Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 02.02.2023 – B 5 E 22.1180
Titel:

Zweifel an charakterlicher Eignung eines Einstellungsbewerbers (Polizeivollzugsbeamter), Tätowierungen im nicht-sichtbaren Bereich, Abänderung von Tätowierungen

Normenkette:
GG Art. 33 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Ablehnung der Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf – und als notwendige Vorstufe dessen auch die Frage der Teilnahmeberechtigung am Einstellungsverfahren an sich – kommt nicht nur und erst dann in Betracht, wenn die Einstellungsbehörde festgestellt hat, dass der Bewerber die erforderliche charakterliche Eignung nicht besitzt. Vielmehr genügen auch berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Bewerbers. (redaktioneller Leitsatz)
2. Solche die Einstellung hindernden berechtigten Zweifel können gegeben sein, wenn Art und Inhalt vorhandenen Körperschmucks auf eine innere Einstellung oder Gesinnung des Bewerbers schließen lassen, die mit den Grundpflichten eines Beamten nicht mehr vereinbar ist, insbesondere der Bewerber nicht die durch § 7 I Nr. 2 BeamtStG geforderte Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist ein legitimes Interesse, bereits den Anschein rechtsradikaler, rassistischer oder ausländerfeindlicher Tendenzen in der bayerischen Polizei zu vermeiden. (redaktioneller Leitsatz)
4. Sofern Tätowierungen vorliegen, deren Inhalt, Schriftzug und deren Gestaltung gravierende Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Bewerbers begründeten bzw. begründen, führt deren Beseitigung bzw. Umarbeitung zu keiner anderen Einschätzung und insbesondere zu keiner nachhaltigen Entkräftung der Eignungszweifel. Vielmehr lässt sich in diesem Fall aus einer Gesamtschau der Motive der Tätowierungen vor der Umarbeitung bzw. deren Beseitigung darauf schließen, dass die innere Einstellung eines Bewerbers eine mangelnde Distanz zur Gewalt aufweist. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweifel an charakterlicher Eignung eines Einstellungsbewerbers (Polizeivollzugsbeamter), Tätowierungen im nicht-sichtbaren Bereich, Abänderung von Tätowierungen, Stellenbesetzung
Fundstellen:
BeckRS 2023, 2463
LSK 2023, 2463
NVwZ 2023, 700

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege der einstweiligen Anordnung gegen die Entscheidung des Antragsgegners, aufgrund der bei ihm vorhandenen Tätowierungen das Bewerbungsverfahren für den Polizeivollzugsdienst in Bayern einzustellen.
2
1. Der am … geborene Antragsteller bewarb sich am 30. April 2020 für eine Ausbildung zum Polizeivollzugsbeamten (2. QE) beim Antragsgegner (Einstellungstermin März 2021). Ausweislich der in den Akten enthaltenen Ablichtungen trug der Antragsteller zum damaligen Zeitpunkt folgende Tätowierungen:
- am linken Oberarm bis in die Schulter hineinreichend eine Ritterrüstung,
- auf der linken Rumpfseite von oben nach unten verlaufend den Schriftzug „vincere aut mori“,
- auf der Vorderseite des rechten Oberschenkels oberhalb des Knies endend den Schriftzug „Mit oder gegen uns?“, wobei das „S“ in Abweichung vom Schriftbild der übrigen Buchstaben nicht mit geschwungenen Bögen, sondern gezackt geschrieben ist und
- auf dem Rücken von der linken bis zur rechten Schulter in einem Bogen über den Schultergürtel und unterhalb des Nackenendes verlaufend, ca. 10 cm groß in altdeutscher Schrift den Schriftzug „suum cuique“, darunter das Bild zweier aufeinander losgehender Tiger mit nicht identifizierbaren Schriftzeichen.
3
Am 6. August 2020 bestand der Antragsteller die Einstellungsprüfung für den Einstieg in die zweite Qualifikationsebene (QE) der Fachlaufbahn Polizei und Verfassungsschutz (fachlicher Schwerpunkt Polizeivollzugsdienst). Mit Bescheid vom 25. August 2020 stellte der Antragsgegner das Bewerbungsverfahren ein, weil die Tätowierungen nicht dem Anforderungsprofil für den Polizeivollzugsdienst entsprächen und die Einstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 8.6.2021). Seinen Antrag, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihn weiter zum Einstellungsverfahren zum Einstellungstermin im März 2021 zuzulassen, wies das Bayer. Verwaltungsgericht Bayreuth ab (B.v. 14.12.2020, Az. B 5 E 20.1136); die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hatte keinen Erfolg (BayVGH, B.v. 22.2.2021, Az. 3 CE 21.87).
4
2. Am 25. April 2022 bewarb sich der Antragsteller erneut für eine Ausbildung zum Polizeivollzugsbeamten (2. QE) beim Antragsgegner (Einstellungstermin März 2023) und ließ mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Mai 2022 vortragen, dass er umfassende Änderungen an seinen Tätowierungen habe vornehmen lassen, welche die bisherigen Bedenken entfallen ließen. Die problematisierten Schriftzüge und Bilder seien nicht mehr erkennbar bzw. vorhanden, sondern mit einem hohen Kostenaufwand „überstochen“ bzw. abgeändert worden. Es lägen keine Tätowierungen vor, welche beim Tragen des Kurzarmhemdes erkennbar seien, welche strafrechtlich relevant seien, welche in sonstiger Hinsicht rechtlich und/oder in sonstiger Form problematisch seien bzw. welche bei Dritten Zweifel an seiner Eignung aufkommen oder auf eine problematische Gesinnung schließen ließen. Der Antragsteller sei bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Die Entfernung bzw. Änderungen der Tätowierungen dokumentierten das aufrichtige und zu goutierende Bestreben seines Mandanten, eine Ausbildung bei der bayerischen Polizei beginnen zu können. Sie stellten kein Einstellungshindernis dar.
5
Mit Bescheid vom 12. August 2022 stellte das Präsidium der Bayer. Bereitschaftspolizei das Bewerbungsverfahren des Antragstellers ein und führte aus, dass die weiterhin vorhandenen Tätowierungen – der Schriftzug „vincere aut mori“ auf den Rippen, der Schriftzug „Mit oder gegen uns?“ auf dem Oberschenkel und das Bild einer Ritterrüstung auf dem Oberarm – einen gewaltverherrlichenden Gesamteindruck vermittelten und somit begründete Zweifel an der charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst bestünden. Somit sei die wesentliche Einstellungsvoraussetzung auch künftig nicht erfüllt. Sowohl das Verwaltungsgericht Bayreuth als auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hätten die Entscheidung des Antragsgegners für den Einstellungstermin März 2021 bestätigt. Hierbei sei die mittlerweile abgeänderte Tätowierung auf dem Rücken des Antragstellers („suum cuique“) nicht alleine entscheidungserheblich. Nach den Entscheidungen vermittelten die Tätowierungen in ihrer Gesamtwirkung eine gewaltverherrlichende Grundaussage; das begründe berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung für den Polizeivollzugsdienst. Für die Annahme berechtigter Zweifel an der charakterlichen Eignung bedürfe es keiner vorherigen Eintragung in das Bundeszentralregister. Als Beurteilungsgrundlage könnten auch bloße Äußerungen oder Meinungsbekundungen herangezogen werden, denen Tätowierungen gleichstünden, wenn sie – wie hier – bewusst als Kommunikationsmedium eingesetzt würden. Durch eine Tätowierung erfolge eine nach außen gerichtete und dokumentierte Mitteilung durch deren Träger über sich selbst. Zudem verfüge er weiterhin über die beim Tragen des Kurzarmhemdes zum Teil sichtbare Tätowierung in Form einer Ritterrüstung am linken Oberarm. Diese gehe bis zum Ellenbogen und über die Armbeuge hinaus. Damit verstoße die Tätowierung, neben dem gewaltverherrlichenden Eindruck, auch gegen die Regelung in § 35 Satz 2 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG), wonach Tätowierungen im Dienst – ausgenommen beim Dienstsport – nicht sichtbar sein dürften. Dieser Umstand stelle ein eigenständiges Einstellungshindernis dar.
6
3. Nachdem der Antragsteller bereits am 13. September 2022 Klage gegen den o.g. Bescheid erhoben hatte (Az. B 5 K 22.874), beantragte er mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 25. Dezember 2022, modifiziert durch den Schriftsatz vom 10. Januar 2023,
1.
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller weiter zum Einstellungsverfahren für die Qualifikationsebene 2 zum Einstellungstermin im März 2023 zuzulassen und
2.
den Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller die Nachholung aller Einstellungsprüfungen vor dem Einstellungstermin im März 2023 zu ermöglichen.
3.
hilfsweise: den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über die Bewerbung des Antragstellers unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
7
Zur Begründung wird – ergänzt durch die Schriftsätze vom 10. und 29. Januar 2023 – vorgetragen, dass der Antragsteller umfangreiche Änderungen an seinen Tätowierungen habe vornehmen lassen: von der Tätowierung am linken Oberarm (Ritterrüstung) habe er ein 5 cm langes Stück, welches sich über den linken Ellenbogen gezogen habe, entfernen lassen. Die Tätowierungen auf der linken Rumpfseite (Schriftzug „vincere aut mori“) und der Vorderseite des rechten Oberschenkels (Schriftzug „Mit oder gegen uns“) habe er durch Laserbehandlung unkenntlich machen lassen; die Behandlung dauere an. Die Tätowierung am Rücken zeige nunmehr eine Berglandschaft mit Sternenhimmel und Gipfelkreuz; der Schriftzug „suum cuique“ sei nicht mehr sichtbar. Somit seien die Motive für sich genommen oder in einer Gesamtschau nicht gewaltverherrlichend oder sonst wie rechtlich bzw. tatsächlich bedenklich. Das hätte zu seinen Gunsten gewertet werden müssen, zumal er strafrechtlich bisher nicht in Erscheinung getreten sei. Die Tätowierung einer Ritterrüstung verstoße nicht gegen § 35 BeamtStG; auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Mai 2022 nehme man Bezug. Die Tätowierungen stellten somit keine Ausschlussgründe dar. Der Antragsteller müsse eine erhebliche, mit seinen Rechten aus Art. 12 und Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) nicht zu vereinbarende Ausbildungsverzögerung in Kauf nehmen. Ein Anordnungsgrund sei somit gegeben. Der Antragsgegner habe ihm keine Gelegenheit zur Prüfungsteilnahme gegeben. Es sei nicht erkennbar, warum der Antragsteller die Prüfung nicht nachholen könne.
8
Mit Schriftsatz vom 27. Dezember 2022 beantragt der Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
und trägt – ergänzt durch Vorbringen im Schriftsatz vom 19. Januar 2023 – vor, dass die Anträge bereits unzulässig seien. Die Einstellungsprüfungen für den Einstellungstermin März 2023 hätten bereits stattgefunden, ohne dass der Antragsteller teilgenommen habe. Weitere Termine gebe es nicht. Eine Weiterführung des Bewerbungsverfahrens sei nicht mehr möglich, weil ein erfolgreicher Abschluss dessen ausgeschlossen sei. Die erfolgreiche Teilnahme an einer früheren Einstellungsprüfung spiele im aktuellen Bewerbungsverfahren keine Rolle. Weil die erforderlichen Leistungsnachweise nicht mehr erbracht werden könnten, sei eine weitere Zulassung des Antragstellers zum Einstellungsverfahren nicht sinnvoll. Gleiches gelte für den Hilfsantrag, über die Bewerbung des Antragstellers unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Ungeachtet dessen, dass der Hilfsantrag ein „Mehr“ zum Hauptantrag darstelle und bereits deshalb an dessen Zulässigkeit gezweifelt werden dürfe, sei aus den oben genannten Gründen eine erneute Entscheidung über die Bewerbung obsolet, weil der Antragsteller die erforderlichen Leistungsnachweise in Folge Zeitablaufs nicht mehr erbringen könne und der Antrag deshalb nicht zielführend sei.
9
Ergänzend wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen. Die Gerichtsakten der Verfahren B 5 K 22.874 und B 5 E 20.1136 wurden beigezogen.
II.
10
1. Der Antrag ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Antragsgegner hat nach summarischer Prüfung zu Recht das Bewerbungsverfahren des Antragstellers eingestellt.
11
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht, gegebenenfalls bereits vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert wird. § 123 Abs. 1 VwGO setzt ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse der Wahrung des behaupteten Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO). Maßgebend für die Beurteilung sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Ist die geltend gemachte materielle Rechtsposition grundsätzlich sicherungsfähig, hängt die Bejahung eines Anordnungsanspruchs regelmäßig davon ab, welche Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren bestehen. Die gerichtliche Überprüfung der hier streitgegenständlichen Entscheidung ist im Hauptsacheverfahren grundsätzlich darauf beschränkt, ob der Dienstherr ermessens- und beurteilungsfehlerfrei über den weiteren Fortgang des Bewerbungsverfahrens des Antragstellers entschieden hat. Wird dieses subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Ermessensentscheidung des Dienstherrn verletzt, folgt daraus, dass der abgelehnte Bewerber eine erneute Entscheidung über die Fortsetzung seines Bewerbungsverfahrens zumindest dann beanspruchen kann, wenn seine Aussichten, beim zweiten Mal in den Vorbereitungsdienst aufgenommen zu werden, offen sind, das heißt wenn seine Einstellung möglich erscheint.
12
Gemessen daran war der Antrag des Antragstellers vom 25. Dezember 2022 in der Fassung des Schriftsatzes vom 10. Januar 2023 abzulehnen.
13
Dabei kann offenbleiben, ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat, weil es nach summarischer Prüfung jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs mangelt.
14
Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch gemäß § 123 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO glaubhaft gemacht, weil die zu seinen Lasten getroffene Entscheidung, ihn nicht zum weiteren Einstellungsverfahren für den Polizeivollzugsdienst zum Einstellungstermin März 2023 zuzulassen bzw. ihm die Nachholung der Einstellungsprüfungen vor dem Einstellungstermin im März 2023 zu ermöglichen, nach summarischer Prüfung seinen aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch nicht verletzt. Der Antragsgegner hat zu Recht die für die Bewerbungsablehnung angeführten Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers aus der Tatsache, dass bei ihm die streitgegenständlichen Tätowierungen vorhanden sind bzw. waren, hergeleitet und damit im Ergebnis den ihm zustehenden Ermessensspielraum eingehalten.
15
Art. 33 Abs. 2 GG gewährt jedem Deutschen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Danach sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Grundsatzes der Bestenauslese zu besetzen. Jeder Bewerber hat damit einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung des dargelegten Grundsatzes trifft und nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746/747; B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194). Der Dienstherr ist verpflichtet, seine Entscheidung über die Einstellung eines Bewerbers – und damit auch die Vorfrage, mit welchen Bewerbern er das Einstellungsverfahren betreiben oder fortsetzen möchte – an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG und den Regelungen in § 9 BeamtStG auszurichten. Danach sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen.
16
Dieser Bewerbungsverfahrensanspruch vermittelt dem Bewerber somit ein grundrechtsgleiches Recht darauf, dass über seinen Antrag auf Zugang zu öffentlichen Ämtern nur nach Maßgabe seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ermessensfehlerfrei entschieden wird. Weder Art. 33 Abs. 2 GG noch die zu seiner Konkretisierung ergangenen beamtenrechtlichen Vorschriften verschaffen dabei einen Anspruch auf Begründung eines Beamtenverhältnisses. Nur in den Fällen, in denen das dem Dienstherrn eröffnete Auswahlermessen (Beurteilungsspielraum) ausnahmsweise „auf Null reduziert“ ist, kann sich der Bewerbungsverfahrensanspruch zu einem Einstellungsanspruch verdichten (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2009 – 3 CE 09.1383 – juris Rn. 51). Voraussetzung dafür ist, dass angesichts der besonderen Umstände des zu entscheidenden konkreten Falls überhaupt nur eine einzige Entscheidung – nämlich die Einstellung – ermessensfehlerfrei sein könnte (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2021 – 3 CE 21.87 – Rn. 19 des unveröffentlichten Entscheidungsabdrucks; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 114 Rn. 6).
17
Mit dem Begriff der „Eignung“ ist ebenso wie mit den Begriffen der Befähigung und fachlichen Leistung ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn eröffnet, der nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle ist insoweit auf die Überprüfung beschränkt, ob die Verwaltung gegen Verfahrensvorschriften verstoßen, anzuwendende Begriffe oder den rechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat (BVerfG, B. v. 20.9.2016 – 2 BvR 2453/15 – BVerfGE 143, 22/28 – juris Rn. 18 f.; BVerwG, B. v. 29.1.2013 -1 WB 60.11 – NVwZ 2013, 1227/1229 = juris Rn. 34). Der Bewerber kann lediglich verlangen, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch den Leistungsgrundsatz oder andere verfassungsmäßige Vorgaben gedeckt sind (vgl. BVerfG, B. v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – BVerfGE 141, 56/68 = juris Rn. 31). „Geeignet“ ist nach Art. 33 Abs. 2 GG derjenige, der dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist (vgl. BVerwG, U. v. 30.10.2013 – 2 C 16.12 – BVerwGE 148, 204/205 f. = juris Rn. 10).
18
Dabei kommt die Ablehnung der Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf – und als notwendige Vorstufe dessen auch die Frage der Teilnahmeberechtigung am Einstellungsverfahren an sich – nicht nur und erst dann in Betracht, wenn die Einstellungsbehörde festgestellt hat, dass der Bewerber die erforderliche charakterliche Eignung nicht besitzt. Vielmehr genügen auch berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Bewerbers. Solche die Einstellung hindernden berechtigten Zweifel können gegeben sein, wenn Art und Inhalt vorhandenen Körperschmucks auf eine innere Einstellung oder Gesinnung des Bewerbers schließen lassen, die mit den Grundpflichten eines Beamten nicht mehr vereinbar ist, insbesondere der Bewerber nicht die durch § 7 Abs. 1 Nr. 2 BeamtStG geforderte Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten.
19
Hierbei ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass Tätowierungen als eine Form des Körperschmucks, trotz ihrer Zunahme in der Gesamtbevölkerung, Aussagekraft in Bezug auf die Persönlichkeit, insbesondere die innere Einstellung ihres Trägers haben können und je nach gewähltem Motiv einen Mangel der charakterlichen Eignung erkennen lassen können. Dies ist insbesondere bei der Betätigung einer verfassungsfeindlichen Gesinnung durch entsprechend symbolträchtige Tätowierungen der Fall, unabhängig davon, ob sie beim Tragen von Dienstkleidung sichtbar sind oder nicht (vgl. BVerwG, U. v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – BVerwGE 160, 370/377, 383 = juris Rn. 27, 50). Es ist ein legitimes Interesse des Antragsgegners, bereits den Anschein rechtsradikaler, rassistischer oder ausländerfeindlicher Tendenzen in der bayerischen Polizei zu vermeiden. Auch bei Anwärtern für den Polizeivollzugsdienst ist ein absolut korrektes Verhalten gegenüber der Rechtsordnung und im Umgang miteinander unabdingbar, vor allem auch unter Beachtung des Ansehens der Polizei in der Öffentlichkeit (BayVGH, B.v. 12.10.2017 – 6 CS 17.1722 – juris Rn. 14).
20
Gemessen daran hat der Antragsteller nicht glaubhaft machen können, dass er offensichtlich alle gesetzlichen Voraussetzungen für eine Einstellung erfüllt. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich und damit nicht glaubhaft gemacht, dass die tragende Begründung des Bescheids des Antragsgegners vom 12. August 2022 eindeutig nicht zutrifft. Nach summarischer Prüfung ist die Entscheidung des Antragsgegners, den Antragsteller aufgrund fehlender charakterlicher Eignung nicht weiter zum Auswahlverfahren für den Einstellungstermin März 2023 zur Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zuzulassen, nicht zu beanstanden.
21
Daran, dass der Antragsteller in Anbetracht seiner Tätowierungen – auch nach deren Beseitigung bzw. Überarbeitung – die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland einzutreten bzw. daran, dass er diesen Eindruck nach außen hin vermittelt, durfte der Antragsgegner berechtigt zweifeln.
22
So hat der Bayer. Verwaltungsgerichtshof zu den ursprünglich vorhandenen Tätowierungen des Antragstellers im sog. nicht-sichtbaren Bereich ausgeführt, dass aufgrund dieser Tätowierungen berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers vorhanden seien, ohne dass der Antragsgegner die Grenzen seines Beurteilungsspielraums überschritten hätte. Denn mit dem Tragen einer Tätowierung ist eine plakative Kundgabe verbunden, durch die eine mit ihr verbundene Aussage das „forum internum“ verlässt. Hierdurch erfolgt eine nach außen gerichtete und dokumentierte Mitteilung durch deren Träger über sich selbst. Dieser kommt im Falle der Tätowierung sogar ein besonderer Stellenwert zu, weil das Motiv in die Haut eingestochen wird und der Träger sich damit dauerhaft und in besonders intensiver Weise bekennt (so: BayVGH, B.v. 22.2.2021 – 3 CE 21.87 – Rn. 21 des unveröffentlichten Entscheidungsabdrucks; BVerwG, U.v. 17.11.2017 – 2 C 25.17 – juris Rn. 25). Dabei darf der Dienstherr im Rahmen der wertenden Würdigung des Verhaltens des Beamten auch den Inhalt von Tätowierungen in seine prognostische Einschätzung miteinfließen lassen, inwieweit der Bewerber den von ihm geforderten Anforderungen gerecht werden wird. Vorliegend hat der Antragsgegner im Hinblick auf die charakterliche Eignung keine Einstellungsvoraussetzung aufgestellt, die etwa eignungsfremde Zwecke verfolgen würde (so: BayVGH, B.v. 22.2.2021 – 3 CE 21.87 – Rn. 21 des unveröffentlichten Entscheidungsabdrucks; BVerfG, B.v. 21.4.2015 – 2 BvR 1322/12 – juris Rn. 77). Dabei hat sich Antragsgegner auch nicht darauf beschränkt, die Ablehnung auf das äußere Erscheinungsbild bzw. auf den optischen Eindruck zu stützen, der einem Betrachter durch die Tätowierung vermittelt wird, sondern ist aufgrund der Texte und der verwandten Schrifttype(n) zu der für die Ablehnung seiner Bewerbung letztlich ausschlaggebenden Einschätzung gelangt, es bestünden Zweifel an seiner charakterlichen Eignung (so: BayVGH, B.v. 22.2.2021 – 3 CE 21.87 – Rn. 21 des unveröffentlichten Entscheidungsabdrucks; vgl. auch: OVG NW, B.v. 5.9.2019 – 6 B 651/19 – juris Rn. 18; OVG BB, B.v. 26.9.2019 – 4 S 59.19 – juris Rn. 9).
23
Die nunmehr vom Antragsteller betriebene Beseitigung bzw. Umarbeitung der bei ihm vorhandenen Tätowierungen führt – unabhängig von dem Sachstand dieser Arbeiten – zu keiner anderen Einschätzung und insbesondere zu keiner nachhaltigen Entkräftung der Eignungszweifel. Es mag sein, dass die Änderung bzw. Beseitigung einer rein gestalterischen bzw. weltanschaulich oder politisch neutralen Tätowierung ohne weiteres zu einer Neubewertung im Hinblick auf das Vorliegen der beamtenrechtlichen Einstellungsvoraussetzungen führen kann. Eine solche Fallgestaltung ist hier indessen nicht gegeben. Denn beim Kläger lagen bzw. liegen Tätowierungen vor, deren Inhalt der Schriftzug und deren Gestaltung – wie in den oben genannten Entscheidungen dargelegt – gravierende Zweifel an seiner charakterlichen Eignung begründeten bzw. begründen. Eine Gesamtschau der Motive der beim Antragsteller vor der Umarbeitung bzw. Beseitigung vorhandenen Tätowierungen ließen bzw. lassen es nämlich nicht ausgeschlossen erscheinen, „dass die innere Einstellung (des Antragstellers) zumindest eine mangelnde Distanz zur Gewalt aufweist“ (so: BayVGH, B.v. 22.2.2021 – 3 CE 21.87 – Rn. 30 des unveröffentlichten Entscheidungsabdrucks). Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass es sich im Fall des Antragstellers nicht um eine einzelne, zweifelhafte bzw. möglicherweise missverständliche, beispielsweise im Rahmen einer spontanen jugendlichen Fehlentscheidung vorgenommene Tätowierung handelt. Es geht vielmehr um eine Mehrzahl offensichtlich über einen längeren Zeitraum und in verschiedenen Körperregionen entstandener großflächiger Tätowierungen mit einer – wie dargelegt – einheitlichen, die Annahme einer mangelnden Gewaltdistanzierung nahelegenden Zielrichtung. Dabei waren schon die bisherigen Erläuterungen des Antragstellers, diese Tätowierungen seien unbedenklich, nicht geeignet, die Zweifel an seiner charakterlichen Eignung auszuräumen, ohne dass es auf die äußere Sichtbarkeit der Tätowierungen angekommen wäre (vgl. hierzu: BayGH, B.v. 22.2.2021 – Az. 3 CE 21.87 – Rn. 23 des unveröffentlichten Entscheidungsabdrucks). Die nunmehr abgegebenen Erklärungen des Antragstellers, er habe „umfangreiche Änderungen an seinen Tätowierungen vorgenommen, die zum einen sehr zeitintensiv aber naturgemäß auch kostspielig“ gewesen seien (S. 2 f. des Schriftsatzes vom 25.12.2022) bzw. die Entfernung bzw. Änderungen der Tätowierungen dokumentierten „das aufrichtige und zu goutierende Bestreben (des Antragstellers), eine Ausbildung bei der bayerischen Polizei beginnen zu können“ (S. 2 des Schriftsatzes vom 20.5.2022) führen zu keiner anderen Beurteilung. Denn diese Erklärungen knüpfen offenkundig und ausschließlich an das äußere Erscheinungsbild der Tätowierungen an, legen aber nicht einmal ansatzweise dar, ob und in welcher Form damit die vom Antragsgegner – wie in den oben genannten Entscheidungen dargelegt – berechtigten Zweifel an der charakterlichen Eignung fortbestehen bzw. ob ein innerer Wandel des Antragstellers erfolgt ist.
24
Die Rechtsprechung des BVerfG (Kammerbeschluss vom 18.5.2022, Az. 2 BvR 1667/20) führt zu keiner anderen Einschätzung. Denn Gegenstand des Verfahrens ist gerade nicht ein generelles Verbot für Tätowierungen, sondern der Umstand, dass aus Art bzw. Inhalt von Tätowierungen Zweifel an der charakterlichen Eignung abgeleitet werden können.
25
Nach alledem waren sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag bereits aus diesen Gründen abzulehnen.
26
2. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen.
27
3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57), weil der Antragsteller nicht die vorläufige Einstellung in den Vorbereitungsdienst begehrt, sondern die Zulassung zum Einstellungsverfahren zum Einstellungstermin März 2023.