Titel:
Verkehrs- und Verbringungsverbot für Biere, Unzureichende Begründung der Sofortvollzugsanordnung, Gerichtliche Aufhebung des behördlichen Sofortvollzugs, Pauschale Sofortvollzugsanordnung für Verbot von mehreren Produkten mit unterschiedlichen Mängeln in quantitativer und qualitativer Hinsicht, Keine Nachbesserung einer unzureichenden Begründung der Sofortvollzugsanordnung mit heilender Wirkung
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
VwGO § 80 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
VO (EU) 2017/625 § 138 Abs. 1
LFGB § 39 Abs. 7
VwZVG Art. 21a
Leitsatz:
Hebt das Gericht die behördliche Sofortvollzugsanordnung einer Grundverfügung wegen eines Begründungsdefizits auf und entfallen damit allein infolgedessen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen der Zwangsmittelandrohung (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG), bedarf es im Tenor neben der Aufhebung der Anordnung des Sofortvollzugs der Grundverfügung keiner zusätzlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsmittelandrohung.
Schlagworte:
Verkehrs- und Verbringungsverbot für Biere, Unzureichende Begründung der Sofortvollzugsanordnung, Gerichtliche Aufhebung des behördlichen Sofortvollzugs, Pauschale Sofortvollzugsanordnung für Verbot von mehreren Produkten mit unterschiedlichen Mängeln in quantitativer und qualitativer Hinsicht, Keine Nachbesserung einer unzureichenden Begründung der Sofortvollzugsanordnung mit heilender Wirkung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2465
Tenor
1. Soweit der Antrag in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, wird das Verfahren eingestellt.
2. Im Übrigen wird der unter Ziffer 3 des Bescheides des Landratsamts … vom 24.11.2022 – in der Fassung des Schreibens vom 09.01.2023 – angeordnete Sofortvollzug des Verkehrs- und Verbringungsverbotes für die Produkte „… Grapfruit IPA“ (Ziffer 1b), „Bourbon …“ (Ziffer 1c) und „Milch … IPA“ (Ziffer 1d) aufgehoben.
3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen das Verkehrs- und Verbringungsverbot mehrerer „Biersorten“.
2
Die Antragstellerin produziert und vertreibt u.a. verschiedene Biersorten. Am 21.09.2022 entnahm die Lebensmittelüberwachung des Landratsamtes … in den Betriebsräumen der Antragstellerin Verdachtsproben der Sorten „…-Doppelbock“, „… Grapfruit IPA“, „Bourbon …“, „… Brotbier“ und „Milch … IPA“ und legte diese dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zur Begutachtung vor.
3
Mit Gutachten vom 28.10.2022 führte das LGL bezüglich des Produktes „…-Doppelbock“ im Wesentlichen aus, auf der Etikettierung des vorgelegten Erzeugnisses werde der Begriff „…-DOPPELBOCK“ verwendet. Diese Angabe stelle eine Wortverbindung aus einer Spirituosenkategorie-Bezeichnung (…) des Anhangs I der VO (EU) 2019/787 und einem alkoholischen Getränk (Doppelbock) dar. Dies widerspreche jedoch den Regelungen des Art. 3 Abs. 2 Buchst. e der genannten Verordnung, wonach alkoholische Getränke von der Verwendung in einem zusammenhängenden Begriff ausgenommen seien. Da im vorliegenden Fall nicht die Spirituosenkategorie „…“ zur Herstellung des Erzeugnisses verwendet worden sei, sondern lediglich eine Lagerung in einem …-Fass stattgefunden habe, könne auch die Regelung bezüglich der Verwendung einer Anspielung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 der genannten Verordnung nicht angewendet werden. Vielmehr entstehe durch die blickfangmäßige Bezeichnung „…-DOPPELBOCK“ beim Verbraucher der Eindruck, dass das Bier unter Verwendung von … hergestellt worden sei, was nicht den Tatsachen entspreche. Insofern sei diese Angabe als irreführend im Sinne des Art. 7 der VO (EU) 1169/2011 zu beurteilen. Auf die Lagerung in einem …-Fass könne in Anlehnung an Art. 12 Abs. 3a Buchst. b der VO EU 2019/787 hingewiesen werden, wenn die verwendete Schriftgröße der in Bezug genommenen Spirituosenkategorie „…“ die Regelungen des Art. 12 Abs. 4 Buchst. b der genannten Verordnung einhalte, d.h. wenn die Angabe „…“ nicht mit der Bezeichnung des Erzeugnisses auf derselben Zeile erscheine und wenn die Schriftgröße höchstens halb so groß sei, wie die für die Bezeichnung des Getränkes verwendete Schriftgröße.
4
Weiterhin seien nach Art. 13 Abs. 2 LebensmittelinformationsVO alle verpflichtenden Angaben nach Art. 9 der Verordnung in einer Schriftgröße mit einer x-Höhe gem. Anhang IV von mindestens 1,2 mm (entsprechend einer Versalhöhe von ca. 2,1 mm) so aufzudrucken, dass eine gute Lesbarkeit sichergestellt sei. Nach der Auslegungshilfe der Kommission vom 13.12.2016, wie auch der Mitteilung der Kommission vom 08.06.2018, müssten Großbuchstaben und Zahlen, auch bei ausschließlicher Verwendung, derjenigen des Buchstabens „A“ entsprechen, mit dem das Wort „Anhang“ beginnt und die Mittellänge dabei müsse mindestens 1,2 mm betragen. Bei verschiedenen Pflichtkennzeichnungselementen, wie der Angabe des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers mit dessen Adresse, aber auch bei der Angabe des Verzeichnisses der Zutaten (alle Angaben ausschließlich in Großbuchstaben und Zahlen) sei die durch Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Anhang IV LebensmittelinformationsVO vorgegebene Versalhöhe unterschritten. Das Erzeugnis entspreche somit nicht den Anforderungen von Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Anhang IV der LebensmittelinformationsVO.
5
Der Alkoholgehalt der Probe sei auf dem Etikett mit „ALK. 8,5%“ angegeben. Nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. k i.V.m. Art. 28 Abs. 2 der VO (EU) 1669/2011 sei der vorhandene Alkoholgehalt jedoch gem. Anhang XII anzugeben. Die gesetzlich zulässige positive oder negative Abweichung betrage in diesem Fall 1,0% vol zuzüglich der Analysentoleranz. Aufgrund der geringen Probemenge habe der Alkoholgehalt nur mittels der Screening-Methode gemessen werden können, weshalb hier eine erweiterte Analysetoleranz von 0,5% vol herangezogen worden sei. Der tatsächlich gemessene Alkoholgehalt liege mit 10,0% vol gerade noch im zulässigen Toleranzbereich.
6
Weiterhin sei nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. k der VO (EU) 1169/2011 für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent die Angabe des vorhandenen Alkoholgehaltes in Volumenprozent verpflichtend. Gem. Anhang XII Satz 1 sei dem Alkoholgehalt das Symbol „% vol“ anzufügen. Auf der Etikettierung der Probe sei der Alkoholgehalt lediglich mit „ALK. 8,5%“ angegeben und somit ohne den vorgegebenen Bezug auf das Volumen angebracht. Insoweit werde empfohlen, die Brauerei auf diesen Sachverhalt hinzuweisen, um diesen formellen Verstoß anlässlich eines Nachdrucks der Etikettierung zu beseitigen.
7
Bezüglich des Bieres „Bourbon …“ führte das LGL mit Gutachten vom 28.10.2022 im Wesentlichen aus, auf dem Etikett der Probe sei der Alkoholgehalt mit „ALK. 9%“ angegeben. Der tatsächlich gemessene Alkoholgehalt liege mit 10,6% vol außerhalb der zulässigen Abweichung und entspreche somit nicht den Vorgaben der LebensmittelinformationsVO. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 12 LebensmittelinformationsVO sei es verboten, vorverpackte Lebensmittel in den Verkehr zu bringen und vorverpackte Lebensmittel abzugeben, die den Anforderungen an die Angaben über den Alkoholgehalt nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. k i.V.m. Art. 28 Abs. 2 i.V.m. Anhang XII Satz 1 oder 2 erster Halbsatz und Satz 4 der VO (EU) 1169/2011 nicht entsprächen. Die Angabe des Alkoholgehaltes sei darüber hinaus auch als irreführend im Sinne des Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der VO (EU) 1669/2011 zu beurteilen. Weiterhin sei auf der Etikettierung der Probe der Alkoholgehalt mit „ALK. 9%“ und somit ohne den vorgegebenen Bezug auf das Volumen angebracht.
8
In der Etikettierung werde ferner der Begriff „Bourbon- …“ verwendet. Dies stelle eine Anspielung auf den amerikanischen Bourbon- … dar. Nach Art. 1 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 936/2009 seien Bezeichnungen von Erzeugnissen, die in Anhang I zur vorliegenden Verordnung aufgelistet seien und ihren Ursprung in den ebenfalls dort genannten Drittländern hätten, nur bei Erzeugnissen zulässig, die gem. den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der jeweiligen Drittländer erzeugt worden seien. In Anhang I dieser Verordnung seien für den amerikanischen Bourbon-Whisky folgende Bezeichnungen geschützt: „Bourbon- …“, „Bourbon- …“ und „Bourbon“. Somit handele es sich bei der Angabe „Bourbon“ um eine geschützte synonyme Bezeichnung für „Bourbon- …“. Da im vorliegenden Fall nicht die Spirituose „Bourbon“ selbst, sondern lediglich ein Bourbon-Fass zur Lagerung verwendet worden sei, stelle die Angabe „Bourbon- …“ eine zur Irreführung des Verbrauchers geeignete Angabe gem. Art. 7 Abs. 1 der VO (EU) 1169/2011 dar. Auf die Verwendung eines Bourbon-Fasses könne hingewiesen werden, wenn die verwendete Schriftgröße der in Bezug genommenen Spirituose – hier „Bourbon“ – die Regelungen des Art. 12 Abs. 4 Buchst. b der genannten Verordnung einhalte, d.h. wenn die Angabe „Bourbon“ nicht mit der Bezeichnung des Erzeugnisses auf derselben Zeile erscheine und wenn die Schriftgröße höchstens halb so groß sei, wie die für die Bezeichnung des Getränkes verwendete Schriftgröße.
9
Weiterhin seien nach Art. 13 Abs. 2 LebensmittelinformationsVO alle verpflichtenden Angaben nach Art. 9 in einer Schriftgröße mit einer x-Höhe gem. Anhang IV von mindestens 1,2 mm (entsprechend einer Versalhöhe von ca. 2,1 mm) so aufzudrucken, dass eine gute Lesbarkeit sichergestellt sei. Nach der Auslegungshilfe der Kommission vom 13.12.2016, wie auch der Mitteilung der Kommission vom 08.06.2018, müssten Großbuchstaben und Zahlen, auch bei ausschließlicher Verwendung, derjenigen des Buchstabens „A“ entsprechen, mit dem das Wort „Anhang“ beginnt und die Mittellänge dabei müsse mindestens 1,2 mm betragen. Bei verschiedenen Pflichtkennzeichnungselementen, wie der Angabe des verantwortlichen Lebensmittelunternehmers mit dessen Adresse, aber auch bei der Angabe des Verzeichnisses der Zutaten und bei der Bezeichnung des Lebensmittels (alle Angaben ausschließlich in Großbuchstaben und Zahlen) sei die durch Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Anhang IV LebensmittelinformationsVO vorgegebene Versalhöhe unterschritten. Das Erzeugnis entspreche somit nicht den Anforderungen von Art. 13 Abs. 2 i.V.m. Anhang IV der LebensmittelinformationsVO.
10
Im Hinblick auf das „… Brotbier“ führte das LGL mit Gutachten vom 28.10.2022 im Wesentlichen aus, mit der Bezeichnung als „MÄRZEN“ wie auch als „… BROTBIER“ werde eindeutig auf Bier Bezug genommen und damit dem Verbraucher das Getränk als Bier dargestellt. Das Erzeugnis sei mit Altbrot eingebraut. Auf dem Rückenetikett befinde sich die Angabe: „Das verbraute Bier entspreche dem Reinheitsgebot, da ohne Salz und nur mit Malz gebacken.“ Gem. § 1 Abs. 1 BierV dürften unter der Bezeichnung Bier – allein oder in Zusammensetzung – oder unter Bezeichnungen oder bildlichen Darstellungen, die den Anschein erwecken, als ob es sich um ein Bier handele, gewerbsmäßig nur Getränke in Verkehr gebracht werden, die gegoren seien und den Vorschriften des § 9 Abs. 1, 2 und 4 bis 6 VorlBierG und den §§ 16 bis 19, 20 Abs. 1 Satz 2 und §§ 21 und 22 VorlBierG-DV entsprächen. § 17 Abs. 2 VorlBierG-DV fordere, dass die zulässigen Braustoffe in der Beschaffenheit verwendet werden müssten, in der ihnen die im Gesetz gewählte Bezeichnung zukomme. Malz dürfe sowohl in ganzen, enthülsten oder unenthülsten Körnern wie auch zerkleinert, trocken, angefeuchtet, ungedarrt, gedarrt und geröstet verwendet werden. Vorliegend sei jedoch Malz zuvor zu Brot verbacken und anschließend für die Bereitung des Bieres verwendet worden. Daher entspreche diese Behandlung des Malzes nicht den Vorgaben von § 17 VorlBierG-DV.
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Weiterhin werde auf dem Rückenetikett beworben, dass das Erzeugnis dem sog. „Reinheitsgebot“ entspreche. Da das Erzeugnis aufgrund der Behandlung des Malzes nicht den bierrechtlichen Bestimmungen entspreche, sei die Auslobung „entspricht dem Reinheitsgebot“ als irreführend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a VO (EU) 1169/2011 zu beurteilen.
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Auf der Etikettierung befinde sich zudem folgender Hinweis: „Gebraut in Franken von der …“ und „FRANKEN, FAMILIE“. Mit diesen Kennzeichnungselementen werde bei dem als „MÄRZEN“ bezeichneten Erzeugnis ein eindeutiger Bezug zu Franken und damit zu der geschützten geografischen Angabe „Mainfrankenbier“ hergestellt. Die verschiedenen chemisch-physikalischen Parameter des Produktes entsprächen den Vorgaben für die Biersorte „Märzen/Festbier“ des sog. Einzigen Dokumentes (G/DE/1102/26 01 94). Das „Brotbier“ sei aber in …, das nicht dem Regierungsbezirk Unterfranken zuzuordnen sei, zubereitet worden. Da die Voraussetzung hinsichtlich der Bereitung im angegebenen geografischen Gebiet nicht erfüllt seien, könne der Hersteller die eingangs erwähnte Anspielung nicht verwenden.
13
In Bezug auf das „Milch … IPA“ führte das LGL mit Gutachten vom 28.10.2022 im Wesentlichen aus, mit der Bezeichnung als „IPA“ sowie auch z.B. mittels verschiedener bier-typischer Begriffe wie der Hopfensorten „SABRO“ und „CITRA“ sowie den Hinweisen auf eine Brautätigkeit und der sensorischen Beschaffenheit stelle sich dem Verbraucher das Getränk eindeutig als „Bier“ dar. Werde – wie im vorliegenden Fall – auf die Bewerbung mit dem Reinheitsgebot verzichtet, könne § 17 Abs. 1 Satz 2 VorlBierG-DV Anwendung finden, wonach die Vorschriften der Lebensmittelzusatzstoff-DurchführungsVO anzuwenden seien, die wiederum in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a auf die VO (EG) Nr. 1333/2008 verweise. Somit dürften auch in Bayern die in der VO gelisteten Zusatzstoffe zusätzlich für die Bereitung von Bier Verwendung finden. Im Zutatenverzeichnis des Produktes sei jedoch u.a. die Zutat „MILCHZUCKER“ deklariert. Diese Zutat sei weder in der VO (EG) Nr. 1333/2008 für Bier, noch in den bierrechtlichen Bestimmungen gelistet und dürfe deshalb für die Herstellung nicht verwendet werden. Die Verwendung von Milchzucker entspreche somit nicht den Vorgaben von § 9 Abs. 1 und 2 VorlBierG.
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Darüber hinaus sei die Bezeichnung als „IPA“ wie auch das eindeutige Abstellen auf Bier als irreführend zu beurteilen, da für „Bier“ nicht zugelassene Zutaten verwendet worden seien.
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Auf der Etikettierung werde ferner die „BRAUMANUFAKTUR …“ in „…“ bzw. „… BRAUMANUFAKTUR“ (im Blickfeld) beworben und damit der Anschein erweckt, als ob die Braumanufaktur … das Erzeugnis „Milch … IPA“ bereitet habe. Nach Angaben auf der Rückseite des Behältnisses „GEBRAUT UND ABGEFÜLLT BEI“ … „… …“ werde dem Verbraucher mitgeteilt, dass das Erzeugnis nicht von der Brauereimanufaktur … in … bereitet werde. Diese Angabe beinhalte somit die Entlokalisierung hinsichtlich der örtlichen Herkunft, wie auch die Klarstellung hinsichtlich der betrieblichen Herkunft. Derartige Hinweise auf der Rückseite seien jedoch nicht ausreichend. Der auf der Rückseite enthaltene Hinweis sei nach den Maßgaben der „Blickfangwerbung“ zu beurteilen. Die Anforderungen an die Klarheit und Deutlichkeit des aufklärenden Hinweises seien so hoch, dass der vorliegende Hinweis auf der Rückseite nicht ausreichen könne. Die diesbezügliche Kennzeichnung sei damit irreführend im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der VO (EU) 1169/2011 i.V.m. § 11 LFGB, wonach Informationen über Lebensmittel nicht irreführend seien dürften, insbesondere in Bezug auf die Eigenschaften des Lebensmittels, insbesondere in Bezug auf Art, Identität, Eigenschaften, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprungsland oder Herkunftsort und Methode der Herstellung oder Erzeugung.
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Weiterhin seien nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. c alle im Anhang II der VO (EU) 1169/2011 aufgeführten Zutaten, die Allergien und Unverträglichkeiten auslösen, im Zutatenverzeichnis unter genauere Bezugnahme auf die in Anhang II aufgeführte Bezeichnung des Stoffs oder Erzeugnisses aufzuführen. Nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. b sei diese Bezeichnung im Zutatenverzeichnis durch einen Schriftsatz hervorzuheben, durch den sie sich vom Rest des Verzeichnisses eindeutig abhebe, z.B. durch die Schriftart, den Schriftstil oder die Hintergrundfarbe. Auf die Verwendung Milch und daraus gewonnene Erzeugnisse werde zwar bei den vorliegendem obergärigen „IPA“ im Verzeichnis der Zutaten („MILCHZUCKER“) hingewiesen, die Hervorhebung sei jedoch nicht erfolgt. Die gewählte Art der Angabe entspreche somit nicht den Anforderungen von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b VO (EU) 1169/2011.
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Bezüglich der Probe des Erzeugnisses „… Grapfruit IPA“ führte das LGL ebenfalls mit Gutachten vom 28.10.2022 im Wesentlichen aus, mit der Bezeichnung als „STARKBIER“ sowie mittels verschiedener biertypischer Begriffe wie „NEIPA“ und „GEBRAUT UND ABGEFÜLLT BEI“ werde eindeutig auf Bier Bezug genommen und damit dem Verbraucher das Getränk als Bier der Biergattung „Starkbier“ im Sinne von § 3 Abs. 2 BierV dargestellt. Werde – wie im vorliegenden Fall – auf die Bewerbung mit dem Reinheitsgebot verzichtet, könne gem. § 17 Abs. 1 Satz 2 VorlBierG-DV Anwendung finden, wonach die Vorschriften der Lebensmittelzusatz-DurchführungsVO anzuwenden seien, die wiederum in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a auf die VO (EG) Nr. 1333/2008 verweise. Somit dürften auch in Bayern die in der Verordnung gelisteten Zusatzstoffe zusätzlich für die Bereitung von Bier Verwendung finden. Im Zutatenverzeichnis des Produktes seien u.a. als Zutaten „Grapefruitsaft“ und „Milchzucker“ deklariert. Diese Zutaten seien jedoch weder in der VO (EU) 1333/2008 für Bier, noch in den bierrechtlichen Bestimmungen gelistet und dürften deshalb für die Herstellung nicht verwendet werden. Die Verwendung der Zutaten „Grapefruitsaft“ und „Milchzucker“ entspreche somit nicht den Vorgaben von § 9 Abs. 1 und 2 VorlBierG.
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Darüber hinaus sei die Bezeichnung als „Starkbier“, wie auch das Abstellen auf Bier, als irreführend zu beurteilen, da für Bier nicht zugelassene Zutaten verwendet worden seien (Art. 7 Abs. 1 Buchst. a der VO (EU) 1169/2011 und § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB).
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Auf der Etikettierung werde die „BRAUMANUFAKTUR …, …“ beworben und damit der Anschein erweckt, als ob die Braumanufaktur … das Starkbier bereite. Nach der Angabe auf der Rückseite des Behältnisses werde dem Verbraucher jedoch mitgeteilt, dass das Produkt nicht von der Braumanufaktur … bereitet werde (es folgen insoweit dieselben Ausführungen des LGLs wie beim Produkt „Milch … IPA“).
20
Es werde zwar auf die Verwendung von glutenhaltigem Getreide, wie auch Milch und die daraus gewonnenen Erzeugnisse im Verzeichnis der Zutaten hingewiesen, eine Hervorhebung der Zutaten, die Allergien und Unverträglichkeiten auslösen, sei jedoch nicht vorgenommen worden. Die Art der Angabe entspreche somit nicht den Anforderungen von Art. 21 Abs. 1 Buchst. b der VO (EU) 1169/2011.
21
Letztlich sei auf der Etikettierung der Probe der Alkoholgehalt mit „ALK. 7,2%“ und ohne den vorgegebenen Bezug auf das Volumen angebracht worden.
22
Am 07.11.2022 ermittelte der Antragsgegner in den Betriebsräumen der Antragstellerin die noch vorhandenen Mengen der vom LGL begutachteten Biersorten. Dabei wurde für alle fünf beprobten Produkte mündlich ein Verkehrs- und Verbringungsverbot angeordnet.
23
Mit Schriftsatz vom 21.11.2022 nahm der Bevollmächtige der Antragstellerin zu den Beanstandungen des LGL Stellung und unterbreite dem Antragsgegner einen Vorschlag für das weitere Vorgehen.
24
Mit Bescheid vom 24.11.2022 bestätigte das Landratsamt … unter Ziffer 1 das am 07.11.2022 mündlich ausgesprochene Verkehrs- und Verbringungsverbot für die beprobten fünf Produkte (Ziffer 1a: „…-Doppelbock“, Ziffer 1b: „… Grapfruit IPA“, Ziffer 1c: „Bourbon …“, Ziffer 1d: „… Brotbier“ und Ziffer 1e: „Milch … IPA“), drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 10,00 EUR je Flasche/Dose für den Fall der Zuwiderhandlung gegen das angeordnete Vertriebsverbot an (Ziffer 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides an (Ziffer 3).
25
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das vom Landratsamt … angeordnete Verkehrs- und Verbringungsverbot für die beanstandeten Produkte …-Doppelbock, … Grapfruit IPA, Bourbon …, … Brotbier und Milch … IPA werde unter Hinweis auf Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG schriftlich bestätigt. Diese Bestätigung sei mangels Regelungswirkung kein Verwaltungsakt. Sie habe lediglich den Charakter einer wiederholenden Verfügung und diene Beweiszwecken sowie der schriftlichen Mitteilung der Rechtsbehelfsbelehrung.
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Rechtsgrundlage für die im Rahmen der Kontrolle getroffenen Anordnungen (Sperrung der Waren; Untersagung des Inverkehrbringens der Produkte) sei Art. 138 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Buchst. d der VO (EU) 2017/625. Danach ergreife die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen, um Ursprung und Umfang des Verstoßes sowie die Verantwortung des Unternehmers zu ermitteln und geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beende und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindere. Hierzu könne die zuständige Behörde insbesondere das Inverkehrbringen von Erzeugnissen beschränken oder verbieten. Die Antragstellerin sei Hersteller der Biere und als Lebensmittelunternehmer im Sinne des Art. 3 Nr. 3 der VO (EG) Nr. 178/2002 für die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften in ihrem Betrieb verantwortlich. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB dürften Lebensmittel nur in den Verkehr gebracht werden bzw. allgemein oder im Einzelfall dafür Werbung gemacht werden, wenn diese den Vorschriften des Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 der VO (EU) 1169/2011 entsprächen. Nach den vorliegenden Gutachten des LGL vom 28.10.2022 seien alle beprobten Biersorten zu beanstanden gewesen. Die Biersorten hätten teilweise gravierende Mängel in der Kennzeichnung aufgewiesen und entsprächen damit nicht den Vorgaben des Art. 7 Abs. 1 der VO (EU) 1169/2011. Die einzelnen Beanstandungen seien in den der Antragstellerin vorliegenden Gutachten ausführlich dargelegt. Um den Verbraucher zu schützen, der ohne dieses Wissen gutgläubig das nicht korrekt gekennzeichnete Produkt erwerbe und verzehre, sei daher das weitere Inverkehrbringen zu unterbinden. Die Produkte seien nach Ausübung des eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens folglich nicht mehr auf den Markt zu bringen. Zwar habe die Antragstellerin grundsätzlich ein schutzwürdiges Interesse an der ungehinderten Ausübung ihrer Tätigkeit. Demgegenüber ziele jedoch die VO (EU) 1169/2011 darauf ab, insbesondere zu gewährleisten, dass sich nur Lebensmittel im Sinne der VO im Verkehr befänden. Zur Durchsetzung dieses Normzwecks sei ein behördliches Einschreiten geboten und erforderlich. Das Landratsamt … mache deshalb vom eingeräumten Ermessensspielraum pflichtgemäß Gebrauch. Dabei sei zu beachten, dass Art. 138 Abs. 1 der VO (EU) 2017/625 kein Entschließungsermessen einräume. Es bestehe also kein Ermessen hinsichtlich der Frage, „ob“ überhaupt eingegriffen werden solle. Ein Auswahlermessen bestehe lediglich hinsichtlich der Wahl der zur Verfügung stehenden Handlungsmittel. Die angeordnete Maßnahme sei geeignet, künftige Verstöße zu verhindern. Sie sei auch erforderlich und angemessen im Sinne eines effektiven Verbraucherschutzes. Ein milderes Mittel komme nicht in Betracht. Das an der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften zum Schutz des Verbrauchers bestehende öffentliche Interesse überwiege zweifellos das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin, von der Anwendung solcher Vorschriften verschont zu bleiben. Das Vorbringen im anwaltlichen Schriftsatz vom 21.11.2022 ändere an dieser Entscheidung nichts, da mit diesem Schreiben keines der fünf Gutachten vollumfänglich entkräftet worden sei. Die Biere „Bourbon …“ und „…-Doppelbock“ seien nicht verkehrsfähig, da die Angaben zum Alkoholgehalt nicht zutreffend seien. Eine Ausnahmeerlaubnis zum Abverkauf könne bei einem derartig grundlegenden Fehler in der Etikettierung nicht erteilt werden. In Bayern gebrautes Bier dürfe kein Brot enthalten, wenn es im Verkauf als Bier bezeichnet werde. Auch insoweit müsse ein Abverkauf ausscheiden. Soweit den Getränken „Milch … IPA“ und „… Grapfruit IPA“ Milchzucker zugefügt worden sei, sei festzustellen, dass ein Allergenkennzeichnungsverstoß vorliege. Der Käufer eines Bieres rechne nicht damit, dass einem Bier Milchzucker zugesetzt worden sei. Deshalb sei eine Ausnahme für den Abverkauf nicht möglich. Die Allergenkennzeichnung erfülle einen wichtigen Zweck für den Verbraucherschutz.
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Rechtsgrundlage für die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Bescheids sei Art. 29, 31 und 36 VwZVG. Danach könne ein Verwaltungsakt, der eine Unterlassungspflicht beinhalte, mit Verwaltungszwang belegt werden. Die Festsetzung des Zwangsgeldes sei erforderlich, um gegenüber der Antragstellerin hinsichtlich des Verbotes des Inverkehrbringens den nötigen Nachdruck zu verleihen. Die Höhe des Zwangsgeldes sei angesichts der lebensmittelrechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung angemessen.
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Die sofortige Vollziehung des Bescheids werde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. Es liege im öffentlichen Interesse, dass die den Schutz des Verbrauchers und der menschlichen Gesundheit dienenden Vorschriften für die Bereitstellung eines Lebensmittels ohne zeitliche Verzögerung durchgesetzt würden. Bei den betreffenden Produkten handele es sich nachweislich um Lebensmittel mit zahlreichenden Kennzeichnungsmängeln. Der Gesetzgeber habe durch die gesetzlichen Vorgaben versucht zu gewährleisten, dass die entsprechenden Anforderungen erfüllt würden. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei daher zum Schutz des Verbrauchers als höherrangiges Recht geboten. Demgegenüber stünden keine gleichwertigen oder gar überwiegenden Interessen der Antragstellerin gegenüber, die ein Zuwarten bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit dieser Anordnungen rechtfertigen könnten. Im Übrigen sei es der Antragstellerin unbenommen, die in den Gutachten des LGL festgestellten Verstöße abzustellen und neue Etiketten oder ähnliches für die jeweiligen Biersorten anfertigen zu lassen.
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Mit Schriftsatz vom 19.12.2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 24.11.2022 (Az. B 7 K 22.1164) und beantragte zunächst sinngemäß, die aufschiebende Wirkung der Klage („Widerspruch“) gegen die Anordnung des Landratsamts … vom 24.11.2022 hinsichtlich des in Ziffer 1 angeordneten sofortigen Verkehrs- und Verbringungsverbotes der dort genannten Biere wiederherzustellen und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage werde aller Voraussicht nach Erfolg haben. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei rechtswidrig. Die Beanstandungen des LGL gingen weitgehend fehl. Selbst wenn Kennzeichnungsfehler, wie bezüglich Alkoholgehalt und Allergiekennzeichnung gegeben seien, seien diese gering und rechtfertigten keinen Sofortvollzug des Verbotes. Im Übrigen müsse sich ein etwaiges Verbot auf konkrete Chargen der Biere beschränken und die Biere nicht generell verbieten.
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Beim Produkt „Bourbon …“ moniere das LGL einen von den Angaben auf dem Etikett abweichenden Alkoholgehalt (10,6% statt wie angegeben 9%). Ausgehend von einer unterstellten Chargenvermutung seien alle Biere der Charge mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum 03.01.2023 betroffen. Das LRA habe jedoch nicht ermittelt, welche konkrete Charge betroffen sei und habe vielmehr ein Verkehrsverbot aller Biere „Bourbon …“ angeordnet, ohne dies auf eine etwaige Charge zu beschränken. Allein deshalb sei die Maßnahme schon rechtswidrig. Ferner habe das LGL moniert, dass auf der Etikettierung der Alkoholgehalt mit „ALK. 9%“ angegeben sei, aber ohne den vorgegebenen Bezug auf das Volumen. Dennoch könne der selbst weniger mündige Verbraucher den Alkoholgehalt erkennen. Auch das LGL habe insoweit nur empfohlen, die Brauerei auf diesen Sachverhalt hinzuweisen und diesen formellen Verstoß anlässlich eines Nachdrucks der Etikettierung abzustellen. Damit sei ein Verkehrsverbot aller Biere der Sorte „Bourbon …“ mit Sofortvollzug nicht gerechtfertigt. Bezüglich der Angabe „Bourbon“ werde auf das Urteil des BGH vom 11.12.2017 (I ZR 78/16) verwiesen. Der BGH habe insoweit festgehalten, dass der Verbraucher seine Kaufentscheidung regelmäßig nicht nur von der Schauseite einer Verpackung abhängig mache, sondern auch die an anderer Stelle angebrachten Verzeichnisse über die Inhaltsstoffe wahrnehmen werde. Demzufolge sei der Verbraucher mit dem Zutatenverzeichnis hinreichend informiert. Dem Landratsamt sei mit Schreiben vom 21.11.2022 angeboten worden, künftig auf die Verwendung des Bourbon-Fasses auf der Frontseite des Etiketts hinzuweisen. Hiermit habe sich das Landratsamt nicht auseinandergesetzt. Allein wegen der Bezeichnung „Bourbon“ sei kein Verkehrsverbot aller Biere der Sorte „Bourbon …“ mit Sofortvollzug gerechtfertigt. Soweit das LGL die Schriftgröße moniere und auf eine Mitteilung der EU-Kommission verweise, sei auszuführen, dass die Vorgabe der Kommission nicht bindend und obendrein falsch sei. Art. 13 LebensmittelinformationsVO unterscheide nicht zwischen Groß- und Kleinbuchstaben. Auch das Bild des Anhangs IV zeige nur, dass bei Verwendung eines Kleinbuchstabens „x“ Großbuchstaben oder ein Buchstabe wie das „d“ oder „p“ größer als das kleine „x“ seien. Die LebensmittelinformationsVO lasse sich darüber hinaus nicht aus, was gelte, wenn nur Großbuchstaben verwendet würden.
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Auch beim Produkt „…-Doppelbock“ weise das überschaubare Etikett darauf hin, dass das Bier nur in einem …-Fass gelagert werde. Das Zutatenverzeichnis nenne nur klassische Bierzutaten und eben keinen … Auch insoweit sei dem Landratsamt mit Schreiben vom 21.11.2022 mitgeteilt worden, die Antragstellerin werde auf die Verwendung des …-Fasses zukünftig vorne auf der Frontseite des Etiketts hinweisen. Dieser Umstand rechtfertige daher kein Verkehrsverbot aller Biere der Sorte „…-Doppelbock“ mit Sofortvollzug. Bezüglich der Schriftgröße werde auf die Ausführungen zum Bier „Bourbon- …“ verwiesen. Gleiches gelte für die Ausführungen zum Alkoholgehalt. Im Übrigen habe bezüglich des Alkoholgehaltes beim „…-Doppelbock“ das LGL nur empfohlen, die Antragstellerin „auf diesen Sachverhalt hinzuweisen“ und ausgeführt, dass der gemessene Alkoholgehalt mit 10% vol. gerade noch im zulässigen Toleranzbereich liege.
33
Beim „… Brotbier“ sei die Sachverhaltsdarstellung des LGL unzutreffend. Die Antragstellerin verwende Brot einer Bäckerei, die dieses in Semmelbrösel verarbeite und der Antragstellerin liefere. Die Semmelbrösel kämen als solche ins Bier. Keineswegs werde Malz zuvor zu Brot verbacken und anschließend für die Bereitung des Bieres verwendet. Die Antragstellerin thematisiere das „Reinheitsgebot“ auch nur im Kontext des verwendeten Brotes. Dies unterlasse die Antragstellerin zukünftig. Die Behauptung des LGL, es werde mit dem „… Brotbier“ ein Bezug zu Franken und damit zu der geschützten geografischen Angabe „Mainfrankenbier“ hergestellt, sei falsch. Das „Mainfrankenbier“ genieße Schutz mit dieser Angabe für Biere nur aus Mainfranken. Die monierten Angaben „Gebraut in Franken“ und „FRANKEN, FAMILIE“ bezögen sich jedoch nur auf die Herkunft aus „Franken“, jedoch nicht auf „Mainfranken“. Franken umfasse alle fränkischen Gebiete. Dies sei auch zutreffend, denn … liege in Oberfranken.
34
Beim Produkt „Milch … IPA“ moniere das LGL die Verwendung von Milchzucker als vermeintlichen Zusatzstoff. Milchzucker sei jedoch kein Zusatzstoff. Ein technischer Zweck sei mit der Verwendung des Milchzuckers nicht verbunden und werde vom LGL auch nicht behauptet. Ein „Lebensmittelzusatzstoff“ sei bekanntlich ein Stoff, der einem Lebensmittel aus technologischen Gründen zugesetzt werde (Art. 3 Abs. 2a VO (EG) Nr. 1333/2008). Technologische Zwecke seien beispielhaft dem Anhang der VO zu entnehmen, namentlich Süßungsmittel, Farbstoffe, Konservierungsstoffe, Antioxidationsmittel, Trägerstoffe bis hin zu Mehlbehandlungsmitteln. Zudem stelle Art. 3 Abs. 2a lit. i der VO klar, dass Monosaccharide, Disaccharide und Oligosaccharide und wegen ihrer süßenden Eigenschaften verwendete Lebensmittel, die diese Stoffe enthalten, keine Lebensmittelzusatzstoffe seien. Milchzucker/Laktose sei der in der Milch enthaltene Zucker, also kein Zusatzstoff. Dies sei ein weiterer Beleg für die Unzulänglichkeiten in den Stellungnahmen des LGL. Auch die Ausführungen des LGL, der eigentliche Brauort sei versteckt, seien unzutreffend. Richtig sei zwar, dass prominent die „… BRAUMANUFAKTUR“ genannt werde. Jedoch werde im selben Sichtfeld darunter der Brauort „…“ genannt. Dieser Zusatz sei sowohl inhaltlich, als auch optisch so gestaltet, dass eine Irreführung ausgeschlossen sei. Zudem habe die Antragstellerin ein verfassungsrechtlich verbürgtes Recht, ihr Unternehmenszeichen „…“ zu verwenden. Sofern das LGL die Hervorhebung des Milchzuckers in der Zutatenliste rüge, sei insofern zutreffend, dass neben dem Gersten-, Hafer- und Weizenmalz der Milchzucker in Fettdruck wiedergegeben werden müsse. Dieser Vorwurf falle aber nicht sonderlich ins Gewicht. Das Etikett des Bieres sei übersichtlich. Es enthalte in einem einzigen Sichtfeld alle relevanten Angaben zum Bier. Das Zutatenverzeichnis enthalte nur wenige Zutaten, so dass dem vulnerablen Verbraucher der Milchzucker auch ohne Hervorhebung gleich auffalle. Ein Verkehrsverbot aller Biere der Sorte „Milch … IPA“ unter Anordnung von Sofortvollzug sei damit rechtswidrig.
35
Soweit beim Produkt „… Grapfruit IPA“ die Verwendung von Grapefruitsaft und Milchzucker als vermeintliche Zusatzstoffe moniert werde, werde auf die Ausführungen zum „Milch … IPA“ verwiesen. Ein technischer Zweck sei weder mit dem Grapefruitsaft, noch mit der Verwendung des Milchzuckers verbunden. Dies werde vom LGL auch nicht behauptet. Beide Stoffe seien keine Zusatzstoffe. Bezüglich des Brauortes und der Allergiekennzeichnung werde ebenfalls auf die vorstehenden Ausführungen zum „Milch … IPA“ verwiesen. Soweit das Fehlen der Angabe „vol“ moniert werde, gelte das zum Bier „Bourbon …“ Gesagte.
36
Das LGL moniere ferner, das „… Brotbier“, das „Milch … IPA“ und das Produkt „… Grapfruit IPA“ verstoße gegen das „Reinheitsgebot“ für Biere. Dies sei jedoch nicht zutreffend. Die insoweit streitgegenständlichen Produkte seien Biere. Das Reinheitsgebot stehe dem nicht entgegen (wird umfassend ausgeführt). Das strenge bayerische Reinheitsgebot sei EU- und verfassungswidrig und daher nicht anwendbar (wird umfassend ausgeführt). Die Produkte seien daher als Biere verkehrsfähig.
37
Nachdem der Antragsgegner mit Schreiben vom 09.01.2023 die sofortige Vollziehung des Verkehrs- und Verbringungsverbots hinsichtlich der Ziffer 1a („…-Doppelbock“) und der Ziffer 1d („… Brotbier“) aufgehoben hat und das Eilverfahren insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt wurde (Erledigterklärungen vom 10.01. bzw. 12.01.2023), beantragt die Antragstellerin zuletzt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung des Landratsamts … vom 24.11.2022 hinsichtlich des in den Ziffern 1b, 1c und 1e angeordneten sofortigen Verkehrs- und Verbringungsverbots wiederherzustellen und insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
38
Das Landratsamt … beantragt für den Antragsgegner, den Antrag abzuweisen.
39
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 22.12.2022 im Wesentlichen ausgeführt, das Landratsamt … habe am 07.11.2022 die aktuell vorhandenen Lagerbestände der beanstandeten „Spezial-Biere“ mündlich gesperrt. Der Umfang der Sperrung ergebe sich aus der Übersicht auf S. 43 der Behördenakte. Am 24.11.2022 sei der streitgegenständliche Bescheid erlassen worden, mit dem das Verkehrs- und Verbringungsverbot schriftlich bestätigt worden sei. Die Antragstellerin braue regelmäßig abwechselnde „Sonderbiere“ und verkaufe diese ab, um anschließend ein neues Produkt auf den Markt zu bringen. Deshalb gehe der Vorwurf fehl, das Landratsamt … habe vergessen, eine genaue Bezeichnung der gesperrten Chargen vorzunehmen. Die Ausführungen des LGL in den fünf Gutachten seien hinreichend stichhaltig. Die Gutachten der Fachbehörde hätten insoweit einen sehr hohen Stellenwert. Der Antragstellerin bleibe es unbenommen, die Rückstellproben für ein Gegengutachten zu verwerten. Der Antrag sei als unbegründet zurückzuweisen. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf den Bescheid und die fünf LGL-Gutachten Bezug genommen. Kennzeichnungsverstöße im Bereich der Allergenkennzeichnung seien immer als gravierend einzustufen, da allergische Reaktionen im Einzelfall schwerwiegende Gesundheitsbedrohungen herbeiführen könnten, so dass ein Sofortvollzug dringend geboten gewesen sei. Die Angabe des Alkoholgehaltes betreffe eine sehr wesentliche Beschaffenheit des Getränks, so dass Fehler in diesem Bereich nicht als gering zu bewerten seien. Damit sei der Sofortvollzug auch hinsichtlich des Alkoholgehaltes notwendig, um die Verbraucher zutreffend zu informieren.
40
Mit Schriftsatz vom 09.01.2023 führte das Landratsamt … ergänzend aus, den Getränken „… Grapfruit IPA“ (Ziffer 1b) und „Milch … IPA“ (Ziffer 1e) sei als Zutat Milchzucker zugefügt worden. Milchzucker sei ein Allergen, welches bei einer Unverträglichkeit zu Bauchkrämpfen, Durchfall, Flatulenz und Übelkeit führe. Beim Kauf eines Bieres rechne der durchschnittliche Verbraucher nicht mit der Zutat Milchzucker. Zwar sei der Milchzucker auf der Zutatenliste aufgeführt, jedoch fehle es an einer besonderen Hervorhebung der Schreibweise. Auf diese Hervorhebung könne auch bei nur wenigen Zutaten nicht verzichtet werden, da der normale Verbraucher nicht mit Milchzucker (Allergen) als Inhaltsstoff in einem Bier rechne. Hinsichtlich des „…-Doppelbock“ sei der Verstoß gegen die Pflicht, den Alkoholgehalt mit der korrekten Prozentzahl anzugeben, als schwerwiegend zu werten. Es sei nicht auszuschließen, dass Konsumenten bei korrekter Angabe von 10,6 vol. % (Angabe auf dem Etikett 9,0%) wegen des tatsächlich viel höheren Alkoholgehaltes vom Konsum abgesehen hätten oder zumindest weniger konsumiert hätten. Der Wert von 10,6 liege außerhalb der Toleranzgrenze.
41
Den vorstehenden Konstellationen sei gemein, dass die Kennzeichnungsverstöße gesundheitsrelevant seien. Damit seien die Interessen des Verbraucherschutzes höher zu gewichten als die Interessen des Gewerbetreibenden, so dass der Sofortvollzug insoweit gerechtfertigt sei. Diese Wertung sei umso mehr gerechtfertigt, als die Korrektur durch einen anzubringenden Zusatz auf dem Etikett erfolgen könne und damit relativ schnell und preiswert zu bewerkstelligen sei.
42
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen. Die Gerichts- und Behördenakte im zwischenzeitlich übereinstimmend für erledigt erklärten „Veröffentlichungsverfahren nach § 40 Abs. 1a LFGB“ (Az. B 7 E 22.1163) wurde beigezogen.
43
1. Soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde (Sofortvollzug des Verkehrs- und Vertriebsverbots für die Produkte „…-Doppelbock“ und „… Brotbier“), ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO durch Beschluss einzustellen.
44
2. Infolge der mit Schreiben des Landratsamts … vom 09.01.2023 erfolgten Teilaufhebung des mit Bescheid vom 24.11.2022 angeordneten Sofortvollzugs und der anschließenden Teilerledigung richtet sich das Eilverfahren im maßgeblichen Zeitpunkt des Beschlusserlasses (nur noch) gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Verkehrs- und Verbringungsverbots für die Produkte „… Grapfruit IPA“, „Bourbon …“ und „Milch … IPA“.
45
3. Der bezüglich dieser drei Produkte vom Landratsamt Bamberg weiterhin aufrechterhaltene Sofortvollzug des Vertriebs- und Verbringungsverbots ist wegen unzureichender Begründung formell rechtswidrig und daher durch das Gericht allein deshalb aufzuheben (vgl. BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 18.7.2022 – 20 CS 22.1069 – juris Rn. 2; VGH Mannheim, B.v. 27.9.2011 – 1 S 2554/11 – juris Rn. 2; VGH Mannheim, B.v. 29.6.2018 – 5 S 548/18 – juris Rn. 12; Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 98 m.w.N.), so dass im Ergebnis derzeit die Anordnungen aus dem Bescheid vom 24.11.2022 insgesamt nicht sofort vollziehbar sind.
46
a) Die Begründung der sofortigen Vollziehbarkeit der Anordnungen unter Ziffer 1b), 1c) und 1e) des angegriffenen Bescheides vom 24.11.2022 entspricht nicht den Anforderungen an die Begründungspflicht nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Es fehlt vorliegend insbesondere der erforderliche Einzelfallbezug der Begründung, aus dem der Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung erkennbar wird.
47
aa) In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hat die Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO besonders zu begründen. Dabei rechtfertigt allein das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes regelmäßig nicht die Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 VwGO ist der gesetzliche Regelfall, ungeachtet dessen, dass stets ein öffentliches Interesse an der Vollziehung eines (rechtmäßigen) Verwaltungsaktes besteht. Da es sich bei der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach der Wertung des Gesetzgebers um einen Ausnahmefall handelt, muss neben das ohnehin bestehende öffentliche Interesse an der Umsetzung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes (Erlassinteresse) ein besonderes (Sofort-)Vollzugsinteresse treten, das das Absehen vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung und die Befugnis der Behörde, einen Verwaltungsakt auch schon vor Eintritt der Bestandskraft mit Zwangsmitteln durchzusetzen (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG), zu rechtfertigen vermag. Diesem Erfordernis trägt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Rechnung. Die Behörde muss sich dabei der Ausnahmesituation bewusst werden (sog. „Warnfunktion“) und das besondere Vollzugsinteresse begründen, wenn sie vom Regelfall abweicht und die sofortige Vollziehung anordnet. Die Begründungspflicht dient darüber hinaus dem Rechtsschutz des Betroffenen, der ausgehend von der Begründung die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs besser einschätzen können soll (sog. „Informationsfunktion“) und der Kontrolle durch die Gerichte (sog. „Kontrollfunktion“). Zwar kommt es zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht darauf an, ob die gegebene Begründung inhaltlich richtig und sachlich geeignet ist, ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen. Dieser materiell-rechtliche Aspekt fließt in die originäre Ermessensentscheidung des Gerichts im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ein und wird durch sie ersetzt. Formelhafte, also für beliebige Fallgestaltungen passende Wendungen, formblattmäßige oder pauschale Argumentationsmuster sowie die bloße Wiederholung des Gesetzestextes reichen nicht aus, da daraus nicht erkenntlich wird, ob und aus welchen Gründen die Behörde vom Vorliegen eines Ausnahmefalls ausgegangen ist, der ein Abweichen vom Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO rechtfertigen kann (vgl. zum Ganzen: Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 54; BayVGH, B.v. 18.7.2022 – 20 CS 22.1069 – juris Rn. 3; VGH Mannheim, B.v. 27.9.2011 – 1 S 2554/11 – juris Rn. 3; BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 6).
48
bb) Den dargestellten Anforderungen genügt die Begründung der Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides vom 24.11.2022 nicht. Die Begründung lässt gerade nicht erkennen, dass sich der Antragsgegner besonderer Umstände des Einzelfalls bewusst war, die eine Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen können. Vielmehr wurde die Sofortvollzugsanordnung nahezu ausschließlich „textbausteinartig“ auf abstrakt-allgemeine und für sämtliche lebensmittelrechtlichen Anordnungen übertragbare Gesichtspunkte gestützt, ohne diese aber in irgendeiner Weise auf den konkreten Einzelfall zu beziehen oder sie näher zu begründen. So wird unter Ziffer 3 des Bescheides insbesondere ausgeführt, es liege im öffentlichen Interesse, dass die den Schutz des Verbrauchers und der menschlichen Gesundheit dienenden Vorschriften für die Bereitstellung eines Lebensmittels ohne zeitliche Verzögerung durchgesetzt würden. Bei den betreffenden Produkten handele es sich nachweislich um Lebensmittel mit zahlreichenden Kennzeichnungsmängeln. Der Gesetzgeber habe durch die gesetzlichen Vorgaben versucht zu gewährleisten, dass die entsprechenden Anforderungen erfüllt würden. Die Anordnung des Sofortvollzugs sei daher zum Schutz des Verbrauchers als höherrangiges Recht geboten. Demgegenüber stünden keine gleichwertigen oder gar überwiegenden Interessen der Antragstellerin gegenüber, die ein Zuwarten bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit dieser Anordnungen rechtfertigen könnten. In der knappen „Begründung“ der Sofortvollzugsanordnung findet sich damit lediglich ein Satz („Bei den betreffenden Produkten handelt es sich nachweislich um Lebensmittel mit zahlreichenden Kennzeichnungsmängeln.“), der rudimentär einen gewissen „Einzelfallbezug“ aufweist und der geringfügig über bloße formel- und floskelhafte Ausführungen hinausgeht. Gleichwohl wird auch durch den vorstehenden Satz nicht einmal ansatzweise das Begründungserfordernis für das besondere Sofortvollzugsinteresse erfüllt. Insbesondere wird nicht annähernd zwischen den verschiedenen Produkten, denen das LGL in quantitativer und qualitativer Hinsicht unterschiedliche „Kennzeichnungsmängel“ zuschreibt und die sich das Landratsamt als Rechtsbehörde augenscheinlich ohne kritische rechtliche Auseinandersetzung vollumfänglich zu eigen macht (Beispiel: fragwürdige Einordnung des „… Brotbieres“ im Zusammenhang mit der geschützten geographischen Angabe „Mainfrankenbier“), differenziert. Auch die abschließende Aussage der Begründung zu Ziffer 3 des Bescheides, es sei der Antragstellerin unbenommen, die in den Gutachten des LGL festgestellten Verstöße abzustellen und neue Etiketten oder ähnliches für die jeweiligen Biersorten anfertigen zu lassen, rechtfertigt nicht einmal ansatzweise die pauschale und undifferenzierte Sofortvollzugsanordnung bezüglich eines Vertriebs- und Verkehrsverbots mehrerer – in unterschiedlichem Ausmaß beanstandeter – Produkte. Das Landratsamt unterliegt insoweit offensichtlich dem Irrtum, dass im Lebensmittelrecht generell und ohne eingehende Einzelfallbegründung der Sofortvollzug mehrerer Vertriebs- und Verbringungsverbotes angeordnet werden kann.
49
Zwar können sich die formalen Anforderungen an die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, insbesondere hinsichtlich der Darlegung des überwiegenden öffentlichen Interesses, im Einzelfall dann reduzieren, wenn der Gesetzeszweck ohne Anordnung des Sofortvollzugs überhaupt nicht erreichbar ist. Dafür ist in erster Linie der Rang der durch die Anordnung zu schützenden Rechtsgüter maßgeblich: Je höher diese einzustufen und je geringer die anderweitigen Einflussmöglichkeiten auf die Gefahrenquelle sind, desto niedrigere Anforderungen sind an eine Begründung für den konkreten Einzelfall zu stellen (vgl. BayVGH, B.v. 18.7.2022 – 20 CS 22.1069 – juris Rn. 5). Aus dem lebensmittelrechtlichen Normgefüge ergibt sich jedoch gerade nicht für jede Fallkonstellation, dass den betroffenen Rechtsgütern ein so hoher Rang zukäme, dass das besondere Sofortvollzugsinteresse stets mit dem Erlassinteresse identisch wäre (BayVGH, B.v. 18.7.2022 – 20 CS 22.1069 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 7.3.2022 – 20 CS 22.307 – juris Rn. 3). Das Lebensmittelrecht differenziert vielmehr: Eine gesetzliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit lebensmittelrechtlicher Anordnungen nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO findet sich in § 39 Abs. 7 LFGB für dort abschließend aufgeführte Maßnahmen zur Durchsetzung von Verboten zum Schutz der Gesundheit. Aus dieser Wertung des Gesetzgebers folgt gleichzeitig, dass der Verweis auf betroffene Verbraucherschutzinteressen nicht im Wege eines Quasi-Automatismus dem Begründungserfordernis für den Einzelfall genügt, wenn die Maßnahmen – wie hier – gerade nicht auf konkrete Gefahren für Leben und Gesundheit gestützt werden. Anderenfalls würde die Entscheidung des Gesetzgebers für den grundsätzlichen Eintritt der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen lebensmittelrechtliche Maßnahmen letztlich von der Exekutive regelhaft korrigiert bzw. umgangen. Zudem verlöre die gesetzliche Anordnung des Sofortvollzugs in den Fällen des § 39 Abs. 7 LFGB die ihr vom Gesetzgeber zugemessene gesteigerte Bedeutung und die Beschränkung dieses Tatbestands auf bestimmte einzeln aufgeführte Anordnungen weitgehend ihren Sinn, wenn die Exekutive auch in allen anderen, nicht von § 39 Abs. 7 LFGB erfassten Fällen den Eintritt der aufschiebenden Wirkung in formeller Hinsicht bereits mit einem pauschalen Verweis auf das für lebensmittelrechtliche Anordnungen – denen schon von der gesetzlichen Zielsetzung her (vgl. § 1 LFGB) eine gesundheitsschützende Tendenz regelmäßig zu eigen ist – ohnehin erforderliche Erlassinteresse aufheben könnte (BayVGH, B.v. 18.7.2022 – 20 CS 22.1069 – juris Rn. 6).
50
Vorliegend fehlt es in den gesamten Gründen des angegriffenen Bescheids einschließlich des materiell-rechtlichen Teils und auch den zu eigen gemachten Gutachten des LGL an einer – zumindest überschlägigen – Einschätzung, dass und ggf. unter welchen Voraussetzungen im konkreten Fall der streitgegenständlichen Produkte tatsächlich ein gesundheitliches Risiko bestünde, das die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigen könnte. Stattdessen hat das Landratsamt die Untersagung des Inverkehrbringens der betroffenen Produkte offensichtlich erlassen, „um den Verbraucher zu schützen, der ohne Wissen gutgläubig das nicht korrekt gekennzeichnete Produkt erwirbt und verzehrt“. Das Vorliegen einer Gesundheitsgefahr ergibt sich aus dem Bescheid weder unmittelbar noch mittelbar.
51
b) Die unzureichende Begründung des Sofortvollzugs im Bescheid vom 24.11.2022 wurde auch nicht durch die Stellungnahmen des Antragsgegners im gerichtlichen Eilverfahren (Schriftsätze vom 22.12.2022 und 09.01.2023) geheilt.
52
aa) Nach der wohl überwiegenden Rechtsprechung, der sich die beschließende Kammer anschließt, kann eine fehlende oder im Sinne von § 80 Abs. 3 VwGO unzureichende Begründung durch eine Nachholung oder Nachbesserung nicht geheilt werden. Mit dem Schutzzweck des Begründungszwanges, insbesondere dem Erfordernis des Bewusstseins der Sondersituation im Zeitpunkt der Anordnung, ist es nämlich grundsätzlich unvereinbar, eine Nachholung der Begründung zuzulassen (Hoppe in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 56 m.w.N.; Gersdorf in BeckOK VwGO, Stand 1.7.2021; § 80 Rn. 91 ff. m.w.N.). Da die Begründung des Sofortvollzugs erst während und anlässlich des gerichtlichen Eilverfahrens „nachgebessert“ wurde, bedarf es keiner weiteren Auseinandersetzung mit der Problematik, ob die Behörde eine unzureichende begründete Sofortvollzugsanordnung ausnahmsweise zumindest bis zur Stellung eines gerichtlichen Eilantrags – gewissermaßen aus „freien Stücken“ – mit heilender Wirkung nachbessern kann (vgl. hierzu OVG Koblenz, B.v. 30.1.1985 – 11 B 201/84 – juris).
53
bb) Im Übrigen – und ohne dass es noch entscheidungserheblich darauf ankommt – wäre, selbst wenn man ein Nachholen bzw. Nachbessern der Begründung während des gerichtlichen Eilverfahren für zulässig erachten würde,*der Begründungsmangel vorliegend nicht geheilt worden.
54
Mit Schriftsatz vom 22.12.2022 führte der Antragsgegner zum Sofortvollzug lediglich aus, Kennzeichnungsverstöße im Bereich der Allergenkennzeichnung seien immer als gravierend einzustufen, da allergische Reaktionen im Einzelfall schwerwiegende Gesundheitsbedrohungen herbeiführen könnten, so dass ein Sofortvollzug dringend geboten gewesen sei. Die Angabe des Alkoholgehaltes betreffe eine sehr wesentliche Beschaffenheit des Getränks, so dass Fehler in diesem Bereich nicht als gering zu bewerten seien. Damit sei der Sofortvollzug auch hinsichtlich des Alkoholgehaltes notwendig, um die Verbraucher zutreffend zu informieren.
55
Auch diese ergänzenden Ausführungen setzen sich nicht hinreichend mit den unterschiedlichen „Kennzeichnungsmängeln“ der unterschiedlichen Produkte auseinander. Hinsichtlich der „Allergenkennzeichnung“ geht die Behörde überhaupt nicht darauf ein, dass bei den beprobten Produkten alle Inhaltsstoffe ordnungsgemäß angegeben wurden und es lediglich an der optischen Hervorhebung des Stoffes auf dem Etikett fehlt. Insoweit ist auch in der Sache durchaus fragwürdig, ob dies bei den sehr übersichtlichen Etiketten mit einer überschaubaren Anzahl an Zutaten die Anordnung des Sofortvollzugs rechtfertigen kann. Soweit Unstimmigkeiten beim „Alkoholgehalt“ als Begründung für den Sofortvollzug nachgeschoben werden, wird schon nicht zwischen den beiden Bieren, bei denen ein vom Etikett abweichender Alkoholgehalt festgestellt wurde, differenziert, obwohl beim „…-Doppelbock“, der seinerzeit noch streitgegenständlich war, die Abweichung innerhalb der Toleranz liegt.
56
Auch unter Einbeziehung des Schriftsatzes vom 09.01.2023 liegt (noch) keine ordnungsgemäße Begründung i.S.d. § 80 Abs. 3 VwGO vor. Soweit hinsichtlich der Beifügung von Milchzucker in den Getränken „… Grapfruit IPA“ und „Milch … IPA“ auf eventuelle Unverträglichkeiten hingewiesen und ausgeführt wird, dass der durchschnittliche Verbraucher beim Kauf eines Bieres nicht mit Milchzucker rechne, fehlt es weiterhin an einer tragfähigen Begründung für die Anordnung des Sofortvollzugs, da die Verwendung von Milchzucker für den Verbraucher aus der Zutatenliste klar und deutlich – wenn auch nicht farblich oder optisch herausgehoben – ersichtlich ist. Die Ausführungen zum Alkoholgehalt beim „…-Doppelbock“ gehen bereits ins Leere, da insoweit das Landratsamt den Sofortvollzug mit Schreiben vom 09.01.2023 selbst aufgehoben hat. Soweit sich die Ausführungen zum Alkoholgehalt auf den „Bourbon …“ beziehen sollten, geht die Behörde nicht darauf ein, dass nur ein geringfügiges Überschreiten der Toleranzgrenze (10,3% vol) geben ist.
57
Letztlich greift das Landratsamt zu keinem Zeitpunkt die Tatsache auf, dass teilweise nur noch geringe Stückzahlen der fehlerhaft gekennzeichneten Produkte ermittelt wurden und (zumindest) die behördlichen Einlassungen im Eilverfahren den Schluss nahelegen dürften, dass die – für sofort vollziehbar erklärten – Verkehrs- und Verbringungsverbote der streitgegenständlichen Biere nur für die fehlerhaft gekennzeichneten „Chargen“ gelten.
58
c) Trotz des auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gerichteten Antrags, kommt eine Antragsablehnung „im Übrigen“ nicht in Betracht. Mit der Aufhebung des Sofortvollzugs ist nämlich das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin – die vorläufige Nichtvollziehbarkeit der Anordnungen – vollumfänglich erreicht (BayVGH, B.v. 9.3.2018 – 11 CS 18.300 – juris Rn. 7 ff. m.w.N.).
59
d) Abschließend weist das Gericht noch darauf hin, dass die gerichtliche Aufhebung des Sofortvollzugs den Antragsgegner nicht hindert, die sofortige Vollziehung unter den Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO und mit zureichender Begründung erneut anzuordnen (vgl. BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris Rn. 9 m.w.N.).
60
4. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Bescheides, die bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG), ist die Aufhebung des – durch ein formelles Bundes- bzw. Landesgesetz angeordneten -Sofortvollzugs durch das hiesige Gericht weder möglich noch nötig. Es drohen der Antragstellerin aber dennoch gegenwärtig keine Vollstreckungsmaßnahmen (mehr), da es infolge der Aufhebung des Sofortvollzugs der Verkehrs- und Verbringungsverbote an den allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen – hier Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG – der Zwangsvollstreckung fehlt. Das Rechtsschutzziel der Antragstellerin ist daher auch im Hinblick auf das angedrohte Zwangsgeld vollumfänglich erreicht. Eines eigenen Ausspruchs zur Vollziehbarkeit der Zwangsmittelandrohung bedarf es daher nicht (BayVGH, B.v. 7.8.2006 – 24 CS 06.1576 – juris Rn. 20; vgl. auch BayVGH, B.v. 6.10.2020 – 22 CS 20.1600 – juris Rn. 52; BayVGH, B.v. 6.9.2021 – 20 CS 21.1592 – juris: Tenorierung nur auf Aufhebung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit; a.A. VG Ansbach, B.v. 30.11.2022 – AN 3 S 22.01363 – juris Rn. 83: zusätzlich Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung neben der Aufhebung des Sofortvollzugs der Grundverfügung, wobei dies jedoch insoweit Bedenken aufwerfen dürfte, als bei bloßer Aufhebung des Sofortvollzugs die Behörde nicht gehindert ist, eine neue Sofortvollzugsanordnung zu erlassen; in diesem Fall stünde die zusätzliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung wohl der unmittelbaren Vollstreckung der Grundverfügung entgegen, da der Anordnungsausspruch „Bindungswirkung/Sperrwirkung“ entfaltet und eine Vollstreckung durch die Behörde damit erst nach Durchführung eines Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO möglich wäre, was angesichts des „Erfolgs“ des Eilantrags im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohung alleine wegen des nachträglichen Entfallens der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen infolge der Aufhebung des Sofortvollzugs betreffend die Grundverfügung nicht sachgerecht erscheint).
61
5. Die Kostenentscheidung folgt – unter Berücksichtigung der Wertungen des § 161 Abs. 2 VwGO für den übereinstimmend erledigt erklärten Teil des Eilantrags – aus § 154 Abs. 1 VwGO.
62
6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.