Inhalt

OLG München, Urteil v. 08.02.2023 – 7 U 8606/21
Titel:

Einstweilige Verfügung zur Ermöglichung bargeldloser Zahlungen in Schnellrestaurants

Normenketten:
ZPO § 253, § 937, § 940
BGB § 307, § 311 Abs. 2, § 1922
Leitsätze:
1. Enthalten Verträge keine Regelungen hinsichtlich der Gestaltung des Geschäftsbetriebs für die Dauer eines Schwebezustandes, sind die Lücken nach dem zu füllen, was die damaligen Vertragspartner redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen diese Problematik bewusst gewesen wäre. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Möglichkeit der Kartenzahlung in einem Schnellrestaurant wird heutzutage gerade bei jüngeren Kunden als selbstverständlich vorausgesetzt. Einschränkungen von Kartenzahlungsmöglichkeiten drohen daher solche Kunden vom Besuch von Lokalen abzuhalten. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweilige Verfügung, Verfügungsgrund, Franchisevertrag, Allgemeine Geschäftsbedingung, Vertragsauslegung
Vorinstanz:
LG München I vom -- – 8 HK O 13047/20
Fundstellen:
ZVertriebsR 2023, 259
LSK 2023, 2459
BeckRS 2023, 2459

Tenor

1. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verpflichtet, in den nach dem M,-System betriebenen Restaurants A. W. 10, … (Restaurant Nr. …12), N.Str. 12, … (Restaurant Nr. …81), E.str. 1, … (Restaurant Nr. …08) und M. Str. 14, … (Restaurant Nr. …97) [die „M.-Restaurants …“] Zahlungen von Kunden im unbaren Zahlungsverkehr mittels Giro-Karte, Debit-Karte, Kreditkarte (VISA, Master-Card und American Express), ApplePay und / oder GooglePay gemäß den verpflichtenden Richtlinien der Antragstellerin für den Betrieb von Restaurants nach dem M.-System an den dazu an allen Kassen, Kiosken und Drive-In-Schaltern vorgesehenen Kartenzahlungsterminals uneingeschränkt zu ermöglichen und diese Kartenzahlungsterminals unverzüglich wieder an Ort und Stelle in Betrieb zu nehmen und dauerhaft in Betrieb zu halten.
2. Der Antragsgegnerin wird es im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,- – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, untersagt, auf Plakaten, Hinweisschildern oder durch sonstige Medien in den M.-Restaurants …, in deren räumlichen Umfeld oder in Bezug auf die M.-Restaurants … und / oder deren räumliches Umfeld Nachrichten mit dem sinngemäßen Inhalt zu verbreiten, dass Kartenzahlungen nicht akzeptiert werden.
3. Der weitergehende Verfügungsantrag wird zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens haben die Antragstellerin 1/10 und die Antragsgegnerin 9/10 zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Parteien streiten im Rahmen eines beim Senat anhängigen Berufungsverfahrens im Wege der einstweiligen Verfügung um die Ermöglichung der bargeldlosen Zahlung in vier M.-Restaurants.
2
Der am ...2020 verstorbene P. H. [im Folgenden: Erblasser] betrieb die vier im Tenor genannten Restaurants und war insoweit über Franchise- und hinsichtlich ihres Erlöschens damit gekoppelten Unterpachtverträge mit der Beklagten (und Antragstellerin im hiesigen Verfügungsverfahren) verbunden. Hinsichtlich des Inhalts dieser (im Wesentlichen gleichlautenden) Verträge wird auf die Anlagen K 1 – K 4 und K 17 – K 20 im Hauptsacheverfahren Bezug genommen. Die Klägerin (und Antragsgegnerin im hiesigen Verfügungsverfahren) ist die durch Erbschein ausgewiesene Alleinerbin des Erblassers. Im Hauptsacheverfahren streiten die Parteien, ob die Klägerin wirksam in die Franchiseverträge eingetreten ist oder zumindest einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zustimmung zum Eintritt hat, oder ob die Franchiseverträge zwischenzeitlich wirksam beendet sind.
3
Mit Endurteil vom 3.11.2021 hat das Landgericht die Klage der Klägerin auf Zustimmung zum Eintritt bzw. Feststellung des Eintritts abgewiesen und auf Widerklage (unter Abweisung der weitergehenden, unter anderem auf Feststellung der Beendigung der Verträge im Erbfall gerichteten Widerklage) festgestellt, dass die Franchiseverträge mit Ablauf des 8.10.2020 geendet hätten. Dieses Urteil greift die Klägerin im gegenständlichen Berufungsverfahren vollumfänglich an, soweit es zu ihren Ungunsten ergangen ist.
4
Zwischen den Parteien ist streitig, wer gegenwärtig zur Führung der Restaurants berechtigt ist. Nachdem die Beklagte zunächst am 23.7.2020 gestützt auf § 13 Abs. 2 b Unterabsatz 2 der Franchiseverträge die Leitung der Restaurants übernommen hatte, hat sich die Klägerin am 28.6.2022 der Restaurants wieder bemächtigt und verfügt damit über die dort erzielten Bareinnahmen. Die unbaren Zahlungen laufen hingegen über die entsprechenden Zahlungsdienstleister auf ein von der Beklagten verwaltetes Konto.
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Ab dem 24.12.2022 erschwerte die Klägerin und nunmehrige Antragsgegnerin [im folgenden nur noch Antragsgegnerin] die Zahlungen mit unbaren Zahlungsmitteln, indem sie an den meisten Kassen und Selbstbedienungsterminals (im Sprachgebrauch der Parteien: Kioske) die Kartenlesegeräte abbauen bzw. durch Überkleben der Kartenschlitze unbrauchbar machen ließ. Hierauf wies sie mit Plakaten und Transparenten mit Aufschriften wie „Digitale Fastenwochen“ oder „Gares nur gegen Bares“ in und an den Lokalen hin. Derzeit ist eine Kartenzahlung in den streitgegenständlichen Restaurants an den Drive-in-Schaltern sowie an jeweils einer Kasse in den Innenräumen möglich, nicht jedoch an den Kiosken.
6
Hiergegen wendet sich die Beklagte und nunmehrige Antragstellerin (im folgenden nur noch Antragstellerin) mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Rahmen des beim Senat anhängigen Berufungsverfahrens.
7
Die Antragstellerin beantragt,
I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, in den nach dem M.-System betriebenen Restaurants A.W. 10, … (Restaurant Nr. …12), N. Str. 12, … (Restaurant Nr. …81), E.str. 1, … (Restaurant Nr. …08) und M. Str. 134, … [die „M. Restaurants …“] Zahlungen von Kunden im unbaren Zahlungsverkehr mittels Giro-Karte, Debit-Karte, Kreditkarte (VISA, Master-Card, American Express), ApplePay und / oder GooglePay gemäß den verpflichtenden Richtlinien der Antragstellerin für den Betrieb von Restaurants nach dem M.-System an den dazu an allen Kassen, Kiosken und Drive-In-Schaltern vorgesehenen Kartenterminals uneingeschränkt zu ermöglichen und diese Kartenzahlungsterminals unverzüglich wieder an Ort und Stelle in Betrieb zu nehmen.
II. Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 – ersatzweise Ordnungshaft – oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, untersagt,
B.
8
Die im Rahmen des Verfügungsverfahrens gestellten Anträge sind zulässig.
9
I. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 937 Abs. 1 ZPO. Der Senat ist im Hinblick auf die gestellten Eilanträge als Gericht der Hauptsache anzusehen.
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Richtig ist zwar, dass die Verfügungsanträge nicht zur Sicherung der Streitgegenstände der Hauptsache im Sinne von § 935 BGB dienen. Dort sind streitgegenständlich (neben der hilfshilfsweise geltend gemachten Feststellung eines Ausgleichsanspruchs) die Feststellung des Eintritts bzw. die Zustimmung seitens der Antragstellerin zum Eintritt der Antragsgegnerin in die Franchiseverträge (Klage) bzw. die Feststellung der Beendigung dieser Verträge (Widerklage). Der Verfügungsantrag zielt nicht auf Sicherung eines dieser Klageziele. Die Frage der Zulassung oder Nichtzulassung der Kartenzahlung in den Lokalen hat keinen Einfluss auf die Frage des Fortbestehens oder der Beendigung der Franchiseverträge; hierdurch werden die jeweiligen prozessualen Klageziele beider Parteien nicht gefährdet.
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Eine einstweilige Verfügung ist jedoch nach § 940 ZPO auch zulässig zur Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis. Streitiges Rechtsverhältnis ist hier (in der Hauptsache) das Bestehen von Franchiseverträgen zwischen den Parteien. Insoweit besteht in der Lebenswirklichkeit ein Schwebezustand zwischen den Parteien (näher dazu unten C I 1 c), der dadurch geprägt ist, dass – bei laufendem Restaurantbetrieb – beide Parteien das Recht zur Leitung der Lokale für sich in Anspruch nehmen und sich um die Einnahmen, insbesondere diejenigen aus Kartenzahlungen streiten. Damit wird bei Beendigung des Schwebezustandes jedenfalls eine Abrechnung zwischen den Parteien erforderlich werden, wobei eine Beendigung des Schwebezustandes frühestens mit der rechtskräftigen Entscheidung über das Bestehen der Franchiseverträge in der Hauptsache eintreten wird. Welche Rechtsregeln zwischen den Parteien für ihr Rechtsverhältnis während des Schwebezustandes bestehen, ist unklar, jedenfalls zwischen den Parteien streitig. Da die am Ende des Schwebezustandes vorzunehmende Abrechnung somit vom Ergebnis des Hauptsacheverfahrens determiniert wird, stellt sich die begehrte einstweilige Verfügung auf Ermöglichung der Kartenzahlung als einstweilige Regelung eines Zustandes (nämlich eines Teilaspekts des Schwebezustandes) in Bezug auf die Hauptsache dar. Damit ist der Senat als Hauptsachegericht zuständig.
II.
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Die Anträge sind auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 ZPO.
13
Anträge I und II 1 beschreiben das Verhalten, das der Antragsgegnerin geboten bzw. das sie unterlassen soll hinreichend konkret. Es werden die betroffenen Restaurants mit ihren Postanschriften, die zuzulassenden unbaren Zahlungsmittel in Einzelaufzählung und die in Betracht kommenden Zahlungsorte (alle – gemeint natürlich in den Restaurants eingerichteten – Kassen, Kioske und Drive-in-Schalter) aufgeführt. Dem Senat ist daher nicht nachvollziehbar, welcher Beurteilungsspielraum dem Vollstreckungsgericht bei der Beurteilung von Verstößen nach Ansicht der Antragsgegnerin noch verbleiben sollte.
14
In Antrag II 2 sind die betroffenen Restaurants durch Bezugnahme („M.-Restaurants …“, was in Antrag I definiert wird) konkret bezeichnet. Auch die geforderte Unterlassung wird nach Inhalt, Orten und verwendeten Medien so genau beschrieben, dass kein Zweifel über den Inhalt des Unterlassungsgebots bestehen kann.
III.
15
Nicht nachvollziehbar erscheint dem Senat die Argumentation der Antragsgegnerin zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin. Da unstreitig gegenwärtig eine Kartenzahlung nicht an allen Kassen bzw. Bestellsäulen der Lokale möglich ist und nach Auffassung der Antragsgegnerin auch kein Anspruch der Beklagten auf Ermöglichung der Kartenzahlung an allen Kassen besteht, ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin ihr Ziel einfacher als durch Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes erreichen könnte. Ob die geltend gemachten Verfügungsansprüche materiell bestehen, ist keine Frage der Zulässigkeit.
C.
16
Die Anträge I und II 2 sind begründet (vgl. Ziffern 1 und 2 des Tenors). Der Antrag II 1 ist als Unterlassungsantrag unbegründet und war daher als solcher zurückzuweisen (Ziffer 3 des Tenors); dem hinter dem Antrag stehenden Rechtsschutzbegehren hat der Senat durch Aufnahme der Wörter „und dauerhaft in Betrieb zu halten“ in Ziffer 1 des Tenors Rechnung getragen.
17
I. Der Antragsgegnerin war es durch einstweilige Verfügung zu gebieten, in den streitgegenständlichen Restaurants Kartenzahlungen uneingeschränkt zu ermöglichen und die vorgesehenen Kartenzahlungsterminals an allen Kassen wieder in Betrieb zu nehmen (Antrag I).
18
1. Der Verfügungsanspruch ergibt sich aus § 4 Abs. 2 der jeweiligen Franchiseverträge für die einzelnen Lokale.
19
a) Der Senat ist der Auffassung, dass die Antragstellerin ihr Begehren jedenfalls derzeit auf die Franchiseverträge unabhängig vom Ergebnis des Hauptsacheverfahrens stützen kann. Insoweit kommen nur drei denkbare Konstellationen in Betracht. Entweder (a) ist die Antragsgegnerin bereits in die Verträge eingetreten oder (b) ist die Antragsgegnerin noch nicht in die Verträge eingetreten, hat aber gegen die Antragstellerin einen Anspruch auf Zustimmung zum Eintritt, oder (c) ist die Antragsgegnerin weder bereits in die Verträge eingetreten noch hat sie einen Anspruch auf Zustimmung zum Eintritt.
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b) Im Fall (a) gelten die Franchiseverträge unproblematisch zwischen den Parteien.
21
c) In den Fällen (b) und (c) besteht der oben unter B I bereits angedeutete Schwebezustand zwischen den Parteien, der nachfolgend der näheren Erläuterung bedarf.
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aa) Auszugehen ist von der Situation bei Eintritt des Erbfalles, also beim Tod des Erblassers am 17.5.2020. In diesem Zeitpunkt trat die Klägerin als Alleinerbin in alle Rechtspositionen des Erblassers ein (§ 1922 BGB). Sie wurde also aus allen Lieferanten- und Arbeitsverträgen, die der Erblasser für den Betrieb der streitgegenständlichen Lokale geschlossen hatte, berechtigt und verpflichtet und trat auch in die aus dem Betrieb der Lokale folgenden öffentlich-rechtlichen Pflichten ein. Zudem erlangte sie im Erbfall den unmittelbaren Besitz an den Lokalen (§ 857 BGB).
23
Anders stellt sich die Lage nur hinsichtlich der Franchiseverträge dar. Auf der Basis von deren § 13 hing das Einrücken der Klägerin in die Verträge von einer Zustimmungserklärung der Beklagten ab (§ 13 Abs. 1 a) und konnte sich ein Unwirksamwerden der Verträge auch durch Zeitablauf gekoppelt mit dem Eintritt oder Nichteintritt von Bedingungen rückwirkend auf den Erbfall (§ 13 Abs. 1 d) oder ex nunc (§ 13 Abs. 1 c, § 13 Abs. 2 b Unterabs. 2) ergeben. Fest steht nur, dass die Verträge nicht schon durch den Tod des Erblassers allein unwirksam wurden. Nach der allgemeinen Dogmatik des Zivilrechts nötigt dieser Befund zur Annahme schwebend wirksamer Verträge ab dem Zeitpunkt des Erbfalles. Vertragspartner im Rahmen dieser schuldrechtlichen Sonderbeziehung zur Antragstellerin wurde nach § 1922 BGB der Erbe, also die Antragsgegnerin.
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Diese schuldrechtliche Sonderbeziehung ähnelt einem Vertragsverhandlungsverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 2 BGB, geht aber darüber hinaus, weil der Geschäftsbetrieb (der als solcher auf die Antragsgegnerin übergegangen war, vgl. oben) im Erbfall nahtlos weiterlief, also in der Lebenswirklichkeit eine Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien gelebt wurde. Aus diesem Grund wäre eine schuldrechtliche Sonderbeziehung zwischen den Parteien auch dann anzunehmen, wenn § 13 der Franchiseverträge unwirksam sein sollte. Abgesehen davon steht, nachdem das Landgericht der Widerklage der Antragsgegnerin auf Feststellung der Beendigung der Verträge zum Eintritt des Erbfalles als unbegründet abgewiesen hat und die Antragsgegnerin hiergegen weder Berufung noch binnen der Berufungserwiderungsfrist Anschlussberufung eingelegt hat, rechtskräftig fest, dass die Verträge jedenfalls nicht am 17.5.2020 endeten (vgl. BGH, Urteil vom 16.1.2008 – XII ZR 216/05, Rz. 19; MünchKomm / Gottwald, ZPO, 6. Aufl., § 322 Rz. 184; Zöller / Vollkommer, ZPO, 34. Aufl., vor § 322 Rz. 20).
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bb) Die Antragsgegnerin, die kraft Gesetzes (§§ 1922, 857 BGB) in den im Zeitpunkt des Erbfalles laufenden Geschäftsbetrieb eintrat, wirtschaftete also gegenüber den Lieferanten, Arbeitnehmern und Kunden des Erblassers aus eigenem Recht und gegenüber der Antragstellerin, also hinsichtlich der Franchisebeziehung in einem Schwebezustand.
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Der Schwebezustand wurde dadurch, dass die Antragstellerin gestützt auf § 13 Abs. 2 b der Franchiseverträge im Juli 2020 die Leitung der Restaurants übernahm, nicht beendet, sondern vielmehr vertieft. Denn sie hatte nach der genannten Bestimmung die Lokale gegen Auslagenersatz und eine angemessene Entschädigung für Rechnung des Erben zu führen. Damit wurde die bestehende Sonderbeziehung der Parteien noch um ein Abrechnungsverhältnis ergänzt. (Ein solches Abrechnungsverhältnis bestünde wegen der geschaffenen Fakten auch dann, wenn man mit der Antragsgegnerseite von einer Unwirksamkeit des § 13 Abs. 2 b FV ausginge.)
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Am Schwebezustand änderte sich auch nichts dadurch, dass die Antragsgegnerin seit Juni 2022 die Leitung der Restaurants wieder für sich reklamiert und diese übernommen hat und die Antragstellerin dies in der Lebenswirklichkeit hinnimmt. Denn jedenfalls ist mangels Abrechnung das Abrechnungsverhältnis noch nicht beendet. Nach der gelebten Praxis fließen die Bargeldeinnahmen an die Antragsgegnerin, während die Einnahmen aus Kartenzahlungen auf ein von der Antragstellerin verwaltetes Konto laufen. Die Antragsgegnerin trägt offenbar die laufenden Kosten (insbesondere Löhne inklusive Abgaben, Lieferanten), die von der Antragstellerin anscheinend (zum Teil) erstattet werden oder wurden. Auch scheinen die vertraglich geschuldeten Leasing- und Pachtgebühren an die Antragstellerin zu fließen. Wie immer man die Rechtsverhältnisse der Parteien und deren eventuelle Beendigung im Hauptsacheverfahren qualifiziert, wird zu gegebener Zeit eine Generalabrechnung mit einem Saldo zugunsten der einen oder der anderen Seite zu erfolgen haben.
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d) Der Senat ist der Auffassung, dass während dieses Schwebezustandes zwischen den Parteien, jedenfalls was die Gestaltung des laufenden Geschäftsbetriebes angeht, die Regelungen der Franchiseverträge gelten.
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Dies ergibt sich zum einen unter dem Gesichtspunkt der ergänzenden Vertragsauslegung. Wie dargestellt ist der nunmehr eingetretene Schwebezustand in den Regelungen der Franchiseverträge angelegt. Die Verträge enthalten aber keine Regelungen hinsichtlich der Gestaltung des Geschäftsbetriebs für die Dauer des Schwebezustandes und sind insofern lückenhaft. Die Lücke ist nach dem zu füllen, was die damaligen Vertragspartner (also der Erblasser und die Antragstellerin) redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen diese Problematik bewusst gewesen wäre. Die Antragstellerin wäre naturgemäß an der Beachtung ihrer Systemstandards auch für diesen Fall interessiert gewesen. Der Erblasser hätte sich redlicherweise hierauf eingelassen, da ihm im Zweifel an einer dauerhaften gedeihlichen Zusammenarbeit seiner Erben mit der Antragstellerin gelegen sein musste. Daher ist davon auszugehen, dass die Vertragsparteien insoweit die Geltung des Franchisevertrages für die Dauer des Schwebezustandes vereinbart hätten.
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Zum selben Ergebnis führen die Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag. Wenn man einmal unterstellen wollte, dass jedenfalls derzeit kein voll wirksames Franchiseverhältnis zwischen den Parteien besteht (das sind die obigen Konstellationen (b) und (c)), dann führt die Antragsgegnerin, wenn sie Hamburger unter der Marke M. verkauft, jedenfalls insoweit ein Geschäft der Antragstellerin, ohne dazu berechtigt zu sein. Da sie sich aber für berechtigt hält, also meint, ein eigenes Geschäft zu führen, liegt die Konstellation des § 687 BGB vor, für die die entsprechende Geltung des § 677 BGB angeordnet ist. Sie hat das „Geschäft“ (= die Anwendung des Franchisesystems) im Interesse und entsprechend dem (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen der Antragstellerin zu führen. Dieser Wille wiederum ergibt sich jedenfalls aus den Franchiseverträgen.
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e) Gemäß § 4 Abs. 2 der Franchiseverträge ist die Antragsgegnerin verpflichtet, in den streitgegenständlichen Lokalen uneingeschränkt, d.h. an allen Kassen und Selbstbedienungssäulen die unbare Zahlung zu ermöglichen.
32
aa) Nach der genannten Vorschrift hat der Franchisenehmer „das M.-System in seiner jeweils gültigen Fassung, wie es in den von Zeit zu Zeit aktualisierten Betriebshandbüchern, Dokumentationsmaterialien, schriftlichen Richtlinien, Plänen etc. bekannt gegeben und beschrieben ist, anzuwenden und die entsprechenden Grundsätze und Richtlinien zu beachten“ und hat der Franchisegeber bei Änderungen „die angemessenen Interessen des Franchise-Nehmers entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben angemessen zu berücksichtigen“. Der Senat hält diese Bestimmung einschließlich des darin enthaltenen Änderungsvorbehalts für wirksam.
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Zwar handelt es sich zweifellos und unbestritten um eine von der Antragstellerin gestellte allgemeine Geschäftsbedingung. Sie benachteiligt jedoch die Antragstellerin nicht unangemessen im Sinne von § 307 BGB. Die Bindung des Franchisenehmers an den Systemstandard ist ein Wesenselement des Franchisesystems, ohne das das System nicht funktionieren könnte. Dazu gehört auch die Möglichkeit von Systemänderungen. Das Vorsehen von Änderungen der Standards durch den Franchisegeber entspricht daher den wesentlichen Grundgedanken des Franchiserechts (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Dass der Franchisegeber dieses einseitige Leistungsbestimmungsrecht nur nach billigem Ermessen ausüben darf (§ 315 BGB), kommt in der Vertragsklausel hinreichend dadurch zum Ausdruck, dass auf die Interessen des Franchisenehmers und auf die Grundsätze von Treu und Glauben verwiesen wird.
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Kein Kriterium gegen die Wirksamkeit des § 4 Abs. 2 der Verträge ist, dass die Antragstellerin eine Kündigungserklärung (über deren Wirksamkeit zu gegebener Zeit zu befinden sein wird) auf die Klausel gestützt hat. Denn insoweit ist zwischen der Frage, ob aus der Vorschrift eine Verpflichtung der Antragsgegnerin folgt, und der (logisch nachgelagerten) Frage, ob ein Verstoß gegen diese Verpflichtung eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt (die neben einem Pflichtverstoß eine Vielzahl weiterer Voraussetzungen hat), zu trennen. Insofern kann aus der Tatsache, dass die Antragstellerin versucht hat, eine (wohl vorsorgliche) außerordentliche Kündigung auf die Vorschrift zu stützen, nichts für die Auslegung und die Wirksamkeit der Vorschrift gewonnen werden.
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bb) Dass die Möglichkeit der bargeldlosen Zahlung an allen Kassen und Bestellsäulen zum zu beachtenden Konzept der Antragstellerin gehört, ergibt sich zur Überzeugung des Senats schon aus der Tatsache, dass diese Möglichkeiten (wohl schon im Erbfall, aber jedenfalls bei „Rückübernahme“ der Leitung der Lokale durch die Antragsgegnerin im Juni 2022) in den Lokalen tatsächlich eingerichtet und vorhanden waren. Daher verbietet es nach Auffassung des Senats die generelle Pflicht des Franchisenehmers zur Beachtung von Systemstandards, hinter einmal in der Lebenswirklichkeit gesetzte Standards ohne Abstimmung mit dem Franchisegeber zurückzugehen.
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Vor diesem Hintergrund hält es der Senat nicht für ausschlaggebend, ob die Richtlinien gemäß Anlagen ASt 8 und 9, auf die sich die Antragstellerin stützt, jemals an den Erblasser und die Antragsgegnerin übermittelt wurden. Für die angesichts der Zeitläufe mehr als naheliegende Möglichkeit, dass die unbare Zahlung in M.-Restaurants zum Systemstandard gehören, spricht auch die als Anlage ASt 10 vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Vice President O. Z. der Antragstellerin.
37
cc) Abgesehen davon wäre eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Ermöglichung der Kartenzahlung an allen in den streitgegenständlichen Restaurants vorhandenen Kassen und Terminals spätestens durch das Schreiben der Antragstellervertreter vom 28.12.2022 begründet worden, in welchem die Antragsgegnerin zur sofortigen Wiederherstellung der uneingeschränkten Verfügbarkeit der bargeldlosen Zahlungssysteme aufgefordert wurde. Dies erfolgte (unter anderem auch) unter Bezugnahme auf die Systemstandards des McDonald’s-Systems.
38
Selbst wenn man unterstellt, dass zuvor keine entsprechende Richtlinie bestanden oder der Antragsgegnerin bzw. dem Erblasser bekannt gemacht worden wäre, läge spätestens hierin das Setzen einer entsprechenden Richtlinie gegenüber der Klägerin gemäß § 4 Abs. 2 der Franchiseverträge. Die dort vorgesehene Schriftform ist gewahrt. Inhaltlich hält die damit (unterstellt) neu gesetzte Regelung der Billigkeitsprüfung gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 der Franchiseverträge bzw. § 315 BGB stand. Insbesondere kann die Antragsgegnerin eine Unbilligkeit nicht aus der Tatsache herleiten, dass in der Lebenswirklichkeit ihr die Bargeldeinnahmen, der Antragstellerin aber die unbaren Einnahmen zufließen. Das Rechtsverhältnis der Parteien ist derzeit geprägt durch das skizzierte Abrechnungsverhältnis. Wenn man unterstellt, dass die unbaren Einnahmen der Antragsgegnerin zustehen, sind ihr diese durch die gelebte Praxis nicht endgültig verloren, sondern werden einen Rechnungsposten in der schlussendlich vorzunehmenden Abrechnung darstellen.
39
2. Der Verfügungsgrund ergibt sich aus der Erwägung, dass senatsbekannt die Möglichkeit der Kartenzahlung heutzutage gerade bei jüngeren Kundenkreisen als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Einschränkungen von Kartenzahlungsmöglichkeiten drohen daher (unabhängig von den konkret vorgelegten Kundenreklamationen, deren Authentizität bestritten ist), solche Kunden vom Besuch von Lokalen abzuhalten.
40
Da nicht vorausgesetzt werden kann, dass der durchschnittliche Besucher eines Schnellrestaurants die Franchise-Strukturen durchblickt, wird er die eingeschränkte Kartenzahlung in den streitgegenständlichen Lokalen mit M. insgesamt und damit auch mit den von der Antragstellerin selbst oder von anderen Franchisenehmern der Antragstellerin geführten Lokalen in Verbindung bringen. Damit drohen der Antragstellerin selbst und ihren anderen Franchisenehmern erhebliche Imageeinbußen gerade in jüngeren Kundenkreisen, die ein Zuwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht angezeigt erscheinen lassen.
41
Vor diesem Hintergrund wird ein Verfügungsgrund nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich – nach dem Vortrag der Antragsgegnerin – in den streitgegenständlichen Lokalen ein konkreter Umsatzrückgang während der Dauer der eingeschränkten Kartenzahlungsmöglichkeiten nicht feststellen ließ.
42
Für nicht durchschlagend erachtet der Senat insoweit auch den Vortrag der Antragsgegnerin, dass die vorhandenen Kartenlesegeräte häufig nicht funktionierten und die Antragstellerin keine Eile bei deren Reparatur bzw. Neubedatung zeige. Denn in der öffentlichen Wahrnehmung macht es einen Unterschied, ob eine technische Möglichkeit nicht fehlerfrei arbeitet oder ob sie gar nicht erst angeboten wird.
43
II. Hingegen konnte Antrag II 1 in der gestellten Form nicht entsprochen werden.
44
Der Antrag ist eindeutig dahin zu verstehen, dass – über Antrag I hinaus – die Möglichkeit von Kartenzahlungen in den Restaurants (nicht nur wiederhergestellt, sondern auch) dauerhaft sichergestellt werden soll. Dass die Antragstellerin dies von der Antragsgegnerin verlangen kann, ergibt sich grundsätzlich entsprechend den Ausführungen oben unter C I.
45
Insoweit handelt es sich allerdings nicht um ein (durch Unterlassungsantrag verfolgbares und gegebenenfalls nach § 890 ZPO vollstreckbares) Unterlassungsbegehren, sondern das Rechtsschutzziel der Antragstellerin ist auf ein positives Tun, nämlich das Inbetriebhalten der Zahlungsvorrichtungen gerichtet. Dies zeigt sich schon daran, dass die Antragstellerin ihr Unterlassungsbegehren nur mit Hilfe einer doppelten Verneinung zu formulieren vermag, was nach den allgemeinen Regeln der Logik belegt, dass der Sache nach ein positives Tun begehrt wird.
46
Der Unterlassungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen. Allerdings konnte dem berechtigten Rechtsschutzziel der Antragstellerin angesichts der eingeschränkten Antragsbindung des Senats im Verfahren des Eilrechtsschutzes dadurch entsprochen werden, dass der Tenor zu Antrag I um die Verpflichtung, die Terminals dauerhaft in Betrieb zu halten, erweitert wurde.
47
III. Als begründet erweist sich dem gegenüber das Unterlassungsbegehren gemäß Antrag II 2.
48
Der Verfügungsanspruch ergibt sich ebenfalls aus § 4 Abs. 2 der Franchiseverträge. Nach Auffassung des Senats ergibt sich aus der Verpflichtung, Kartenzahlungen zu ermöglichen, als Annex auch das Verbot, die (hiernach vertragswidrige) Unmöglichkeit der Kartenzahlungen mit Transparenten, Plakaten o.ä. zu bewerben. Die für die Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch den Erstverstoß indiziert.
49
Der Verfügungsgrund ergibt sich aus denselben Erwägungen wie oben unter C I 2.
D.
50
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
51
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich hinsichtlich des stattgebenden Ausspruchs deklaratorisch aus der Natur des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Thomas / Putzo / Seiler, ZPO, 43. Aufl., § 708 Rz. 7) und im übrigen aus §§ 708 Nr. 6, 711, 713 ZPO.
52
Eine Entscheidung über die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 542 Abs. 2 ZPO.
Verkündet am 08.02.2023