreiben vom 09.09.2022 hat die Regierung von … die Geschäftsführerin der Antragstellerin bei der Staatsanwaltschaft … wegen Verdachts des Verstoßes gegen § 95 Abs. 1 Nr. 1 i. V.m. § 5 AMG angezeigt (Bl. 50 der BA).
6
Mit Schreiben vom 23.09.2022 hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin zu den beabsichtigten Maßnahmen Stellung genommen (vgl. zum Inhalt Bl. 103 bis 135 der BA sowie die inhaltsähnliche Antragsbegründung unten), die die Regierung von … dem LGL zur fachlichen Stellungnahme vorgelegt hat. Das LGL hat dazu in seiner Stellungnahme vom 09.11.2022 (Bl. 182 der BA) Folgendes ausgeführt:
„Die Ausführungen auf den Seiten 2 bis 8 sind völlig belanglos, da die Tatsache, dass Oxitriptan früher in Arzneimitteln enthalten war von uns nicht als Argument für die Arzneimitteleigenschaft herangezogen wurde. Nur der Vollständigkeit halber weisen wir darauf hin, dass der auf Seite 7 zitierte Beschluss des OLG Frankfurt am Main in dem Schreiben fälschlicherweise auf den 15.07.2013 datiert wurde. Richtig wäre der 09.09.2013.
Weiterhin ist auch die Ausführung auf Seite 8 Nr. 2 irrelevant, da die Tatsache, dass Oxitriptan in der AMVV gelistet ist ebenfalls nicht zur Einstufung als Arzneimittel herangezogen wurde. Der Hinweis, dass die Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) nur für Arzneimittel gilt ist richtig und wird von hier aus nicht bezweifelt. Da es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt aus unserer Sicht um ein Arzneimittel handelt, ist die AMVV hier auch anzuwenden.
Auch die zahllos zitierten Urteile zur Zweifelsfallregelung auf den Seiten 11 bis 20 sind ohne Bedeutung, da von hier aus unzweifelhaft die Arzneimitteleigenschaft festgestellt wurde.
Insgesamt ist festzustellen, dass das Schreiben der Kanzlei … inhaltlich teils an den Fakten unseres Gutachtens vorbeigeht. Von Seiten des RA werden zum Teil scheinbar wahllos Ausschnitte aus Urteilen kopiert und mit kurzen Sätzen dazwischen – teils noch nicht einmal logisch – verknüpft.
1) Für die Beurteilung der pharmakologischen Wirkung ist es zunächst unerheblich, ob es sich bei dem Wirkstoff um ein Isolat oder Extrakt handelt. In dem Produkt wurde eine, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ausreichende Dosis 5-HTP für eine pharmakologische Wirkung gefunden. Die pharmakologische Wirkung von 5-HTP ist die wissenschaftlich nachgewiesene und unbestreitbare Erhöhung des Serotoninspiegels im Blut und im zentralen Nervensystem, die weit über die physiologische Beeinflussung, die durch ein üblicherweise verzehrtes Lebensmittel erzeugt werden könnte, hinausgeht. Serotonin ist ein wichtiger Botenstoff insbesondere für das Nervensystem, den Magen-Darm-Trakt und das Herz-Kreislauf-System. Die Erhöhung des Blutspiegels eines wichtigen Neurotransmitters und die daraus folgende erhebliche Beeinflussung der physiologischen Funktionen durch die Aufnahme von 5-HTP ist als pharmakologische Wirkung anzusehen.
2) Die Argumentation aus der Entscheidung des BVer[w]G vom 24.08.2022, 3 B 36.21 zu Ginkgo ist hier sinnvoll anwendbar. Es gibt keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse und keine Hinweise, dass die weiteren zugesetzten Vitamine die Wirkung des 5-HTP herabsetzen würden. Das zugesetzte Tryptophan, aus dem ebenfalls Serotonin gebildet werden kann, verstärkt hingegen den Effekt, sodass die Gefahr eines Serotoninsyndroms noch größerer Bedeutung beigemessen werden muss.
3) Hier wird aus unserer Sicht die therapeutische mit der pharmakologischen Wirkung verwechselt. Die pharmakologische Wirkung (nicht physiologische Erhöhung des Serotoninspiegels) ist definitiv nicht umstritten. Bei dem therapeutische[n] Nutzen hingegen gibt es in der Wissenschaft einen gewissen Dissens, was hier aber nicht relevant ist.
Nach der neuesten Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18.11.2021 (Az. 20 CS 21.2521) bestehe kein über die allgemeine pharmakologische Wirksamkeit hinausgehendes Erfordernis einer therapeutischen Wirksamkeit, um ein Erzeugnis als Funktionsarzneimittel einzuordnen. Zudem stamme der Begriff der therapeutischen Wirksamkeit nicht aus der Definition des Funktionsarzneimittels, sondern aus den Regelungen über die Zulassung eines Arzneimittels (vgl. § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Satz 3 AMG und Erwägungsgrund 7, Art. 26 Abs. 1 Buchst. B der RL 2001/83/EG. Der auf Grund eines Vorlagebeschlusses des BVerwG an den EuGH ergangenen Rechtsprechung ließe sich auch nicht entnehmen, dass der EuGH über das Vorliegen einer pharmakologischen Wirkung hinaus für die Entscheidung, ob es sich bei einem Erzeugnis um ein Arznei- oder um ein Lebensmittel handele, auf den therapeutischen Nutzen abstelle. Weiterhin seien zusätzlich auch mögliche Gesundheitsrisiken als eigenständiger Faktor zu berücksichtigen. Den möglichen Gesundheitsrisiken komme besonderes Gewicht dann zu, wenn die Auswirkungen eines Erzeugnisses auf die physiologischen Funktionen im Grenzbereich zwischen Nahrungsergänzungsmittel- und Arzneimitteleigenschaft lägen (EuGH, U. v. 09.06.2005 – C 211/03). Da das streitgegenständliche Produkt die Gefahr der Erzeugung eines Serotoninsyndroms birgt, ist das Gesundheitsrisiko hier zusätzlich mit in die Entscheidung, ob es sich um ein Funktionsarzneimittel handelt mit einzubeziehen.
4) Anhand der in unserem Gutachten zitierten Studien soll die pharmakologische Wirkung von 5-HTP und nicht der therapeutische Nutzen gezeigt werden. In der Studie von E. et al. konnte trotz einer geringen Dosierung von 5-HTP eine signifikante […] Erhöhung des Serotoninspiegels in Thrombozyten gezeigt werden. Der „romantische Stress“ ist dabei für unsere Argumentation irrelevant. In der Publikation von T. C. und B., N.D. (Alternative Medicine Review, Volume 3, Number 4 [1998]) kommen die Autoren eindeutig zu dem Schluss, dass 5-HTP eine signifikante Erhöhung des Serotoninspiegels (und weiteren Neurotransmittern) im zentralen Nervensystem bewirkt: ‚5-HTP acts primarily by increasing levels of serotonin within the central nervous system. Other neurotransmitters and CNS chemicals, such as melatonin, dopamine, norepinephrine, and beta-endorphin have also been shown to increase following oral administration of 5-HTP. This ability to increase not only serotonin levels in the brain, but also dopamine and norepinephrine, allows 5-HTP to produce some significant and unique effects on brain chemistry and on serotonin-related conditions which other substances, including LT, cannot duplicate.‘ Weiterhin wurde in dieser Publikation festgestellt, dass 5-HTP nach oraler Aufnahme sehr gut absorbiert wird. Ca. 70% des konsumierten 5-HTP werden in den Blutkreislauf aufgenommen. Der Serotoninspiegel im Gehirn ist von dem 5-HTP-Level im zentralen Nervensystem abhängig. Da 5-HTP die Blut-Hirn-Schranke sehr gut passieren kann, beeinflusst die Aufnahme von 5-HTP zwangsläufig den Serotoninspiegel des Gehirns.“
7
Die Regierung von … hat am 22.12.2022 einen Bescheid folgenden Inhalts erlassen:
1. Der Firma …, vertreten durch die Geschäftsführerin (…), wird mit sofortiger Wirkung untersagt, das Arzneimittel „5 HTP Kapseln“ in den Verkehr zu bringen, indem sie dieses an Dritte abgibt.
[2: Rückrufverpflichtung]
[3: Nebenbestimmungen hinsichtlich der Umsetzung der Nr. 2 des Bescheids]
4. Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffer 1 dieses Bescheides wird angeordnet.
[5. Zwangsgeldandrohung zu Nummer 1 des Bescheides]
[6. und 7.: Kostentragung und Bescheidgebühr]
8
Die Rechtsgrundlage für die Untersagung des Inverkehrbringens des Arzneimittels „5 HTP Kapseln“ sei § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Bei dem verfahrensgegenständlichen Produkt „5 HTP Kapseln“ handele es sich ausweislich des Gutachtens des LGL vom 08.08.2022 um ein Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG. Die Regierung von … schließe sich dem Gutachten des LGL vom 08.08.2022 an. In ihrem Bescheid hat die Regierung von … zu den Fragen der wissenschaftlich nachgewiesenen pharmakologischen Wirkung des streitgegenständlichen Produkts, zu der Frage des Erfordernisses einer therapeutischen Wirksamkeit eines Arzneimittels, auf die Bewertung des Produkts als Kombinationspräparat sowie zur angeführten Zweifelsfallregelung und der Tatsache, dass Oxitriptan früher in Arzneimitteln enthalten gewesen und in der AMVV gelistet sei, im Wesentlichen die Ausführungen im Gutachten und der Stellungnahme des LGL vom 08.08.2022 bzw. 09.11.2022 wiedergegeben. Inwiefern Griffonia-Extrakt in anderen EU-Ländern in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten sein dürfe, sei für die Einstufung von Produkten im Geltungsbereich des AMG nicht maßgeblich. Es bleibe den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union freigestellt, zum Schutz ihrer Bürger strengere Regelungen anzuwenden. Richtig sei, dass die Samen und andere Pflanzenteile von Griffonia simplicifolia in der Positivliste Italiens als zulässige Bestandteile von Nahrungsergänzungsmitteln aufgeführt seien. Ausdrücklich nicht aufgeführt seien aber (und um solche handele es sich hier) Extrakte aus den Samen von Griffonia simplicifolia. 5-HTP werde dagegen im Novel-Food Katalog der Europäischen Gemeinschaft als neuartiges Lebensmittel aufgeführt, und zwar ausdrücklich unabhängig davon, ob es sich um synthetisch hergestelltes 5-HTP handele, oder ob es aus Griffonia Samen isoliert worden sei. In der aktuellen Unionsliste zugelassener neuartiger Lebensmittel sei 5-HTP dagegen noch nicht aufgeführt. Für die Aufnahme in die Unionsliste zugelassener neuartiger Lebensmittel müsste erst die Sicherheitsbewertung gem. der Novel-Food-Verordnung durchlaufen werden. Dadurch verbiete sich bereits lebensmittelrechtlich der Einsatz von 5-HTPreichen Extrakten aus Griffoniasamen in Nahrungsergänzungsmitteln und die Nennung von Griffoniasamen in der zitierten Liste könne schon aus diesem Grund kein Argument gegen eine Einstufung von Produkten mit Griffonia-Samenextrakten als Arzneimittel sein. Denn der Samenextrakt sei dort eben gerade nicht als erlaubte Zutat angegeben. Eine Einstufung als nicht zugelassenes neuartiges Lebensmittel durch die EU könne auch nicht dahingehend interpretiert werden, dass es sich bei dem entsprechenden Stoff zwangsläufig um ein Lebensmittel handeln müsse.
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Für das Produkt „5-HTP Kapseln“ liege keine Zulassung nach § 21 Abs. 1 AMG vor, noch sei eine solche beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beantragt worden. Das Produkt „5-HTP Kapseln“ erfülle die Voraussetzungen eines Fertigarzneimittels, da es im Voraus hergestellt worden sei und sich in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung befinde.
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Das Arzneimittel sei demnach nach Ausübung des eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens folglich nicht mehr in den Verkehr zur bringen. Zur Durchsetzung des Normzwecks nach § 1 AMG sei hier ein behördliches Einschreiten dringend geboten und erforderlich. Gem. § 95 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 AMG stelle das Inverkehrbringen eines bedenklichen Arzneimittels sowie gem. § 96 Nr. 5 AMG i.V.m. § 21 Abs. 1 AMG das Inverkehrbringen eines zulassungsbedürftigen Arzneimittels ohne Zulassung eine Straftat dar. Die Verhinderung einer Straftat wirke ebenfalls ermessensbestimmend. Die Untersagung beeinträchtige die Antragstellerin auch nicht unverhältnismäßig in ihrer Berufs- und Gewerbefreiheit. Es könne nicht hingenommen werden, dass die Antragstellerin durch Umgehung des Zulassungsverfahrens für die vertriebenen Arzneimittel bessergestellt sei als pharmazeutische Unternehmen, die sich gesetzeskonform verhielten. Sie habe die Möglichkeit, bei der zuständigen Behörde (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte) eine arzneimittelrechtliche Zulassung für „5 HTP Kapseln“ zu beantragen. Ihr werde folglich nur der wirtschaftliche Vorteil genommen, der in der Ausnutzung des regelmäßig weniger kostenintensiven Inverkehrbringens als Nahrungsergänzungsmittel liege. Ihr werde auch lediglich das Inverkehrbringen eines einzelnen Produkts untersagt, das übrige Warenangebot sei von der Untersagungsanordnung nicht betroffen.
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Zu der Sofortvollzugsanordnung führt die Regierung von … aus, dass diese anzuordnen gewesen sei, da das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der Anordnung das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung einer möglichen Klage überwiege. Als maßgebliches Interesse des Betroffenen an einer aufschiebenden Wirkung könne dessen wirtschaftliches Interesse herangezogen werden. Die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin müssten gegenüber den Interessen der Allgemeinheit insbesondere an einer körperlichen Unversehrtheit allerdings zurückstehen. Bei dem Produkt handele es sich um ein als Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr gebrachtes nicht zugelassenes Arzneimittel, bei dem ausweislich des Gutachtens des LGL insbesondere ein bedenkliches Arzneimittel nach § 5 AMG vorliege. Einer Zulassung gemäß § 21 AMG für Fertigarzneimittel durch die zuständige Bundesoberbehörde bedürfe es, da vor Inverkehrbringen dieser Produkte der Nachweis der Qualität, der Wirksamkeit und der Unbedenklichkeit verlangt werde. Mit der Zulassungspflicht sei die Gefährdungshaftung im Sinne des § 84 AMG verknüpft. Diese solle sicherstellen, dass der Zulassungsinhaber für eventuelle Schädigungen durch Anwendung des Arzneimittels aufkommen und damit seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen könne. Diese Absicherung resultiere insbesondere daraus, dass Arzneimittel unausweichlich mit Nebenwirkungen und Wechselwirkungen belastet seien, auch wenn sie entsprechenden Prüfungen unterzogen worden seien. Die Vorschriften der Zulassung und der Gefährdungshaftung würden somit der Arzneimittelsicherheit und dem Verbraucherschutz dienen. Ein solcher Schutz sei bei nicht zugelassenen Arzneimitteln nicht gegeben. Arzneimittel, die nicht zugelassen oder registriert und von der Zulassung oder Registrierung nicht befreit seien, seien somit geeignet, einen Schaden für Gesundheit und Leben darzustellen. Diese Arzneimittel würden also eine Gefährdung der Allgemeinheit darstellen. Es entspreche der Zielsetzung des Arzneimittelgesetzes, dass das generell mit dem Inverkehrbringen eines nicht zugelassenen Arzneimittels verbundene gesundheitliche Risiko bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Eingriffsmaßnahme unterbunden werden dürfe, ohne das Ergebnis eines meist langwierigen Rechtsmittelverfahrens abzuwarten. Dies werde im konkreten Einzelfall dadurch verstärkt, dass das Produkt eine nicht unerhebliche Menge des Wirkstoffs 5-Hydroxytryptophan enthalte. 5-HTP werde nach oraler Aufnahme zu 47% bis 84% in den systemischen Kreislauf aufgenommen und dort nahezu vollständig zu Serotonin umgesetzt. Ein großer Teil des über das Nahrungsergänzungsmittel eingenommenen 5-HTPs werde also in der Leber verstoffwechselt und als Serotonin ans Blut abgegeben. Ein Überschuss des Neurotransmitters Serotonin an Synapsen des zentralen und peripheren Nervensystems (Serotonin-Syndrom) könne zu diversen Nebenwirkungen wie z. B. Erbrechen, Durchfall, Bluthochdruck, Tachykardie, Fieber, Schwindel, Verwirrung, Krämpfe, Rhabdomyolyse oder Hyperthermie führen. Als Langzeitschäden bei Daueranwendung könnten Endokard-Fibrosen auftreten, die zu Herzinsuffizienz oder Pulmonalstenose führen können (wurde im Einzelnen belegt). Ein Serotonin-Syndrom sei potenziell lebensbedrohlich. Das Serotonin-Syndrom werde auch oft durch eine Kombination von Substanzen ausgelöst, die die Konzentration von Serotonin im synaptischen Spalt erhöhen würden. Dazu würden Stoffe gehören, die die Hemmung der Serotonin-Wiederaufnahme, die Hemmung des Serotonin-Metabolismus, die Steigerung der Serotonin-Synthese, die Erhöhung der Serotonin-Freigabe oder die Stimulation der Serotonin-Rezeptoren bewirkten. Zusätzlich würden z. B. auch bestimmte Antibiotika, stimmungsaufhellende Präparate mit Johanniskraut, Erkältungs- und Hustenmittel mit Dextromethorphan oder Chlorphenamin sowie Tryptophanhaltige Produkte zu den serotonergen Substanzen zählen, die in Kombination mit 5-HTP ein Serotonin-Syndrom auslösen könnten. Da auf dem Präparat gerade keine Nebenwirkungen angeführt würden, sei der Verbraucher in der Regel nicht hinreichend gegenüber den potenziellen Gefahren – gerade im Hinblick auf Wechselwirkungen mit anderen Präparaten – sensibilisiert. Für das Produkt bestehe damit nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht, dass es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen habe, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen würden. Würde die sofortige Vollziehung nicht angeordnet, würde eines der maßgeblichen Ziele des AMG von der Firma über einen größeren Zeitraum vereitelt und eine unbestimmte Vielzahl von Personen in absolut geschützten Rechtsgütern gefährdet. Der Gesetzgeber habe durch das vorgegebene Kontrollverfahren versucht zu gewährleisten, dass die entsprechenden Anforderungen erfüllt werden. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei daher zum Schutz der Gesundheit und des Lebens der Verbraucher als höherrangige Rechtsgüter geboten gewesen. Das Inverkehrbringen des nicht zugelassenen Arzneimittels sei vor diesem Hintergrund damit ab sofort zu untersagen.
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2. Mit Schriftsatz vom 03.01.2023, der an demselben Tag bei Gericht eingegangen ist, hat die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten Klage gegen den Bescheid erhoben und zugleich einen Eilantrag gestellt. Hinsichtlich des Eilantrags hat der Prozessbevollmächtigte beantragt:
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Die aufschiebende Wirkung der Klage wird wiederhergestellt in Bezug auf Ziff. 1 des Bescheides.
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Zur Begründung hat er das Folgende ausgeführt: Die Sofortvollzugsanordnung genüge nicht den formellen Anforderungen. Sie werde hier nur kursorisch mit dem angeblichen besonderen öffentlichen Interesse der Maßnahmen begründet. Diese pauschalen Ausführungen ließen keinen Bezug auf den Einzelfall erkennen, insbesondere auch nicht zum Ausmaß der angeblichen Gesundheitsrisiken durch das spezifische Präparat. Der Antragsgegner setze sich in keiner Weise mit der tatsächlichen Dosis von 5-HTP in dem Produkt auseinander. Die bloße Erhöhung des Serotoninspiegels als solche genüge offensichtlich nicht für die Annahme eines Gesundheitsrisikos, denn auch der Verzehr von Schokolade erhöhe bekanntermaßen den Serotoninspiegel. Es sprächen gewichtige Gründe dafür, dass der Bescheid rechtswidrig sei und die Antragstellerin in den Rechten verletze. Er ist der Auffassung, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt nicht um ein zulassungspflichtiges Funktionsarzneimittel handle. Es erfülle die Definition des Nahrungsergänzungsmittels in § 1 Abs. 1 NemV. Allein der Umstand, dass für einen Stoff eine positive Aufbereitungsmonographie mit einer bestimmten Dosierung bestehe, sage darüber nichts aus, ob der Stoff auch tatsächlich pharmakologisch wirke und nennt hierfür als Beispiel Vitamin C, Selen und Knoblauch. Aus der Tatsache, dass 5-HTP unter dem Begriff „Oxitriptan“ in der Arzneimittelverschreibungsverordnung (AMVV) gelistet sei, lasse sich ebenfalls keine Arzneimitteleigenschaft des Produktes herleiten. Es handle sich vorliegend nicht um 5-HTP-Isolat, sondern um das Extrakt der Pflanze Griffonia simplicifolia. Das vertriebene Produkt enthalten zudem die weiteren Zutaten, u.a. L-Tryptophan in signifikanten Dosierungen. Für diese Kombination der Zutaten gebe es schlicht keine wissenschaftlichen Untersuchungen, geschweige denn einen Nachweis einer pharmakologischen und einer therapeutischen Wirkung des Produktes. Nach der einschlägigen Rechtsprechung müsse die Behörde jedoch die Eigenschaft als Funktionsarzneimittel positiv nachweisen, eine bloße Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit reiche dafür nicht. Der Prozessbevollmächtigte führt aus, dass der Antragsgegner die Zweifelsfallregelung und somit die Arzneimittelrichtlinie (2001/83/EG) nicht hätte anwenden dürfen. Es gebe keine entsprechenden Nachweise dafür, dass das Produkt objektiv geeignet sei, für therapeutische Zwecke eingesetzt zu werden und die Funktion der Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden habe. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts scheide die Einstufung des Funktionsarzneimittels zwingend aus. Es fehle nicht nur an dem konkreten Nachweis der Wirkung des streitgegenständlichen Produktes der Antragstellerin, generell sei die Wirkung von 5-HTP wissenschaftlich umstritten. In der Vergangenheit sei für isoliertes 5- HTP diskutiert worden, ob es eine Wirkung zur Behandlung von Depressionen haben könne. In Deutschland sei jedoch kein zugelassenes Arzneimittel mit diesem Wirkstoff bekannt. Darüber hinaus sei mittlerweile eine solche Wirkung des isolierten Wirkstoffes 5-HTP wissenschaftlich zumindest umstritten. Die Verwendung des Extrakts in Nahrungsergänzungsmitteln sei in Italien nach erfolgter Prüfung der Sicherheit und Wirksamkeit in einer Positivliste aufgenommen worden. Dort heiße es „Normale Stimmungslage. Geistige Entspannung und geistiges Wohlbefinden. Entspannung und Schlaf. Kontrolle des Hungergefühls“. Vor Aufnahme der entsprechenden Pflanzen in die italienische Positivliste sei – unter Hinweis auf einen Aufsatz von C. et al. – eine intensive Überprüfung auf deren Sicherheit erfolgt. Da Griffonia simplicifolia in die Positivliste aufgenommen worden sei, sei somit die erfahrungsgemäße Unbedenklichkeit bestätigt. Hierzu sei festzustellen, dass das streitige Präparat nicht 5-Hydroxy-L-tryptophan als reinen Wirkstoff enthalte. Für das konkrete streitgegenständliche Präparat gebe es dagegen keine wissenschaftlichen Untersuchungen. Der Prozessbevollmächtigte bemängelt, dass die im Gutachten des LGL zugrunde gelegte Publikation von E. et al., 2010, keine taugliche Grundlage für die Einstufung des Produkts sei, insbesondere moniert er das Fehlen einer sauber definierten Probandengruppe mit einer klinisch definierten Ausgangslage. Zudem fehle eine Placebokontrolle. Nichts Anderes ergebe sich aus der Publikation von M. et al., 2020. Der Nachweis einer pharmakologischen Wirkung oder eines irgendwie gearteten Gesundheitsnutzens sei somit für isoliertes 5-HTP nicht erbracht. Erst recht gelte dies für die hier streitige Produktzusammensetzung. Der EuGH setze voraus, dass ein Produkt – in Abgrenzung gegenüber Nahrungsergänzungsmitteln – die Funktion der Verhütung oder Heilung besitzen müsse. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Der Antragsgegner verkenne, dass der Nachweis einer pharmakologischen Wirkung eines Funktionsarzneimittels zwingend voraussetze, dass eine positive Beeinflussung der Gesundheit wissenschaftlich nachgewiesen sei, auch wenn es nicht des Nachweises einer therapeutischen Wirkung bei kranken Patienten bedürfe. Diesen Nachweis habe der Antragsgegner nicht erbracht. Der bloße Umstand, dass der Serotoninspiegel erhöht werde, ist nicht mit einer positiven Beeinflussung der menschlichen Gesundheit gleichzusetzen. Alle weiteren von dem Antragsgegner in Anspruch genommenen Effekte seien wissenschaftlich umstritten, wie sich aus den obigen Ausführungen ergebe. Der EuGH habe festgestellt, dass eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen nicht ausreiche, sondern dass darüber hinaus eine Arzneimitteleigenschaft voraussetze, dass die Stoffe geeignet seien, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein. Dieser Nachweis sei hier nicht erbracht. Im Übrigen sei die Erhöhung des Serotoninspiegels nichts Ungewöhnliches und könne mit einer Vielzahl von Lebensmitteln des Alltags erreicht werden, wie z.B. selbst Schokolade. Die Erhöhung des Serotoninspiegels sei somit ein physiologischer Vorgang, der nicht über das hinausgehe, was auch durch die Aufnahme von Lebensmitteln erreicht werden könne. Da der Antragsgegner maßgeblich die angebliche pharmakologische Wirkung auf eine Erhöhung des Serotoninspiegels stütze, sei somit festzustellen, dass durch die Antragstellerin substantiiert dargelegt worden sei, dass eine entsprechende Erhöhung des Serotoninspiegels auch über Lebensmittel des Alltags möglich sei, so dass von dem Antragsgegner kein Nachweis dafür erbracht worden sei, dass mit dem streitgegenständlichen Produkt Wirkungen auf den menschlichen Körper erzielt würden, die über eine normale Nahrungsaufnahme hinausgingen. Der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln mit Griffonia-Extrakt sei in Deutschland und der Europäischen Union üblich, die Zusammensetzung und die Modalitäten des Gebrauchs, der Umfang der Verbreitung und seine Bekanntheit bei den Verbrauchern würden somit für eine Einstufung als Nahrungsergänzungsmittel und gegen ein Arzneimittel sprechen. Im Ergebnis sei festzustellen, dass ein erhöhter Serotoninspiegel nicht gleichzusetzen sei mit einer positiven Beeinflussung der Gesundheit. Unabhängig davon stehe nicht fest, in welchem Umfang der Serotoninspiegel durch das Produkt überhaupt erhöht werde. Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit seien nur gerechtfertigt, wenn ein Gesundheitsrisiko konkret festgestellt sei. Soweit der Antragsgegner in diesem Zusammenhang auf angebliche Gesundheitsrisiken von 5-HTP verweise, sei festzustellen, dass er sich hier in keiner Weise mit der tatsächlichen Dosis von 5-HTP in dem Produkt auseinandersetze. Die bloße Erhöhung des Serotoninspiegels als solche genüge offensichtlich nicht für die Annahme eines Gesundheitsrisikos. Denn auch der Verzehr von Schokolade erhöhe bekanntermaßen den Serotoninspiegel, weshalb immer wieder diskutiert werde, ob Schokolade essen glücklich mache. Dies solle mit dem Anstieg des Serotoninspiegels zusammenhängen. Niemand komme deshalb auf die Idee, den Vertrieb von Schokolade zu untersagen und einen Sofortvollzug wegen der Erhöhung des Serotoninspiegels und des sich daraus ergeben könnenden Serotoninsyndroms anzuordnen. Auch Wasser sei, abhängig von der Dosis, potentiell lebensgefährlich. Die Anordnung des Sofortvollzugs mit dem pauschalen Verweis darauf, dass das Produkt zu einer Erhöhung des Serotoninspiegels führe und dass ein Serotoninsyndrom lebensbedrohlich sein könne, lasse keinen notwendigen Einzelfallbezug auf die hier streitige Dosis erkennen.
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Die Regierung von … hat für den Antragsgegner beantragt,
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Die Regierung von … habe die Sofortvollzugsanordnung ordnungsgemäß begründet, es fehle nicht am insoweit erforderlichen Einzelfallbezug. Sie habe hinreichend dargestellt, dass von dem hier in Rede stehenden Präparat ein nicht unerhebliches gesundheitliches Risiko ausgehe, aufgrund dessen vorliegend ein über das reine öffentliche Erlassinteresse an der arzneimittelrechtlichen Ordnungsverfügung hinausgehendes öffentlichen Vollzugsinteresse bestehe, welchem in der Abwägung mit dem partikulären Suspensivinteresse der Antragstellerin der Vorrang gebühre. Ob diese Begründung sachlich trägt, sei keine Frage des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern derjenigen nach den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweise die Regierung insoweit auf die Begründung des Bescheids vom 22.12.2022 und mache diesen zum Gegenstand ihres Vortrags. Des Weiteren verweise sie in fachlicher Hinsicht auf das Gutachten des LGL vom 08.08.2022 und dessen ergänzende Stellungnahme vom 09.11.2022. Soweit in der Antragsschrift zusätzlich geltend gemacht werde, dass die Erhöhung des Serotoninspiegels ein physiologischer Vorgang sei, der nicht über das hinausgehe, was auch durch die Aufnahme von Lebensmitteln wie z.B. Schokolade erreicht werden könne und dass auch nicht feststehe, in welchem Umfang der Serotoninspiegel durch das konkrete Produkt überhaupt erhöht werde, so verweist die Regierung auf die dem Antragserwiderungsschriftsatz beigefügte ergänzende Stellungnahme des LGL vom 09.01.2023, in welcher dieses bestätigt habe, dass bereits ab einer Dosierung von 12,5 mg 5-HTP/Tag (gemeint wohl 12,8 mg 5-HTP/Tag) der Serotoninspiegel signifikant erhöht werde. Diese Dosierung werde bei dem streitgegenständlichen Produkt unter Berücksichtigung der empfohlenen täglichen Aufnahmemenge von 200 mg/Tag deutlich überschritten. Insbesondere die Einnahme von SSRI (Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren) zusammen mit 5-HTP könne danach ein Serotonin-Syndrom auslösen. Vor diesem Hintergrund könne eine durch die Einnahme des hier in Rede stehenden Präparats bedingte Gesundheitsgefahr nicht ernsthaft in Abrede gestellt werden. Da 5-HTP nicht in Lebensmitteln des Alltags enthalten sei, sei eine Diskussion über das Überschreiten einer Erheblichkeitsschwelle überflüssig. Die Wirkungen, die mit der Aufnahme des streitgegenständlichen Produkts erzielt würden, gingen weit über die, die mit einer normalen Nahrungsaufnahme vergleichbar wären, hinaus. Tryptophan komme in Schokolade in so geringer Menge vor, dass ein Einfluss auf die Stimmungslage menschlicher Konsumenten als unwahrscheinlich angesehen werden müsse. Ein Zusammenhang mit dem Serotoninspiegel könne allenfalls durch den hohen Zuckergehalt von Schokolade hergeleitet werden. Kohlenhydrate würden beim Verzehr zu einer Freisetzung von Insulin führen, welches wiederum den Transport von Tryptophan ins Gehirn fördere. Dort werde Tryptophan dann in Serotonin verstoffwechselt. Ein Serotoninsyndrom nach Schokoladenkonsum sei nicht bekannt, bei Kenntnis der Datenlage zu den Inhaltsstoffen von Schokolade und der menschlichen Physiologie aber auch kaum anzunehmen. Auch Protein-Konsum führe nicht zu einem Serotoninsyndrom, obwohl dem Körper dadurch große Mengen des Syntheseausgangsstoffes Tryptophan zugeführt werden könnten.
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§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO entsprechend verweist das Gericht wegen der Einzelheiten auf die Schriftsätze der Beteiligten des Verfahrens sowie auf die dem Gericht vorgelegte elektronische Behördenakte.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Die Sofortvollzugsanordnung ist formell rechtmäßig (unter 1.), die originäre Ermessensentscheidung geht zu Lasten der Antragstellerin aus, da der Bescheid nach summarischer Prüfung rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (unter 2.).
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1. Die Sofortvollzugsanordnung ist formell rechtmäßig, insbesondere hat sie der Antragsgegner ordnungsgemäß im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet.
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a. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO hat die Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO besonders zu begründen. Dabei rechtfertigt allein das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes – hier der Anordnung in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides – regelmäßig nicht die Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 VwGO ist der gesetzliche Regelfall, ungeachtet dessen, dass stets ein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines (rechtmäßigen) Verwaltungsaktes besteht. Da es sich bei der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach der Wertung des Gesetzgebers um einen Ausnahmefall handelt, muss neben das ohnehin bestehende öffentliche Interesse an der Umsetzung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes (Erlassinteresse) ein besonderes Vollzugsinteresse treten, das das Absehen vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung und die Befugnis der Behörde, einen Verwaltungsakt auch schon vor Eintritt der Bestandskraft mit Zwangsmitteln durchzusetzen (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 und 3 VwZVG, § 6 Abs. 1 VwVG), zu rechtfertigen vermag (zu den materiellen Anforderungen an das Dringlichkeitsinteresse vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2020 – 12 CS 20.1750 – juris Rn. 42 ff.). Diesem Erfordernis trägt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Rechnung. Die Behörde muss sich der Ausnahmesituation bewusst werden und das besondere Vollzugsinteresse begründen, wenn sie vom Regelfall abweicht und die sofortige Vollziehung anordnet. Die Norm dient darüber hinaus dem Rechtsschutz des Betroffenen, der ausgehend von der Begründung die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs besser einschätzen können soll (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 54). Zwar kommt es zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht darauf an, ob die gegebene Begründung inhaltlich richtig und sachlich geeignet ist, ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen. Dieser materiell-rechtliche Aspekt fließt in die originäre Ermessensentscheidung des Gerichts im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ein und wird durch sie ersetzt. Nicht ausreichend für das formale Begründungserfordernis ist aber eine formelhafte, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogene Begründung, aus der nicht erkenntlich wird, ob und aus welchen Gründen die Behörde vom Vorliegen eines Ausnahmefalls ausgegangen ist, der ein Abweichen vom Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO rechtfertigen kann (vgl. Hoppe in Eyermann, a.a.O., § 80 Rn. 55; vgl. BayVGH, B.v. 4.10.2021 – 20 CS 20.341 – juris Rn. 4).
21
b. Diesen Maßstab zugrunde gelegt genügt die Begründung der Nr. 4 des angefochtenen Bescheids vom 22.12.2022 den dargestellten Anforderungen. Die Begründung lässt erkennen, dass sich die anordnende Behörde besonderer Umstände des Einzelfalls bewusst war, die eine Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen können. Der Antragsgegner argumentiert im Wesentlichen mit dem gesundheitlichen Risiko des Inverkehrbringens eines nicht zugelassenen Arzneimittels. Dieses werde im konkreten Einzelfall dadurch verstärkt, dass das Produkt eine nicht unerhebliche Menge des Wirkstoffs 5-Hydroxytryptophan enthält. 5-HTP werde verstoffwechselt und als Serotonin ans Blut abgegeben. Ein Überschuss von Serotonin könne zu diversen Nebenwirkungen führen (z.B. Erbrechen, Durchfall, Bluthochdruck, Tachykardie, Fieber, Schwindel, Verwirrung, Krämpfe, Rhabdomyolyse oder Hyperthermie). Als Langzeitschäden bei Daueranwendung könnten Endokard-Fibrosen auftreten, die zu Herzinsuffizienz oder Pulmonalstenose führen können. Ein Serotonin-Syndrom sei potenziell lebensbedrohlich. Das Serotonin-Syndrom werde auch oft durch eine Kombination von Substanzen ausgelöst, die die Konzentration von Serotonin im synaptischen Spalt erhöhen. Da auf dem Präparat gerade keine Nebenwirkungen angeführt würden, sei der Verbraucher in der Regel nicht hinreichend gegenüber den potenziellen Gefahren – gerade im Hinblick auf Wechselwirkungen mit anderen Präparaten – sensibilisiert. Für das Produkt bestehe damit nach dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse der begründete Verdacht, dass es bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche Wirkungen habe, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgingen.
22
Nach diesen Ausführungen lässt sich erkennen, dass die zuständige Behörde nicht wegen einer abstrakten Gefährlichkeit nicht zugelassener Arzneimittel, sondern gerade wegen des Inhalts und der Aufmachung des konkreten streitgegenständlichen Produkts und der sich daraus ergebenden Gefahren für die Gesundheit von Menschen die sofortige Vollziehbarkeit der Nr. 1 des Bescheids angeordnet hat. Diese Ausführungen der Behörde – die die Behörde sogar zum Teil mit Quellen untermauert hat – befassen sich hinreichend mit dem Einzelfall, weshalb die Sofortvollzugsanordnung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gerecht wird.
23
2. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. Bei dieser Entscheidung hat es das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Lässt sich schon bei summarischer Prüfung eindeutig feststellen, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist und den Betroffenen in seinen Rechten verletzt, sodass ein Widerspruch oder eine Klage wohl Erfolg haben werden, kann in der Regel kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts bestehen. Kann im summarischen Verfahren noch keine eindeutige Antwort auf die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts gegeben werden, weil z.B. der der Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt noch weiterer Aufklärung bedarf oder weil sich die Erfolgsaussichten nicht ohne die Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens usw. beurteilen lassen, bedarf es einer Abwägung der öffentlichen Interessen am Sofortvollzug gegenüber den Interessen des Betroffenen an der eigentlich von Gesetzes wegen grundsätzlich vorgesehenen aufschiebenden Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs. Erweist sich eine angefochtene Verfügung bereits bei summarischer Überprüfung im Aussetzungsverfahren als offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt in der Regel das Interesse an ihrem sofortigen Vollzug.
24
Gemessen hieran fällt die originäre Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus, da sich der Bescheid vom 22.12.2022 bei der gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage in Nr. 1 als voraussichtlich rechtmäßig erweist und die Rechte der Antragstellerin nicht verletzt, sodass die eingelegte Anfechtungsklage voraussichtlich keinen Erfolg haben wird (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1, § 80 Abs. 5 VwGO).
25
a. Die Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Bescheids ist § 69 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 i.V.m. § 69 Abs. 1 Satz 1 AMG. Danach kann die zuständige Behörde insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung für diese nicht vorliegt.
26
b. Der Bescheid ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Bei dem streitgegenständlichen Produkt handelt es sich um ein nicht zugelassenes Arzneimittel (unter aa.), zudem ist die Ermessensentscheidung des Antragsgegners nicht zu beanstanden (unter bb.).
27
aa. Bei dem Produkt „5 HTP extra Kapseln“, das die Antragstellerin vertreibt, spricht nach summarischer Prüfung Überwiegendes dafür, dass es sich hierbei um ein Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG (bzw. Art. 2 Abs. 3d VO [EG] Nr. 178/2002 i.V.m. Art. 1 Nr. 2b RL 2001/83/EG) handelt.
28
Der Arzneimittelbegriff ist in § 2 AMG geregelt. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 1 AMG sind Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes Arzneimittel, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind. Gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a AMG sind dies u.a. Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen.
29
(a) Ob ein Erzeugnis unter die Begriffsbestimmung eines Funktionsarzneimittels fällt, bedarf nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer Einzelfallprüfung, bei der alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen sind. Hierbei sind die pharmakologischen Eigenschaften das wesentliche Kriterium, auf dessen Grundlage, ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses, zu beurteilen ist, ob ein Funktionsarzneimittel vorliegt. Kann ein Erzeugnis bei bestimmungsgemäßer Anwendung die physiologischen Funktionen nicht nachweisbar und in nennenswerter Weise durch eine pharmakologische (oder immunologische oder metabolische) Wirkung wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen, kommt eine Einstufung als Funktionsarzneimittel nicht in Betracht. Danach ist die pharmakologische Wirkung zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition des Arzneimittels fällt (vgl. BVerwG, U.v. 17.8.2017 – 3 C 18/15 – juris Rn. 12 mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Pharmakologische Wirkung setzt eine gezielte Steuerung von Körperfunktionen von außen voraus. Eine Wirkung ist pharmakologisch, wenn sie auf Grund einer Wechselwirkung zwischen den Molekülen der in Frage stehenden Substanz und einem Zellbestandteil (Rezeptor) eintritt, die entweder in einer direkten Reaktion oder in der Blockierung einer Reaktion zu einem anderen Wirkstoff besteht (vgl. Weber in Weber/Kornprobst/Maier, Betäubungsmittelgesetz: BtMG, 6. Aufl. 2021, § 2 AMG Rn. 76). Eine Beeinflussung ist gegeben, wenn Zustände beeinträchtigt oder geändert werden, wobei die Veränderung außerhalb der normalen, im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liegen muss (Dr. K. in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 243. EL 2022, § 2 AMG Rn. 13 ff. m.w.N.).
30
Auch nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (z.B. U.v. 15.1.2009 – C 140/07 – juris) ist die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter die Definition eines Funktionsarzneimittels fällt, von Fall zu Fall zu treffen. Dabei sind alle Merkmale des Erzeugnisses zu berücksichtigen, insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen und metabolischen Eigenschaften, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken seiner Verwendung.
31
Nicht erfasst vom Begriff des Funktionsarzneimittels sind Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein. Für die Annahme einer positiven Beeinflussung der physiologischen Funktionen reicht aus, dass die betreffenden Stoffe eine positive Wirkung für das Funktionieren des menschlichen Organismus und folglich für die menschliche Gesundheit haben, und zwar auch ohne dass eine Krankheit vorliegt. Das Produkt muss objektiv geeignet sein, für therapeutische Zwecke eingesetzt zu werden (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2019 – 3 C 19/18 – juris Rn. 23 m.w.N.; U.v. 20.11.2014 – 3 C 25/13 – juris Rn. 19; Weber in Weber/Kornprobst/Maier, Betäubungsmittelgesetz: BtMG, 6. Aufl. 2021, § 2 AMG Rn. 54 m.w.N.). Erzeugnisse, die ausschließlich zu Entspannungs- oder Rauschzwecken konsumiert werden und dabei gesundheitsschädlich sind, können nicht als Arzneimittel eingestuft werden (vgl. Weber in Weber/Kornprobst/Maier, Betäubungsmittelgesetz: BtMG, 6. Aufl. 2021, § 2 AMG Rn. 52 m.w.N.)
32
Des Weiteren folgt aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (vgl. z.B. EuGH, U.v. 15.1.2009 – C-140/07 – juris Rn. 40; v. 30.4.2009 – C-27/08 – juris Rn. 19; v 6.9.2012 – C-308/11 – juris Rn. 33) gerade zur Abgrenzung von Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln (die regelmäßig auch eine physiologische Wirkung besitzen), dass die pharmakologische oder metabolische Wirkung eines Stoffes nur dann die Zuordnung eines Stoffes zu den Arzneimitteln rechtfertigen kann, wenn sie eine nennenswerte Auswirkung auf den Stoffwechsel hat und somit dessen Funktionsbedingungen wirklich beeinflusst, folglich eine Erheblichkeitsschwelle überschreitet. Eingriffe in die Körperfunktionen, die völlig unerheblich sind, können dagegen die Zuordnung zu den Arzneimitteln nicht rechtfertigen (BVerwG, U.v. 16.5.2007 – 3 C 34/06 – juris Rn. 29 m.w.N.). Ein Erzeugnis, dessen Auswirkungen auf die physiologischen Funktionen nicht über die Wirkungen hinausgehen, die ein in angemessener Menge verzehrtes Lebensmittel auf diese Funktionen haben kann, besitzt keine nennenswerten Auswirkungen auf den Stoffwechsel und kann damit nicht als ein Erzeugnis eingestuft werden, das die physiologischen Funktionen wiederherstellen, bessern oder beeinflussen könnte (EuGH, U.v. 15.11.2007 – C-319/05 – juris Rn. 68).
33
Die erhebliche Beeinflussung der Funktionsbedingungen des menschlichen Körpers und das Vorliegen erheblicher pharmakologischer Wirkungen müssen durch belastbare wissenschaftliche Erkenntnisse belegt sein (BVerwG, U.v. 25.7.2007 – 3 C 23/06 – juris Rn. 22). Die Arzneimitteleigenschaft muss wissenschaftlich nachgewiesen und festgestellt sein (EuGH, U.v. vom 15.1.2009 – C-140/07 – juris Rn. 26-29), wobei sich der vom EuGH geforderte wissenschaftliche Nachweis nicht auf die therapeutische Wirksamkeit, sondern nur auf die Frage bezieht, ob der Stoff geeignet ist, dem Funktionieren des menschlichen Organismus und folglich der menschlichen Gesundheit zuträglich zu sein (vgl. Weber in Weber/Kornprobst/Maier, Betäubungsmittelgesetz: BtMG, 6. Aufl. 2021, § 2 AMG Rn. 63 m.w.N.; BayVGH, B.v. 18.11.2021 – 20 CS 21.2521 – nicht veröffentlicht; BVerwG, B.v. 24.8.2022 – 3 B 63/21 – juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 30.8.2022 – 9 A 1294/17 – juris Rn. 68 ff.; vgl. zu dem gesamten rechtlichen Maßstab auch VG München, B.v. 14.9.2021 – M 26b S 21.3863 – juris Rn. 70 bis 75).
34
Mögliche Gesundheitsrisiken sind in die Gesamtbetrachtung anlässlich der Einstufung eines Produkts als Arzneimittel einzustellen. Liegen die Auswirkungen eines Produkts auf die physiologischen Funktionen im Grenzbereich zwischen Nahrungsergänzungsmittel- und Arzneimittel, kommt dem Merkmal der Verwendungsrisiken besonderes Gewicht zu. Eine Einstufung als Arzneimittel ist insoweit nur gerechtfertigt, wenn dies zum Schutze der menschlichen Gesundheit erforderlich ist (BVerwG, U.v. 7.11.2019 – 3 C 19/18 – juris).
35
(b) Diesen Maßstab zugrunde gelegt, ist bei summarischer Prüfung davon auszugehen, dass wissenschaftlich nachgewiesen ist, dass das Produkt „5-HTP Kapseln“ aufgrund des in ihm enthaltenen Anteils an 5-HTP – jedenfalls in der zum Verzehr empfohlenen Menge – die physiologischen Funktionen des menschlichen Körpers nennenswert durch pharmakologische Wirkung beeinflusst, sodass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt der Antragstellerin um ein Funktionsarzneimittel handelt.
36
Das streitgegenständliche Produkt enthält laut Gutachten des LGL vom 08.08.2022 pro Kapsel nachweislich 49,8 mg 5-HTP. Dies entspricht bei der empfohlenen Verzehrmenge von vier Kapseln am Tag ca. 200 mg 5-HTP. Bei 5-HTP handelt es sich um eine nicht proteinogene Aminosäure, die eine Vorstufe bei der Biosynthese von Serotonin darstellt. Serotonin übernimmt laut Gutachten des LGL vom 08.08.2022 im Gehirn wichtige Aufgaben als Neurotransmitter und ist u. a. an der Ausprägung der Stimmungslage beteiligt. Serotonin ist ein wichtiger Botenstoff insbesondere für das Nervensystem, den Magen-Darm-Trakt und das Herz-Kreislauf-System. Bereits eine Einnahme von 12,8 mg 5-HTP am Tag bewirkt eine signifikante Erhöhung des Serotonins in Thrombozyten (vgl. E-Mail des LGL vom 09.01.2023 in der Antragserwiderung vom 12.01.2023).
37
Das LGL hat in seinem Gutachten vom 08.08.2022 unter Heranziehung verschiedener Veröffentlichungen (u.a. Review von T. et. al, B. und E.) und seiner weiteren Stellungnahme dargelegt, dass oral eingenommenes 5-HTP den Serotoninspiegel im Gehirn und in der Peripherie bzw. im Blut und im zentralen Nervensystem erhöhen kann. Es wird nach oraler Aufnahme sehr gut absorbiert, ca. 70% des konsumierten 5-HTP werden in den Blutkreislauf aufgenommen. Der Serotoninspiegel im Gehirn ist von dem 5-HTP-Level im zentralen Nervensystem abhängig. Da 5-HTP die Blut-Hirn-Schranke sehr gut passieren kann, beeinflusst die Aufnahme von 5-HTP den Serotoninspiegel des Gehirns. Diese Umstände zugrunde gelegt, geht von 5-HTP eine pharmakologische Wirkung aus. Das streitgegenständliche Produkt dient auch nicht lediglich dem Genuss oder der Berauschung, sodass nach summarischer Prüfung einiges dafürspricht, dass es der Gesundheit jedenfalls zuträglich ist. Nach den Ausführungen des LGL ist das streitgegenständliche Produkt objektiv dazu geeignet, den Serotoninspiegel im Blut und im zentralen Nervensystem zu erhöhen. Serotonin übernimmt im Gehirn wichtige Aufgaben als Neurotransmitter und ist u. a. an der Ausprägung der Stimmungslage beteiligt (vgl. Gutachten des LGL vom 08.08.2022, S. 2; außerdem: https://www.n..de/laborwerte/serotonin/, abgerufen am 24.01.2023). Für diese Annahme streitet insbesondere – ohne dass es darauf ankommt –, dass der Inhaltsstoff 5-HTP um 1990 in Deutschland als L-5-Hydroxytryptophan Oxitriptan in einer Dosierung ab 50 mg/Tablette in zugelassenen Fertigarzneimitteln zur Behandlung des depressiven Formenkreises enthalten war und alle Arzneimittel mit dem Wirkstoff 5-Hydroxytryptophan mittlerweile als Folge eines Arzneimittelzwischenfalles (Eosinophilie-Myalgie-Syndrom nach Einnahme von Tryptophan und 5-HTP) nicht mehr zugelassen sind (vgl. auch Wikipedia unter dem Schlagwort „5-Hydroxytryptophan“).
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Die pharmakologische Wirkung geht über das hinaus, was über die physiologische Beeinflussung, durch ein üblicherweise verzehrtes Lebensmittel in angemessener Menge erzeugt werden kann. Für eine kommerzielle Verwendung wird laut Gutachten des LGL 5-HTP hauptsächlich aus Griffonia simplicifolia (Afrikanische Schwarzbohne) isoliert, in der es in größeren Mengen vorkommt. Bei der afrikanischen Schwarzbohne handelt es sich laut Gutachten nicht um ein üblicherweise verzehrtes Lebensmittel, die Wirkung von 5-HTP ist daher nicht mit der unspezifischen Aufnahme von Nährstoffen über natürliche Lebensmittel vergleichbar. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin hat diese Annahme nicht substantiiert in Frage gestellt. Zwar verweist er auf die hierzu ergangene Rechtsprechung, legt aber im konkreten Fall nicht hinreichend dar, dass die vorliegend empfohlene Menge von ca. 200 mg 5-HTP am Tag durch den üblichen Verzehr einer angemessenen Menge an – ggf. bestimmten – Lebensmitteln erreicht werden kann. Dies gilt insbesondere für den vom Prozessbevollmächtigten dargestellten Konsum von Schokolade, da nach den Ausführungen des LGL das in der Schokolade enthaltene Tryptophan als Syntheseausgangsstoff von Serotonin in so geringer Menge vorkommt, dass ein Einfluss auf die Stimmungslage menschlicher Konsumenten als unwahrscheinlich angesehen werden muss (vgl. E-Mail des LGL vom 09.01.2023 in der Antragserwiderung vom 12.01.2023). Zwar kann reines Kakaopulver durchaus 290 Milligramm Tryptophan pro 100 Gramm enthalten(https://medizin-transparent.at/tryptophan-depression/, abgerufen am 24.01.2023), was im Vergleich zu dem vorliegend im Raum stehenden Gehalt von 500 mg L-Tryptophan bei der empfohlenen Tagesverzehrmenge von vier Kapseln als nicht unerheblich erscheinen mag. Eine weitere Vertiefung zu der Auswirkung von Tryptophan in Kakao bzw. in Schokolade kann aber dahinstehen, da es vorliegend um die unmittelbare Zufuhr von 5-HTP – und nicht um die von Tryptophan – geht.
39
Nach alledem sieht das Gericht den wissenschaftlichen Nachweis der pharmakologischen Wirkung des streitgegenständlichen Produkts der Antragstellerin in der zum Verzehr empfohlenen Menge von vier Kapseln als geführt an.
40
Den wissenschaftlichen Nachweis des streitgegenständlichen Produkts als Funktionsarzneimittel hat der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin nicht widerlegt. Er greift zwar die Grundlagen der dem Gutachten des LGL zugrunde gelegten Veröffentlichungen an (Probandengruppe, Ausgangslage der Untersuchungen, Placebokontrolle), bleibt aber hinsichtlich seiner Argumentation auf der Ebene der therapeutischen Wirksamkeit des 5-HTP hängen, auf die es nach dem Stand der Dinge nicht ankommt. Er äußert sich nicht substantiiert dazu, was falsch an den in den angeführten Gutachten genannten Ergebnissen sein soll, soweit diese die Erhöhung des Serotoninspiegels betreffen. Ferner befasst er sich nicht vertieft mit den Ausführungen u.a. von T. und B. (vgl. BA Bl. 183 unter 4), dass 5-HTP den Serotoninspiegel im Zentralnervensystem – worauf es vorliegend entscheidungserheblich ankommt – erhöht.
41
An der Bewertung des streitgegenständlichen Produktes als Arzneimittel ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei diesem um ein solches aus verschiedenen Zutaten handelt. Zwar ist für die Beurteilung der physiologischen Auswirkung auf das Produkt insgesamt abzustellen; hieraus folgt indes nicht, dass für jede Stoffkombination eine eigenständige Studie erstellt werden müsste. Vielmehr kann aus den bekannten Wirkungen eines Inhaltsstoffes auf die Wirkung des Gesamterzeugnisses geschlossen werden, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese Wirkung durch die weiteren Zusätze herabgesetzt werden könnte (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2022 – 3 B 36/21 – juris Rn. 19). Nach den Ausführungen des LGL gibt es keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse und keine Hinweise, dass die weiteren zugesetzten Vitamine die Wirkung des 5-HTP herabsetzen würden. Der Prozessbevollmächtigte hat dahingehend nichts Substantiiertes dargelegt bzw. glaubhaft gemacht. Das zugesetzte Tryptophan, aus dem ebenfalls Serotonin gebildet werden kann, verstärkt nach den Ausführungen des LGL hingegen den Effekt von 5-HTP, sodass der Gefahr eines Serotoninsyndroms noch größere Bedeutung beigemessen werden muss. Im Ergebnis ist nicht zu beanstanden, dass die zuständige Behörde das streitgegenständliche Produkt dem Regime des Arzneimittelrechts unterworfen hat.
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Für die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel im Grenzbereich zwischen Nahrungsergänzungsmittel- und Arzneimitteleigenschaft sind zusätzlich auch mögliche Gesundheitsrisiken als eigenständiger Faktor im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen; eine Einstufung als Arzneimittel ist hier nur gerechtfertigt, wenn dies zum Schutz der Gesundheit erforderlich ist. Grundsätzlich ist es nach dem unionsrechtlichen Vorsorgegrundsatz gerechtfertigt, Schutzmaßnahmen auch gegen potentielle Gesundheitsgefahren zu ergreifen. Vernünftige Zweifel an der Unbedenklichkeit eines Erzeugnisses rechtfertigen daher die Einstufung als Arzneimittel (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2019 – 3 C 19/18 – juris Rn. 32 f.). Solche potentiellen Gesundheitsgefahren des streitgegenständlichen Produkts liegen nach den Ausführungen des LGL vor. Sehr hohe Gaben von 5-HTP oder eine zusätzliche Einnahme von Arzneimitteln, die den Serotoninspiegel beeinflussen (Antidepressiva), können ein sog. Serotoninsyndrom mit Hyperthermie, Erbrechen, Verwirrtheit, Unruhe und Krämpfen auslösen. Diese Feststellung hat der Prozessbevollmächtigte nicht substantiiert in Frage gestellt. Aus den Ausführungen des LGL ergibt sich – vor dem Hintergrund der empfohlenen Verzehrmenge von ca. 200 mg 5-HTP am Tag – für die entscheidende Kammer ein ausreichender Hinweis auf ein mögliches Gesundheitsrisiko durch das streitgegenständliche Produkt, was nach summarischer Prüfung im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung ebenfalls dafürspricht, das streitgegenständlichen Produkts den Vorschriften des Arzneimittelrechts zu unterwerfen.
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In diesem Zusammenhang kam es – nachdem die zuständige Behörde zu Recht festgestellt hat, dass es sich bei den streitgegenständlichen Produkten um Arzneimittel handelt – nicht auf die vom Prozessbevollmächtigten aufgeworfene Frage der sog. „Zweifelsregelung“ des § 2 Abs. 3a AMG an.
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Nach alledem ist festzustellen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein Funktionsarzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2a AMG handelt, für welches nach den Ausführungen des Antragsgegners die erforderliche Zulassung oder Registrierung nach § 21 Abs. 1 und § 4 Abs. 1 AMG nicht vorliegt.
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bb. Die Rechtsgrundlage hat zur Rechtsfolge, dass die zuständige Behörde zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße notwendige Anordnungen zu treffen hat. Hinsichtlich der Art der Maßnahme hat sie ein Auswahlermessen. Sie kann insbesondere das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, vgl. § 69 Abs. 1 Satz 2 AMG.
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Die Ermessensentscheidung des Antragsgegners ist nach summarischer Prüfung nicht zu beanstanden, insbesondere weil das Inverkehrbringungsverbot verhältnismäßig ist. Dieses muss sich am Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 GG messen lassen. Da es sich bei der Antragstellerin um eine Vertreiberin des streitgegenständlichen Produkts handelt, ist sie in ihrer Berufsausübungsfreiheit betroffen. Das Verbot stellt deshalb eine Berufsausübungsregelung dar, die jedoch gerechtfertigt ist, wenn vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls diese Regelungen als zweckmäßig erscheinen lassen.
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Dies ist vorliegend zu bejahen. Zweck des Arzneimittelgesetzes gem. § 1 AMG ist, im Interesse einer ordnungsgemäßen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel, nach Maßgabe der Vorschriften des AMG zu sorgen. Zur Durchsetzung des Normzwecks erscheint das Verbot geboten, zumal vernünftige Erwägungen des Allgemeinwohls das Verbot als zweckmäßig erscheinen lassen. Die Antragstellerin hat die Möglichkeit – ggf. unter Anpassung der Zusammensetzung –, bei der zuständigen Behörde eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das streitgegenständliche Produkt zu beantragen. Der Antragsgegner hat zudem lediglich das Inverkehrbringen eines einzelnen Produkts untersagt, das übrige Warenangebot – nach dem Internetauftritt ein breit gefächertes Produktspektrum – der Antragstellerin ist von der Untersagungsanordnung nicht betroffen. All diese Aspekte betrachtet, erscheint das Inverkehrbringungsverbot nach summarischer Prüfung verhältnismäßig.
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3. Nach alledem ist der Bescheid in der hier maßgeblichen Nr. 1 nach summarischer Prüfung rechtmäßig, weshalb der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen ist. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 54.1 analog des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57).