Inhalt

VGH München, Urteil v. 10.01.2023 – 24 B 22.1769
Titel:

Beihilfe für zahnmedizinische Behandlung: Keine gleichzeitige Abrechnung von Nachbehandlungsmaßnahme und Kontrolle nach chirurgischem Eingriff 

Normenketten:
BBG § 80 Abs. 1, Abs. 6
BBhV § 14 S. 1
GOZ § 4 Abs. 2 S. 2, Nr. 3290, Nr. 3300
Leitsatz:
Neben der Nachbehandlungsmaßnahme (GOZ-Nr. 3300) kann die Kontrolle nach chirurgischem Eingriff (GOZ-Nr. 3290) nicht für dasselbe OP-Gebiet und dieselbe Wunde in derselben Nachbehandlungssitzung berechnet werden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beihilfe, Zielleistungsprinzip, Kontrolle nach chirurgischem Eingriff als selbständige Leistung., zahnmedizinische Behandlung, Kontrolle nach chirurgischem Eingriff, Nachbehandlungsmaßnahme
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 23.12.2021 – M 17 K 19.6109
Fundstelle:
BeckRS 2023, 245

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 23. Dezember 2021 wird die Klage vollumfänglich abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10,67 Euro festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für zahnmedizinische Behandlungen. Er ist gegenüber der Beklagten beihilfeberechtigt. Der Bemessungssatz zu krankheitsbedingten Aufwendungen beträgt 50 v.H.
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Mit Bescheid vom 5. Juli 2019, geändert mit Bescheid vom 14. August 2019, erkannte die Beklagte hinsichtlich einer Rechnung vom 11. Juni 2019 in Höhe von 902,23 Euro nur einen Betrag in Höhe von 475,78 Euro als beihilfefähig an und gewährte dem Kläger dementsprechend eine Beihilfe in Höhe von 237,89 Euro (50 v.H. von 475,78 Euro). Die GOZ-Nr. 3290 sei in der gleichen Sitzung sowie in der gleichen Kieferhälfte nicht neben der GOZ-Nr. 3300 oder 3310 berücksichtigungsfähig. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 1. November 2019 den Widerspruch des Klägers vom 12. September 2019 zurück. Am 9. Dezember 2019 erhob der Kläger Klage.
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Mit Urteil vom 23. Dezember 2021 hob das Verwaltungsgericht München den Bescheid vom 5. Juli 2019, geändert am14. August 2019, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2019 teilweise auf und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 10,67 Euro zu gewähren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ könne der Zahnarzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis sei, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechne (sog. Zielleistungsprinzip). Insoweit seien gegen das Zielleistungsprinzip verstoßende durch den Zahnarzt abgerechnete Leistungen im Rahmen der Beihilfe nicht beihilfefähig. Hierdurch solle eine Doppelhonorierung von Leistungen verhindert werden. Die Abrechnung der Leistung nach GOZ-Nr. 3290 an den Behandlungstagen sei jeweils neben der Leistung nach GOZ-Nr. 3300 anzuerkennen, da die jeweiligen Nachbehandlungsmaßnahmen - am 28. Mai 2019 eine Wundreinigung, am 3. Juni 2019 eine Nahtentfernung und am 4. Juni 2019 eine Wundspülung - nach der Kontrolle der Wunde als selbstständige Maßnahmen vorgenommen worden seien. Die GOZ-Nr. 3290 sei für die Kontrolle nach einem chirurgischen Eingriff berechnungsfähig, ggf. auch im Sinne einer Sichtkontrolle, ohne Durchführen von Behandlungsmaßnahmen. Das Ergebnis der Kontrolle sei Grundlage für die nachfolgende Therapie. Die Vornahme von Nachbehandlungsmaßnahmen an der gleichen Wunde erfülle den Leistungsinhalt der Nr. 3300 und sei zusätzlich berechnungsfähig.
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Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Berufung. Eine Nachbehandlung sei nur nach einer Kontrolle der operativen Wunde möglich, da sie sich erst aus der Wundkontrolle ergebe. Dies habe das Verwaltungsgericht Stuttgart durch Urteil vom 2. März 2021 so bestätigt (9 K 5497/20). Die Wundkontrolle nach GOZ-Nr. 3290 sei Durchgangsstadium und könne nicht separat abgerechnet werden, denn sie sei ein methodisch notwendiger Bestandteil der Leistung nach GOZ-Nr. 3300. Ohne vorherige Inaugenscheinnahme einer Wunde sei keine Nachbehandlung denkbar. Bestätigt werde das auch durch die Begründung der Ersten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte vom 5. Dezember 2011 (BR-Drs. 566/11 vom 21.9.2011, S. 58). Auch die systematische Stellung der GOZ-Nr. 3290 als drittletzte Position in dem „Abschnitt D. chirurgische Leistungen“ vor der GOZ-Nr. 3300 (Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff) und 3310 (chirurgische Wundrevision) bestätige, dass die beiden letzteren Nummern „umfassendere Leistungen“ im Sinne der genannten Begründung seien. In der Gesamtschau der GOZ sei die jeweilige Bewertung von 65 Punkten für die Nachbehandlung nach GOZ-Nr. 3300 und von 55 Punkten für die Nachkontrolle nach GOZ-Nr. 3290 jedoch nicht ausschlaggebend. Es gebe in der GOZ eine Vielzahl von geregelten Sachverhalten, bei denen die Kontrolle und die Nachbehandlung in ihrer Bewertung nahezu gleich bewertet seien. So würden beispielsweise bei der GOZ-Nr. 4150 die Kontrolle und die Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff sogar tatsächlich gleichgesetzt, sodass die Ziffer einmal berechnet werden könne, egal, ob eine Nachkontrolle oder eine Nachkontrolle mit Nachbehandlung erbracht worden sei.
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Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2022,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 23. Dezember 2021 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger tritt dem Antrag entgegen und führt aus, es handele sich um Maßnahmen des behandelnden Arztes, die in ihrer Abfolge nacheinander erfolgt und jeweils auch separat auf den Behandlungserfolg beim Kläger gerichtet gewesen seien (sog. Zielleistungsprinzip). Die Behandlung habe erfolgen müssen, um den Status quo beim Kläger zu prüfen und um sodann weitere Maßnahmen - soweit erforderlich - ergreifen zu können.
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Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.
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Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte in beiden Instanzen und den Inhalt der vorgelegten Behördenakte.

Entscheidungsgründe

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1. Die zulässige Berufung, über die gemäß § 125 Absatz 1 Satz 1 VwGO i.V.m. mit § 101 Absatz 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden kann, ist begründet.
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Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat mit seinem Urteil vom 23. Dezember 2021 den Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2019/14. August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. November 2019 zu Unrecht aufgehoben und die Beklagte zu Unrecht dazu verpflichtet, dem Kläger weitere Beihilfe in Höhe von 10,67 Euro zu gewähren, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der erkennende Senat ist anders als das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass dem Kläger im maßgeblichen Zeitraum des Entstehens der Aufwendungen (28. Mai 2019 bis 4. Juni 2019) kein Anspruch auf Gewährung weiterer Beihilfe nach § 80 Absatz 1 und 6 Bundesbeamtengesetz (BBG) i. d. F. der Bek. vom 5. Februar 2009 (BGBl I 2009, 160), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29. November 2018 (BGBl I 2018, 2232), § 14 Satz 1 Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) i. d. F. der Bek. vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326), zuletzt geändert durch Berichtigung der Achten Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung (BBhVÄndV8Ber) vom 21. Januar 2019 (BGBl. I S. 46), § 6 Absatz 1 Satz 1 BBhV a.F., § 6 Absatz 3 Satz 1 BBhV a.F., § 4 Absatz 2 Satz 2 Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) i. d. F. der Bek. vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I S. 2316), zuletzt geändert durch ÄndBek vom 2. Juli 2012 (BAnz AT 2.7.2012 B3) zusteht. Vielmehr durfte entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts der behandelnde Zahnarzt neben der GOZ-Nr. 3300 für die Nachbehandlungsmaßnahmen Wundreinigung mit CHX am 28. Mai 2019, Nahtentfernung am 3. Juni 2019 und Wundspülung am 4. Juni 2019 nicht auch die GOZ-Nr. 3290 abrechnen. Die Beklagte hat die GOZ-Nr. 3290 zu Recht als nicht beihilfefähig angesehen, denn neben der Nachbehandlungsmaßnahme (GOZ-Nr. 3300) kann die Kontrolle nach chirurgischem Eingriff (GOZ-Nr. 3290) nicht für dasselbe OP-Gebiet und dieselbe Wunde in derselben Nachbehandlungssitzung berechnet werden, weil die Kontrolle notwendiges Durchgangsstadium und damit Bestandteil der Nachbehandlung ist.
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Nach § 14 Absatz 1 Satz 1 BBhV a.F. sind Aufwendungen für ambulante zahnärztliche und kieferorthopädische Untersuchungen und Behandlungen nach Maßgabe des § 6 grundsätzlich beihilfefähig. Gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 BBhV a.F. sind beihilfefähig grundsätzlich nur notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen. Aufwendungen für ärztliche, zahnärztliche und psychotherapeutische Leistungen sind nach § 6 Absatz 3 Satz 1 BBhV a.F. wirtschaftlich angemessen, wenn sie sich innerhalb des in der einschlägigen Gebührenordnung vorgesehenen Gebührenrahmens halten.
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Nach § 4 Absatz 1 GOZ sind Gebühren Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis (Anlage 1) genannten zahnärztlichen Leistungen. Nach § 4 Absatz 2 Sätze 1 bis 4 GOZ kann der Zahnarzt Gebühren nur für selbständige zahnärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Zahnarzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet (vgl. BVerwG, U.v. 5.3.2021 - 5 C 11.19 - juris Rn. 14). Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. Eine Leistung ist methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist.
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Ob der Arzt eine Forderung zu Recht geltend gemacht hat, ist eine der Beihilfegewährung vorgreifliche Rechtsfrage, die nach der Natur des Rechtsverhältnisses zwischen Arzt und Patienten dem Zivilrecht zuzuordnen ist. Hat das Zivilgericht - in welcher Instanz auch immer - den Beamten rechtskräftig zur Begleichung der Honorarforderung eines Arztes verurteilt, ist die Vergütung regelmäßig angemessen im Sinne des Beihilferechts (BVerwG, U.v. 5.3.2021 - 5 C 11.19 - juris Rn. 11).
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (U.v. 5.6.2008 - III ZR 239/07 - BGHZ 177,43 - juris Rn. 6) kommt dem Zielleistungsprinzip, das ebenfalls in § 4 Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) i. d. F. der Bek. vom 9. Februar 1996 (BGBl. I S. 210), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 21. Oktober 2019 (BGBl. I S. 1470) geändert worden ist (GOÄ), geregelt ist, eine klare abrechnungstechnische Bedeutung zu, die unmittelbar einleuchtet: „Der Arzt darf ein und dieselbe Leistung, die zugleich Bestandteil einer von ihm gleichfalls vorgenommenen umfassenderen Leistung ist, nicht zweimal abrechnen.“ Geben unterschiedliche Gebührenpositionen, die ihrer Legende nach durch den Arzt erfüllt worden sind, keine näheren Hinweise über ihr Verhältnis zueinander, ist zu prüfen, ob es sich um jeweils selbständige Leistungen handelt oder ob eine oder mehrere von ihnen als Zielleistung und die anderen als deren methodisch notwendigen Bestandteile anzusehen sind (VGH BW, B.v. 27.5.2021, VGH 2 S 1432/21, nicht veröffentlicht). Will man im Einzelnen prüfen, ob verschiedene ärztliche Leistungen (methodisch notwendige) Bestandteile einer anderen Leistung sind, damit eine doppelte Honorierung vermieden wird, kann man dies nur beantworten, wenn man zuvor Klarheit über den jeweiligen Leistungsumfang gewonnen hat. Dabei hat der Richter einen abstrakt-generellen Maßstab zugrunde zu legen. Auch aus der sehr differenzierten punktmäßigen Bewertung wird deutlich, dass der Verordnungsgeber bei der Beschreibung der verschiedenen Leistungen ein typisches Bild vor Augen hatte, zu dem nach den Kenntnissen medizinischer Wissenschaft und Praxis („Methode“) ein bestimmter Umfang von Einzelverrichtungen gehört (BGH, U.v. 5.6.2008 - III ZR 239/07 - BGHZ 177,43 - juris Rn. 9).
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Demnach sind zunächst die Leistungsinhalte zu bestimmen.
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Leistungsinhalt von GOZ-Nr. 3290 ist lediglich die Kontrolle der Wunde in Form einer in der Regel reinen Sichtkontrolle ohne weitere Maßnahmen (Kommentar der Bundeszahnärztekammer in Zusammenarbeit mit den (Landes-)Zahnärztekammern, Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) Stand August 2022, S.130, https://www.bzaek.de/ fileadmin/PDFs/goz/nov/goz-kommentar-bzaek.pdf; Liebold/Raff/Wissing, Kommentar BEMA + GOZ, GOZ-Nummer 3290 Anmerkung 2.1.; KOMMENTIERUNG DER PKV ZUR GEBÜHRENORDNUNG FÜR ZAHNÄRZTE (GOZ) Gebührenteil, Stand: 19. Oktober 2022, S. 123 ff. (https://www.pkv.de/fileadmin/user_upload/PKV/3_PDFs/GOAE-GOZ/GOZ_Gebuehrenteil.pdf).
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Leistungsinhalt der GOZ-Nr. 3300 ist eine Nachbehandlung nach einem chirurgischen Eingriff. Dies kann u. a. das Auswechseln einer Tamponade, das Entfernen einer Naht, die Spülung oder das Abtupfen der Wunde sein (KOMMENTIERUNG DER PKV ZUR GEBÜHRENORDNUNG FÜR ZAHNÄRZTE (GOZ) Gebührenteil, Stand: 19. Oktober 2022, S. 124 ff. (https://www.pkv.de/fileadmin/user_upload/PKV/3_PDFs/GOAE-GOZ/GOZ_Gebuehrenteil.pdf); Kommentar der Bundeszahnärztekammer in Zusammenarbeit mit den (Landes-)Zahnärztekammern, Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) Stand August 2022, S.131, https://www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/goz/nov/goz-kommentar-bzaek.pdf;).
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Um festzustellen, ob die Notwendigkeit einer Nachbehandlung oder Wundrevision gegeben ist, ist immer erst eine Sichtkontrolle erforderlich. Danach ergeben sich zwei Möglichkeiten: Entweder bleibt es bei der alleinigen Sichtkontrolle, wenn sich aus ihr kein weiterer Behandlungsbedarf ergibt. Diese ist dann als selbständige Leistung nach GOZ-Nummer 3290 abrechenbar. Oder es erfolgt aufgrund der Feststellungen aus der Sichtkontrolle ein Nachbehandlungsbedarf. Dann ist die Sichtkontrolle notwendiges Durchgangsstadium zu einer Nachbehandlung und deshalb in diesem Zusammenhang keine selbständige Leistung. Vielmehr wird die Kontrolle dann von der umfänglicheren Leistung der Nachbehandlung oder der noch umfänglicheren Wundrevision überdeckt (Liebold/Raff/Wissing, Kommentar BEMA + GOZ, GOZ-Nummer 3290 Anmerkung 2.1.).
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Auch die Begründung zur Ersten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte vom 5. Dezember 2011 (BR-Drs. 566/11 vom 21.09.2011; S. 58) spricht für diese Auslegung der GOZ-Nr. 3290: „Die in der Beschreibung der Leistung nach Nummer 3290 enthaltene Formulierung als selbständige Leistung bedeutet nicht, dass die Kontrolle nur als einzige Leistung berechnet werden kann. Ausgeschlossen ist die gesonderte Berechnung, wenn die Kontrolle als unselbständige Teilleistung einer in gleicher Sitzung anfallenden, anderen, umfassenderen Leistung anzusehen ist.“ Diese Begründung zeigt, dass der Verordnungsgeber auch hier am Zielleistungsprinzip weiter festhält. Die Argumentation, der zweite Satz der Begründung sei so zu verstehen, dass eine Wundkontrolle in der gleichen Sitzung nach der Operation nicht gesondert abgerechnet werden könne, da mit den umfassenderen Leistungen die chirurgischen gemeint seien, überzeugt nicht (so: Zahnärztekammer Berlin im Magazin für die Berliner Zahnärzteschaft (MBZ 11/2016, S. 51), www.zaek-berlin.de).
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In Anlage 1 Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen zur GOZ ist unter „D. Chirurgische Leistungen Allgemeine Bestimmungen“ geregelt: “1. Die primäre Wundversorgung (z.B. Reinigen der Wunde, Glätten des Knochens, Umschneidung, Tamponieren, Wundverschluss ohne zusätzliche Lappenbildung, gegebenenfalls Fixieren eines plastischen Wundverbandes) ist Bestandteil der Leistungen nach Abschnitt D und nicht gesondert berechnungsfähig.“
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Demnach wird vom Verordnungsgeber vorausgesetzt, dass unmittelbar nach dem chirurgischen Eingriff in der gleichen Sitzung eine primäre Wundversorgung stattfindet. Auch wenn bei dem Begriff der primären Wundversorgung nicht erwähnt wird, dass auch eine Sichtkontrolle der Wunde darunterfällt, ist diese Sichtkontrolle selbstverständliches Durchgangsstadium, um die primäre Wundversorgung mittels Reinigen der Wunde o.ä. überhaupt durchführen zu können.
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Daher kann mit der von der GOZ-Nr. 3290 erwähnten Kontrolle nur eine Kontrolle der Wunde in einer separaten Sitzung unabhängig von dem chirurgischen Eingriff gemeint sein (so auch: Liebold/Raff/Wissing, Kommentar BEMA + GOZ, GOZ-Nummer 3290 Anmerkung 2.1.; KOMMENTIERUNG DER PKV ZUR GEBÜHRENORDNUNG FÜR ZAHNÄRZTE (GOZ) Gebührenteil, Stand: 19. Oktober 2022, S. 79 ff. und S. 123 ff. (https://www.pkv.de/fileadmin/user_upload/PKV/3_PDFs/GOAE-GOZ/GOZ_Gebuerenteil.pdf). Für diese Auslegung spricht die systematische Gebührenordnungsposition, wonach unter D. zunächst die eigentlichen chirurgischen Leistungen (Nummer 3000 Entfernung eines einwurzeligen Zahnes usw. bis Nummer 3280 Lösen, Verlegen und Fixieren des Lippenbändchens) aufgezählt werden und erst danach die Maßnahmen die nach einem chirurgischen Eingriff in einer separaten Sitzung erfolgen können. Dabei wird zunächst die Kontrolle, gemeint ist die Sichtkontrolle der Wunde nach chirurgischem Eingriff, aufgezählt (Nummer 3290). Diese Sichtkontrolle ist hinsichtlich der gleichen Wunde immer notwendiges Durchgangsstadium der Nachbehandlung oder der Wundrevision.
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Dann folgt in der Gebührenposition die Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff (Nummer 3300), die nach der Sichtkontrolle erforderlich werden kann. Als nächste Gebührenposition folgt die GOZ-Nr. 3310: Sofern die Wunde nicht ordnungsgemäß ausheilt, kann nach der immer notwendigen Sichtkontrolle auch die im Verhältnis zur Nachbehandlung umfangreichere chirurgische Wundrevision (z.B. Glätten des Knochens, Auskratzen, Naht) notwendig werden. (KOMMENTIERUNG DER PKV ZUR GEBÜHRENORDNUNG FÜR ZAHNÄRZTE (GOZ) Gebührenteil, Stand: 19. Oktober 2022, S. 124 ff. (https://www.pkv.de/fileadmin/user_upload/PKV/3_PDFs/GOAE-GOZ/GOZ_Gebuehrenteil.pdf). Bei der Nachbehandlung oder bei der Wundrevision kann es zu Blutungen kommen, die gestillt werden müssen. Nach der amtlichen Begründung (BR-Drs. 566/11 vom 21.09.2011; S. 58) wird klargestellt, dass die Stillung einer übermäßigen Blutung (GOZ-Nr. 3060) nicht gesondert abrechenbar ist. Der Verordnungsgeber geht davon aus, dass die Stillung der Blutung Teil der Nachbehandlung oder der Wundrevision ist. Zudem kann nur entweder die Nachbehandlung oder die umfassendere Wundrevision abgerechnet werden, d.h. GOZ-Nr. 3300 und 3310 sind für dasselbe Operationsgebiet nur einmal abrechenbar, da die Nachbehandlung Teil der Wundrevision ist. Die gesonderte Berechnung der GOZ-Nr. 3290 wird bei den Erläuterungen der amtlichen Begründung zu der Leistung nach der Nummer 3290 bereits ausgeschlossen, wenn die Kontrolle als unselbständige Teilleistung einer in gleicher Sitzung anfallenden anderen, umfassenderen Leistung anzusehen ist. Daher wird bei den Erläuterungen zu den Leistungen nach Nummern 3300 und 3310 nicht erneut erwähnt, dass die GOZ-Nr. 3290 nicht neben GOZ-Nr. 3300 oder 3310 abrechenbar ist.
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Zudem regelt die GOZ-Nr. 4150 die Nachbehandlung im Anschluss an die in Anlage 1 Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen zur GOZ im Abschnitt E aufgeführten parodontalchirurgischen Maßnahmen. Hier sind sogar alle im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen an einem Zahn mit dem einmaligen Ansatz der Gebühr abgegolten (KOMMENTIERUNG DER PKV ZUR GEBÜHRENORDNUNG FÜR ZAHNÄRZTE (GOZ), Stand: 19. Oktober 2022, Seite 158). Demnach werden die Kontrolle und die Nachbehandlung hier sogar in ihrer Bewertung gleichgesetzt (Liebold/Raff/Wissing, Kommentar BEMA + GOZ, GOZ-Nummer 3290 Anmerkung 2.1.). Auf den vorliegenden Fall angewandt, kann daher davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber kein offensichtliches Missverhältnis zwischen der Bewertung der GOZ-Nr. 3290 (Kontrolle) mit 55 Punkten und der GOZ-Nr. 3300 (Nachbehandlung) mit 65 Punkten sieht. Auch deshalb gibt es keinen Anlass für eine Nebeneinanderabrechnung.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Absatz 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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3. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO und § 127 BRRG genannten Gründe vorliegt.